OGH 4Ob222/18b

OGH4Ob222/18b27.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei f***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) H***** GmbH, *****, und 2) Dipl.‑Ing. H***** G*****, ebendort, beide vertreten durch Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 704.225,75 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. September 2018, GZ 1 R 38/18t‑33, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00222.18B.1127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Am 4. 3. 2015 unterbreitete eine Konzerngesellschaft der (damals noch nicht gegründeten) Klägerin gegenüber der erstbeklagten GmbH, die vom Zweitbeklagten als Alleingeschäftsführer vertreten wird, ein unwiderrufliches Kaufanbot betreffend eine Liegenschaft in Wien 22 zum Kaufpreis von 1.035.000 EUR. Dieses Anbot wurde „im Namen einer noch zu benennenden und/oder zu gründenden Gesellschaft (Anbotstellerin)“ abgegeben. In das Anbot wurden weitere Details zum Liegenschaftskauf sowie zur treuhändigen Abwicklung aufgenommen. Unter anderem sollte im Rahmen der Kaufvertragsunterfertigung eine Anzahlung von 50.000 EUR auf ein Treuhandkonto des Notars der Anbotnehmerin erfolgen. Außerdem wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Ankauf der Liegenschaft durch eine noch zu benennende und/oder zu gründende Gesellschaft erfolgt und sich die Anbotnehmerin verpflichtet, bis zur grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrags alles zu unterlassen, was die Anbotstellerin in ihrer Rechtsposition beeinträchtigen könnte, insbesondere die Liegenschaft anderweitig zu veräußern oder zu belasten.

Am 5. 3. 2015 nahm der Zweitbeklagte namens der Erstbeklagten das Kaufanbot an. Der Kaufvertrag wurde von ihr in der Folge jedoch nicht unterfertigt. Mit Schreiben vom 19. 3. 2015 erklärte der Zweitbeklagte namens der Erstbeklagten den Rücktritt vom Anbot, weil die „Konventionalstrafe“ von 50.000 EUR nicht erlegt worden sei.

Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin datiert vom 27. 3. 2015; am 11. 4. 2015 erfolgte die Eintragung in das Firmenbuch. Am 14. 4. 2015 teilte die Klagsvertreterin dem Beklagtenvertreter mit, dass die Klägerin als Käuferin der Liegenschaft namhaft gemacht werde. Bereits mit Kaufvertrag vom 31. 3. 2015 verkaufte die Erstbeklagte die Liegenschaft an eine Immobilien-Entwicklungsgesellschaft, die als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde.

Die Klägerin begehrte, die Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 704.225,76 EUR sA zu verurteilen. Der geltend gemachte Schaden beziehe sich auf entgangenen Gewinn aus dem beabsichtigten Wohnbauprojekt sowie auf frustrierte Aufwendungen in Vorbereitung dieses Projekts.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren hinsichtlich beider Beklagter dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Da die Klägerin bei Annahme des Kaufanbots noch nicht gegründet gewesen sei, scheide ein echter Vertrag zugunsten Dritter aus. In solchen Fällen komme aber ein Vorvertrag zugunsten Dritter in Betracht, der für den Begünstigten, der auch noch unbestimmt sein könne, ein Recht zum Vertragsabschluss begründe. Aufgrund der vertragswidrigen Weiterveräußerung der Liegenschaft stehe der Klägerin der Nichterfüllungsschaden zu. Dem Zweitbeklagten sei eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB anzulasten.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision zeigen die Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.  Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass sich das Zwischenurteil des Erstgerichts auf die solidarische Haftung der Beklagten bezieht (zur solidarischen Haftung der GmbH im Fall der Organhaftung [vgl 1 Ob 384/97w] mit dem Geschäftsführer siehe 8 Ob 587/93). Das Berufungsgericht stützt die (persönliche) Haftung des Zweitbeklagten als Geschäftsführer der Erstbeklagten ausschließlich auf § 1295 Abs 2 ABGB. Auch im Verhältnis zur Erstbeklagten kommt es daher nur auf diesen Rechtsgrund an.

Den sonst vom Berufungsgericht herangezogenen Anspruchsgrundlagen (Schadenersatzpflicht bei einem Doppelverkauf im Fall der Unmöglichkeit der Restitution, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; Vorvertrag zugunsten Dritter; § 349 UGB) kommt keine Bedeutung zu. Das Gleiche gilt für die Überlegungen des Berufungsgerichts zu einem „eigenständigen vertraglichen Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Erstbeklagte unabhängig von der Frage der Übertragung der Ansprüche aus dem Kaufanbot auf die Klägerin“.

2.1  Zur persönlichen Haftung des Zweitbeklagten stehen die Beklagten auf dem Standpunkt, dass dieser in vertretbarer Weise den Rücktritt vom angenommenen Kaufanbot erklärt habe, weshalb keine vorsätzliche oder sittenwidrige Schädigung vorliege. Dass der Zweitbeklagte als Geschäftsführer bei Verwirklichung des Tatbestands nach § 1295 Abs 2 ABGB persönlich haftet, bestreiten sie hingegen nicht.

