Normen
ABGB §896
ABGB §1313
ABGB §1313a
ABGB §1489
Bundes- Verfassungsgesetz Art23
DHG §2
DHG §4
ABGB §896
ABGB §1313
ABGB §1313a
ABGB §1489
Bundes- Verfassungsgesetz Art23
DHG §2
DHG §4
Spruch:
Der Regreßanspruch des solidarisch zum Schadenersatz Verpflichteten, der den Schaden ersetzt hat, gegen seine Mitverpflichteten (§ 1313 zweiter Satz ABGB.) richtet sich gemäß § 896 ABGB. nach dem zwischen ihnen intern bestehenden Rechtsverhältnis (hier Arbeitsrechtsverhältnis)
Der Regreßanspruch eines spitalerhaltenden Bundeslandes gegen den angestellten Spitalsarzt, der einen Patienten falsch behandelt hat, wegen Heranziehung des Bundeslandes zum Schadenersatz ist gleichfalls ein Schadenersatzanspruch (Dienstnehmerhaftung)
Entscheidung vom 3. Mai 1966, 4 Ob 29/66
I. Instanz: Arbeitsgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt
Text
Am 26. Juni 1946 begab sich Maria L. - damals Pächterin des Golfhotels in D. - in die Pflege der ersten medizinischen Abteilung des Landeskrankenhauses K., deren Oberarzt damals der Beklagte war. Der bei der Beklagten zunächst bestandene Verdacht auf Typhus wurde durch die bakteriologische Untersuchung entkräftet. Die Diagnose wurde schließlich auf Encephalomyelitis, also einen Fall einer Meningitis, gestellt. Am 2. Juli 1946 verabreichte der Beklagte der Maria L. aus einer alten Ampulle aus Wehrmachtsbeständen eine Novalgininjektion zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbel. Die Ampullen befanden sich in einer Schachtel der Lieferfirma, auf welcher angeschrieben stand, daß sie für intravenöse und intramuskuläre Injektionen bestimmt seien. Unmittelbar nach Verbreichung der Injektion traten bei Maria L. Lähmungserscheinungen auf, die sich noch am selben Tag derart ausdehnten, daß die beiden Beine seither nur mehr in geringfügigem Maße beweglich sind. Die Lähmungserscheinungen waren eine Folge der intralumbalen Novalgininjektion, d. h. sie wären nicht eingetreten, wenn der Beklagte diese Injektion nicht verabreicht hätte.
Im Verfahren zu 4 Cg .../52 des Landesgerichtes Klagenfurt hat Maria L. gegen die nunmehrige Klägerin - das Bundesland Kärnten als Eigentümerin des Landeskrankenhauses K. - Schadenersatzansprüche nach § 1313a ABGB. wegen der unsachgemäßen ärztlichen Behandlung geltend gemacht. In diesem Rechtsstreit wurde schließlich - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - das Bundesland Kärnten schuldig erkannt, der Maria L. 1.000.000 S und eine monatliche Rente von 3000 DM bis 1. August 1969 zu bezahlen.
Im Verfahren zu 4 Cg .../60 des Landesgerichtes Klagenfurt begehrte Maria L. vom Bundesland Kärnten den Ersatz weiterer, seit 1957 entstandener Krankheits- und Heilungskosten. Dieses Verfahren endete schließlich damit, daß der Maria L. u. a. ein Betrag von 118.374.33 S rechtskräftig zugesprochen wurde.
Mit der vorliegenden, am 10. August 1964 überreichten Klage macht das Bundesland Kärnten gegen den Beklagten - der im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses als Oberarzt des Landeskrankenhauses K. Vertragsbediensteter der klagenden Partei war - einen Regreßanspruch hinsichtlich des Betrages von 118.374.33 S samt Nebengebühren geltend.
