OGH 4Ob110/94

OGH4Ob110/9422.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Austria Telecommunication Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Erich Unterer und Dr.Rainer Handl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Telefonland Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Schöppl, Rechtsanwalt in Wals, wegen Unterlassung (Streitwert: 300.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 15.Juni 1994, GZ 2 R 81/94-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 4.Jänner 1994, GZ 7 Cg 385/93s-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, ab sofort bei sonstiger Exekution die Verwendung der Bezeichnung 'Austria-Telec(k)om' im Geschäftsverkehr zu unterlassen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 65.260,80 S bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten 10.876,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen".

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 60.780 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 21.600 S Barauslagen und 6.530 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende "Austria-Telecommunication Gesellschaft mbH" ist seit 19.12.1984 im Handelsregister (nunmehr Firmenbuch) Wien eingetragen.

Gegenstand ihres Unternehmens ist:

"1. Die Schaffung von Voraussetzungen für eine inländische Produktion des von der Post- und Telegraphenverwaltung für den Einsatz in ganz Österreich ausgewählten österreichischen Einheitswählsystems OES-D, das für die öffentlichen Fernmeldedienste, insbesondere für Fernsprecheinrichtungen, bestimmt ist. Zu diesem Zweck wird die Gesellschaft technisches Wissen auf dem Gebiet der digitalen Vermittlungssysteme (Telecommunication), insbesondere von der N***** Telecom *****, erwerben und verwerten und eigene Entwicklungen durchführen.

2. Produktion und unmittelbare Produktionsvorbereitung sind nicht Gegenstand des Unternehmens. Die Produktion wird in erster Linie durch die S*****-Aktiengesellschaft erfolgen. Die Gesellschaft ist zum Vertrieb des von ihr entwickelten digitalen Vermittlungssystems insbesondere an die Post- und Telegraphenverwaltung und zu dessen Export berechtigt sowie zur Geschäftsführung artverwandter Unternehmen".

Die Klägerin ist Inhaberin der nachstehenden, zu RegisterNr.125 153 beim Österreichischen Patentamt mit Beginn der Schutzdauer 11.5.1989 für die Klassen 9 ("Geräte und Anlagen für das Fernmeldewesen, Bestandteile und Zubehör [nicht in anderen Klassen enthalten] einschließlich Computersoftware für die vorgenannten Waren") und 38 ("Nachrichtenwesen") eingetragenen Wort-Bild-Marke:

Hauptkunde der Klägerin ist die Österreichische Post-und Telegraphenverwaltung, an die sie komplette Wählämter verkauft; daneben hat die Klägerin noch 10 weitere Kunden, denen sie Endeinrichtungen verkauft. Großhändler gehören derzeit nicht zum Kundenkreis der Klägerin.

Die Beklagte, die die Firma Telefonland GmbH führt, vertreibt seit 1989 Telefonapparate, Anrufbeantworter, Funktelefone und D-Netz-Telefone an Händler, wobei sie ihre Geräte ausschließlich im Ausland einkauft und diese für die österreichischen Verhältnisse einrichten läßt oder auch selbst die erforderlichen Geräteänderungen vornimmt.

