OGH 4Ob243/04w

OGH4Ob243/04w8.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „Wiener Werkstätten" ***** GmbH, ***** vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei W*****, Inhaber Wolfgang K*****, vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Schönherr Hafner Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung und Löschung (Streitwert 35.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Juni 2004, GZ 2 R 50/04v-14, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. Dezember 2003, GZ 24 Cg 130/03f-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.754,82 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 292,47 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit 21. Dezember 1998 im (deutschen) Handelsregister registriert. Als Unternehmensgegenstand ist der Groß- und Einzelhandel mit Möbeln, insbesondere mit Fabrikaten der „Wiener Werkstätten" Kollektion eingetragen. Ihr Geschäftsführer ist auch Geschäftsführer jener in Österreich im Firmenbuch eingetragenen Gesellschaft mbH, deren weiterer Geschäftsführer sein Vater ist, dem die Stellung des alleinigen Gesellschafters des österreichischen Unternehmens zukommt.

Der Beklagte ist aufgrund eines mit der Josef Hofmann Stiftung am 1. Jänner 1987 abgeschlossenen Lizenzvertrags berechtigt, originalgetreue Repliken von Beleuchtungskörpern dieses Künstlers zu erzeugen und zu vertreiben. Daneben vertreibt er auch Originalmöbel und andere Antiquitäten aus der Wiener Werkstätte (1903 bis 1932). Er vertreibt seine Waren auf Messen, über in Deutschland ansässige Wiederverkäufer, aber auch teilweise über das Internet an Einzelkunden weltweit.

Zwischen dem hier Beklagten als Kläger und dem vorher erwähnten österreichischen Unternehmen, dessen Gesellschafter und einem weiteren Unternehmen war ein Rechtsstreit wegen Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung „Wiener Werkstätten" zur Bewerbung und/oder zum Anbieten und/oder zum Vertrieb anhängig, in dem der hier Beklagte obsiegte. Die dort Beklagten wurden schuldig erkannt, es ab sofort zu unterlassen, ihre Unternehmen unter der Bezeichnung „Wiener Werkstätten" zu bewerben und die von ihrem Unternehmen erzeugten und/oder vertriebenen Waren unter der Bezeichnung „Wiener Werkstätten" zu bewerben und/oder anzubieten und/oder zu vertreiben. Nach diesem Urteil beschloss die Klägerin, Produkte der historischen Wiener Werkstätte anzubieten, weil man annahm, sich dann wieder „Wiener Werkstätten" nennen zu dürfen. Tatsächlich wurde von ihr bzw von dem mit ihr in Verbindung stehenden österreichischen Unternehmen bisher erst ein Möbelstück nach einem Entwurf der Wiener Werkstätte verkauft.