Der Beklagte wendete ein, er habe den Leidenszustand der Maria L. nicht verschuldet. Es liege kein ärztlicher Kunstfehler vor, denn bei dem im Jahre 1946 bestandenen Medikamentenmangel sei die vom Beklagten durchgeführte therapeutische Maßnahme auch unter Bedachtnahme auf den damaligen Stand der ärztlichen Wissenschaft durchaus vertretbar gewesen. Vor allem aber seien die geltend gemachten Regreßansprüche längst verjährt, da der klagenden Partei spätestens mit der Zustellung der Schadenersatzklage der Maria L. im Rechtsstreit 4 Cg .../52 am 30. September 1952 bekannt geworden sei, daß die Genannte Schadenersatzansprüche aus der behaupteten Fehlbehandlung durch den Beklagten geltend mache, dauernde Erwerbsunfähigkeit behaupte und den Ersatz aller durch diesen Leidenszustand bedingten Aufwendungen begehre. Das Verfahren 4 Cg .../60 des Landesgerichtes Klagenfurt gehe auf dasselbe Schadensereignis zurück, sei also nur eine weitere Folgeerscheinung desselben und wäre für die klagende Partei schon aus dem Prozeßergebnis zu 4 Cg.../52 voraussehbar gewesen. Schließlich wurde vom Beklagten auch behauptet, daß Maria L. die in der Klage 4 Cg .../60 geltend gemachten Schadenersatzansprüche der klagenden Partei schon vor dem 7. März 1960 bekanntgegeben habe, sodaß die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB. auch aus diesem Gründe bereits verstrichen sei.
Das Erstgericht beschränkte das Verfahren auf die Frage der behaupteten Verjährung, erachtete die eingeklagte Forderung nach § 1489 ABGB. für verjährt und wies daher das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der klagenden Partei das Ersturteil. Es verhandelte die Sache gemäß § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. im Rahmen der Berufungsanträge von neuem. Die in den erwähnten Vorprozessen eingeholten Sachverständigengutachten bezeichneten die intralumbale Verabreichung einer Novalgininjektion als ein Wagnis mit nicht absehbaren Folgen. Zusammenfassend heiße es im Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6. Oktober 1954, 4 Cg .../52-102: "Maria L. stand mit der beklagten Partei (Land Kärnten als Eigentümerin des Landeskrankenhauses K.) in einem Vertragsverhältnis, nach welchem für die Klägerin die ordnungsgemäße ärztliche Behandlung zu gewähren war. Das Verhalten Dris. R. war vom ärztlichen Standpunkt verfehlt. Es war ein unzulässiges Wagnis und stellt sich daher als ein Versehen dar. Folgen dieses Verhaltens waren die Lähmungserscheinungen. Die beklagte Partei haftet für das Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen Dr. R. Sie ist daher gemäß § 1325 ABGB. verpflichtet, der Klägerin den Schaden zu ersetzen." Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Landes Kärnten sei erfolglos geblieben. Der Oberste Gerichtshof habe der Revision des Landes Kärnten nicht Folge gegeben und in den Entscheidungsgründen seines am 8. Juni 1955 zu 2 Ob 290/55 ergangenen Urteiles u. a. ausgeführt: "Daß die beklagte Partei für das Verschulden des in dem von ihr betriebenen Landeskrankenhaus beschäftigten Arztes Dr. R. gemäß § 1313a ABGB. haftet, entspricht der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes. Die Ansicht der Untergerichte, daß ein Arzt, der bei Vornahme einer Injektion ein Mittel anwendet, welches noch nicht erprobt ist, gemäß § 1299 ABGB. fahrlässig handelt, weil es keiner außergewöhnlichen Kenntnisse bedürfe, um voraussehen zu können, daß eine nicht erprobte