2.2  Nach § 25 GmbHG haften Geschäftsführer nur für eigenes, schuldhaftes Verhalten und grundsätzlich nur der Gesellschaft, nicht aber einzelnen Gesellschaftern oder Gläubigern gegenüber (vgl 6 Ob 84/16w). Die gesetzliche Ausgangslage spricht im Allgemeinen dagegen, Geschäftsführer Dritten gegenüber haftbar zu machen, wenn sie im Namen ihres gesellschaftsrechtlichen Verantwortungsbereichs agieren. Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen aber vor allem im Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung (zB §§ 56 Abs 3, 64 Abs 1 GmbHG; § 9 BAO; § 67 Abs 10 ASVG), bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 1295 Abs 2 ABGB), bei gerichtlich strafbaren Handlungen (zB §§ 153c, 153d StGB) oder bei schuldhafter Verletzung eines Schutzgesetzes (8 Ob 62/16z; vgl auch 7 Ob 610/85; 4 Ob 170/11w).

2.3  Der Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 1295 Abs 2 ABGB trifft den Geschäftsführer persönlich, weshalb in einem solchen Fall eine Dritthaftung in Betracht kommt. Die daraus resultierenden Ansprüche sind deliktischer Natur (6 Ob 18/17s). Bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ist auch der reine Vermögensschaden zu ersetzen (4 Ob 192/15m; 6 Ob 229/16v).

Der Tatbestand des § 1295 Abs 2 ABGB ist unter anderem dann erfüllt, wenn der Schädiger im Bewusstsein des Bestehens eines fremden Anspruchs oder einer fremden Rechtsposition durch sein vorsätzliches Handeln oder Unterlassen den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags vereitelt und den Gläubiger dadurch vorsätzlich schädigt (vgl 4 Ob 192/15m; vgl auch 2 Ob 87/15f). Dazu ist anerkannt, dass die Haftungsgrundlage des § 1295 Abs 2 ABGB auch den Eigentümer einer Sache verpflichtet (8 Ob 111/16f). Für einen Schadenersatzanspruch nach § 1295 Abs 2 ABGB genügt bedingter Vorsatz (RIS‑Justiz RS0026603; 4 Ob 173/15t).

2.4  Im Anlassfall liegt nicht nur der Nichtabschluss eines Vertrags im Rahmen der Abschlussfreiheit oder der Abbruch von Vertragsverhandlungen vor. Vielmehr hat die Klägerin mit ihrer Namhaftmachung als Käuferin am 14. 4. 2015 die im Kaufanbot ausdrücklich genannte und auf sie bezogene Rechtsposition auf Abschluss des Kaufvertrags über die Liegenschaft der Erstbeklagten erlangt. Ob der Kaufvertrag mit der Immobilien-Entwicklungsgesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war oder nicht, bleibt unerheblich, weil es sich dabei nur um eine Zufälligkeit im zeitlichen Ablauf handelt.

Ob eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinn von § 1295 Abs 2 ABGB vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die typisch von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl RIS‑Justiz RS0110900). Die Vorinstanzen haben das vom Zweitbeklagten gesetzte Verhalten im Sinn der zitierten Rechtsprechung vertretbar als vorsätzliche bzw sittenwidrige Schädigung im Sinn von § 1295 Abs 2 ABGB beurteilt. Zum Zeitpunkt des (unberechtigten) Rücktritts der Erstbeklagten vom Kaufanbot lag nicht einmal ein Kaufvertragsentwurf vor; zu der für die Fälligkeit der Anzahlung maßgebenden Unterfertigung des Kaufvertrags ist es überhaupt nicht gekommen.

3.1  Zur Frage des der Klägerin zu ersetzenden Schadens und zur Fällung des Zwischenurteils führen die Beklagten aus, dass ein Anspruch auf den Nichterfüllungsschaden bzw den entgangenen Gewinn nicht bestehe und ein allenfalls in Betracht kommender Vertrauensschaden nicht feststehe.

3.2  Wird sittenwidrig reines Vermögen beeinträchtigt, so ist – wenn eine Restitution nicht möglich oder nicht tunlich ist oder wenn sie vom Geschädigten nicht gewünscht wird – § 1331 ABGB über den Geldersatz anzuwenden. Danach besteht bei leichter Fahrlässigkeit des Schädigers Anspruch auf Ersatz des positiven Schadens und bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz Anspruch auch auf den entgangenen Gewinn (das Interesse). Steht auch der entgangene Gewinn zu, so ist der Geschädigte so zu stellen, wie er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ohne das schädigende Ereignis stünde (RIS‑Justiz RS0030153).

3.3  Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagten für den entgangenen Gewinn und die frustrierten Aufwendungen der Klägerin aus der sittenwidrigen Schädigung im Sinn des § 1295 Abs 2 ABGB einzustehen haben, hält sich im Rahmen der dargelegten Grundsätze. Das Gleiche gilt für die Schlussfolgerung, dass bereits das Entstehen einer Verbindlichkeit einen (positiven) Schaden bedeutet (RIS‑Justiz RS0022568) und die Voraussetzungen für die Fällung eines Zwischenurteils jedenfalls gegeben sind. Dazu liegen auch die von den Beklagten geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel nicht vor.

4.  Die Ausführungen in der außerordentlichen Revision zur „Aktivlegitimation“ betreffen die Qualifikation des angenommenen Kaufanbots als Vorvertrag zugunsten Dritter durch das Berufungsgericht, auf die es hier aber nicht ankommt.

Den in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen des Berufungsgerichts kommt nur insoweit Bedeutung zu, als es das angenommene Kaufanbot dahin auslegt, dass sich die Erstbeklagte verpflichtet habe, die Liegenschaft an die von der Konzerngesellschaft namhaft zu machende Investorengesellschaft als begünstigte Dritte zu verkaufen. Dieses von den Umständen des Einzelfalls geprägte Auslegungsergebnis ist in jedem Fall vertretbar. Die zum Thema „Aktivlegitimation“ geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen ebenfalls nicht vor.

5.  Insgesamt gelingt es den Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte