OGH 4Ob365/97y

OGH4Ob365/97y24.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fridolin G*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer & Partner, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei V*****bank, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Lorenz, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 999.500,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Oktober 1997, GZ 4 R 216/97i-23, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 29. April 1997, GZ 3 Cg 396/92m-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 22.725,-- bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 3.787,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Croupier im Casino B*****. Er hat an der Handelsakademie maturiert und danach einige Semester Betriebswirtschaft studiert. Der Kläger unterhielt bei der Beklagten bereits vor dem streitgegenständlichen Geschäft ein Wertpapierkonto.

Robert S***** war als Kundenbetreuer mit Schwerpunkt Anlage- und Wertpapierberatung im "Kundencenter B" der Zentrale der Beklagten in B***** tätig. Dieser Schalterbereich war durch ein Schild mit der Aufschrift

"Kundenbetreuung

B

alle Bankgeschäfte"

gekennzeichnet. Es gab keinen Hinweis darauf, daß die in im Kundencenter B tätigen Bankangestellten in irgendeiner Weise bei der Abwicklung der Bankgeschäfte beschränkt wären. In der im Schalterraum aushängenden Liste der Unterschriftsproben war die Unterschrift von Robert S***** nicht enthalten. Robert S***** hatte dem Kläger eine Visitenkarte übergeben, die neben der Firma der Beklagten seinen Namen und die Funktionsbezeichnung "Investment Advicer" aufwies. Der Kläger hat über Robert S***** verschiedene Wertpapiergeschäfte abgewickelt. Darunter waren spekulative risikoreiche Optionsgeschäfte.

Im September 1989 erfuhr der Kläger von seinem - mit Robert S***** befreundeten - Arbeitskollegen Leo W***** von einem "heißen" Wertpapiertip. Leo W***** sagte dem Kläger, er solle sich wegen des Tips an Robert S***** bei der Beklagten wenden. Robert S***** erklärte dem Kläger, aufgrund eines Insidertips zu wissen, daß die Möglichkeit bestehe, ein vorbörsliches Papier um US$ 3,-- zu kaufen und nach der Börseneinführung vier bis sechs Wochen später um US$ 4,-- zu verkaufen. Er habe den Insidertip überprüft; es bestehe keinerlei Risiko. Der Kläger müsse sich beeilen, da nur noch eine kleine Tranche zur Verfügung stehe.

Um zu überprüfen, ob die Information durch Robert S***** seriös sei, wandte sich der Kläger an Günter A*****, der die R***** Filiale der Beklagten leitete und mit dem Kläger sei 20 Jahren bestens bekannt war. Er rechnete damit, daß Robert S***** seinem Bankkollegen allfällige Bedenken offenlegen werde. Ein weiterer Grund für den Kontakt mit Günter A***** war, daß der Kläger beabsichtigte, einen Teil des Wertpapierkaufs über einen Kredit zu finanzieren. Am 15.9.1989 telefonierte Günter A***** im Beisein des Klägers mit Robert S*****. Dieser bestätigte, daß das vorgesehene Wertpapiergeschäft ein todsicherer Tip sei und für das eingesetzte Kapital keine Gefahr bestehe. Aufgrund dieser Informationen entschloß sich Günther A*****, ebenfalls Wertpapiere, und zwar um den Betrag von S 98.000,--, zu kaufen. Robert S***** wiederholte auch gegenüber dem Kläger seine Zusicherung, daß keinerlei Risiko bestehe.

Dieses Telefonat und der Umstand, daß auch Günter A***** Wertpapiere kaufte, beseitigten die letzten Zweifel des Klägers. Er entschloß sich, Wertpapiere um rund S 1,000.000,-- zu kaufen.

Robert S***** hatte gegenüber dem Kläger nie erwähnt, daß seine Informationen über das Geschäft ausschließlich von einem Schweizer Bankdirektor, dessen Bankhaus das Wertpapiergeschäft abwickeln sollte, stammten und daß er die Informationen in keiner Weise überprüft hatte. Robert S***** hätte bankintern die Möglichkeit gehabt, die Informationen durch die Research-Abteilung überprüfen zu lassen. Es bestand eine bankinterne Anweisung, daß die Research-Abteilung einzuschalten ist, wenn Kunden Papiere außerhalb des "Anlageservice" der Bank geprüft erhalten wollen. Robert S***** setzte sich über diese interne Anweisung hinweg; er erweckte gegenüber dem Kläger den Anschein, daß die Beklagte das Wertpapiergeschäft geprüft habe und empfehle. Es war nie die Rede davon, daß es sich bei der Empfehlung nur um einen "privaten" Tip des Robert S***** handle. Hätte Robert S***** den Kläger darüber aufgeklärt, daß er das Wertpapiergeschäft nicht überprüft habe und das Risiko daher nicht einschätzen könne, hätte der Kläger das Geschäft nicht abgeschlossen.

Um das Wertpapiergeschäft zu finanzieren, besorgte sich der Kläger bei seiner Hausbank S 500.000,--; weitere S 500.000,-- erhielt er über eine Kontoüberziehung, die ihm Günter A***** bis 31.12.1989 gewährte. Am 15.9.1989 unterschrieb der Kläger einen Wertpapierauftrag, der auf den Ankauf von 23.600 Stück Wertpapieren der R***** Corporation um den Betrag von rund S 1,000.000,-- lautete. Am selben Tag unterschrieb der Kläger einen Kontoeröffnungsantrag mit Hinweis auf die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen" sowie, zur Sicherstellung der Kontoüberziehung, einen Blankowechsel und eine Ausfüllungsermächtigung.

Nachdem die für die Börseneinführung genannte Frist verstrichen war, vertröstete Robert S***** den Kläger immer wieder. Nach längerer Zeit wurde das Papier zwar an der Börse eingeführt; der Wert der vom Kläger gekauften Papiere verfiel jedoch auf wenige Cents je Stück, so daß sie praktisch wertlos sind.

Der Kläger begehrt von der Beklagten S 999.500,-- sA. Die Beklagte habe für Robert S***** einzustehen. Robert S***** habe den Kläger unrichtig informiert, in Irrtum geführt und getäuscht. Die Beklagte habe die Kompetenzen von Robert S***** nicht in einer für den Kläger wahrnehmbaren Weise beschränkt. Hätte der Mitarbeiter der Beklagten den Kläger entsprechend aufgeklärt, hätte der Kläger das Wertpapier nicht gekauft.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe sich zum Wertpapierkauf aufgrund der Empfehlung eines Bekannten entschlossen. Die Beklagte habe nur das Wertpapiergeschäft, zu dem sich der Kläger bereits vorher entschlossen gehabt habe, abgewickelt. Robert S***** sei nur ein Schalterangestellter der Beklagten gewesen, dessen Beratungskompetenz auf das "Anlageservice" der Beklagten beschränkt gewesen sei. Er sei nicht berechtigt gewesen, einen Auftrag zur Beurteilung der Bonität von Aktien entgegenzunehmen. Allfällige Nachforschungen hätten auf einem privaten Vertrag mit Leo W***** beruht. Der Kläger habe den Spekulationscharakter des Geschäftes erkannt. Die Haftung der Beklagten sei aufgrund der allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen ausgeschlossen.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 999.500,-- samt 10 % Zinsen aus S 499.500,-- und 4 % Zinsen aus S 500.000,-- zuzüglich 4 % Zinseszinsen seit 22.9.1992 zu; das Zinsenmehrbegehren wies es ab. Robert S***** habe den Kläger in den Räumen der Beklagten und innerhalb seiner Tätigkeit als Anlageberater informiert. Die Beklagte müsse sich die Handlungen von Robert S***** nach § 1313a ABGB zurechnen lassen, auch wenn Robert S***** nicht vertretungsbefugt gewesen sei. Robert S***** habe sich über die klare bankinterne Weisung hinweggesetzt, nicht im "Anlageservice" der Beklagten enthaltene Wertpapiere von der Research-Abteilung prüfen zu lassen. Er habe damit in gravierender Weise die Sorgfaltspflicht eines Bankkaufmannes verletzt. Dies sei Robert S***** und damit der Beklagten als grobes Verschulden anzulasten. Der entstandene Schaden sei als geradezu wahrscheinlich vorauszusehen gewesen. Der Haftungsausschluß in Punkt 33 Abs 2 der AGB sei unwirksam, soweit grobe Fahrlässigkeit vorliege.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Kläger habe davon ausgehen können, daß Robert S***** als Anlageberater im Schalterdienst zum gegenständlichen Geschäft für die Beklagte im Sinn des § 54 HGB ermächtigt gewesen sei. Es sei nicht hervorgekommen, daß dem Kläger eine Kompetenzüberschreitung Robert S*****s erkennbar gewesen wäre. Ein mit der Anlageberatung betrauter Schaltermitarbeiter sei zumindest befugt, nicht nur einen Auftrag zur Bonitätsprüfung entgegenzunehmen, sondern auch die Ergebnisse einer allenfalls von anderen Bediensteten vorgenommenen Bonitätsprüfung an den Kunden der Bank weiterzuleiten. Die Beklagte habe den Kläger bei der Anschaffung von Wertpapieren beraten und sie habe die von ihr empfohlenen Wertpapiere für den Kläger beschafft. Ob die Beklagte als Kommissionär oder Eigenhändler tätig geworden sei, sei unerheblich. Die Beklagte hätten aufgrund der Geschäftsverbindung zwischen den Streitteilen Schutz- und Sorgfaltspflichten getroffen. Gegen diese Pflichten habe die nachteilige Beratung durch Robert S***** verstoßen. Die Sorgfaltsverletzungen seien als krasse grobe Fahrlässigkeit zu werten; der Haftungsausschluß sei insoweit unwirksam.