Anwendung eines solchen Mittels allenfalls nicht abzusehende Folgen für den Patienten nach sich ziehen könne, ist nicht rechtsirrig. Ein Patient ist kein Versuchsobjekt für noch nicht erprobte Behandlungsmethoden. Da Dr. R. bei den bei ihm als Arzt vorauszusetzenden medizinischen Kenntnissen voraussehen mußte, daß sein Wagnis nicht abzusehende Folgen für die Klägerin nach sich ziehen könne, handelt es sich keineswegs um ein leichtes Versehen, sondern vielmehr um eine auffallende Sorglosigkeit im Sinne des § 1324 ABGB." Dieses Urteil sei der damals beklagten Partei (Bundesland Kärnten) am 9. Juli 1955 zugestellt worden. Im Endurteil dieses Verfahrens vom 28. November 1956, 4 Cg .../52-145, führe das Landesgericht in den Entscheidungsgründen u. a. aus: "Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei klargestellt, daß es sich hier um einen bloßen Ersatz des Verdienstentganges handelt, nicht aber um den für Mehrauslagen, die der Klägerin dadurch erwachsen, daß sie körperlich behindert ist. Ein solcher Schaden wurde bisher schon geltend gemacht und auch zugesprochen. Es steht der Klägerin frei, auch in Hinkunft neben allfällig notwendigen Auslagen für Ärzte, Medikamente, Kuren, Pflege u. dgl. auch solche für Dienstleistungen zu begehren, etwa, weil sie sich ansonsten verschiedene Verrichtungen selbst besorgt hätte, die sie nun durch dritte Personen vornehmen lassen muß. Ob und inwieweit solche Ansprüche gebühren, ist hier nicht zu erörtern." Der gegen dieses Urteil von der (damals) beklagten Partei erhobenen Berufung sei mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 16. Oktober 1957, 2 R .../57-164, nicht Folge gegeben worden. Hingegen sei das Rechtsmittel der Klägerin Maria L. erfolgreich gewesen. Die gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz erhobene Revision der damals beklagten Partei sei ohne Erfolg geblieben. Diese letztere Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 19. Februar 1958, 2 Ob 645/57, sei der beklagten Partei (Land Kärnten) am 26. Juli 1958 zugestellt worden.
Mit der am 10. März 1960 bei Gericht eingelangten, zu 4 Cg .../60 des Landesgerichtes Klagenfurt erhobenen Klage habe die Klägerin Maria L. vom Land Kärnten die Bezahlung weiterer Krankheits- und Heilungskosten begehrt. Dieser Rechtsstreit habe am 11. November 1963 mit Anerkenntnis geendet. Im vorliegenden Rechtsstreit würden die von dem Anerkenntnisurteil auch umfaßten 118.374.33 S aus dem Titel eines Regreßanspruches begehrt, welcher sich aus dem von der klagenden Partei behaupteten Schaden und dem Verhalten des Beklagten ergebe. In der Berufung habe sich die klagende Partei auf den Standpunkt gestellt, bei ihrem Anspruch handle es sich nicht um eine Schadenersatzforderung im Sinne der §§ 1293 ff. ABGB., sondern um einen Rückgriffsanspruch aus einem Haftpflichtverhältnis, welcher in Analogie zu § 1042 ABGB. zu beurteilen sei. Für Rückgriffsansprüche dieser Art gelte demnach die 30jährige Verjährung, weil ein nach den Grundsätzen des Kondiktionenrechtes zu beurteilender Anspruch vorliege. Es sei der klagenden Partei darin beizupflichten, daß Ansprüche nach § 1042 ABGB. nicht der kürzeren Verjährung nach § 1480 oder 1489, sondern der ordentlichen Verjährung nach § 1479 ABGB. unterlägen. Eine Verwendungsklage habe aber nur eine subsidiäre Funktion. § 1042 ABGB. greife nicht ein, wenn die Vermögensverschiebung in einem Vertragsverhältnis zwischen dem Verkürzten und