OGH 4Ob369/85

OGH4Ob369/8529.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr.Resch, Dr.Gamerith und Dr.Riedler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B & C GesmbH & Co, Muthgasse 2, 1190 Wien, vertreten durch Dr.Karl Böck und Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei 1. D

E Verlagsgesellschaft mbH & Co KG, 2. D

E Gesellschaft mbH, beide Bergstraße 14, 5020 Salzburg, beide vertreten durch Dr.Walter Vavrovsky, Dr.Hartmuth Ramsauer, Dr.Karl Ludwig Vavrovsky und Dr.Rudolf Wöran, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung (Gesamtstreitwert S 700.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 26.Juni 1985, GZ.2 R 142/85-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 1.Mai 1985, GZ.14 Cg 159/85-7, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird in dem noch angefochtenen Umfang dahin abgeändert, daß Punkt 1.lit g des erstgerichtlichen Beschlusses wiederhergestellt und folgende Kostenentscheidung getroffen wird:

Die klagende Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens erster und zweiter Instanz zu drei Siebentel und alle übrigen Kosten aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen.

Die klagende Partei hat den beklagten Parteien an Kosten des Provisorialverfahrens erster und zweiter Instanz S 10.515,42 (davon S 955,42 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Die beklagten Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile (- die zweitbeklagte Partei ist persönlich haftende Gesellschafterin der erstbeklagten Partei -) stehen als Zeitungsherausgeber (Medieninhaber) miteinander in Wettbewerb. Die beklagten Parteien brachten in den 'D E' vom

2./3.März 1985 auf Seite 4 folgenden redaktionellen Bericht über die Ergebnisse der Mediaanalyse 1985:

'Die SN haben mit Abstand die meisten Leser: täglich 178.000.

Klare Führung der D E in allen Alters- und Sozialschichten.

Wien, Salzburg (SN, F). Die absolut dominierende Stellung unter den Tageszeitungen in Stadt und Land G bestätigt die gestern veröffentlichte Media-Analyse 1985 den D

E: Mit 178.000 täglichen Lesern haben die SN deutlich mehr Zuspruch als alle anderen für dieses Bundesland erscheinenden Tageszeitungen zusammen.

Mit weitem Abstand folgen die G-Ausgabe der H

I (101.000), die D J (30.000) und

die D-Ausgabe des K (23.000).

Die überlegene Position der SN als vorrangiges Werbemedium dieses Landes wurde damit wieder durch eine objektive Analyse belegt

.....'.

Unter der überschrift 'Die D Zeitungslandschaft' veröffentlichten die beklagten Parteien bei diesem Artikel eine Graphik, in der die Umrisse des Bundeslandes G und - der Form eines Wasserstandspegels vergleichbar - die Anzahl der Leser der verschiedenen Tageszeitungen graphisch dargestellt wurden. Die klagende Partei erhob, gestützt auf die §§ 1, 2 und 7 UWG, wegen der Angaben der beklagten Parteien in diesem redaktionellen Bericht Unterlassungsklage (mit sieben Unterlassungsbegehren) und verband damit inhaltlich gleichlautende Anträge auf Bewilligung einstweiliger Verfügungen.

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr das Sicherungsbegehren der klagenden Partei den beklagten Parteien die Werbebehauptung 'die D E haben in G eine

überlegene Position als vorrangiges Werbemedium' oder eine Behauptung ähnlichen Inhaltes zu verbieten, wenn gleichzeitig zur Stützung dieser Behauptung auf die Media-Analyse 1985 verwiesen wird. Diese Behauptungen seien nicht nur zur Irreführung geeignet, sondern auch als Alleinstellungswerbung wegen Herabsetzung der Mitbewerber sittenwidrig.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die inkriminierten Behauptungen seien wahr. Vergleichende Werbung und Alleinstellungswerbung sei insbesondere zur Abwehr vorausgegangener vergleichender Reklame eines Mitbewerbers zulässig. Die klagende Partei habe die Ergebnisse der Media-Analyse mit jenen der Optima verglichen, wodurch der unrichtige Eindruck entstanden sei, daß die 'G-KRONE' im Vergleich zu den 'D E' unverhältnismäßig wachse.

Mit einstweiliger Verfügung vom 8.3.1985 sei der klagenden Partei untersagt worden, derartige wettbewerbswidrige Vergleiche anzustellen.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt (Punkt 1.lit g seines Beschlusses).

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Parteien (unter anderem) in diesem Punkte Folge (Punkt B lit d seines Beschlusses), wies diesen Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es erkannte, im abändernden Teil S 300.000 übersteigt.

