Spruch:
Der Rekurs und der außerordentliche Revisionsrekurs werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Kläger sind zu je einem Drittel Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** W*****, mit der Adresse I*****, S***** Straße
4. Der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte sind im Verhältnis zwei Fünftel zu drei Fünftel Eigentümer der Nachbarliegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** W*****, mit der Adresse I*****, S***** Straße 2.
Die Kläger begehren in der Klage, die Beklagten schuldig zu erkennen, jegliche Ableitung von Wasser, insbesondere Niederschlagswasser, vom Dach des Hauses I*****, S***** Straße 2, über das Dach bzw. die Dachrinne des Hauses I*****, S***** Straße 4, zu unterlassen. Im Schriftsatz ON 9 "modifizierten" die Kläger das (Haupt-)Begehren dahin, daß sie das Klagebegehren um das Begehren, der Beklagten aufzutragen, "die derzeit hierfür von den Beklagten auf dem Hause S***** Straße 4 angebrachten Regenrohre zu entfernen", ergänzten. Gleichzeitig stellten die Kläger zwei Eventualbegehren. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15.7.1994 trugen die Kläger den Schriftsatz vor. Die Beklagten sprachen sich gegen die Zulassung der Klageänderung aus. In derselben Verhandlung erstatteten die Kläger neues Vorbringen und trugen im Anschluß daran das geänderte Hauptbegehren und die Eventualbegehren erneut vor. Im Protokoll ist unmittelbar daran anschließend festgehalten: "Der Beklagtenvertreter bestreitet und spricht sich neuerdings gegen die Zulassung des geänderten Klagebegehrens aus".
Das geänderte Begehren wurde weder im Schriftsatz ON 9 noch in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15.7.1994 bewertet. In der Klage war der Wert des Unterlassungs(haupt)begehrens mit S 100.000 angegeben worden. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 31.5.1994 gab der Klagevertreter bekannt, jedes der Begehren (in jenem Zeitpunkt gab es ein Unterlassungsbegehren und ein Eventualbegehren auf Instandhaltung der Regenrinnen und Abflußrohre) mit S 100.000 zu bewerten.
Das Erstgericht gab dem geänderten Hauptbegehren statt, ohne über die Klageänderung ausdrücklich abzusprechen.
Das Berufungsgericht hob den Ausspruch, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, "die derzeit von den Beklagten angebrachten Regenrohre zu entfernen", ersatzlos auf und ließ die darin liegende Klageänderung nicht zu. Im übrigen wurde das Urteil in der Hauptsache bestätigt. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig seien.
Die Klageänderung sei unzulässig, weil durch die Zulassung des geänderten Begehrens die Zuständigkeit des Erstgerichtes überschritten worden sei. Die Beklagten hätten sich ausdrücklich gegen die Zulassung der Klageänderung ausgesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs der Kläger ist jedenfalls unzulässig; der eventualiter erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Die Kläger sind der Auffassung, daß das Berufungsgericht mit der Nichtzulassung der Klageänderung einen Teil des Urteilsbegehrens ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen habe. Der Rekurs sei daher gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig. Zulässig sei aber jedenfalls der außerordentliche Revisionsrekurs. Die Kläger hätten das Klagebegehren nur präzisiert. Sie hätten deutlich zum Ausdruck gebracht, das präzisierte Begehren gleich wie das ursprüngliche Begehren zu bewerten. Klageänderungen seien im übrigen tunlichst zuzulassen.
Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO kann gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluß des Berufungsgerichtes Rekurs erhoben werden, wenn das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat. Lehre und Rechtsprechung wenden § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog auf Aufhebungsbeschlüsse an, mit denen - ohne Zurückweisung der Klage aus formellen Gründen - dem Verfahren ein Ende gesetzt wird, so daß sie einer Klagezurückweisung gleichkommen (SZ 49/25 mwN; Kodek in Rechberger, ZPO § 519 Rz 3 mwN). Voraussetzung ist, daß der Rechtsschutz abschließend (definitiv) verweigert wird (Fasching IV 410; ders., Lehrbuch**2 Rz 1981; Stohanzl, JN ZPO14 § 519 Anm 2; Rechberger/Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts4 Rz 876).
Die Lehre wendet § 519 Abs 1 Z 1 ZPO (ua) dann an, wenn das Berufungsgericht in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung eine Klageänderung nicht zuläßt (Fasching IV 411; ders., Lehrbuch**2 Rz 1981; Kodek aaO; Rechberger/Simotta aaO). Auch in der Rechtsprechung (JBl 1960, 21) wurde diese Auffassung vertreten; sie kann für den vorliegenden Fall nicht aufrechterhalten werden (s auch 4 Ob 501, 1501/94; in dieser Entscheidung wurde offengelassen, ob diese Ansicht aufrechtzuerhalten ist). Das Erstgericht hat die Klageerweiterung zugelassen, indem es über das erweiterte Begehren entschieden hat. Es hat damit die Zulässigkeit der Klageerweiterung bejaht; diese Frage wurde demnach vom Berufungsgericht nicht erstmals aufgegriffen. § 519 Abs 1 Z 1 ZPO soll aber nach der Absicht des Gesetzgebers (nur) jene Fälle erfassen, in denen das Berufungsgericht funktionell gleichsam als erste Instanz abschließend entscheidet (Kodek aaO mwN).