der Mittelsperson einen zureichenden Rechtsgrund finde. Nach der herrschenden Rechtsprechung sei dort, wo ein Vertragsverhältnis vorliege, nicht nur ein Bereicherungsanspruch nach § 1041 ABGB., sondern auch ein Anspruch nach § 1042 ABGB. ausgeschlossen. Maria L. habe das in diesem Verfahren klagende Land aus einem auf dem Krankenanstaltsgesetz (BGBl. Nr. 1/1957) beruhenden Verhältnis nach der Vorschrift des § 1313a ABGB. in Anspruch genommen. Das zwischen Maria L. und der in diesem Rechtsstreit klagenden Partei bestandene Verhältnis könne keinen Rückgriffsanspruch aus einem Haftpflichtverhältnis, das in Analogie zu § 1042 ABGB. zu beurteilen sei, begrunden. Es liege vielmehr ein Schadenersatzanspruch vor, auf den die verkürzte Verjährungszeit des § 1489 ABGB. Anwendung zu finden habe. Dieser Schadenersatzanspruch unterliege auch als Rückgriffsanspruch der Bestimmung der zitierten Gesetzesstelle. Denn für die Verjährung eines Rückgriffsanspruches gelte diejenige Vorschrift, der der zivilrechtliche Anspruch des Verletzten unterliege. Spätestens mit Zustellung des den Rechtsstreit 4 Cg .../52 im Gründe entscheidenden Urteiles des Obersten Gerichtshofes (9. Juli 1955) sei die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB. in Lauf gesetzt worden. Die Person des Beschädigers und der Schaden seien dem Lande Kärnten ab diesem Zeitpunkt bekannt gewesen. Die exakte Kenntnis der Höhe des Schadens ergebe sich in diesem Rechtsstreit aus dem Endurteil. Nach dem ganzen aus dem Verfahren sich ergebenden Sachverhalt habe das Land Kärnten jedoch damit rechnen müssen, daß Maria L. weitere Ansprüche erheben werde. Die vorliegende Klage aber sei erst am 10. August 1964 eingebracht worden, also nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist. Es treffe zwar zu, daß die im Vorprozeß 4 Cg .../52 ergangene Entscheidung keine Rechtskraftwirkung hinsichtlich der in 4 Cg .../60 geltend gemachten Ansprüche erzeugen konnte. Das Zwischen- und Endurteil zu 4 Cg .../52 habe aber insofern eine Tatbestandswirkung erzeugt, als sie den Fristenlauf des § 1489 ABGB. in Lauf setzte, weil dem Lande Kärnten aus dem Rechtsstreit 4 Cg .../52 die Person des Schädigers hinlänglich bekannt geworden sei und in den Entscheidungsgründen des in diesem Rechtsstreit ergangenen Endurteils klargestellt worden sei, daß der Maria L. auch in Zukunft noch Ansprüche zustehen würden. Um sich die Wahrung der Rückgriffsrechte zu sichern, hätte das Land Kärnten rechtzeitig mit einer Feststellungsklage gegen den Dienstnehmer vorgehen müssen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die klagende Partei versucht in ihrer Revision in erster Linie ihre von den Untergerichten abgelehnte Auffassung darzulegen, es handle sich beim eingeklagten Anspruch um eine dem Verwendungsanspruch des § 1042 ABGB. nachgebildete Kondiktion, für welche eine dreißigjährige und nicht dreijährige Verjährung gelte. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Anspruch nach § 1042 ABGB. - wie auch jener nach § 1041 ABGB. - bloß eine ergänzende Funktion und besteht dann nicht, wenn die Vermögensverschiebung in einem Rechtsverhältnis zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten einen ausreichenden Rechtsgrund findet oder sonst durch das Gesetz gerechtfertigt oder geregelt ist (vgl. SZ. XII 200, SZ, XXIII 53, SZ. XXV 13, EvBl. 1956 Nr. 347, SZ. XXXIII 142, Stanzl in Klang[2] IV/1 909, 924 f., nicht entgegengesetzt 928).
