OGH 4Ob320/75

OGH4Ob320/7510.6.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Nationalbank, *, vertreten durch Dr. Viktor Cerha, Dr. Karl Hempel, Dr. Dieter Cerha, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*KG, *, vertreten durch Dr. Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 60.000,—) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Februar 1975, GZ. 3 R 23/75‑12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 17. Oktober 1974, GZ. 26 Cg 64/74‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00320.75.0610.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.299,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.200,— Barauslagen und S 155,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte erzeugt und vertreibt ein Puzzle‑Zusammensetzspiel, bei welchem die Abbildung der Vorderseite einer österreichischen 1.000-S-Banknote mit dem Bildnis Bertha von Suttners auf Karton aufgebracht und in zahlreiche Zusammensetzsteine geteilt wurde. Die aus den einzelnen Teilen zusammengesetzte Banknoten-Abbildung ist wesentlich größer als ein 1.000-S-Schein, eine Verwechslung mit diesem daher ausgeschlossen. Das Zusammensetzspiel ist ein einem zylindrischen Pappkarton von 10 cm Durchmesser und 30 cm Höhe verpackt; der Mantel dieses Kartons besteht aus zwei – offensichtlich als Vorlage für das Zusammensetzen der einzelnen Teile dienenden – Abbildungen der 1.000‑S‑Banknote im Format von je 30 x 15 cm, und zwar in annähernd dem gleichen Farbton, wie ihn der Geldschein aufweist. Darüber hinaus bildet diese Art der Verpackung einen Blickfang, von welchem eine gewisse Werbewirkung für das Spiel ausgeht. Die Beklagte hatte zunächst versucht, von der Klägerin die Zustimmung für den Vertrieb des Spiels zu erhalten; obgleich das Ansuchen aus prinzipiellen Erwägungen abgelehnt worden war, begann sie dennoch mit dem Vertrieb des Spiels, welches um S 125,— in einschlägigen Geschäften verkauft wird.

Die Klägerin erblickt in diesem Verhalten der Beklagten eine Verletzung des ihr von den Urhebern übertragenen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechtes an den unter dem Schutz des Urheberrechtsgesetzes stehenden Banknoten. Sie begehrt daher die Verurteilung der Beklagten, es sofort zu unterlassen, das der Österreichischen Nationalbank zustehende ausschließliche Verwertungsrecht der Vervielfältigung und Verbreitung des Bildnisses der Vorderseite der 1.000-S-Banknote der Österreichischen Nationalbank III. Form (datiert „Wien, am 1. Juli 1966“, Ausgabetag 21. 9. 1970, darstellend auf der Vorderseite Bertha von Suttner, auf der Rückseite Leopoldskron‑Hohensalzburg) dadurch zu verletzen, daß sie ohne vorher eingeholte Zustimmung der Österreichischen Nationalbank, wo, durch wen und auf welche Art auch immer Abbildungen der Vorderseite solcher Banknoten herstellt oder herstellen läßt und insbesondere durch Aufbringung von Abbildungen derartige Noten auf einem „Puzzle‑Zusammensetzspiel“ und auf Pappkartonschachteln als deren Behältern im geschäftlichen Verkehr verwendet; die Beklagte sei ferner schuldig, die den Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes zuwider hergestellten und die zur widerrechtlichen Verbreitung bestimmten Abbildungen von Vorderseiten dieser Banknoten, insbesondere auch auf Zusammensetzsteinen eines Puzzle‑Zusammensetzspiels, zu vernichten und die ausschließlich zur widerrechtlichen Vervielfältigung bestimmten Mittel (Formen, Steine, Platten und Klischees) unbrauchbar zu machen. Außerdem verlangt die Klägerin die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten der Beklagten im „Kurier“, in der „Kronen‑Zeitung“ und in der „Presse“.

Die Beklagte hat das tatsächliche Vorbringen der Klägerin als richtig zugegeben, aber aus rechtlichen Erwägungen die Abweisung des Klagebegehrens beantragt: Banknoten seien urheberrechtlich nicht geschützt. Das Urherberrechtsgesetz wolle dem Schöpfer eines Werkes eine wirtschaftliche Beteiligung an der Weiterverwertung der Ergebnisse seines künstlerischen Schaffens sichern; ein solches Interesse sei aber auf der Seite der Klägerin, welche den Geldumlauf im Inland zu steuern und einen geregelten Geldverkehr aufrechtzuerhalten habe, nicht vorhanden. Darüber hinaus stehe dem Begehren der Klägerin auch § 16 Abs 3 UrhG. entgegen, nach welcher Bestimmung Werkstücke dann nicht mehr dem Verbreitungsrecht des Urhebers unterliegen, wenn sie – wie dies gerade bei Banknoten zutreffe – mit Einwilligung des Berechtigten durch Übertragung des Eigentums in Verkehr gebracht worden seien. Das Begehren auf Urteilsveröffentlichung sei schon mangels eines berechtigten Interesses im Sinne des § 85 UrhG. abzuweisen.