Das Rekursgericht war der Ansicht, daß jede Leseranalyse für die Medienwirtschaft von hervorragender Bedeutung sei, da sie eine der Grundlagen für eine gezielte Werbung bilde. Die Verwendung solcher Analysen in der Werbung müsse den Anforderungen lauteren Wettbewerbs genügen. Diese Bedeutung der Leseranalysen sei auch für die klagende Partei Grund gewesen, sich gegen unwahre oder zur Irreführung geeignete Aussagen zur Wehr zu setzen. Einer Tageszeitung mit überlegender Position (in Bezug auf die Leserzahlen) komme auch als Werbeträger eine entsprechende Stellung zu. Die inkriminierte Werbeaussage sei nicht unlauter, weil die überlegene Position der D E bei den meisten Leserschichten durch die Media-Analyse 1985 belegt sei. Die inkriminierte Aussage beziehe sich nur auf andere Zeitungen und nicht auf andere Werbemedien, wie etwa das Fernsehen.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen Punkt B lit d des Beschlusses des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der klagende Partei ist zulässig. Das Rekursgericht hätte zwar aussprechen müssen, ob der Wert des gesamten Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteigt oder nicht (4 Ob 327/84; auch ÖBl.1984,123). Bei einem positiven Ausspruch, der ein übersteigen des Wertes von S 300.000 im abändernden Teil feststellt, bedarf es aber keiner Berichtigung, weil damit zweifelsfrei klargestellt ist, daß auch der Wert des gesamten Beschwerdegegenstandes S 300.000 übersteigen muß. Da die klagende Partei die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über des nicht in einem Geldbetrag bestehenden und infolge tatsächlichen Zusammenhanges zutreffend gemeinsam bewerteten Ansprüche (§ 55 Abs 1 Z 1 JN; vgl.zur gemeinsamen Bewertung, Fasching, Zivilprozeßrecht, Lehr- und Handbuch Rz 1831 und Petrasch,

Das neue Revisions-(Rekurs-)Recht, ÖJZ 1983,201) nur zum Teil anfocht, hätte sie in der Rekursschrift den von der Anfechtung betroffenen Wert angeben müssen. Wie aber der Oberste Gerichtshof vor dem Inkrafttreten der ZVN 1983 zu der gleichartigen, das Revisionsverfahren betreffenden Bestimmung des § 506 Abs 1 Z 2 ZPO unter Berufung auf Fasching (ErgBd 115) mehrmals aussprach, kann die Angabe des Wertes die nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes durch die klagende Partei als bloßer Formalakt unterbleiben, soweit die klagende Partei durch die Einbringung der Revision klar zum Ausdruck bringt, daß sie damit die Zulässigkeitsvoraussetzungen des gesamten § 502 ZPO und damit auch das Vorliegen eines die Wertgrenze des § 502 Abs 2 Z 3 ZPO übersteigenden Wertes des Beschwerdegegenstandes als gegeben ansieht (ÖBl.1982,85; 4 Ob 589/76, 4 Ob 419/81, 4 Ob 400/82). An dieser Rechtsprechung ist auch für die, durch die ZVN 1983 eingeführte gleichartige Bestimmung des Rekursverfahrens (§ 528 Abs 3 ZPO) festzuhalten, da auch hier an die Unterlassung dieser Wertangabe durch den Rechtsmittelwerber keine besonderen Sanktionen geknüpft wurden und die Zurückstellung zur Bewertung im Wege eines Berichtigungsauftrages gleichermaßen überflüssig ist. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Die beklagten Parteien begründeten die beanstandete Behauptung, die D E hätten unter den Zeitungen des Landes

G eine Spitzenstellung auf dem Markt ('überlegene Position als vorrangiges Werbemedium dieses Landes') ausdrücklich mit den der Media-Analyse 1985 (vgl. zu den Media-Analysen Ochs, Wettbewerbsrechtliche Probleme der Presse, 47 ff) entnommenen Leserzahlen der D E (178.000), der klagenden

Partei (101.000) und weiterer, ebenfalls namentlich genannter Mitbewerber. Die darin liegende Alleinstellungswerbung der beklagten Parteien ist damit auch als vergleichende Werbung zu beurteilen. Aus dem Gesichtspunkt irreführender Werbung (§ 2 UWG), der nach der herrschenden Rechtsprechung primär zu beurteilen ist (ÖBl.1975,60 und 146; ÖBl.1977,166 uva), ist allerdings diese Werbebehauptung entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin nicht zu beanstanden, weil die Zahl der Leser bei einer quantitativen Analyse (vgl. zu den Tendenzen, zu einer qualititiven Analyse überzugehen, Ochs aaO 50) - jedenfalls eine wesentliche Bestimmungsgröße für die Werbewirksamkeit einer Zeitung ist. Die größere Zahl der (ständigen) Leser einer Tageszeitung wird regelmäßig auch ihre überlegene Position als Werbemedium nach sich ziehen, doch braucht auf die mit der Leserstruktur zusammenhängende Frage der Werbewirksamkeit eines Mediums nicht im einzelnen eingegangen zu werden, weil die beanstandeten Angaben der beklagten Parteien jedenfalls gegen § 1 UWG verstoßen.

