OGH 4Ob256/03f

OGH4Ob256/03f20.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Udo W*****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Anna Maria W*****, vertreten durch Forcher-Mayr & Kantner, Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, wegen Unterlassung, Feststellung und Übertragung (Streitwert im Provisorialverfahren 20.500 EUR), über den Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 14. Oktober 2003, GZ 5 R 39/03d-15, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 18. August 2003, GZ 15 Cg 124/03t-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind miteinander verheiratet; seit 29. April 2003 ist ein Scheidungsverfahren anhängig.

Ende der 70-iger Jahre war der Kläger einer der Mitinitiatoren eines Bauprojekts. Er war damals auch Prokurist einer Baufirma, die im Bauträgergewerbe tätig war. Die Baufirma sollte das Bauvorhaben als Generalunternehmerin errichten. Es war absehbar, dass eine begleitende Baukontrolle und die Errichtung von mehreren Personalwohnungen notwendig sein würden. Nach Vorstellung der deutschen Finanziers sollte dies durch ein Unternehmen geschehen, das vom Kläger unabhängig war.

Der Kläger wollte aber dennoch "ins Geschäft kommen". Er vereinbarte mit der Beklagten und deren Schwager, dass diese ein Unternehmen im eigenen Namen, aber im Interesse und auf Rechnung des Klägers gründen und auch die Geschäftsanteile im Interesse und auf Rechnung des Klägers halten sollten. Das wirtschaftliche Risiko sollte allein der Kläger tragen. Er brachte auch die gesamte Stammeinlage von 100.000 S aus seinem eigenen Vermögen auf.

Mit Notariatsakt vom 13. 6. 1979 gründeten die Beklagte und deren Schwager eine GmbH. Die Beklagte hielt eine Stammeinlage von 98.000 S, der Schwager eine Stammeinlage von 2.000 S. Im Gesellschaftsvertrag wurde die Beklagte zur allein zeichnungsberechtigten Geschäftsführerin bestellt. Mit Abtretungsvertrag vom 6. 5. 1981 erhielt die Beklagte auch den Geschäftsanteil von 2.000 S übertragen, so dass sie damit Alleingesellschafterin wurde. Am 6. 5. 1995 übernahm die Beklagte die gesamte nunmehr gesetzlich vorgeschriebene Kapitalerhöhung auf 500.000 S. Den Erhöhungsbetrag von 400.000 S, ebenso wie spätere Kapitalerhöhungen, brachte der Kläger auf.

Zwischen den Streitteilen und dem Schwager der Beklagten war besprochen, dass die Beklagte und deren Schwager als im Außenverhältnis auftretende Gesellschafter stets den Weisungen des Klägers folgen sollten. Sämtliche Tätigkeiten der Gesellschafter im Innenverhältnis sollten an die Zustimmung des Klägers gebunden sein. Die Streitteile kamen überein, die Vereinbarung Dritten nicht offen zu legen. Die Vereinbarung wurde weder vom Kläger noch von der Beklagten aufgekündigt.

Mit 23. 1. 1985 trat ein anderer Geschäftsführer an die Stelle der Beklagten; am 9. 10. 1995 wurde der Kläger neben diesem Geschäftsführer zum Geschäftsführer bestellt. Beide Geschäftsführer vertraten die Gesellschaft selbstständig. Ab 7. 3. 2003 war der Kläger Alleingeschäftsführer.

Am 10. 6. 2003 fasste die Beklagte als Alleingesellschafterin den Beschluss, den Kläger abzuberufen und sich selbst zur Alleingeschäftsführerin zu bestellen. Entgegen der zwischen ihr und dem Kläger bestehenden Vereinbarung hatte sie dazu die Zustimmung des Klägers nicht eingeholt. Die Änderung der Geschäftsführung wurde mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 13. 6. 2003 in das Firmenbuch eingetragen.

Am 30. 6. 2003 berief die Beklagte als Alleingeschäftsführerin bei der Hausbank eine "Krisensitzung" ein. Sie stellte dabei in Aussicht, allenfalls einen Konkursantrag zu stellen.