Außer Streit steht unter anderem, daß die Verwertungsrechte des Schöpfers der Banknoten – sofern sie überhaupt bestehen sollten – auf die Klägerin übergegangen sind.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Unterlassungs- und des Beseitigungsbegehrens der Klägerin und erteilte ihr die Befugnis, den Spruch des Urteils auf Kosten der Beklagten einmal in der Tageszeitung „Die Presse“ zu veröffentlichen; das darüber hinausgehende Veröffentlichungsbegehren wurde abgewiesen. Da Banknoten „Werke der bildenden Künste“ im Sinne des § 1 UrhG. seien, stünden der Klägerin als der Inhaberin eines ausschließlichen Werknutzungsrechtes nach § 24 UrhG. – über die ihr durch das Nationalbankgesetz eingeräumten Befugnisse zur Organisation und Regelung des inländischen Geldverkehrs hinaus – auch sämtliche Verwertungsrechte nach §§ 14 ff. UrhG. zu. Der Hinweis auf § 16 Abs 3 UrhG. versage schon deshalb, weil die Beklagte nicht Werkstücke (= Banknoten) zur Ausstattung ihres Puzzle‑Spiels benützt, sondern hiefür vergrößerte Abbildungen dieses Werks verwendet habe. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin sei daher gemäß § 81 UrhG., der Beseitigungsanspruch gemäß § 82 Abs. 2 UrhG, berechtigt. Auch die Voraussetzungen für eine Urteilsveröffentlichung auf Kosten der Beklagten seien gegeben, doch reiche zur Aufklärung der Öffentlichkeit die Bekanntmachung des Urteils in jener Tageszeitung aus, die erfahrungsgemäß von den hier interessierten Wirtschaftskreisen gelesen werde.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Vorderseite der 1.000-S-Banknote in ihrer konkreten graphischen Gestaltung ein solches Maß an schöpferischer Individualität aufweise, daß sie als Kunstwerk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes angesehen werden müsse. § 16 Abs. 3 UrhG, sei aus den schon vom Erstgericht angeführten Gründen im vorliegenden Fall nicht anwendbar; eine analoge Anwendung des § 54 Z. 5 UrhG., wie sie von der Berufung ins Auge gefasst wurde, müsse aber schon daran scheitern, daß sich eine Banknote als Mittel des Geldumlaufes in keinem Fall „an einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Orte bleibend befinde“. Schließlich sei auch die Ansicht der Beklagten verfehlt, daß bei Annahme eines Urheberrechtsschutzes für die von der Klägerin in Umlauf gesetzten Banknoten die – wesentlich engeren Strafbestimmungen des Nationalbankgesetzes (§§ 79, 80) überflüssig wären: Da der zuletzt erwähnte strafrechtliche Schutz der Banknote als solcher gelte – unabhängig davon, ob sie zugleich ein Werk der bildenden Künste im Sinne des § 1 UrhG, sei –, liege den Strafbestimmungen des Nationalbankgesetzes ein ganz anderes Schutzobjekt zugrunde als den Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes; daß der Gesetzgeber in §§ 79 und 80 NBG. das Nachmachen oder Abändern der von der Klägerin ausgegebenen Banknoten sowie das unbefugte Herstellen und Verbreiten von Abbildungen solcher Banknoten oder ihnen ähnlicher Erzeugnisse unter Strafsanktion gestellt habe, berechtigte daher nicht zu dem Schluß, daß die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes auf Banknoten nicht angewendet werden könnten. Wie jede andere Aktiengesellschaft, könne auch die Österreichische Nationalbank Werknutzungsrechte an Banknotenentwürfen erwerben und gegen Verletzungen der ihr danach zustehenden Ausschließungsrechte mit einer auf das Urheberrechtsgesetz gestützten Klage vorgehen.

Das Urteil des Berufungsgerichtes, nach dessen Ausspruch der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,--übersteigt, wird von der Beklagten mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Der Revisionsantrag geht auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens.

Die Klägerin hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Rechtsausführungen der Revision erschöpfen sich in dem Versuch, die mangelnde urheberrechtliche Schutzfähigkeit der in Rede stehenden 1.000-S-Banknote darzutun. Die Idee, in einer Banknote zum Ausdruck zu bringen, daß es sich dabei um ein gesetzliches Zahlungsmittel der Republik Österreich handelt, sei ebensowenig originell wie die Wahl des Bildnisses der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner oder dessen Verbindung mit einem für Österreich signifikanten Bild; der künstlerischen Ausgestaltung dieser Idee fehle aber im konkreten Fall sowohl hinsichtlich der Ausführung der dargestellten Motive als auch hinsichtlich des kompositorischen Zusammenhanges der einzelnen Bildelemente die erforderliche Werkhöhe.

