Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger, der sich um die Position des Leiters einer Abteilung eines Landeskrankenhauses beworben hat und nach mehrfachen Pressekonferenzen und Medienberichten zum Thema "Sicherheit für Kinder" als Experte auf diesem Gebiet gilt, zählt zweifellos zu den im öffentlichen Leben stehenden Personen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe; ÖBl 1993, 39 = ecolex 1993, 736 - Austria-Boß; MR 1994, 237 - Lästige Witwe II; MR 1995, 18 - Profil; MR 1995, 145 - Wunderarzt; MR 1997, 148 - Abkassierer ua), ist auch bei Angehörigen dieser Personengruppe, die zwar der Öffentlichkeit namentlich oder nach ihrer Funktion bekannt sind, deren Aussehen jedoch nur ein beschränkter Teil der hiefür interessierten Öffentlichkeit kennt, der mit der Bildnisveröffentlichung zusammenhängende Text zu berücksichtigen, wird doch bei nicht allgemein bekannten Personen des öffentlichen Lebens die Verletzung durch Beigabe des Bildes noch verschärft und eine "Prangerwirkung" erzielt, weil die Person des Angegriffenen erst damit einer breiten Öffentlichkeit auch optisch kenntlich gemacht wird. In diesen Fällen kann die Bildnisveröffentlichung nur durch ein im Wege der Interessenabwägung gewonnenes höhergradiges Veröffentlichungsinteresse des Bildnisverbreiters gerechtfertigt sein.
Bei dieser nach § 78 UrhG gebotenen Interessenabwägung sind nach der jüngeren Rsp des erkennenden Senates auch die im MedG, insbesondere in dessen § 7a zum Ausdruck kommenden Wertungen des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Danach sollte bei der Bildberichterstattung im Zusammenhang mit Kriminalfällen der jedenfalls geschützte Bereich auf solche strafbare Handlungen beschränkt werden, die als Vergehen iS des § 17 StGB zu beurteilen sind, während demgegenüber bei Verbrechen eine Interessenabwägung stattzufinden hat (JBl 1998, 55 = MR 1997, 302 = ÖBl 1998, 88 - Ernestine K; MR 1998, 126 - Ing.P. [Korn]; 4 Ob 95/98v; 4 Ob 127/98z ua).
Die im Zusammenhang mit der Bildnisveröffentlichung stehenden Begleittexte (der Kläger sei bereits seit Jahren umstritten; wenn er operiere, bestehe die Gefahr, daß eine Katastrophe passiere; er habe sein Engagement im Inselspital B***** beenden müssen) erwecken insgesamt den Eindruck, der Kläger sei fachlich unqualifiziert; daß dies den Tatsachen entspreche, hat die Beklagte, die die Beweislast für die Richtigkeit der von ihr aufgestellten rufschädigenden Tatsachenbehauptungen, die zugleich auch ehrenbeleidigend sind, trägt (EvBl 1991/24; ÖBl 1992, 278 - Riedel-Gläser; ÖBl 1993, 84 - Jubelbroschüre; MR 1995, 16 mwN; 6 Ob 2235/96m ua), nicht einmal behauptet. Ist der durch eine Wortberichterstattung hervorgerufene Eindruck unrichtig, ohne daß der Beweis ihrer Richtigkeit erbracht wurde, kann der in seinen Rechten Verletzte derartige Äußerungen gemäß § 1330 Abs 2 ABGB verbieten lassen; Gleiches muß auch für eine Bildberichterstattung in diesem Zusammenhang gelten. Eine Interessenverletzung des Abgebildeten in solchen Fällen ist regelmäßig nicht zweifelhaft, zumal die Tendenz des hier beanstandeten Artikels, den Kläger in der Öffentlichkeit anzuprangern und herabzusetzen, unverkennbar ist (MR 1990, 226 - Rote Karte; MR 1997, 148 - Abkassierer).
Die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers als einer am öffentlichen Leben teilnehmenden Person komme im vorliegenden Fall kein so hoher Nachrichtenwert zu, daß er die Interessen des Klägers am Schutz vor der Herabsetzung seines Ansehens und seines Rufes in der Öffentlichkeit überwiege, stellt - auch bei Berücksichtigung der Wertungen nach dem MedG - keine die Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung des Einzelfalles dar; daß der Kläger unter dem begründeten Verdacht stehe, ein Verbrechen begangen zu haben, hat die Beklagte nämlich nicht einmal behauptet (die Verletzung einer Anzeigepflicht nach § 27 ÄrzteG ist gem. § 108 Abs 3 ÄrzteG eine bloße Verwaltungsübertretung). Wie weit die Veröffentlichung des Lichtbildes eines Arztes im Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen überhaupt in der Lage ist, eine besondere Warnfunktion auszuüben, bedarf deshalb hier keiner weiteren Prüfung.
Die Berufung der Beklagten auf Art 10 MRK geht fehl, weil mit dem Verbot der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses in keiner Weise ihr Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten wird. Die Ausübung des Grundrechtes auf freie Meinungsäußerung kann nämlich gewissen Einschränkungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse bestimmter in Art 10 Abs 2 EMRK näher aufgezählter Ziele und Werte unentbehrlich sind. Dazu gehören auch der Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, welcher durch den Schutz der Persönlichkeitsrechte in § 78 UrhG verfolgt wird. Bildveröffentlichungen im Zusammenhang mit rufschädigenden Tatsachenbehauptungen über den Abgebildeten, deren Richtigkeit nicht bewiesen ist, sind durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt (ähnlich MR 1994, 207 = ÖBl 1995, 233 - Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus).
Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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