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte als angestellter Arzt des dem Lande Kärnten gehörigen Landeskrankenhauses K. der Maria L. durch einen ärztlichen Kunstfehler einen körperlichen Schaden zugefügt, wie die klagende Partei in diesem Prozeß behauptet und wie die Gerichte im Vorprozeß 4 Cg .../52 festgestellt haben. An diesem Vorprozeß war der jetzige Beklagte aber nicht beteiligt, obwohl er als unmittelbar Schuldtragender nach § 1299 ABGB. hätte belangt werden können. Die Urteile in jenem Prozeß haben daher auf den jetzigen Beklagten keine Rechtskraftwirkung. Geklagt wurde damals nur das Land Kärnten, der Dienstgeber des Beklagten, und zwar mit der Begründung, daß das Land Kärnten als Eigentümer des Landeskrankenhauses K. der damaligen Klägerin Maria L. zur ärztlichen Betreuung verpflichtet gewesen sei und gemäß § 1313a ABGB. ihr für das Verschulden der Personen, deren sich das Land Kärnten zur Erfüllung bedient habe, wie für sein eigenes hafte. Der Haftung des Beklagten gegenüber der Geschädigten Maria L. liegt ein schuldhaftes Verhalten zugrunde, wie das Land Kärnten behauptet, die Haftung des Landes Kärnten beruht aber nur auf der Haftungsbestimmung des § 1313a ABGB. und kann weder auf ein Verschulden, noch auf bloße Verursachung gestützt werden.
Das Land Kärnten ist auf Grund des von ihr behaupteten Sachverhaltes berechtigt, gegen ihren damaligen Erfüllungsgehilfen und Vertragsbediensteten, den jetzigen Beklagten, den Rückersatz der vom Lande der Maria L. bezahlten Schadenersatzbeträge geltend zu machen. Denn die Bestimmung des § 1313 zweiter Satz ABGB. behält dem Lande Kärnten den "Rückersatz gegen den Schuldtragenden" vor, weil es für die "fremde, widerrechtliche Handlung" des Beklagten, an der das Land "keinen Teil genommen hat", verantwortlich gemacht worden ist. Es handelt sich nämlich um einen Fall, "wo die Gesetze - § 1313a - das Gegenteil anordnen" von dem, was im ersten Satz des § 1313 angeordnet worden ist. Dort wird aber der Grundsatz aufgestellt, daß für fremde, widerrechtliche Handlungen, woran jemand keinen Teil genommen hat, dieser in der Regel nicht verantwortlich ist.
Wenn das Land Kärnten schon auf Grund des § 1313 zweiter Satz ABGB. gegen den Beklagten den Rückersatz verlangen kann, braucht nicht untersucht werden, ob die Rückersatzbestimmung des § 1302 ABGB., die sich auf den Fall des § 1301 ABGB. (Haftung mehrerer Teilnehmer für einen von ihnen widerrechtlich zugefügten Schaden) bezieht, auch für den Fall gilt, daß einer von zwei Haftungsteilnehmern den Schaden weder verschuldet, noch verursacht hat, wie im vorliegenden Fall das Land Kärnten.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß dann, wenn das Gesetz einer von mehreren Personen, die für den Ersatz eines Schadens haften, den Rückersatz gegen die Haftungsgenossen zugesteht, die auf Rechtsgeschäfte zugeschnittene Bestimmung des § 896 erster Satz ABGB. anzuwenden ist. Denn weder § 1313 noch § 1302 ABGB. setzen fest, in welchem Ausmaß und nach welchen Grundsätzen der Rückersatz vor sich gehen soll (so auch SZ. XXVI 18, Weiß, Der Rückgriff im Schadenersatzrecht, JBl. 1947, S. 532, erster Absatz am Ende).