Den Kläger treffe kein Mitverschulden. Der Kläger hätte zwar mit einem Risiko beim Gewinn, nicht aber beim eingesetzten Kapital rechnen müssen. Der Entscheidung 10 Ob 528/94 liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Leo W*****, der Kläger jenes Verfahrens, habe sich an Robert S***** als seinen Freund gewendet und diesen ersucht, das Geschäft zu prüfen und ihm dann "seine" Meinung darüber zu sagen. Gegenüber Leo W***** habe Robert S***** im eigenen Namen gehandelt, er habe den Beratungsauftrag persönlich durchgeführt und nur die anschließende Finanzierung des Geschäftes ordnungsgemäß unter Einbindung seines Vorgesetzten abgewickelt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig, weil eine Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß die Entscheidung 10 Ob 528/94 für das vorliegende Verfahren präjudiziell sei. In dieser Entscheidung sei der OGH zum Schluß gekommen, daß Robert S***** den Beratungsvertrag im eigenen Namen geschlossen habe. Im Zweifel sei stets ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen. Dem Kläger sei es um die höchstpersönliche Meinung, Bewertung und Prüftätigkeit des Robert S***** gegangen, dem er zugesichert habe, sich erkenntlich zu zeigen. Die Beklagte habe Robert S***** nicht bevollmächtigt, in ihrem Namen Beratungsverträge über ausländische Papiere abzuschließen. Ein Anlageberater im Schalterdienst sei ein typisches Ausführungs- und Verkaufsorgan. Seine Anscheinsvollmacht gehe nicht über das hauseigene Empfehlungsprogramm der Bank hinaus. Dem Kläger sei klar gewesen, daß sich das Papier nicht im Anlage- und Empfehlungsprogramm der Beklagten befunden habe. Robert S***** habe nie den Anschein erweckt, nur Prüfungs- und Bewertungsergebnisse weiterzuleiten, die in der Bank recherchiert worden waren. Aus der Visitenkarte mit der Funktionsbezeichnung "Investment Advicer" ergebe sich nur, daß Robert S***** im Rahmen des von der Beklagten zusammengestellten Anlage- und Empfehlungsprogrammes als Anlageberater tätig gewesen sei. Das Erstgericht habe nicht festgestellt, daß der Kläger wegen der Visitenkarte oder wegen der Aufschrift "Alle Bankgeschäfte" über dem Kundencenter B auf die Befugnis von Robert S***** vertraut habe, den Beratungsvertrag im Namen der Beklagten abzuschließen. Die Beklagte hafte auch nicht aus culpa in contrahendo; sie sei nicht verpflichtet gewesen, auf das mit dem Geschäft verbundene Risiko hinzuweisen.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Eine Bank kann Beratungsleistungen aufgrund eines eigenen

