Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.360,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 669,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei vertreibt landwirtschaftliche Werkzeuge und Verschleißartikel, Haushaltwerkzeuge sowie Werkzeuge für Industrie und Gewerbe. In einer im August 1985 versendeten Werbebroschüre machte sie folgende Angaben:
"Ein junges dynamisches Unternehmen stellt sich vor. Knapp 1 Jahr jung - und schon einer der Großen in Österreich. Über zwanzig Jahre Erfahrung der führenden Mitarbeiter sind die erfolgversprechende Basis für den Betrieb.
15.000 Produkte aus dem Bereich Werkzeug, Maschinen und Geräte für Landwirtschaft und Gewerbe decken nicht nur jeden Bedarf, sie ermöglichen zusätzlich eine extrem günstige Preisgestaltung für unsere Kunden.
Dieser Prospekt stellt einen Auszug aus unserem Großlager dar, mit garantierter Qualität, zu wirklich günstigen Preisen....."
Die klagende Mitbewerberin begehrte zuletzt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr bei der Werbung und dem Vertrieb von Waren wie Werkzeugen, Werkzeugteilen, Maschinen, Geräten und Landmaschinenersatzteilen unrichtige und zur Irreführung geeignete Angaben, insbesondere die Behauptungen, "einer der Großen in Österreich" zu sein und über ein "Großlager" zu verfügen, zu unterlassen; das damit verbundene Veröffentlichungsbegehren ist infolge rechtskräftiger Abweisung durch die zweite Instanz nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Die Behauptungen der beklagten Partei seien unrichtig, weil es mehrere Unternehmen desselben Geschäftszweiges gebe, die das Unternehmen der beklagten Partei in der Verkaufs- und Lagerfläche, der Höhe des Umsatzes, der Zahl der Arbeitnehmer und der angebotenen Artikel bei weitem überträfen. Die beklagte Partei habe auch kein "Großlager". Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die beanstandete Wendung sei eine zulässige "reklamhafte Übertreibung", die nicht zur Irreführung geeignet sei. Mit der Äußerung, "einer der Großen in Österreich" zu sein, habe die beklagte Partei nicht behauptet, das "größte" Unternehmen oder ein "führendes" Unternehmen des betreffenden Geschäftszweiges zu sein. Da die beklagte Partei 15.000 Artikel anbiete, könne auch von einem "Großlager" gesprochen werden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende wesentliche Feststellungen:
Das Unternehmen der beklagten Partei wurde am 30. November 1984 eröffnet. Die beklagte Partei führt ca. 20 Warengruppen und 20.000 Artikel, wovon etwa 6.000 bis 7.000 Stück lagernd sind. Die Geschäfts- und Lagerräume des Unternehmens haben ein Gesamtausmaß von 900 m2; davon werden 300 bis 400 m2 als Lager verwendet. Die beklagte Partei beschäftigt 10 Arbeitnehmer. Mit der Lagerhaltung ist ein Arbeiter betraut, der auch noch andere Funktionen im Unternehmen wahrzunehmen hat. Im Jahr 1985 betrug der Umsatz der beklagten Partei 13,6 Millionen Schilling; hievon entfielen auf den Versand S 660.000,--. Für das Jahr 1986 bestand eine Umsatzerwartung von 20 Millionen Schilling; der Anteil des Versandhandels wurde auf 20 % geschätzt. Die Kunden der beklagten Partei kommen vornehmlich aus der Industrie, dem Gewerbe, der Landwirtschaft und dem privaten Bereich.
Die beklagte Partei gehört, gemessen an Lagerfläche, Warensortiment, Umsatz und Mitarbeiterzahl in Österreich, nicht zu den großen Unternehmen im Handel mit Werkzeugen, Maschinen und Geräten für Landwirtschaft und Gewerbe. Die Firmen E***-W***, H***-E***, Z***, B***, die klagende Partei und andere Unternehmen führen eine ähnliche, aber nicht idente Produktpalette wie die Beklagte. Die Firma H***-E*** hat 552 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von 1.460 Millionen Schilling, die Firma E***-W*** 300 Beschäftigte und einen Umsatz von 1.060 Millionen Schilling, eine Lagerfläche von 46.000 m2, eine Verkaufsfläche von 4.000 m2 und eine Artikelanzahl von 50.000.
Die beklagte Partei wird von den befragten Handelskammern der österreichischen Bundesländer - nur die Handelskammer des Burgenlandes wurde nicht befragt - nicht zu den fünf bis zehn größten Vertretern des betreffenden Geschäftszweiges gezählt; sie ist auch im Standardwerk "Die zehntausend größten Unternehmen Österreichs 1985/86" nicht angeführt. Die geringste Mitarbeiterzahl der in diesem Verzeichnis aufscheinenden Unternehmen beträgt 15, die geringste Umsatzzahl 23 Millionen Schilling jährlich. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die beanstandeten Behauptungen, "einer der Großen in Österreich" zu sein und über ein "Großlager" zu verfügen, objektiv nachprüfbare, zur Irreführung potentieller Kunden über die Unternehmensgröße geeignete Angaben seien, die deshalb gegen § 2 UWG verstießen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Umfang des Unterlassungsbegehrens, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 60.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Die Wendung, "einer der Großen in Österreich" zu sein, besage sinngemäß dasselbe, wie "zu den Größten" oder "zu den Führenden" zu gehören. Damit werde eine erhebliche Distanz zur Masse deutlich kleinerer Betriebe und damit die Zugehörigkeit zum Spitzenfeld behauptet. Eine solche Behauptung könne auch nicht als marktschreierische Übertreibung (die von niemand ernst genommen werde) angesehen werden; im Zweifel sei sie als ernst gemeint aufzufassen.
Die Aussage, "einer der Großen in Österreich" zu sein und ein "Großlager" zu führen, sei einer objektiven Nachprüfung iS des § 2 UWG zugänglich und nur zulässig, wenn sie sachlich berechtigt sei. Beruhe die Bedeutung und die Größe eines Unternehmens auf mehreren Faktoren, dann sei eine solche Werbebehauptung schon dann unzulässig, wenn auch nur einer dieser Faktoren mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht im Einklang stehe. Die Größe eines Unternehmens werde im allgemeinen nach quantitativen Merkmalen und nicht danach beurteilt, ob ein Betrieb auch qualitativ bessere Leistungen biete. Werde ein Unternehmen als "eines der Großen in Österreich" bezeichnet, so stelle sich das Publikum vor, daß es an Umsatz, Beschäftigtenzahl, räumlicher Ausdehnung des Geschäftes, Reichhaltigkeit des Warenangebotes und des Lagerbestandes einer geschlossenen Spitzengruppe angehöre, die gegenüber dem übrigen Feld der Mitbewerber den nötigen Abstand gewonnen habe. Da die Marktbedeutung der beklagten Partei deutlich hinter jener der "Großen" im Handel mit Werkzeugen, Maschinen und Geräten für Landwirtschaft und Gewerbe liege, dürfe sie eine Spitzenstellung nicht für sich in Anspruch nehmen. Die Behauptung, ein "Großlager" zu haben, sei in engem Zusammenhang mit der Berühmung, "einer der Großen in Österreich" zu sein, zu sehen und daher gleichfalls irreführend.
Die beklagte Partei bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung; sie beantragt, die angefochtene Entscheidung "aufzuheben und das Klagebegehren abzuweisen".
Die klagende Partei beantragt, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach Ansicht der Revisionswerberin könne die Behauptung, "einer der Großen in Österreich" zu sein nicht dahin verstanden werden, daß sie eines der größten einschlägigen Unternehmen betreibe. Da die beklagte Partei zugleich darauf hingewiesen habe, "knapp ein Jahr jung" zu sein, werde das Publikum nicht annehmen, daß ihr Unternehmen das branchengrößte in Österreich schlechthin sei. Es liege eine übertriebene, vom Publikum nicht ernst genommene Werbung vor. Die beanstandeten Behauptungen seien auch nicht geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise in ihren Marktentscheidungen zu beeinflussen; es sei insbesondere nicht festgestellt worden, daß die beanstandeten Wendungen, die angesprochenen Verkehrskreise irregeführt hätten.
Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.
