European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00251.14M.0324.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin verfügt über eine Bewilligung der oberösterreichischen Landesregierung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der „Landesausspielung“ mit Automaten. Sie betreibt solche Geräte an mehreren Standorten in Oberösterreich.
Der Beklagte betreibt eine Tankstelle in Kremsmünster. Im Verkaufsraum befand sich am 4. Juni 2014 ein Spielautomat, bei dem die Entscheidung über Gewinn oder Verlust nicht von der Geschicklichkeit der Spieler abhing. Der Mindesteinsatz betrug 30 Cent, der Höchsteinsatz 50 Cent. Der Beklagte verfügt über keine Bewilligung für die Durchführung von Ausspielungen und kann keine Rechte von einer erteilten Bewilligung oder Konzession ableiten.
Die Klägerin beantragt, dem Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr
Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in seiner Tankstelle, solange er oder der Dritte, dem er die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglicht, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügt.
Mit dem Unterlassungsbegehren verbindet sie einen Antrag auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da der Beklagte über keine solche Bewilligung verfüge, betreibe er ein illegales Glücksspiel. Dadurch verstoße er gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch). Die Behauptungs- und Beweislast für den rechtsvernichtenden Einwand der Unionsrechtswidrigkeit treffe den Beklagten. Zudem sei der Beklagte selbst als Betreiber aufgetreten.
Der Beklagte wendet ein, nicht Veranstalter der Ausspielungen zu sein. Er habe lediglich die Aufstellfläche für die Spielautomaten zur Verfügung gestellt, trage jedoch kein wirtschaftliches Risiko. Aufsteller und Betreiber sei eine Gesellschaft mit Sitz in Tschechien. Der Beklagte könne sich für seine Unterstützungstätigkeit unmittelbar auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten berufen. Die österreichische Glücksspielmonopolregelung greife unverhältnismäßig in die Dienstleistungsfreiheit ein und sei unionsrechtswidrig. Die diesbezügliche Rechtsansicht des Beklagten sei jedenfalls vertretbar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte betreibe verbotene Ausspielungen nach § 2 Abs 4 GSpG. Dieser Rechtsbruch erfülle den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Da nicht feststellbar sei, dass es sich beim Gerät nur um einen Eingabeterminal handle, der mit einem Server in Tschechien verbunden sei, sei die Dienstleistungsfreiheit mangels eines grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht anwendbar.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.
Das im Lokal des Beklagten angebotene Spiel unterliege gemäß § 4 Abs 2 iVm § 5 Abs 1 Z 2, Abs 3, Abs 5 lit b GSpG der Bewilligungspflicht nach dem oö GlücksspielautomatenG. Mangels einer Konzession nach § 14 GSpG und einer Bewilligung nach dem Landesgesetz betreibe der Beklagte verbotene Ausspielungen nach § 2 Abs 4 iVm § 52 Abs 1 GSpG. Auch das bloße Zugänglichmachen ‑ etwa durch das Zurverfügungstellen der Aufstellfläche ‑ sei vom Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs 1 GSpG erfasst. Der Beklagte berufe sich aber darauf, dass die Regelung über das österreichische Glücksspielmonopol die Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 ff AEUV beschränke und daher unanwendbar sei. Die unmittelbare Anwendung der Dienstleistungsfreiheit komme nur bei Sachverhalten mit einem transnationalen Element in Betracht; Binnensachverhalte seien davon nicht erfasst. Nicht erforderlich sei hingegen, dass der Dienstleistungserbringer in seinem Heimatstaat über eine Konzession zur berechtigten Ausübung der Dienstleistung verfüge. Der Beklagte habe in erster Instanz vorgebracht, dass eine tschechische Gesellschaft das Glücksspiel veranstalte. Dazu fehlten entsprechende Feststellungen, was zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führe. Das Erstgericht habe unter anderem festzustellen, ob die tschechische Gesellschaft tatsächlich existiere und worin deren Tätigkeit faktisch bestanden habe. So sei etwa zu klären, ob die tschechische Gesellschaft das Gerät nach Österreich gebracht habe und ob sie es regelmäßig gewartet und/oder die Kassenlade geleert habe. Sollte ein transnationales Element nicht erweisbar sein, werde der Klage stattzugeben sein. Sollte sich hingegen herausstellen, dass die tschechische Gesellschaft tatsächlich eine entgeltliche Dienstleistung iSd Art 56 ff AEUV erbracht habe, könne sich auch der Beklagte als österreichischer Supportunternehmer auf die Dienstleistungsfreiheit berufen. Dann wäre zu prüfen, ob die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch das Glücksspielmonopol aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei. Ziel der Monopolregelung müsste es sein, den Spielerschutz oder die Kriminalitätsbekämpfung zu verfolgen und in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheit zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen. Aus lauterkeitsrechtlicher Sicht genüge insofern aber eine vertretbare Rechtsansicht des Beklagten.