Die Beklagte ist ausgebildete Friseurin; sie war aber in der Folge vorwiegend im Gastgewerbe als Barfrau tätig. 1998/99 hat sie die Konzessionsprüfung für das Gastronomiegewerbe abgelegt. Im Bereich des Baugewerbes verfügt sie weder über eine Ausbildung noch über praktische Erfahrungen. Solange sie handelsrechtliche Geschäftsführerin der GmbH war, hat sie die damit verbundenen Aufgaben ausschließlich auf Weisung des Klägers ausgeführt. Das Unternehmen verfügt über Immobilien im Wert von rund 3,000.000 bis 5,000.000 EUR.

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, das Stimmrecht als Gesellschafterin der beim Landesgericht Innsbruck protokollierten GmbH, sei es in Generalversammlungen oder im Wege der schriftlichen Beschlussfassung, ohne seine vorherige ausdrückliche Genehmigung auszuüben. Das treuwidrige Verhalten der Beklagten stehe offenkundig mit dem Scheidungsverfahren im Zusammenhang. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Beklagte auch künftig über ihre aus der Treuhänderstellung folgende Beschränkung in der Stimmrechtsausübung hinwegsetzen und Beschlüsse fassen werde, die den Treugeberinteressen des Klägers zuwider laufen. Die Beklagte könnte entweder eine Änderung des Stammkapitals oder der Firma, die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft oder auch einen Insolvenzantrag beschließen. Dadurch könnten Folgen eintreten, die durch Geldersatz nicht adäquat ausgeglichen werden könnten.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Kläger habe weder einen Anspruch noch dessen Gefährdung bescheinigt. 1974 habe die Beklagte mit dem Kläger, mit ihrer Schwester und ihrem Schwager eine GmbH errichtet. Aus dieser GmbH sei die nunmehr verfahrensgegenständliche GmbH entstanden. Von einer Treuhandkonstruktion sei nie die Rede gewesen. Es sei immer wieder davon gesprochen worden, dass das Unternehmen ihr gehöre und ihrer finanziellen Absicherung dienen solle. Der Kläger sei bis zu seiner fristlosen Entlassung als Angestellter der GmbH geführt worden. Wäre sie tatsächlich nur Treuhänderin für den Kläger gewesen, so hätte der Kläger nicht steuerbegünstigt das 13. und 14. Gehalt kassieren dürfen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung und machte ihren Vollzug vom Erlag einer Sicherheit von 50.000 EUR abhängig. Die Streitteile hätten eine verdeckte Treuhandschaft gültig vereinbart. Ein solches Treuhandverhältnis könne als Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der Kläger sei berechtigt, die Übertragung der von der Beklagten als Treuhänderin gehaltenen Geschäftsanteile in sein (rechtliches) Eigentum zu verlangen. Der Kläger könne gegen seine Abberufung als Geschäftsführer weder nach § 16 GmbHG vorgehen noch könne er die Nichtigerklärung des Beschlusses vom 10. 6. 2003 verlangen. Treuwidrige Beschlüsse von Gesellschaftern seien lediglich im Verhältnis zu ihren Mitgesellschaftern anfechtbar. Nicht anfechtbar seien hingegen Beschlüsse, die im Außenverhältnis wirksam zustande gekommen seien und inhaltlich weder den Gesellschaftszweck noch die Interessen von Mitgesellschaftern verletzten, sondern (nur) im Innenverhältnis einer Treuhandvereinbarung zuwiderliefen. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei geboten, weil zu befürchten sei, dass die Beklagte einen Konkursantrag stellen könnte. "Krisensitzungen" bei Banken könnten als geschäftsschädigend angesehen werden. Damit drohe unwiederbringlicher Schaden.

Das Erstgericht stellte die einstweilige Verfügung vor Erlag der Sicherheit zu. Die Beklagte brachte gegen die einstweilige Verfügung einen Rekurs ein; erst danach erlegte der Kläger die ihm aufgetragene Sicherheit.

Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die für die inhaltliche Erledigung des Rechtsmittels notwendige Beschwer sei gegeben, auch wenn die Sicherheit bei Einbringung des Rechtsmittels noch nicht erlegt gewesen sei. Maßgebend sei der Zeitpunkt der Rekursentscheidung. Das Rechtsmittel sei auch in der Sache selbst nicht berechtigt. Der Treugeber sei insbesondere dann nicht auf die Anfechtungsklage beschränkt, wenn - wie hier - der Beschluss schon ausgeführt wurde. Eine Maßnahme nach § 42 Abs 4 GmbH würde daher ins Leere gehen. Aus zivilrechtlicher Sicht bestünden keine Bedenken gegen die Treuhandkonstruktion. Damit sei jedenfalls ein sich aus der Treuhandvereinbarung ergebender sicherungsfähiger Anspruch des Klägers bescheinigt. Auch seine Gefährdung sei bescheinigt. Bei einem Eingriff in den wirtschaftlichen Ruf einer Person drohe ein unwiederbringlicher Schaden. Als Treugeber sei der Kläger durch die Rufschädigung der GmbH wirtschaftlich betroffen.

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob ein aus einem Treuhandvertrag abgeleiteter Anspruch auf Unterlassung treuwidriger Stimmrechtsausübung nur gemäß § 42 Abs 4 GmbHG gesichert werden kann; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Gültigkeit des Treuhandvertrags

Die Beklagte macht geltend, dass der Treuhandvertrag nicht rechtsgültig sei. Da der Kläger verlange, dass die Beklagte die Geschäftsanteile unentgeltlich abtrete, sei der Treuhandvertrag unter § 3 ErbStG zu subsumieren und wäre daher nach dem NZwG in Form eines Notariatsakts zu errichten gewesen. Der Kläger habe einen rechtsgültigen Treuhandvertrag mit klaren Vereinbarungen im Sinne der EStR 2000 Rz 1127 ff nicht behauptet. Aus den Feststellungen sei nur abzuleiten, dass die GmbH im Rahmen der Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Streitteile nach § 94 ABGB gegründet worden sei und dabei Überlegungen der Versorgung und finanziellen Absicherung der Beklagten eine Rolle gespielt hätten. Ansprüche daraus seien Aufteilungsansprüche; für sie sei der Rechtsweg ausgeschlossen.

Die Beklagte verkennt damit den Inhalt der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen. Danach hatte der Treuhandvertrag allein den Zweck, dem Kläger eine geschäftliche Tätigkeit zu ermöglichen, die er aufgrund seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit nicht hätte ausüben können. Die Treuhandkonstruktion hatte damit weder eine unentgeltliche Zuwendung an die Beklagte noch deren Versorgung und finanzielle Absicherung zum Gegenstand. Damit ist sowohl der Auffassung der Beklagten, der Anspruch des Klägers unterliege einem allfälligen Aufteilungsverfahren, als auch ihrer Behauptung, die Treuhandvereinbarung wäre nach § 1 NZwG notariatsaktspflichtig gewesen, die Grundlage entzogen. Die Verpflichtung des Treuhänders, den treuhändig gehaltenen GmbH-Geschäftsanteil nach Beendigung des Treuhandverhältnisses auf den Treugeber zu übertragen, unterliegt auch nicht der Formpflicht nach § 76 Abs 2 GmbHG (2 Ob 535/93 = ecolex 1994, 27).

Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Treuhandvereinbarung nach den Einkommensteuerrichtlinien von den Finanzbehörden als wirksam anerkannt wird, ist für die zivilrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Kläger - aus der Sicht der Finanzbehörden - ausreichende Behauptungen zum Inhalt des Treuhandverhältnisses aufgestellt hat. Ebenso wenig ist darauf einzugehen, ob der Kläger als Treugeber mit der Begründung seines Anstellungsverhältnisses zur Gesellschaft und der daraus folgenden steuerrechtlichen Behandlung seiner Bezüge gegen finanzrechtliche Vorschriften verstoßen hat. Die Gültigkeit der festgestellten Treuhandvereinbarung wird dadurch nicht berührt.