Die Beklagte tritt im geschäftlichen Verkehr - so etwa auf ihren Briefköpfen und Werbeprospekten - unter ihrer Firma mit dem Zusatz "Austria Telecom" auf; die Abkürzung "AT" hat sie noch nie verwendet.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit dem beanstandeten Zusatz entgegen § 9 Abs 1 UWG in ihre Kennzeichenrechte an einem Firmenbestandteil ("Telecom"), welcher als Kurzbezeichnung für ihr Unternehmen in den täglichen Sprachgebrauch Eingang gefunden habe, eingreife und auch eine Genehmigung zur Verwendung des Firmenzusatzes "Austria" nicht erlangen könne, begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Verwendung der Bezeichnung "Austria-Telec(k)om" im Geschäftsverkehr ab sofort zu unterlassen. Die Verwendung der so abgekürzten Firma der Klägerin sei geeignet, mit dieser Verwechslungen hervorzurufen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. "Telecom" werde weltweit als Schlagwort für Telekommunikation aller Art verwendet und könne daher keinem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden. Außerdem sei "Telecom" als Marke zur RegisterNr.92 096 des Österreichischen Patentamtes für die "Telecom ***** Gesellschaft mbH" geschützt. Da die Beklagte "ihre Produktionspalette weltweit beziehe", sei die Bezeichnung "Austria" als Hinweis darauf notwendig, daß es sich um ein österreichisches Unternehmen handelt. Eine Verwechslungsgefahr sei auch deshalb ausgeschlossen, weil sich die Klägerin ausschließlich mit der Schaffung der Voraussetzungen für die inländische Produktion des Einheitswählsystems OES-D beschäftige, welches aber nur bei öffentlichen Fernmeldediensten Anwendung finden könne. Als Kunde der Klägerin komme daher nur die Österreichische Post in Betracht. Demgegenüber sei die Beklagte Großhändlerin für eine vom OES-D-Wählsystem abweichende Produktionspalette. Die von ihr angesprochene Fachhandelsbranche bringe aber die beanstandete Bezeichnung nicht mit der Firma der Klägerin in Zusammenhang.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gemäß § 9 Abs 1 UWG sei auch die Abkürzung "Austria-Telecom" der Firma der Klägerin geschützt, sei deren Gebrauch doch zur Herbeiführung von Verwechslungen geeignet. Beide Parteien seien im Zusammenhang mit Fernsprecheinrichtungen tätig. "Telecom" sei zumindest im deutschen Sprachraum kein allgemein gebräuchlicher Ausdruck und daher schutzfähig. Ein flüchtiger Interessent werde in der Eile des geschäftlichen Verkehrs aus der beanstandeten Abkürzung eine Verbindung zur Klägerin herstellen, bestehe doch in der alltäglichen Anwendung die Tendenz zur Abkürzung längerer Begriffe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Nach § 9 Abs 1 UWG sei nicht nur der volle Firmenwortlaut, sondern - selbst ohne Verkehrsgeltung - auch ein Firmenbestandteil oder die besondere Bezeichnung eines Unternehmens geschützt, soferne diese geeignet seien, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen. Danach möge zwar die Schutzfähigkeit der Bezeichnung "Telecom" für sich allein problematisch erscheinen, werde sie doch immerhin auch von der staatlichen deutschen Telefongesellschaft verwendet; schutzfähig sei aber die Wortkombination "Austria-Telecom". Auch an sich nicht schutzfähige Bestandteile erlangten nämlich durch eine besondere Zusammenstellung oder Benützungsform die erforderliche Kennzeichnungskraft. Der Klägerin stehe daher ein Anspruch auf Unterlassung des Gebrauches der eigentümlichen Zusammenstellung "Austria Telecom" zu, bestehe doch schon zufolge der Branchenähnlichkeit der Streitteile objektive Verwechslungsgefahr. Die beanstandete Bezeichnung sei so weit charakteristisch, daß der Geschäftsverkehr daraus zumindest auf besondere wirtschaftliche Beziehungen oder auf engere organisatorische Zusammenhänge zwischen den Parteien schließen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist berechtigt.

Zwar genießt den Schutz des § 9 Abs 1 UWG nicht nur der volle Firmenwortlaut, sondern auch ein Firmenbestandteil (Firmenkurzbezeichnung, Firmenschlagwort), der - für sich allein oder in Verbindung mit Zusätzen, geeignet ist, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen und es von anderen zu unterscheiden, also Namensfunktion hat (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 140;

Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht, 31 und 33 f; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 1281 ff Rz 129 ff zu § 16 dUWG; Teplitzky in GroßkommzdUWG Rz 15 zu § 16 dUWG; stRsp: ÖBl 1991, 247 - WEST SIDE;