Der Rekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Vertretbarkeit der Annahme einer Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols fehle. Sollte das Vertretbarkeitskriterium nicht anwendbar sein und es für die Kohärenzprüfung auf tatsächliche Umstände ankommen, wäre auch die Frage der Beweislastverteilung zu klären.
Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Rekurs der Klägerin, mit dem sie die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Erstgerichts anstrebt. Sie verweist auf die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach sich der Beklagte nicht auf die Vertretbarkeit der Annahme von Unionsrechts- oder Verfassungswidrigkeit berufen könne. Auf die Dienstleistungsfreiheit könne sich bei Glücksspielen nur berufen, wer in seinem Heimatstaat über eine Konzession verfüge. Sekundäre Feststellungsmängel lägen nicht vor, weil die Beklagte in erster Instanz kein detailliertes Vorbringen zur Geschäftstätigkeit der tschechischen Gesellschaft erstattet habe.
Die Beklagte hält dem in der Rekursbeantwortung entgegen, dass es nach der Rechtsprechung des EuGH für die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit nicht auf das Vorliegen einer Berechtigung im Heimatstaat des Dienstleistungserbringers ankomme. Für die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit reiche die Eigentümerstellung der tschechischen Gesellschaft aus, unerheblich sei, ob diese die Geräte nach Österreich gebracht habe oder selbst warte.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zur weiteren Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
1. Der Senat hat in der Entscheidung 4 Ob 145/14y (= ÖBl 2015, 18 [ Isak ] = GRURInt 2015, 182 [Schultes] - Landesausspielung) dargelegt, dass
- sich ein Mitbewerber in der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ nicht darauf berufen kann, er habe in vertretbarer Weise annehmen können, die angeblich übertretene Norm sei aus unionsrechtlichen Gründen unanwendbar oder verstoße gegen höherrangiges nationales Recht,
- die Unionsrechtswidrigkeit und/oder der Verstoß gegen höherrangiges nationales Recht daher grundsätzlich im lauterkeitsrechtlichen Verfahren zu prüfen ist,
- eine Unionsrechtswidrigkeit zur Abweisung der Klage und Bedenken in Bezug auf einen Verstoß gegen höherrangiges nationales Recht zu einer Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof - allenfalls auch durch die in erster Instanz unterlegene Partei iSv Art 139 Abs 1 Z 4 oder Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG („Gesetzesbeschwerde“) - führen müsste,
- die Unvereinbarkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes mit der primärrechtlichen Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit in rein nationalen Fällen nicht zur Unanwendbarkeit dieser Bestimmungen führte, sondern allenfalls eine verfassungsrechtlich unzulässige und daher vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmende Inländerdiskriminierung bewirken könnte.
2. An dieser in einem Sicherungsverfahren ergangenen Entscheidung, die im Schrifttum gebilligt wurde ( Isak und Schultes aaO), hat der Senat auch für das Hauptverfahren festgehalten (4 Ob 200/14m, 4 Ob 231/14w). Die vom Berufungsgericht - im Zeitpunkt seiner Entscheidung zutreffend - als erheblich angesehene Frage, ob sich der Beklagte in Bezug auf die Unanwendbarkeit des Glücksspielrechts auf eine vertretbare Rechtsansicht berufen könne, ist damit durch eine inzwischen ständige Rechtsprechung geklärt.