Wird - wie hier - eine Klageerweiterung nicht zugelassen, so wird der Rechtsschutz auch nicht abschließend verweigert. Dem Kläger ist es unbenommen, den Anspruch, um den die Klage erweitert werden sollte (hier: Beseitigungsanspruch), in einer neuen Klage geltend zu machen (s EvBl 1992/59 = AnwBl 1992, 677 = NRsp 1992/87 = RZ 1993/78 zum analogen Fall der Zurückweisung einer Aufrechnungseinrede; Kodek aaO). Dem Kläger steht - bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 528 Abs 1 ZPO - ein außerordentlicher Revisionsrekurs offen, wie er ihn auch erheben könnte, hätte das Erstgericht die Klageerweiterung mit Beschluß zugelassen und hätte das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluß dahin abgeändert, daß es die Klageerweiterung nicht zuließ.
Es ist daher zu prüfen, ob der eventualiter erhobene außerordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Dazu ist zu erwägen:
Nach Eintritt der Streitanhängigkeit kann die Klage nur mehr mit Einwilligung des Gegners geändert werden. Die Einwilligung des Gegners ist als vorhanden anzunehmen, wenn er, ohne gegen die Änderung eine Einwendung zu erheben, über die geänderte Klage verhandelt. Das Gericht kann eine Änderung selbst nach Eintritt der Streitanhängigkeit und ungeachtet der Einwendungen des Gegners zulassen, wenn durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht überschritten wird und aus ihr eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist (§ 235 Abs 2 und 3 ZPO).
Für Klagen, mit denen die Unterlassung der Ableitung von Wasser und die Entfernung von Dachrinnen begehrt wird, besteht keine Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes. Die Wertzuständigkeit der Bezirksgerichte ist mit S 100.000 an Geld oder Geldeswert begrenzt (§ 49 Abs 1 JN). Nach § 56 Abs 2 JN hat der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Unterläßt der Kläger eine Bewertung, so gilt der Betrag von S 30.000 als Streitwert.
Die Kläger haben das Unterlassungsbegehren in der Klage und auch in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 31.5.1994 mit S 100.000 bewertet. Mit ihrem Begehren, den Beklagten auch die Entfernung der Dachrinnen aufzutragen, haben sie ein neues Begehren erhoben. Sie haben damit keineswegs ihr Unterlassungsbegehren nur "präzisiert", umfaßt doch das Verbot, Wasser durch eine bestimmte Dachrinne abzuleiten, nicht auch das Gebot, diese Dachrinne zu entfernen. Das zeigt sich schon darin, daß die Kläger aufgrund ihres Unterlassungstitels gegen die Beklagten nicht Exekution führen können, wenn die Beklagten durch die Dachrinnen kein Wasser mehr ableiten, obwohl diese nach wie vor vorhanden sind (vgl JBl 1990, 119 = ÖBl 1990, 132 - Die wärmste Wäsche der Welt; ecolex 1991, 788 = ÖBl 1991, 115 - Nr. 1 in Brausen; vgl auch Teplitzky, Die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum wettbewerbsrechtlichen Anspruchs- und Verfahrensrecht VII, GRURInt 1995, 627 [628], wonach der BGH Unterlassungsanspruch und Beseitigungsanspruch als wesensverschieden beurteilt).
Die Kläger hätten daher ihr Beseitigungsbegehren bewerten müssen; da sie dies unterlassen haben, gelten gemäß § 56 Abs 2 JN S 30.000 als Streitwert. Damit wurde aber, weil die Ansprüche gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen sind, die bezirksgerichtliche Zuständigkeitsgrenze von S 100.000 überschritten. Das schloß eine Zulassung der Klageänderung gegen den Willen der Beklagten unabhängig davon aus, ob es zweckmäßig gewesen wäre, über den Beseitigungsanspruch mitzuentscheiden.
Die Beklagten haben sich ausdrücklich gegen die Klageänderung ausgesprochen. Sie haben auch nicht, wie die Kläger behaupten, über die geänderte Klage verhandelt, ohne sich vorher dagegen ausgesprochen zu haben. Erwidert nämlich ein Beklagter auf eine Klageänderung, daß er das Vorbringen des Klägers bestreite und sich gegen die Klageänderung ausspreche, dann kann ihm nicht entgegengehalten werden, er habe bereits durch den Gebrauch des Wortes "Bestreiten" sein Widerspruchsrecht verwirkt (4 Ob 36/93; 4 Ob 532/95).
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes, die Klageänderung nicht zuzulassen, steht daher im Einklang mit der Rechtsprechung. Eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 528 Abs 1 ZPO liegt nicht vor.
Rekurs und außerordentlicher Revisionsrekurs waren zurückzuweisen.
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