Die Einräumung der Lizenz zur Verwendung des im Jahr 1995 zugunsten der Rechtsvorgängerin des österreichischen mit der Klägerin in Verbindung stehenden Unternehmens als Marke registrierten Zeichens „Wiener Werkstätten" und die Übertragung der Domains „www.wiener-werkstaetten.at " und „www.wiener-werkstaetten.co.at " durch die Verantwortlichen des österreichischen Unternehmens an die Klägerin geschah zum Zweck, weiteren Exekutionen gegen das österreichische Unternehmen aufgrund des erwähnten Unterlassungsurteils zu entgehen und in Hinkunft die Werbung unter der Bezeichnung „Wiener Werkstätten" nicht mehr über das österreichische Unternehmen laufen zu lassen, sondern von der Klägerin vornehmen zu lassen. Die Übertragung der gegenständlichen Domains erfolgte somit bloß zum Zweck der Umgehung des Unterlassungsgebots.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Verwendung der Domain „wiener-werkstaette.at" zu unterlassen und diese Domain bei der nic.at Internetverwaltungs- und Betriebsgesellschaft mbH löschen zu lassen, sowie auf diese Domain zu verzichten. Sie sei Lizenznehmerin der Marke „Wiener Werkstätten", welche im Jahr 1995 registriert worden sei. Weiters sei sie seit 19. Februar 2003 Inhaberin der Domain „wiener-werkstaetten.at", welche sie vom österreichischen Unternehmen erworben habe, das ihrerseits seit 27. April 2000 Inhaberin der genannten Domain gewesen sei. Der Beklagte sei erst seit einem späteren Zeitpunkt Inhaber der Domain „wiener-werkstaette.at". Diese sei der Marke der Klägerin und ihrer Domain verwechselbar ähnlich. Da die Klägerin (ihre Rechtsvorgängerin/Lizenzgeberin) das Kennzeichen „Wiener Werkstätten"/"Wiener Werkstaetten.at" zuerst gebraucht habe, besitze sie das bessere Recht. Die Registrierung und die Nutzung der Domain durch die Klägerin sei weder sittenwidrig noch täuschend. Das mit der Klägerin verbundene österreichische Unternehmen, gegen das das bestehende Unterlassungsgebot gerichtet sei, übernehme es nunmehr, sämtliche lizenzfreien Möbel und Polstermöbel der historischen Wiener Werkstätte nachzubauen und habe eine entsprechende neue Produktlinie vorgestellt. Soweit verfügbar, vertreibe es auch Originale. Die neue Produktlinie werde erst aufgebaut, doch sei daraus ersichtlich, dass das österreichische Unternehmen sehr wohl etwas mit der historischen Wiener Werkstätte zu tun habe und der hergestellte Bezug zur historischen Wiener Werkstätte nicht rechtswidrig sei. Der Beklagte wendete ein, das mit der Klägerin verbundene österreichische Unternehmen sei schuldig erkannt worden, es ab sofort zu unterlassen, sein Unternehmen unter der Bezeichnung "Wiener Werkstätten" zu bewerben und die von ihm erzeugten und/oder vertriebenen Waren unter der Bezeichnung „Wiener Werkstätten" zu bewerben und/oder anzubieten und/oder zu vertreiben. Es habe sich jedoch nicht an dieses Urteil gehalten und weiterhin die Bezeichnung „Wiener Werkstätten" insbesondere auf den zu diesem Zeitpunkt ihr gehörenden Internetseiten „www.wiener-werkstaetten.at " und „www. wiener-werkstaetten.co.at" verwendet. Zur Vermeidung weiterer Exekutionsverfahren habe das österreichische Unternehmen der Klägerin, deren Geschäftsführer der Sohn des Geschäftsführers des österreichischen Unternehmens sei, die Domains „www.wiener-werkstaetten.at " und „www.wiener-werkstaetten.co.at " übertragen. Wie vor der Übertragung der Domains das österreichische Unternehmen bewerbe nunmehr die Klägerin dessen Sortiment unter der Bezeichnung „Wiener Werkstätten", obwohl die Erzeugnisse mit der historischen Wiener Werkstätte überhaupt nichts zu tun hätten. Es handle sich um ein Umgehungsmanöver mit der Folge, dass der Beklagte wegen der neuerlichen und wiederholten Verletzungshandlungen keine exekutiven Schritte mehr setzen könne. Aufgrund des erwirkten Urteils sei jegliche Verwendung der Bezeichnung „Wiener Werkstätten" - somit auch als Kennzeichen oder Bestandteil eines Kennzeichens - unzulässig. Schließlich sei die Verwendung der die Bezeichnung „Wiener Werkstätten" enthaltenden Zeichen durch die Klägerin für die Verkehrskreise genauso irreführend wie die Verwendung durch die nach dem Urteil zur Unterlassung verpflichteten Parteien. Infolge Sittenwidrigkeit und Täuschungseignung der Kennzeichen und aufgrund bösgläubiger Registrierung der Zeichen durch die Klägerin könne sie keine Rechte daraus beanspruchen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwar herrsche im Kennzeichenrecht grundsätzlich der Prioritätsgrundsatz, aber auch ein an sich befugter Namensgebrauch sei rechtswidrig, wenn das damit verfolgte Interesse wesentlich geringer zu bewerten sei als das Interesse eines Gleichnamigen, den Namen uneingeschränkt zu verwenden. Der zwischen der Klägerin und dem mit ihr verbundenen österreichischen Unternehmen geschlossene Lizenzvertrag und die Übertragung der Domains habe die Voraussetzungen eines sittenwidrigen Umgehungsgeschäfts erfüllt, weil sie ausschließlich zum Zweck geschlossen oder vorgenommen worden seien, die für die Lizenzgeberin unliebsamen Konsequenzen eines Gerichtsurteils zu umgehen. Ein nachvollziehbares schutzwürdiges Eigeninteresse der Klägerin am Erwerb der beiden Domains sei nicht zu erkennen. Die Interessenabwägung ergebe, dass weder die Klägerin noch ihre Rechtsvorgängerin berechtigt seien, die Bezeichnung „Wiener Werkstätten" im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb von Möbeln zu verwenden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt zulässig sei. An der gegen § 2 UWG verstoßenden Verwendung der Bezeichnung „Wiener Werkstätten" ändere sich nichts, wenn in einem umfangreichen Programm des österreichischen mit der Klägerin verbundenen Unternehmens auch ein Möbelstück nach einem Entwurf der Wiener Werkstätte vertrieben werde. Da die Übertragung der Marke „Wiener Werkstätten" sowie der entsprechenden Internetdomains an die Klägerin bloß zum Zweck der Umgehung des gerichtlichen Unterlassungsgebots und zum Zweck, weiteren Exekutionen gegen das österreichische Unternehmen aufgrund dieses Urteils zu entgehen und in Hinkunft die Werbung für das österreichische Unternehmen mit dem Begriff „Wiener Werkstätten" von der Klägerin vornehmen zu lassen, erfolgt sei, könne von einem schutzwürdigen Besitzstand der Klägerin keine Rede sein. Sowohl die Marke „Wiener Werkstätten" als auch die von der Klägerin verwendeten Domains seien mangels eines ausreichenden Bezugs zur historischen Wiener Werkstätte irreführend im Sinn des § 2 UWG. Wenngleich für Domain-Namen ein sondergesetzliches Täuschungsverbot wie etwa im Markenrecht oder im Firmenrecht nicht bestehe, genössen die von der Klägerin verwendeten Kennzeichen aufgrund ihrer Täuschungseignung keinen Schutz. Auch die Gestattung des Namensgebrauchs sei bei Täuschung des Publikums rechtsunwirksam.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt im Hinblick auf den vom Berufungsgericht als solchen erkannten bloßen Schreibfehler des Erstgerichts (Vertauschung der Parteirollen) nicht vor. Die Klägerin stützt ihre Unterlassungs- und Löschungsansprüche betreffend die Verwendung der Bezeichnung „Wiener Werkstätte" einerseits auf prioritätsältere Marken- und Kennzeichenrechte, andererseits auf ihr Namensrecht, weil „Wiener Werkstätten" Bestandteil ihrer Firma sei.