2. Zur Gefährdung des Anspruchs des Klägers

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass der Kläger eine konkrete Gefährdung seines Anspruchs weder behauptet noch bescheinigt habe. Die strittige einstweilige Verfügung richte sich nur an die Beklagte als Gesellschafterin und verbiete ihr, das Stimmrecht in Generalversammlungen oder bei Umlaufbeschlüssen ohne vorherige Genehmigung des Klägers auszuüben. Die Tätigkeit der Beklagten als Geschäftsführerin werde davon nicht erfasst. Als Geschäftsführerin sei die Beklagte weiterhin bemüht, ihr Unternehmen zu sanieren.

Richtig ist, dass sich die einstweilige Verfügung allein gegen die Ausübung des Stimmrechts der Beklagten als Gesellschafterin richtet. Zur Gefährdung dieses Anspruchs hat der Kläger vorgebracht, dass Gesellschafterbeschlüsse, die ohne seine Genehmigung und gegen seine Anweisung gefasst werden könnten, wie etwa die Änderung des Stammkapitals oder der Firma, die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft oder die Anweisung, einen Insolvenzantrag zu stellen, Folgen haben könnten, die durch Geldersatz nicht adäquat ausgeglichen werden könnten. Die Beklagte habe auch den Beschluss, den Kläger als (einzigen) Geschäftsführer abzuberufen und sich selbst zur (alleinigen) Geschäftsführerin der Gesellschaft zu bestellen, ohne seine Genehmigung und gegen seine Anweisung gefasst.

Das damit behauptete treuwidrige Verhalten der Beklagten hat der Kläger bescheinigt. Bescheinigt hat der Kläger auch, dass die Beklagte eine „Krisensitzung" bei der Hausbank einberufen und im Zusammenhang damit in Aussicht gestellt hat, allenfalls einen Konkursantrag zu stellen. Das rechtfertigt die Befürchtung, dass die Beklagte weitere Maßnahmen treffen werde, die der Treuhandvereinbarung widersprechen und die, wie die mit der Einleitung eines Insolvenzverfahrens verbundenen geschäftsschädigenden Auswirkungen, nicht mehr zur Gänze rückgängig gemacht werden können. Da die Beklagte - nach außen hin - gleichzeitig Alleingesellschafterin und Alleingeschäftsführerin ist, liegt derartigen Maßnahmen immer auch eine Willensbildung als Gesellschafterin zugrunde, wie sie durch die einstweilige Verfügung verhindert werden soll. Die einstweilige Verfügung ist daher notwendig und auch geeignet, den Anspruch des Klägers auf Unterlassung treuwidriger Stimmrechtsausübung zu sichern.

Die einstweilige Verfügung wird entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Gericht nach § 42 Abs 4 GmbHG die Ausführung des angefochtenen Beschlusses durch einstweilige Verfügung aufschieben kann, wenn ein der Gesellschaft drohender unwiederbringlicher Nachteil glaubhaft gemacht wird. Diese Bestimmung bezieht sich auf Beschlüsse, die durch eine Klage auf Nichtigerklärung im Sinne des § 42 GmbHG angefochten werden. Im vorliegenden Fall ficht der Kläger keinen Gesellschafterbeschluss an, sondern will erreichen, dass der Beklagten die Ausübung des Stimmrechts untersagt wird. § 42 Abs 4 GmbHG ist daher unabhängig davon nicht anwendbar, dass der Kläger im Firmenbuch nicht als Gesellschafter aufscheint und daher im Verhältnis zur Gesellschaft nicht als deren Gesellschafter gilt (§ 78 Abs 1 GmbHG; s 4 Ob 71/03z = ecolex 2003, 844), so dass er auch nicht legitimiert ist, die Nichtigerklärung eines Beschlusses mittels Klage zu verlangen (§ 42 Abs 2 GmbHG iVm § 78 Abs 1 GmbHG).

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO; jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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