Was nun die Rückgriffsgrundsätze des § 896 ABGB. betrifft, ist erste Voraussetzung, daß es sich um Mitschuldner zur ungeteilten Hand dreht, daß also eine solidarische Verpflichtung der Mitschuldner vorliegt. Diese Voraussetzung trifft auf den unmittelbaren Schädiger und den nach § 1313a ABGB. Haftenden zu. Denn mangels Bestimmbarkeit der Verschuldens- und Verursachungsanteile der Mitschuldner (den nach § 1313a ABGB. Verpflichteten treffen ja in der Regel weder Verschulden noch Verursachung) sind die beiden Mitschuldner, die nach den §§ 1299 und 1313 a ABGB. jeder für sich den ganzen Schaden zu ersetzen haben, solidarisch verpflichtet. Das Land Kärnten ist aus diesem Grund in den beiden Vorprozessen zur Bezahlung des ganzen Schadens der Maria L. verurteilt worden.
Die Art und das Ausmaß des Rückgriffsanspruches nach den §§ 1313, 896 ABGB. richtet sich, wie aus dem ersten Satz des § 896 ABGB. hervorgeht, in erster Linie nach dem zwischen den Mitschuldnern bestehenden "anderen besonderen Verhältnis". Darunter ist nicht etwa nur der höhere Grad des Verschuldens eines der Mitschuldner zu verstehen, was im Falle der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 21. Jänner 1953, SZ. XXVI 18, von Bedeutung war. Gschnitzer in Klang[2] IV/1 314, und Ehrenzweig II 1 S. 104, nehmen vielmehr mit Recht an, daß es sich bei dem "anderen besonderen Verhältnis" um die Rechtsbeziehungen handelt, die zwischen den Mitschuldnern bestehen, sei es ein Gesellschaftsvertrag, seien es Ehepakten oder ein anderes Rechtsverhältnis. Schon Zeiller, Commentar über das ABGB. III 1 S. 78, hat auf das "wechselseitige Verhältnis, wie z. B. in einer Handlungsgesellschaft" verwiesen und damit in gleicher Weise das zwischen den Mitschuldnern bestehende Rechtsverhältnis als das "andere besondere Verhältnis" bezeichnet. Daß Wolff in Klang[2] VI 56 f. und Weiß a. a. O. S. 531 f. auf diese Rechtsbeziehungen nicht oder nur undeutlich eingehen und davon sprechen, daß der Rückersatzanspruch kein Schadenersatzanspruch, sondern ein Anspruch auf Ersatz gemachter Aufwendungen sei, hat seinen Grund darin, daß beide in erster Linie die Fälle behandeln, in denen Rechtsbeziehungen zwischen den Mitschuldnern nicht bestehen. Soweit aber solche vorhanden sind, müssen sie nach dem ersten Satz des § 896 ABGB. berücksichtigt werden, wenn die Art und das Ausmaß des Rückersatzanspruches klargestellt werden soll. Dementsprechend ist etwa in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 24. Jänner 1883, GlU. 9278, vom 10. Dezember 1964, 2 Ob 296/64, vom 24. Juni 1965, 2 Ob 189/65, auf die zwischen den Mitschuldnern bestehenden Rechtsbeziehungen bei der Untersuchung des Regreßanspruches ausdrücklich Bezug genommen worden. Daß andere Entscheidungen (z. B. vom 23. Februar 1955, SZ. XXVIII 52 - Verhältnis zwischen Halter und Lenker eines Kraftwagens -, vom 6. November 1956, Soz. I A/e S. 196 - Verhältnis zwischen einem Bundesland als Eigentümer eines Krankenhauses und einem angestellten Arzt, ähnlich dem vorliegenden Fall -, vom 29. März 1960, ZVR. 1960 Nr. 337 - Verhältnis zwischen Kraftfahrzeuglenkern - vom 24. Mai 1962, ZVR. 1963 Nr. 66 - Verkehrsunfall -, vom 16. Dezember 1964, EvBl. 1965 Nr. 145 - Verhältnis zwischen Fahrzeuglenkern -) von vornherein den bei Bestand vertraglicher Beziehungen nicht anwendbaren § 1042 ABGB. heranziehen, hat seine Ursache einerseits darin, daß in diesen Entscheidungen zwischen den Mitschuldnern ein besonderes Innenverhältnis nicht bestand, sodaß der Regreßanspruch nach § 1042 ABGB. beurteilt werden konnte, andererseits aber auch darin, daß die Rechtsbeziehungen zwischen den Mitschuldnern in den Prozessen keine Rolle gespielt haben.