Dieser Auffassung vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu folgen: Nach Lehre und Rechtsprechung ist ein Erzeugnis des menschlichen Geistes dann eine eigentümliche geistige Schöpfung (ein „Werk“) im Sinne des § 1 UrhG., wenn es das Ergebnis schöpferischer geistiger Tätigkeit ist, das seine Eigenheit, die es von anderen Werken unterscheidet, aus der Persönlichkeit seines Schöpfers empfangen hat; die Persönlichkeit des Schöpfers muß darin so zum Ausdruck kommen, daß ihm dadurch der Stempel der Einmaligkeit und der Zugehörigkeit zu seinem Schöpfer aufgeprägt wird, also eine aus dem innersten Wesen des geistigen Schöpfers fließende Formung vorliegt (JBl 1973, 41 = ÖBl 1972, 157; ÖBl 1973, 111 mit weiteren Zitaten). Auf dem Gebiet der bildenden Kunst muß diese Gestaltung begrifflich mit einem gewissen Maß an Originalität verbunden sein; hier ist eine entsprechende Werkhöhe erforderlich, also eine Gestalt gewordene Idee, die den Stempel der persönlichen Eigenart ihres Schöpfers trägt oder sich zumindest durch eine persönliche Note von anderen Erzeugnissen ähnlicher Art abhebt (SZ 40/76 = EvBl 1968 59 = ÖBl 1967, 117; SSt 33/16 = EvBl 1962/319 = JBl 1962, 568 = ÖBl 1962, 77 = RZ 1962, 165 u.a.). Zu den Werken der bildenden Künste im Sinne des § 3 Abs. 1 UrhG, gehören unter diesen Voraussetzungen insbesondere auch solche, deren Ausdrucksmittel die Graphik ist (ÖBl 1973, 111).

Von dieser Rechtsansicht ausgehend, haben aber die Untergerichte den urheberrechtlichen Schutz der Vorderseite eines österreichischen 1.000-S-Scheins zutreffend bejaht: Der Gestalter dieser Banknote hat die – sowohl in Worten als auch in Ziffern ausgedrückte – Angabe des durch die Banknote verkörperten Geldwertes, die Bezeichnung der Klägerin samt Ausgabedatum und Unterschriften sowie das österreichische Staatswappen mit dem die Vorderseite beherrschenden Bildnis der Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 1905, Bertha von Suttner, zu einer Bildkomposition eigene Art verbunden; er hat diese verschiedenartigen Bestandteile nicht etwa beziehungslos nebeneinandergestellt, sondern aus ihnen durch besondere graphische Gestaltung, Anordnung und Farbschattierung unter Einbeziehung abstrakter Bildelemente, wie Hintergrundornamente und ‑linien, Randleisten und dergleichen, eine höhere künstlerische Einheit geschaffen, in der seine schöpferische Phantasie zum Ausdruck kommt. Die erforderliche Originalität dieser Schöpfung – im Sinne einer nach den obigen Rechtsausführungen bei Werken der bildenden Künste zu fordernden „Werkhöhe“ – kann bei dieser Sachlage nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes überhaupt nicht zweifelhaft sein.

Was die Beklagte in ihrer Revision gegen diese schon von den Untergerichten vertretene Rechtsansicht vorbringt, vermag nicht zu überzeugen: Gewiß ist die „Idee, in einer Banknote zum Ausdruck zu bringen, daß es sich dabei um ein gesetzliches Zahlungsmittel der Republik Österreich handelt“, urheberrechtlich ebensowenig schutzfähig wie die Auswahl des Bildnisses Bertha von Suttners zur Kennzeichnung der 1.000-S-Banknote. Wie die Revisionswerberin selbst einräumt, kommt vielmehr „als einziges Kriterium für ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne des § 1 UrhG, nur die künstlerische Ausgestaltung“ der in Rede stehenden Banknote in Betracht. Daß diese aber im konreten Fall entgegen der Meinung der Beklagten „in der Ausführung der dargestellten Motive“ und vor allem „im kompositorischen Zusammenhang der einzelnen Bildelemente“ sehr wohl den Anforderungen des § 1 UrhG, entspricht und vor allem die notwendige „Werkhöhe“ aufweist wurde bereits oben dargetan.

Auf die weiteren rechtlichen Einwände, welche die Beklagte in den Unterinstanzen dem Klagebegehren entgegengehalten hatte, kommt die Revision nicht mehr zurück; der Oberste Gerichtshof kann sich daher diesbezüglich auf den Hinweis beschränken, daß das Berufungsgericht nicht nur die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 16 Abs. 3 und des § 54 Z. 5 UrhG. zutreffend verneint, sondern insbesondere auch eine Derogation der Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes durch die Sondervorschriften des Nationalbankgesetzes schon mit Rücksicht auf die verschiedenen Schutzobjekte dieser Normen mit Recht abgelehnt hat. Auch die Ermächtigung der Klägerin zur einmaligen Urteilsveröffentlichung in der „Presse“ begegnet unterem Gesichtspunkt der notwendigen Aufklärung des Publikums über die Urheberrechtsverletzung der Beklagten keinen Bedenken.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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