Die mit den Worten "ein junges, dynamisches Unternehmen stellt sich vor" eingeleitete Werbebehauptung "Knapp 1 Jahr jung - und schon einer der Großen in Österreich" ist als zusammenhängende Aussage über die Bedeutung des Unternehmens der beklagten Partei zu sehen. Hiebei handelt es sich nicht um eine marktschreierische Anpreisung, für die wesentlich wäre, daß sie sogleich als nicht ernst gemeinte reklamehafte Übertreibung erkannt wird (JBl 1962, 331; ÖBl 1984, 73; ÖBl 1987, 49 uva). Eine Werbebehauptung, die den Eindruck einer Spitzenstellung des Werbenden erwecken kann, ist idR nicht mehr als rein subjektive, nur die persönliche Ansicht des Werbenden zum Ausdruck bringende Meinungskundgebung zu beurteilen (ÖBl 1980, 7 mwN; ÖBl 1987, 47). Die beanstandete Angabe vermittelt den Eindruck einer sachlichen Aussage, die mit dem Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Gültigkeit erhoben und dadurch unterstrichen wurde, daß die beklagte Partei im Anschluß daran behauptete, 15.000 Produkte zu führen und ein "Großlager" zu haben. Die Wendung "Knapp 1 Jahr jung - und schon einer der Großen in Österreich" bringt zum Ausdruck, daß sich das erst ganz kurze Zeit bestehende Unternehmen bereits zu einem Großunternehmen des betreffenden Geschäftszweiges entwickelt habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob die angesprochenen Verkehrskreise diese Werbebehauptung ausschließlich oder doch überwiegend dahin verstehen werden, die beklagte Partei gehöre zu den "führenden" oder "größten" Unternehmen des betreffenden Geschäftszweiges; viele werden jedenfalls dann, wenn von "einem der Großen in Österreich" die Rede ist, an ein Unternehmen mit einer ausgesprochenen Spitzenstellung denken. Zumindest hat aber die beklagte Partei mit dieser Behauptung den Eindruck erweckt, daß ihr Unternehmen bereits erheblich größer als die durchschnittlichen Mittel- und Kleinbetriebe des betreffenden Geschäftszweiges sei; selbst dieses Verständnis der beanstandeten Werbebehauptung steht aber mit den Feststellungen über die Bedeutung und Größe des Unternehmens der beklagten Partei nicht im Einklang. Ein Unternehmen, das nur zehn Arbeitnehmer hat und in seinem angeblichen "Großlager" nur einen (!) Arbeiter beschäftigt, der daneben noch andere Funktionen ausübt, wird von den beteiligten Verkehrskreisen niemals als "Großunternehmen" oder "einer der Großen in Österreich" angesehen werden. Berücksichtigt man überdies, daß der Umsatz der beklagten Partei nur etwa ein Hundertstel desjenigen des größten inländischen Unternehmens derselben Branche beträgt, dann müssen die beanstandeten Werbebehauptungen als grob irreführend angesehen werden. Hiebei genügt es, daß sie zur Irreführung geeignet sind; ob es in den angesprochenen Verkehrskreisen tatsächlich schon zu Irrtümern (hier: über die Bedeutung und Größe der beklagten Partei) gekommen ist, ist für die Erfüllung des Tatbestandes des § 2 UWG nicht Voraussetzung (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 27; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht14, 1020 § 3 dUWG Rz 85). Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß die der beklagten Partei zur Last fallende Täuschung geeignet ist, den Entschluß der angesprochenen Interessenten, sich mit ihrem Angebot näher zu befassen, zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen (ÖBl 1977, 92; SZ 54/97 = ÖBl 1982, 37; ÖBl 1987, 18 uva), erweckt doch die Vorstellung, daß ein bestimmter Anbieter ein Großunternehmen ist, erfahrungsgemäß bei vielen Abnehmern die Erwartung besonderer Leistungsfähigkeit in bezug auf den Preis und die Reichhaltigkeit der Auswahl. Die Beurteilung dieser Wirkung einer Reklame ist eine Rechtsfrage, wenn hiezu, wie im vorliegenden Fall, die Erfahrungssätze des täglichen Lebens genügen (JBl 1960, 560; ÖBl 1982, 123; ÖBl 1985, 105 uva); es bedarf daher keiner Beweisaufnahmen darüber, ob die beanstandete Wendung die angesprochenen Verkehrskreise in ihren Entschlüssen tatsächlich beeinflußt hat.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO und § 56 Abs 1 JN.
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