Im vorliegenden Fall hat im Zeitpunkt der Schadenshandlung zwischen dem Land Kärnten als Dienstgeber und dem beklagten Krankenhausarzt als Dienstnehmer ein Arbeitsrechtsverhältnis bestanden. Der Beklagte hatte auf Grund des Dienstvertrages die Pflicht, die ihm übertragenen ärztlichen Arbeiten bei der Behandlung der Krankenhauspatienten, darunter auch der Maria L., sachgemäß zu versehen. Dadurch, daß der Beklagte nach der Behauptung der klagenden Partei diese Pflicht vernachlässigt hat, ist vom Beklagten dem damals bestehenden Dienstvertrag zuwidergehandelt worden und das Land Kärnten hat durch dieses Verhalten des Beklagten einen Schaden erlitten. Der Schaden, der dem Land Kärnten durch den Beklagten schuldhaft verursacht worden ist, ist mit dem der Maria L. vom Beklagten zugefügten Schaden an ihrem Körper nicht identisch. Der Schaden des Landes Kärnten besteht vielmehr darin, daß die Schädigung der Maria L. die gesetzliche Haftpflicht des Landes Kärnten (§ 1313a ABGB.) ausgelöst hat und das Land ohne eigenen Verschuldens- oder Verursachungszusammenhang den Schaden der Maria L. decken mußte. Der Beklagte ist seinem damaligen Dienstgeber, dem Land Kärnten, gegenüber grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet, weil er nach der Behauptung der klagenden Partei dienstvertragliche Verpflichtungen (sachgemäße ärztliche Arbeit) schuldhaft verletzt hat (Dienstnehmerhaftung).
Der dem Land Kärnten gegen den Beklagten zustehende Regreßanspruch ist im vorliegenden Fall daher ein Schadenersatzanspruch. Art. 23 B.-VG., der die Grundsätze der Amtshaftung, aber auch den mit dieser Haftung zusammenhängenden Regreß regelt, den der Rechtsträger gegen seine schuldtragenden Organe nehmen kann, spricht in seinem dritten Absatz vom Schaden, den die Organe dem Rechtsträger unmittelbar zugefügt haben. Die Verfassungsbestimmung setzt somit auch die Möglichkeit eines mittelbar verursachten Schadens des Rechtsträgers voraus. Von einem solchen - der durch das Organ schuldhaft herbeigeführten Haftung des Rechtsträgers dem geschädigten Dritten gegenüber - handelt der zweite Absatz des Art. 23 B.-VG. (vgl. auch § 3 (1) AHG.). Auch das Bundesgesetz vom 31. März 1965, BGBl. Nr. 80, über die Beschränkung der Schadenersatzpflicht der Dienstnehmer (Dienstnehmerhaftpflichtgesetz) behandelt nicht nur die Fälle der unmittelbaren Schädigung des Dienstgebers durch den Dienstnehmer (§ 2), sondern auch die Fälle, in denen der Dienstgeber gegen den Dienstnehmer Regreß nimmt, weil der Dienstgeber den vom Dienstnehmer einem Dritten zugefügten Schaden gutgemacht hat (§ 4), und unterstellt beide Formen des Schadenersatzes denselben Regeln und Beschränkungen. Diese freilich nicht unmittelbar anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen, die ähnliche Fälle behandeln, sprechen gleichfalls dafür, daß der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Regreßanspruch des Landes Kärnten gegen den Beklagten ein aus dem Arbeitsvertragsverhältnis zwischen beiden entspringender Schadenersatzanspruch ist, für den die dreijährige Verjährung des § 1489 ABGB. gilt.