Beratungsvertrages, als Nebenleistung aus einem anderen bereits

geschlossenen Vertrag oder aus einer ständigen Geschäftsbeziehung

zwischen der Bank und dem Kunden oder vor dem Abschluß eines

Vertrages erbringen (s Welser, Rechtsgrundlagen des Anlegerschutzes,

ecolex 1995, 79 [80]). Die Bank treffen, auch ohne Abschluß eines

eigenen Beratungsvertrages, bei Abschluß eines Effektengeschäftes

Aufklärungs- und Beratungspflichten nach den Grundsätzen der culpa in

contrahendo. Der Umfang dieser Pflichten hängt von der Art des

jeweiligen Rechtsgeschäftes ab; maßgebend ist, ob für die Bank

erkennbar ist, daß der Kunde Aufklärung und Beratung braucht. Scheint

der Kunde bei Anbahnung des Wertpapiergeschäftes schon entschlossen

zu sein, das Geschäft zu tätigen, indem er einen bestimmten Auftrag

erteilt, so wird die Bank nur in beschränktem Umfang zu Aufklärung

und Beratung verpflichtet sein. Die Bank treffen aber Aufklärungs-

und Beratungspflichten, wenn aus den Umständen ein Mangel an

einschlägigen Kenntnissen oder eine Fehlentscheidung offenkundig wird

(Iro in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II

590ff mwN; zu den Aufklärungspflichten der Bank s ua ecolex 1993, 669

= HS 24.278, 24.396, 24.657, 24.661, 24.668 = ÖBA 1993, 987 = RdW

1993, 331; ecolex 1994, 15 = HS 24.085, 24.286, 24.399 = ÖBA 1994,

156 [Iro] = WBl 1994, 28; ecolex 1995, 171 = EvBl 1995/65 = HS

25.393, 25.642 = ÖBA 1995, 317 = RdW 1995, 136, 217 = WBl 1995, 207).

In der Entscheidung 10 Ob 528/94 (= SZ 69/86 = ecolex 1997, 151

[Wilhelm]) hat der OGH ausgesprochen, daß sich ein Kreditinstitut Bonitätsauskünfte, die stets durch Hilfspersonen erteilt werden, dann zurechnen lassen muß, wenn der auskunfterteilende Angestellte zur Erfüllung (des Auskunftsvertrages) berufen oder doch in zurechenbarer Weise ein entsprechender Anschein erweckt wurde. Entscheidend sei, ob nach vernünftiger Einschätzung durch den Kunden der - beratend tätig gewordene - Angestellte im Namen der Bank gehandelt hat oder nicht, nicht hingegen, ob der Bankangestellte seiner Bank gegenüber mißbräuchlich gehandelt hat, ohne daß der Kunde hierüber Bescheid wußte. Anders liege die Sache nur dann, wenn der Kunde tatsächlich weiß, daß er sein Geschäft (Ankauf von risikoträchtigen ausländischen Aktien) mit dem Bankangestellten persönlich abschließt.

Die Entscheidung 10 Ob 528/94 betrifft zwar dasselbe Wertpapier, denselben Anlageberater und dieselbe Bank wie der vorliegende Rechtsstreit, sie ist aber - auch wenn das vorliegende Verfahren bis zu ihrer Fällung unterbrochen war - nicht präjudiziell und daher auch nicht bindend. In dieser Entscheidung hat der OGH den zugrunde liegenden Sachverhalt dahin verstanden, daß Robert S***** den Anlageberatungsvertrag im eigenen Namen geschlossen hat. Es habe ein persönliches Freundschafts- und Vertrauensverhältnis des Klägers Leo W***** zu Robert S***** vorgelegen; Leo W***** habe sich an Robert S***** gewandt, ihn ersucht, das Aktiengeschäft zu prüfen und ihm dann "seine" Meinung darüber zu sagen. Die besonderen Umstände des Falles deuteten darauf hin, daß Robert S***** - für den Kläger Leo W***** erkennbar - bei Übernahme des Auftrages nicht im Namen der Bank, sondern als Freund des Klägers gehandelt habe. Nicht aufgeklärte Umstände hinsichtlich der Vertretungsmacht gingen zu Lasten von Leo W*****.

Der Kläger im vorliegenden Verfahren erhielt von Leo W***** den entscheidenden Hinweis; auf seine Empfehlung hin wandte er sich an Robert S*****. Die Beklagte will aus dieser Vermittlerrolle Leo W*****s ableiten, daß Robert S***** auch den Kläger privat beraten hat. Für ein Privatgeschäft soll nach Auffassung der Beklagten noch sprechen, daß sich der Kläger mit Robert S***** nicht nur in der Bank, sondern vor allem in verschiedenen Lokalen getroffen habe, und daß der Kläger Robert S***** zugesichert habe, sich erkenntlich zu zeigen, sollten die Geschäfte erfolgreich sein.