Nach einem Teil der Lehre (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 67 f) und nach ständiger Rechtsprechung ist die Alleinstellungswerbung als vergleichende Werbung gemäß § 1 UWG unzulässig, wenn sich der Werbende nicht mit einer Anpreisung der eigenen Spitzenstellung begnügt, sondern damit gleichzeitig einen Hinweis auf die Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen eines oder mehrerer bestimmter namentlich genannter Mitbewerber oder auf die sonstigen Nachteile ihres Angebotes verbindet (ÖBl.1975,146; ÖBl.1979,97; ÖBl.1984,97 ua; eine eingehende Darstellung der Judikatur zur vergleichenden Werbung findet sich bei Pöch, ÖJZ 1979,543; vgl. auch Baumbach-Hefermehl,

Wettbewerbsrecht 14 647 ff; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht 452 f). An diesem Rechtssatz ist trotz der Kritik eines Teiles der Lehre (Schuhmacher, Verbraucherschutz bei Vertragsanbahnung 432 ff; Kramer in GRUR Int.1974,294; zustimmend Rummel in Koziol, Haftpflichrecht 2 II 270; Koppensteiner aaO 509 ff), die für die Erlaubtheit der vergleichenden Werbung eintritt, sofern diese wahr, informativ sachlich und daher nicht irreführend ist, festzuhalten, weil in aller Regel niemand in eigener Sache objektiv urteilt, Werbevergleiche geradezu zwangsläufig so angestellt werden, daß sie zu Gunsten des Werbenden ausgehen und die in aller Regel vorliegende Unvollständigkeit des Werbevergleiches den Verkehr eher verwirren als zu einer für das Publikum wünschenswerten höheren Markttransparenz beitragen wird. Ohne hinreichenden Grund (Baumbach-Hefermehl aaO 668 ff; SZ 18/52) ist es somit nicht gestattet, die eigene bessere Leistung dadurch besonders herauszustellen, daß ihr eine schlechtere Leistung eines bestimmten Konkurrenten gegenübergestellt und damit auch erheblich in dessen Rechtssphäre eingegriffen wird (SZ 18/52).

Die beklagten Parteien verbanden, was von der klagenden Partei

ausdrücklich inkriminiert wurde, ihren - an sich

zulässigen - Hinweis auf die Stellung der D E als

'vorrangiges Werbemedium dieses Landes' mit den aus der Media-Analyse 1985 hervorgehenden Leserzahlen der Streitteile (und weiterer Mitbewerber), womit sie dem Publikum deutlich machten, daß eine Werbung in den verglichenen Medien wegen deren wesentlich geringerer Leserzahl weniger effektiv und damit schlechter sei als in den 'D E'. Die beklagten Parteien verbanden

also die Anpreisung der eigenen Spitzenstellung deutlich mit einem Hinweis auf die Nachteile des Angebotes der klagenden Partei, was mangels eines besonderen rechtfertigenden Grundes für eine solche Vorgangsweise sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist. Die beklagten Parteien haben sich zwar in erster Instanz auf einen solchen Rechtfertigungsgrund mit der Behauptung berufen, die klagende Partei habe durch einen Vergleich der Media-Analyse mit jener der Opitma den unrichtigen Eindruck erweckt, daß die 'G-KRONE' im Vergleich zu den 'D E' Leser

gewonnen habe, so daß sie ein Interesse an der Aufklärung der beteiligten Verkehrskreise über die wahren Verhältnisse gehabt hätten. Bescheinigungsergebnisse zu diesem Sachverhalt liegen nicht vor, sind aber auch nicht erforderlich. Das von den beklagten Parteien ins Treffen geführte Aufklärungsinteresse wäre nur dann gegeben, wenn die angesprochenen Verkehrskreise aus dem beanstandeten Vergleich (Bericht über die Media-Analyse 1985) hätten erkennen können, daß damit eine vorausgegangene, im Verkehr bekanntgewordene unlautere Wettbewerbshandlung der klagenden Partei abgewehrt werden sollte (Baumbach-Hefermehl aaO 671). Der Bericht der beklagten Parteien über die Media-Analyse 1985 läßt aber nirgends erkennen, daß damit einer vorausgegangenen, noch fortwirkenden unrichtigen Werbebehauptung der klagenden Partei entgegengetreten und das Publikum über den wahren Sachverhalt aufgeklärt werden sollte. Es erübrigt sich daher, auf die sonstigen Voraussetzungen eines zulässigen Abwehr- oder Aufklärungsvergleiches (Baumbach-Hefermehl aaO 670 ff; auch Koppensteiner aaO 453 f; SZ 18/52; ÖBl.1972,10; ÖBl.1982,12) einzugehen.

Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78, 393, 402 EO, 43 Abs 1, 50 ZPO. Da die beklagten Parteien in erster und zweiter Instanz drei von sieben Sicherungsanträgen erfolgreich abwehrten, hat ihnen die klagende Partei drei Siebentel der in diesen Instanzen entstandenen Verfahrenskosten zu ersetzen.

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