3. In reinen Binnenfällen kann sich der Beklagte nicht (unmittelbar) auf die Grundfreiheiten des Unionsrechts berufen; eine Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols könnte aber unter Umständen wegen unsachlicher Inländerdiskriminierung zur Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts führen (4 Ob 145/14y, 4 Ob 200/14m, beide mwN). Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass der EuGH Vorabentscheidungsersuchen zu den Grundfreiheiten des Unionsrechts grundsätzlich auch in reinen Binnenfällen als zulässig ansieht (vgl etwa C‑159/12 bis C‑161/12, Alessandra Venturini ua, Rz 24 ff; C-470/11 , SIA Garkalns,Rz 16 ff). Denn auch der EuGH nimmt ‑ als Begründung für die Zulässigkeit des Ersuchens ‑ an, dass die allfällige Unionsrechtswidrigkeit einer Regelung für die nach nationalem Recht zu beurteilende Frage relevant sein könnte, ob „einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden“ (C-470/11 , SIA Garkalns,Rz 20, mwN; verb Rs C‑159/12 bis C‑161/12, Alessandra Venturini ua, Rz 28). Auch er verweist daher auf eine mögliche Inländerdiskriminierung, die als solche nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.
4. Im vorliegenden Fall stützt sich der Beklagte ausschließlich auf die Unvereinbarkeit des Glücksspielmonopols mit der Dienstleistungsfreiheit. Auch er könne sich unmittelbar darauf berufen, weil er nur Unterstützungsleistungen für den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Betreiber der Automaten erbringe.
Ist dieser behauptete Sachverhalt erweisbar, läge ein transnationales Element vor, aufgrund dessen sich auch der Beklagte im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit befände. Denn ein an ihn gerichtetes Verbot behinderte die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit durch eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Gesellschaft (C‑243/01, Gambelli, Rz 58, verb Rs C-338/04 , C-359/04 und C‑360/04, Placanica, Rz 43 f). In diesem Zusammenhang kommt es ausschließlich darauf an, ob das tschechische Unternehmen aus wirtschaftlicher Sicht Betreiber der Automaten ist. Nur das ist im fortgesetzten Verfahren zu prüfen; wo die Geräte beschafft wurden und wer sie im Auftrag des Betreibers im Lokal des Beklagten betreut, ist unerheblich.
5. Richtig zeigt die Klägerin aber auf, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nur solche Unternehmen auf die Dienstleistungsfreiheit berufen können, die im Staat ihrer Niederlassung rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringen (C-42/07 , Liga Portuguesa, Rz 51 mwN zur älteren Rechtsprechung; C‑176/11, HIT hoteli, Rz 16 f [beide zum Glücksspielrecht], zuletzt etwa C‑678/11, EK/Spanien, Rz 39). Daraus folgt, dass das tschechische Unternehmen in Tschechien zum Anbieten ähnlicher Spiele befugt sein müsste, und zwar entweder aufgrund einer besonderen Bewilligung oder ‑ wenn eine solche im Recht des Niederlassungsstaates nicht vorgesehen ist - mangels einer seine Tätigkeit einschränkenden Regelung.
Die vom Beklagten zitierte Entscheidung C‑64/08, Engelmann, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Zwar verfügte der Glücksspielanbieter dort weder über eine österreichische noch über die Konzession eines anderen Mitgliedstaats, und der EuGH nahm trotzdem zur Vereinbarkeit der österreichischen Regelungen (auch) mit der Dienstleistungsfreiheit Stellung. Diese Ausführungen hatten aber abstrakten Charakter, der EuGH prüfte nicht, ob sich der Anbieter auch tatsächlich auf die Dienstleistungsfreiheit berufen könne. Das war im konkreten Fall auch nicht erforderlich, weil ohnehin ‑ anders als hier ‑ ein klarer Niederlassungsfall vorlag.
6. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sich darauf beruft. Es obliegt daher dem Beklagten, ein Vorbringen zu der nach tschechischem Recht zu beurteilenden Berechtigung seines Geschäftspartners zu erstatten. Ein solches Vorbringen fehlt. Dennoch kommt eine stattgebende Sachentscheidung nicht in Betracht, weil auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen darf, die sie bisher nicht beachtet hatten und die auch nicht erörtert wurde (RIS-Justiz RS0037300 [T9]). Auch die Klägerin behauptet nicht, in erster Instanz diese Schwäche des Vorbringens der Beklagten aufgezeigt zu haben (vgl 8 Ob 135/06w, SZ 2007/106; RIS‑Justiz RS0037300 [T41]).
7. Aus diesen Gründen hat es im Ergebnis beim Aufhebungsbeschluss zu bleiben.
7.1. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht zunächst nach Erörterung mit den Parteien und allfälliger weiterer Beweisaufnahme Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die strittigen Automaten tatsächlich vom tschechischen Unternehmen betrieben werden und ob dieses nach tschechischem Recht dazu befugt ist. Trifft das zu, könnte sich grundsätzlich auch der Beklagte auf die Dienstleistungsfreiheit berufen. In diesem Fall wäre zu prüfen, ob die konkrete Ausgestaltung des Glücksspielmonopols tatsächlich gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt.
7.2. Insofern ist auf die in 4 Ob 200/14m angestellten Erwägungen zu verweisen, die auch im vorliegenden Verfahren zu beachten sein werden:
„Aus den gesetzlichen Bestimmungen als solchen ist ‑ nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens ‑ nicht abzuleiten, dass die Ausgestaltung des Glücksspielrechts nicht dem Ziel des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung diente. Insbesondere können die Regelungen über die Erforderlichkeit und die Voraussetzungen von Konzessionen für das 'große' Glücksspiel und die Beschränkungen für 'Landesausspielungen' (§ 5 GSpG) als erforderliche und verhältnismäßige Maßnahmen verstanden werden, um den offenbar bestehenden und sonst auf illegale Weise befriedigten Spieltrieb eines nicht vernachlässigbaren Teils der Bevölkerung in geordnete Bahnen zu lenken und so ein größeres Übel zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zuletzt keine Veranlassung für eine unionsrechtsbedingte Nichtanwendung, amtswegige Gesetzesprüfung oder Anfechtung der Verbotsbestimmungen des Glücksspielgesetzes gesehen haben (zB VfGH G 82/12, VfSlg 19.749; B 615/2013; VwGH Ro 2014/17/0120, 0121 und 0123; Ro 2014/02/0026; Z 2012/17/0440).
Die […] Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes hängt nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings auch von tatsächlichen Umständen ab (C‑390/12, Pfleger; 4 Ob 145/14y; nunmehr auch VwGH Ro 2014/17/0120, 0121 und 0123). Die einschlägigen Regelungen müssen in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass die Gelegenheit zum Spiel verringert und die damit verbundene Kriminalität bekämpft wird. Diese Bedingung wäre etwa dann nicht erfüllt, wenn es trotz der vordergründig restriktiven Ausgestaltung des Glücksspielrechts in den letzten Jahren - auch unter Bedachtnahme auf Landesausspielungen iSv § 5 GSpG und die konkrete Geschäftstätigkeit von Konzessionären - zu einer Ausweitung der Spielsucht samt den damit verbundenen Problemen gekommen wäre. Dazu werden die Parteien in erster Instanz ein konkretes, mit Beweisanboten belegtes Vorbringen zu erstatten haben; dem Bund wird Gelegenheit zu geben sein, sich dazu in Form einer gutachterlichen Stellungnahme zu äußern (1 Ob 71/13t).
Aufgrund der dann zu treffenden Feststellungen wird das Erstgericht zu beurteilen haben, ob die Regelungen des Glücksspielrechts den Anforderungen des Unionsrechts entsprechen. Dabei können die vom EuGH zu Verwaltungs- bzw Strafverfahren getroffenen Aussagen über die Darlegungspflicht des Staates (zuletzt etwa C-390/12 , Pfleger) in einem zivilrechtlichen Verfahren schon mangels Parteistellung des Staates nicht unmittelbar herangezogen werden (2 Ob 243/12t). Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht aber ohnehin als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer derartigen Darlegungspflicht (Behauptungslast) nicht stellen. Können aber bei Regelungen, bei denen - wie hier - sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers (vgl etwa die Materialien zur GSpG-Nov 2010, BGBl I 2010/73: 657 BlgNR 24. GP 3 [RV], 784 BlgNR 24. GP 1 [AB]) gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so hat sich diese Prüfung grundsätzlich an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft hier den Beklagten die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionsrechtswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt (vgl RIS-Justiz RS0106638; RS0109287). Da allerdings die Geltung oder Anwendbarkeit eines Gesetzes letztlich nicht von Behauptungen oder Beweisanboten einer Partei abhängen kann, wird das Erstgericht dann, wenn es aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Unionsrechtskonformität des Glücksspielrechts haben sollte, auch von Amts wegen entsprechende Beweise aufnehmen und Feststellungen treffen müssen. Verbleiben letztendlich Zweifel über die zu prüfenden Tatsachen, liegt also ein non liquet vor, geht das zu Lasten des damit beweisbelasteten Beklagten (RIS-Justiz RS0037797).“
8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.
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