Daß sich der Kläger auf Empfehlung Leo W*****s an Robert S***** gewandt hat, muß noch nicht auf das Bewußtsein des Klägers schließen lassen, von Robert S***** privat beraten zu werden. Der Kläger unterhielt bei der Beklagten ein Wertpapierkonto; er hatte schon vor dem streitgegenständlichen Geschäft über Robert S***** verschiedene Wertpapiergeschäfte, darunter spekulative, risikoreiche Optionsgeschäfte, abgewickelt. Robert S***** war als Kundenbetreuer mit Schwerpunkt Anlage- und Wertpapierberatung im Schalterbereich der Beklagten tätig; er hatte dem Kläger eine Visitenkarte übergeben, auf der sein Name, Name und Anschrift der Beklagten und die Funktionsbezeichnung "Investment Advicer" aufschienen.

Der Kläger war demnach bereits vor dem hier maßgeblichen Geschäft mit Robert S*****, und zwar in dessen Funktion als Anlageberater der Beklagten, in Kontakt gekommen. Zwischen den Streitteilen bestand eine Geschäftsbeziehung, in deren Rahmen Robert S***** für die Beklagte tätig geworden war. Leo W***** hat den Kläger auch nicht an einen (gemeinsamen) Freund verwiesen, sondern an "Robert S***** bei der Beklagten". Dort hat der Kläger mit Robert S***** auch wegen des streitgegenständlichen Geschäftes den Kontakt aufgenommen; er hat das ihm von Robert S***** empfohlene Wertpapier schließlich bei der Beklagten gekauft. All dies spricht dafür, daß der Kläger von Robert S***** als Anlageberater der Beklagten beraten werden wollte. Allfällige private Kontakte zwischen dem Kläger und Robert S***** verlieren bei dieser Sachlage an Gewicht.

Daß Robert S***** mit dem Kläger in der Ich-Form und von einem "Insidertip" gesprochen hat, als er ihn über das amerikanische Wertpapier informierte, mußte für den Kläger nicht bedeuten, damit eine private Dienstleistung zu erhalten. Die Ausdrucksweise des Robert S***** entspricht der - verkaufsfördernden - Tendenz, ein persönliches Verhältnis zwischen Anlageberater und Kunden aufzubauen und das Geschäft besonders attraktiv erscheinen zu lassen.

Der Beklagten ist zuzugestehen, daß ein allfälliges Versprechen des Klägers, sich gegenüber Robert S***** erkenntlich zu zeigen, auf das Bewußtsein des Klägers schließen lassen könnte, von Robert S***** privat beraten zu werden. Dagegen spricht aber, daß sich die "private" Tätigkeit von Robert S***** - jedenfalls ihrem äußeren Anschein nach - mit seiner Tätigkeit als Anlageberater der Beklagten deckte und im Vorfeld eines der Beklagten zu erteilenden und abzugeltenden Auftrages erbracht wurde. Bei der Wertung einer Zusage, wie sie der Kläger Robert S***** gegeben haben soll, ist auch das Umfeld zu berücksichtigen. Ob Wertpapiergeschäfte eines nicht sachkundigen Käufers erfolgreich sind, hängt ganz wesentlich davon ab, wie gut er beraten wird. Dem Kunden wird daran gelegen sein, bestmöglich beraten zu werden; er wird versuchen, den Anlageberater entsprechend zu motivieren. Eine Zusage, wie sie die Beklagte behauptet, muß daher nicht bedeuten, daß der Kläger eine private Dienstleistung erhalten wollte, sondern sie kann auch als Anreiz gemeint sein, neben den (Verkaufs-)Interessen der Bank auch die Interessen des Kunden gebührend zu beachten. Die Indizwirkung einer solchen Zusage für ein Privatgeschäft ist aber jedenfalls schwächer als die Indizwirkung der oben dargestellten Umstände, die für das Bewußtsein des Klägers sprechen, von der Beklagten beraten zu werden. Insgesamt gesehen ist somit im vorliegenden Fall, anders als in dem der Entscheidung 10 Ob 528/94 zugrunde liegenden Fall, kein Privatgeschäft Robert S*****s anzunehmen.

Mit der Verneinung eines Privatgeschäftes ihres Anlageberaters wird der Bank nicht zugemutet, Leistungen zu erbringen und dafür einzustehen, für die sie kein Entgelt erhält. Die im Vorfeld eines Wertpapierkommissionsgeschäftes erbrachte Beratung wird der Bank üblicherweise nicht gesondert abgegolten. Die Bank erhält ihr Entgelt regelmäßig durch die Kommission und die Spesen, die sie dem Kunden für die Beschaffung des Papiers verrechnet.