Nach § 10 Abs 3 Z 2 MSchG gewährt die eingetragene Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, Angaben über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der Ware oder über andere Merkmale der Ware im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern dies den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht. Der Beklagte vertreibt nach den getroffenen Feststellungen seit 1987 Repliken von Beleuchtungskörpern Josef Hofmanns sowie auch Originalmöbel und andere Antiquitäten aus der Wiener Werkstätte. Wenn er die Domain „www.wiener-werkstaette.at " hiefür verwendet, so weist er damit darauf hin, dass er Erzeugnisse der (historischen) Wiener Werkstätte führt. Er benützt also das Zeichen „Wiener Werkstätte", um Angaben über die Art, die Beschaffenheit, die geografische Herkunft und die Zeit der Herstellung der von ihm vertriebenen Ware zu machen. Zu prüfen bleibt, ob die Angabe den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht. Als Unlauterkeitskriterien kommen vor allem Rufausbeutung, Rufschädigung, Aufmerksamkeitsausbeutung und Verwässerung in Betracht. Unlauter kann vor allem eine über die Wiedergabe der beschreibenden Angabe hinausgehende zusätzliche Annäherung durch Übernahme besonderer Gestaltungselemente aus Bildmarken, Logos, typischen Schriftzügen oder der farblichen oder figürlichen Ausgestaltung sein. Die blickfangmäßige Ausgestaltung als solche ist noch nicht unlauter, weil sie vielfach auch bei beschreibenden Angaben den lauteren Gepflogenheiten entspricht (4 Ob 215/04b; Ingerl/Rohnke, Markengesetz² § 23 Rz 61). Im Hinblick auf die festgestellte Tätigkeit des Beklagten kann aber von einem unlauteren Handeln (etwa dass er den Ruf der Klägerin und der mit ihr verbundenen Unternehmen ausnützte) keine Rede sein. Die Klägerin kann ihren Unterlassungsanspruch daher nicht auf die ihr übertragene Marke „Wiener Werkstätten" stützen.

Was die Domains und auch den Firmenbestandteil „Wiener Werkstätten" betrifft, so setzt ein Unterlassungsanspruch der Klägerin Unterscheidungskraft der Zeichen voraus, weil sie nur dann durch die Verwendung der Domains und des Firmenbestandteils Namens- (Firmen-)Schutz erreichen könnte (4 Ob 73/01s = ÖBl 2001, 263 - pro-solution.at; 4 Ob 110/94 - Telecom, je mwN). Die Unterscheidungskraft im Sinn der Eignung, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen, ist aber zu verneinen. „Wiener Werkstätten" wird als Hinweis auf die (historische) „Wiener Werkstätte" verstanden (weshalb die Verwendung dieser Bezeichnung ohne Beziehung zu Produkten der historischen Wiener Werkstätte, seien es echte oder nachgebaute, als irreführend beurteilt wurde, 4 Ob 177/02m und 4 Ob 234/03w). Das Zeichen ist daher beschreibend, sodass sein

selbstständiger Schutz Verkehrsgeltung voraussetzte (4 Ob 316/00z =

ÖBl 2002, 81 - immobilienring.at; 4 Ob 142/90 = ÖBl 1990, 247 - West

Side, je mwN). Verkehrsgeltung hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren aber gar nicht behauptet; sie wäre mit der notorischen Bedeutung des Begriffs „Wiener Werkstätte" wohl auch unvereinbar. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche lassen sich somit auch nicht aus ihrem behaupteten Namens-(Firmen-)Recht ableiten, weshalb auf die in den Rechtsmittelschriften erörterten Fragen der beiderseitigen Interessen an der Verwendung des Begriffs „Wiener Werkstätte(n)" und deren Abwägung nicht eingegangen werden muss.

Keiner Auseinandersetzung bedarf es auch mit dem vom Erstgericht festgestellten Umstand, dass die Klägerin die Marke und die Domains nur erworben hat, um weitere Exekutionen gegen ihr österreichisches Schwesterunternehmen zu verhindern. Das Gleiche gilt für den „schutzwürdigen Besitzstand", auf den sich die Klägerin zur Verteidigung gegen den Sittenwidrigkeitsvorwurf berufen hat. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist - wie oben dargelegt - unabhängig davon nicht begründet, ob ihr Verhalten als sittenwidrig zu beurteilen ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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