Im übrigen kann auch darauf verwiesen werden, daß sowohl im Amtshaftungsgesetz (§ 6 (2)), als auch im Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (§ 6) Regreßansprüche und zum Teil auch unmittelbare Schadenersatzansprüche einer kürzeren als der normalen dreijährigen Verjährungsfrist unterworfen werden. Daraus kann die Tendenz des Gesetzgebers entnommen werden, derartige Ansprüche gegen Organe und Dienstnehmer möglichst bald erlöschen zu lassen, damit diese nicht durch längere Zeit Rückgriffen ausgesetzt bleiben.
Geht man von der dreijährigen Verjährungsfrist aus, so war der geltend gemachte Ersatzanspruch im Zeitpunkt der Überreichung der Klage (10. August 1964) verjährt. Spätestens mit der am 9. Juli 1955 erfolgten Zustellung der im Vorprozeß 4 Cg .../52 ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8 Juni 1955, 2 Ob 290/55, mußte dem Bundesland Kärnten klar geworden sein, daß der nunmehr Beklagte - ihr Erfüllungsgehilfe - den Schaden schuldhaft verursacht hatte und daß mit Rücksicht auf die schweren Folgen des schädigenden Ereignisses über das zu 4 Cg .../52 gestellte Begehren der Maria L. hinaus weitere Ansprüche der Geschädigten nicht auszuschließen seien. Sowohl der Schaden als auch die Person des Schädigers sind dem Land Kärnten damals in so ausreichendem Maße bekanntgeworden, sodaß es gegen den Beklagten zumindest eine Klage auf Feststellung (vgl. Klang in Klang[2] VI 636 oben, SZ. XXVIII 108) hätte erheben können, daß der Beklagte zum Ersatz aller der Maria L. vom Land Kärnten geschuldeten Schadenersatzbeträge verpflichtet sei. Für das Entstehen der Pflicht zum Schadenersatz ist der Nachweis der Zahlung der Schuld durch den Geschädigten nicht nötig; es genügt vielmehr der Nachweis der Belastung des Geschädigten mit einer Schuld, wie im vorliegenden Fall.
Welche Grundlagen für die Geltendmachung eines Regreßanspruches gegenüber dem Beklagten und insbesondere auch für ein Feststellungsbegehren hinsichtlich einer Ersatzpflicht für künftige das Land Kärnten aus diesem Schadensfall allenfalls treffende Schadenersatzleistungen nach dem ersten Prozeß dem Land Kärnten noch gefehlt hätten, ist nicht einzusehen. Auf spätere Sachverständigengutachten kommt es nach den Klarstellungen im Vorprozeß 4 Cg .../52 nicht an. Für das "Bekanntwerden" des Schadens und der Person des Beschädigers (§ 1489 ABGB.) genügte die Kenntnis beweiskräftiger Umstände, wie sie sich aus dem Prozeß 4 Cg .../52 ergeben haben. Die Rechtskraftwirkung der Entscheidungen in jenem Prozeß ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Darüber hinaus aber ist dem Bundesland Kärnten durch die am 10. März 1960 überreichte Klage der Maria L. zu 4 Cg .../60 im März 1960 überdies im einzelnen bekannt geworden, daß es aus dem gleichen Schadensfall wegen weiterer 24.670.84 DM = 154.092 S in Anspruch genommen wird, in welchem Betrag die im vorliegenden Rechtsstreit begehrten 118.374.33 S inbegriffen sind. Trotzdem ließ sich das Land Kärnten mit der Überreichung der vorliegenden Klage bis 10. August 1964 Zeit. Da die Klagsforderung verjährt ist, haben die Untergerichte die Klage mit Recht abgewiesen.
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