ÖBl 1993, 167 - Teleshop, jeweils mwN). Voraussetzung für den Kennzeichenschutz nach § 9 UWG, insbesondere auch für Firmen und Firmenbestandteile, ist demnach die Unterscheidungskraft; eine Bezeichnung muß etwas Besonderes, Individuelles haben, um zur Kennzeichnung eines bestimmten Unternehmens dienen zu können (ÖBl 1991, 247 - WEST SIDE mwN; WBl 1993, 196 = ecolex 1993, 397 - INVEST-REAL; ecolex 1993, 613 - CORSO; ÖBl 1993, 167 - Teleshop uva). Fehlt einem Zeichen für sich die Unterscheidungskraft, dann kann es trotzdem den Schutz nach § 9 UWG erlangen, wenn und so weit es Verkehrsgeltung besitzt (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 47; ÖBl 1991, 247 - Teleshop; ÖBl 1993, 167 - Teleshop jeweils mwN); andernfalls kann auch eine Verwechslungsgefahr von vornherein nicht entstehen (Fitz/Gamerith aaO 33). Auch an sich nicht schutzfähige Bestandteile können demnach die notwendige Kennzeichnungskraft durch Verkehrsgeltung, aber auch durch eine besondere Zusammenstellung oder Benützungsform erlangen (ÖBl 1993, 167 - Teleshop mwN).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß dem vollen Firmenwortlaut der Klägerin die Unterscheidungskraft zur Gänze abgesprochen werden muß, besteht die Firma doch ausschließlich aus der im Sinne des § 4 Abs 1 Z 2 MSchG beschreibenden Angabe "Telekommunikation" ("Telecommunication"), welche aber auch im deutschen Sprachgebrauch (nur) auf den Informations- und Nachrichtenaustausch mit den Mitteln der Nachrichtentechnik (vgl "digitale Vermittlungssysteme" im Unternehmensgegenstand der Klägerin) hinweist (Duden, Fremdwörterbuch5 770; Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch Bd 6, 198). Auch das Voranstellen des Wortes "Austria" sowie die Schreibung des Wortteils "Communication" mit "c" lassen keine eigenartige sprachliche Neubildung im Sinne einer Phantasiebezeichnung entstehen, in welcher die sonst gebräuchliche Bedeutung der einzelnen Bestandteile der Wortfolge so in den Hintergrund tritt, daß sie geeignet wäre, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen und dieses von anderen zu unterscheiden:

Damit wird nur zum Ausdruck gebracht, daß das so bezeichnete Unternehmen von größerem Umfang und größerer Wichtigkeit für die Nachrichtentechnik in Österreich ist (ÖBl 1993, 241 - AUSTRIA II mwN). Die Klägerin könnte daher nur bei Verkehrsgeltung Schutz für ihre Firma als ganzes genießen; sie hat aber eine Behauptung in dieser Richtung nicht einmal aufgestellt.

Soweit demnach die angesprochenen Verkehrskreise die von der Beklagten gebrauchte Zusatzbezeichnung "Austria-Telecom" als Abkürzung für "Austria Telecommunication" verstehen, fehlt der Firmenabkürzung - ebenso wie dem vollen Firmenwortlaut - schon jegliche Kennzeichnungskraft. Sollte aber "Telecom" im Verkehr als - vom Begriff "Telekommunikation" losgelöste und daher unterscheidungskräftige - Phantasiebezeichnung aufgefaßt werden, wäre für die Klägerin nichts gewonnen, könnte sie doch in diesem Fall den Schutz des § 9 Abs 1 UWG nur dann mit Erfolg in Anspruch nehmen, wenn sie die beanstandete Bezeichnung zeitlich noch vor der Beklagten im geschäftlichen Verkehr zur besonderen Bezeichnung ihres Unternehmens in Gebrauch genommen hätte (Hohenecker-Friedl aaO 45). Auch das hat die Klägerin aber nicht einmal behauptet. Ihr Vorbringen, "Austria-Telecom" habe als Kurzbezeichnung für ihr Unternehmen "in den täglichen Sprachgebrauch Eingang gefunden" hat sie jedenfalls nach den Feststellungen nicht erwiesen, zumal das von ihr angebotene Beweismittel (Artikel im Wirtschaftsteil der Tageszeitung "S*****" vom 23.7.1992) hiefür schon von vornherein abstrakt untauglich war.

Schon mangels Unterscheidungskraft der Firma der Klägerin ist somit ein Kennzeichenmißbrauch im Sinne des § 9 Abs 1 UWG ausgeschlossen, so daß sich die Frage nach einer Verwechslungsgefahr gar nicht stellt; den Wortbestandteil der Wort-Bild-Marke der Klägerin - die Buchstabenkombination "AT" - hat die Beklagte nicht verwendet. Die Klägerin hat zwar auch darauf hingewiesen, daß der Beklagten eine "Genehmigung" (?) zur Aufnahme des Wortes "Austria" in ihren Firmenzusatz "nicht erteilt werden könnte", sie hat aber mit ihrem Begehren einen Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG nicht geltend gemacht, sondern dieses auf einen Kennzeichenmißbrauch im Sinne des § 9 Abs 1 UWG beschränkt. Im Hinblick auf diese eingeschränkte Fassung des Klagebegehrens erübrigt sich daher auch jedwede Prüfung der Frage, ob der Beklagten allenfalls durch den Gebrauch des Zusatzes "Austria" eine Irreführung über die Größe und Bedeutung ihres Unternehmens (vgl ÖBl 1993, 241 - AUSTRIA II) zur Last fällt.

Diese Erwägungen führen bereits in Stattgebung der Revision zur Abweisung des Klagebegehrens.

Der Ausspruch über die Prozeßkosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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