Nach den Feststellungen war Robert S***** grundsätzlich berechtigt, auch über Wertpapiere, wie sie der Kläger schließlich über die Beklagte kaufte, Auskünfte zu erteilen. Er hätte nur vorher die Research-Abteilung der Beklagten einschalten müssen. Robert S***** hat sich über die interne Anweisung hinweggesetzt.

Nach der Entscheidung 10 Ob 528/94 bleibt in einem solchen Fall zu prüfen, ob die Beklagte in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt hat, daß Robert S***** zur Erfüllung des Auskunftsvertrages berufen war. Die Beklagte hat Robert S***** als Kundenbetreuer mit Schwerpunkt Anlage- und Wertpapierberatung im Schalterbereich ihrer Zentrale in Bregenz eingesetzt.

Damit hat die Beklagte den Anschein erweckt, daß Robert S***** in ihrem Namen Beratungsleistungen erbringen könne. Dazu war Robert S***** auch berechtigt; für die Zweifelsregel - im Zweifel gilt ein Geschäft als Eigengeschäft des Handelnden (WBl 1987, 309 mwN) - ist bei dieser Sachlage kein Raum. Robert S***** hat sich aber nicht an interne Beschränkungen gehalten. Zu prüfen bleibt daher, ob und unter welchen Voraussetzungen derartige Beschränkungen dem Vertragspartner gegenüber wirksam sind.

Nach § 54 Abs 1 HGB erstreckt sich die Handlungsvollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Weitergehende Schranken wirken gegenüber einem Dritten nur dann, wenn er sie kannte oder kennen mußte; diesen Nachweis hat der Vertretene zu erbringen (JBl 1980, 92; s Schinko in Straube, HGB**2 § 54 Rz 17).

Nach dem festgestellten Sachverhalt fehlte im Schalterbereich der Beklagten jeder Hinweis, daß die Kundenbetreuer bei der Abwicklung der Bankgeschäfte intern beschränkt sind; daß dem Kläger die Beschränkung dennoch bekannt gewesen wäre, wurde nicht festgestellt. Dem Kläger kann nach dem festgestellten Sachverhalt auch nicht vorgeworfen werden, daß er die Beschränkung bei gehöriger Sorgfalt hätte kennen müssen. Er mußte weder wissen, daß solche Beschränkungen bestanden, noch war für ihn erkennbar, daß sich Robert S***** über Beschränkungen hinweggesetzt hatte. Der Kläger durfte annehmen, daß Robert S***** als Anlageberater der Beklagten berechtigt war, Auskünfte über Papiere zu erteilen, die über die Beklagte erworben werden konnten.

Anders als bei einer Kaufvereinbarung über Pfandgegenstände (SZ 57/12), beim Eingehen von Wechselverbindlichkeiten (SZ 57/209 = HS 14.067 = JBl 1985, 542 = RdW 1985, 151) oder bei der Übernahme einer Bankgarantie durch einen Angestellten, der im Geschäftslokal des Kreditinstitutes die Kundschaft zu bedienen hat (SZ 48/20), darf der Kunde bei der Wertpapierberatung durch einen Anlageberater darauf vertrauen, daß dieser im Rahmen der ihm eingeräumten Vertretungsmacht tätig wird. Ein Anlageberater kann seine Funktion erfüllen, auch wenn er für die Bank nicht zeichnungsberechtigt ist; er wird seine Funktion dort erfüllen, wo sich die Kunden üblicherweise aufhalten. Weder die Tatsache, daß Robert S***** auf dem Aushang im Schalterraum nicht als für die Beklagte zeichnungsberechtigt aufschien, noch der Umstand, daß er im Schalterraum tätig war, mußte Zweifel an seiner Kompetenz wecken. Ein Anlageberater ist kein "reines Verkaufsorgan"; er soll vor jedem Verkauf - das erwarten jedenfalls die Kunden - nach bestem Wissen und Gewissen beraten.

Die Beklagte kann sich demnach dem Kläger gegenüber nicht darauf berufen, daß Robert S***** interne Anweisungen nicht befolgt hat. Nach dem im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt lag - anders als in dem der Entscheidung 10 Ob 528/94 zugrunde liegenden Fall - auch kein Privatgeschäft Robert S*****s vor. Daß der Anspruch des Klägers berechtigt ist, wenn sie das Verhalten ihres Anlageberaters zu vertreten hat, zieht die Beklagte nicht in Zweifel.

Die Revision mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte