European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00218.14H.0324.000
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Begründung
Die Klägerin ist Inhaberin einer Bewilligung für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung mit Automaten in Automatensalons in Oberösterreich nach dem Oö Glücksspielautomatengesetz, die ihr die Oö Landesregierung am 28. 3. 2012 erteilte. Sie betreibt in Oberösterreich an verschiedenen Standorten legal dieses Glücksspiel.
Der Beklagte mit Wohnsitz im Inland ist deutscher Staatsbürger. Er verfügt über eine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe gemäß § 111 Abs 2 Z 3 GewO 1994 und betreibt ein Lokal in einer oberösterreichischen Stadt. Über eine Bewilligung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung bzw für den Betrieb von Glücksspielautomaten nach dem Oö Glücksspielgesetz verfügt er nicht. In dem vom Beklagten betriebenen Lokal gibt es sechs Automaten, auf denen gespielt werden kann. Sie befinden sich nach dem Eingang auf der linken Seite. Eine Zutritts- oder Ausweiskontrolle erfolgt nicht. Auf einem dieser Automaten spielte am 20. 3. 2014 ein Mitarbeiter der Klägerin. Auf dem von ihm bespielten Gerät gab es mindestens 16 Spiele. Bei dem von ihm durchgeführten Spiel ist die Entscheidung über das Spielergebnis (Gewinn oder Verlust) ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig. Er hatte keine Möglichkeit, durch Geschicklichkeit in das Spiel einzugreifen und die Entscheidung über Gewinn und Verlust zu beeinflussen. Das Spiel wurde als Ausspielung durchgeführt; es wurde im Lokal des Beklagten angeboten; in das bespielte Gerät konnten Geldscheine und Münzen eingegeben werden, der eingeworfene Betrag wurde als Guthaben ausgewiesen. Der Einsatz pro Spiel konnte festgelegt werden, wobei der Mindesteinsatz 0,50 EUR und der Höchsteinsatz 15 EUR betrug. Abhängig vom Einsatz wurde dem Spieler gemäß einem Gewinnplan ein Gewinn in Aussicht gestellt. Durch die Betätigung der Starttaste wurde das Spiel begonnen und der Einsatz vom Guthaben abgebucht. Im Fall eines Gewinns wurde der Gewinn auf das Guthaben gutgebucht, sodass sich dieses erhöhte. Insgesamt verlor der Spieler bei sämtlichen von ihm durchgeführten Spielen 50 EUR. Ob es sich bei den im Lokal des Beklagten aufgestellten Automaten um mikroprozessorgesteuerte Video-Terminals handelt, die nicht von sich aus Spiele selbstständig ausführen, also über Gewinn und Verlust entscheiden, sondern bei denen die Entscheidung darüber auf einem disloziert aufgestellten Server fällt, konnte nicht festgestellt werden.
Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage, mit der sie einen inhaltsgleichen Sicherungsantrag verband, den Beklagten zur Unterlassung des Betreibens von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in der Form der Ausspielung zu verhalten, oder dies einem Dritten insbesondere durch Aufstellung solcher Geräte zu ermöglichen, solange er oder der Dritte nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügt. Weiters beantragte sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer Ausgabe der „Oberösterreichischen Nachrichten“. Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen, über die der Beklagte nicht verfüge, weshalb er ein illegales Glücksspiel betreibe. Durch diesen Rechtsbruch verstoße er gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG.
Der Beklagte wendete ein, es handle sich bei den Automaten um mikroprozessorgesteuerte Video-Terminals, die nicht von sich aus Spiele selbstständig ausführten bzw über Gewinn oder Verlust entschieden. Die Entscheidung über Gewinn und Verlust falle auf einem disloziert aufgestellten Server. Es handle sich daher um Video-Lotterien im Sinn des § 12a GSpG. Daher bestehe zwischen den Streitteilen weder ein Wettbewerbs- noch ein Konkurrenzverhältnis. Da der Beklagte deutscher Staatsbürger sei, kämen ihm EU-rechtliche Freiheiten, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit zugute, weshalb er die Ausspielungen legal durchführe. Die Ausspielungen seien zulässig, weil das Glücksspielgesetz und das staatliche Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig seien. Der Beklagte sei infolge Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols aufgrund der ihm unionsrechtlich gewährleisteten Grundfreiheiten (insbesondere der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit) berechtigt, beim Glücksspielangebot eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieters durch Support mitzuwirken. Seine Rechtsansicht sei zumindest vertretbar. Das Begehren auf Urteilsveröffentlichung sei überschießend.
Das Erstgericht gab der Klage statt und erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Bei den mit den sechs Geräten im Lokal des Beklagten durchführbaren Spielen handle es sich um Ausspielungen im Sinn des § 2 Abs 1 GSpG bzw § 2 Z 3 Oö GlücksspielautomatenG. Für den Begriff der Ausspielung sei es unbedeutend, ob die Entscheidung über Gewinn und Verlust durch den Apparat selbstständig herbeigeführt oder zentral gesteuert werde. Die Ausspielung mit den Geräten ermögliche Einsätze von mehr als 10 EUR. Da der Beklagte über keine Konzession nach § 14 GSpG verfüge, greife er in das Glücksspielmonopol des Bundes ein und betreibe verbotene Ausspielungen gemäß § 2 Abs 4 GSpG. Zwischen den Streitteilen bestehe insofern ein Wettbewerbsverhältnis. Durch die verbotenen Ausspielungen handle der Beklagte wettbewerbswidrig durch Rechtsbruch im Sinn des § 1 UWG. Eine Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes bzw des Glücksspielmonopols des Bundes sei bislang nicht festgestellt worden. Aufgrund der eindeutigen Fassung der gesetzlichen Bestimmungen und des derzeitigen Stands der höchstgerichtlichen Rechtsprechung könne der Beklagte aus dem Unionsrecht keine vertretbare Rechtsansicht ableiten, wonach die Bestimmungen des Glücksspielgesetzes unionsrechtswidrig wären und insbesondere gegen die Dienstleistungsfreiheit verstießen. Die Wiederholungsgefahr sei offensichtlich, das Urteilsveröffentlichungsbegehren berechtigt.
Das Berufungs- und Rekursgericht bestätigte die Entscheidungen des Erstgerichts, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig seien. Das in Art 56 AEUV verankerte Verbot der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union schütze Angehörige der Mitgliedsstaaten, die in einem anderen Mitgliedsstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig seien. Daraus ergebe sich, dass das transnationale Element für eine Dienstleistung konstitutiv sei. Auf Betätigungen, deren wesentliche Elemente nicht über die Grenzen eines Mitgliedsstaats hinauswiesen, seien die Artt 56 ff AEUV nicht anwendbar. Der Beklagte sei zwar deutscher Staatsbürger, aber in Österreich ansässig. Es sei daher nicht von grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgängen auszugehen. Die Ausspielung mit den vorliegenden Glücksspielgeräten ermögliche Einsätze von mehr als 10 EUR. Sie unterliege daher gemäß § 3 GSpG dem Glücksspielmonopol des Bundes. Da der Beklagte über keine Konzession nach § 14 GSpG verfüge, greife er mit den Ausspielungen in das Glücksspielmonopol des Bundes ein. Er betreibe daher verbotene Ausspielungen gemäß § 2 Abs 4 GSpG und verstoße somit gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhob der Beklagte außerordentliche Revision mit dem Antrag, die Klage abzuweisen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Bestätigung der Sicherungsverfügung blieb unbekämpft. Der Beklagte macht geltend, die Entscheidung weiche von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (insbesondere 2 Ob 243/12t) zu den Voraussetzungen der Anwendbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols im unionsrechtlichen Kontext und zur Reichweite des Vorrangs der unionsrechtlichen Grundfreiheiten ab. Ein deutscher Staatsbürger könne sich allein aufgrund seiner deutschen Staatsbürgerschaft gegenüber einem anderen Mitgliedsstaat auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten berufen, wobei es konkret nicht maßgeblich sei, ob aufgrund der speziell festgestellten Betreiberkonstellation allein die Dienstleistungsfreiheit und/oder auch die Niederlassungsfreiheit zum Tragen komme, habe sich der Beklagte doch auf beide Grundfreiheiten berufen. Der grundsätzliche Widerspruch des Glücksspielmonopols des Bundes zur Dienstleistungsfreiheit, aber auch zur Niederlassungsfreiheit des Unionsrechts sei spätestens seit dem Urteil des EuGH vom 15. 9. 2011 in der Rs C-347/09 , Dickinger und Ömer , evident. Sollten dennoch Fragen hinsichtlich der Durchführung der Kriterien oder der Reichweite der einzelnen Prüfschritte im Rahmen der Verhältnismäßigkeits- und Kohärenzprüfung bestehen, werde angeregt, diese gemäß Art 267 AEUV dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Der Senat hat in der Entscheidung 4 Ob 145/14y (= ÖBl 2015, 18 [ Isak ] - Landesausspielung) dargelegt, dass
- sich ein Mitbewerber in der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ nicht darauf berufen kann, er habe in vertretbarer Weise annehmen können, die angeblich übertretene Norm sei aus unionsrechtlichen Gründen unanwendbar oder verstoße gegen höherrangiges nationales Recht,
- die Unionsrechtswidrigkeit und/oder der Verstoß gegen höherrangiges nationales Recht daher grundsätzlich im lauterkeitsrechtlichen Verfahren zu prüfen ist,
- eine Unionsrechtswidrigkeit zur Abweisung der Klage und Bedenken in Bezug auf einen Verstoß gegen höherrangiges nationales Recht zu einer Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof - allenfalls auch durch die in erster Instanz unterlegene Partei iSv Art 139 Abs 1 Z 4 oder Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG („Gesetzesbeschwerde“) - führen müsste,
- die Unvereinbarkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes mit der primärrechtlichen Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit in rein nationalen Fällen nicht zur Unanwendbarkeit dieser Bestimmungen führte, sondern allenfalls eine verfassungsrechtlich unzulässige und daher vom VfGH wahrzunehmende Inländerdiskriminierung bewirken könnte.
An dieser Entscheidung ist festzuhalten (vgl zum Folgenden schon 4 Ob 200/14m).
2. Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-390/12 , Pfleger , ist Art 56 AEUV
„dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, sofern diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.“
Damit macht der EuGH die (unionsrechtliche) Zulässigkeit des Glücksspielmonopols nicht nur von der Zielsetzung des Gesetzgebers, sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der Regelungen abhängig. Der Staat hat dabei dem Gericht alle Umstände „darzulegen“, anhand deren „dieses Gericht sich vergewissern kann“, dass diese Bedingungen erfüllt sind. Die Vorlage einer empirischen Untersuchung sei aber nicht zwingend erforderlich.
3. Diese Entscheidung setzt die zuletzt in 2 Ob 243/12t (= MR 2014, 44 [ Leidenmühler 42] = ecolex 2014/159 [ Zankl 509] = EvBl 2014/66 ‑ Online‑Roulette) ausführlich dargestellte Rechtsprechung des EuGH zur Zulässigkeit nationaler Glücksspielmonopole konsequent fort. Danach ist nationales Glücksspielrecht grundsätzlich an der Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts zu messen. Werden dessen Vorgaben nicht eingehalten, ist das Monopol unionsrechtswidrig. Dies führte in Sachverhalten mit Bezug zu einem anderen Mitgliedsstaat zur Unanwendbarkeit aller Bestimmungen des GSpG, die das Monopol normieren und seine Umsetzung regeln (2 Ob 243/12t; Leidenmühler und Zankl aaO). Folge davon wäre unter Umständen die Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Bestimmungen, soweit diese aus unionsrechtlicher Sicht in rein nationalen Sachverhalten weiter anwendbar wären (4 Ob 145/14y). Darüber hätte der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden.
4.1. Der Beklagte stützt sich auf die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit bzw Niederlassungsfreiheit. Beide Grundfreiheiten verlangen das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Elements ( Kluth in Calliess/Ruffert , EUV/AEUV 4 , Art 57 AEUV Rz 24-25). Angesichts des inländischen Wohnsitzes des Beklagten erbringt er keine grenzüberschreitende Dienstleistung.
4.2. Die Niederlassungsfreiheit schützt nicht jedwede Niederlassung, sondern nur grenzüberschreitende Vorgänge. Angeknüpft wird dabei nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an die Verlegung des wirtschaftlichen Schwerpunkts . Für die Ansässigkeit maßgeblich ist daher der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit und nicht der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt ( Müller‑Graff in Streinz , EUV/AEUV 2 , Art 49 AEUV Rz 31). Die typische Grundkonstellation liegt dabei in der wirtschaftlichen Sitznahme in einem anderen Mitgliedstaat. Bei natürlichen Personen ist nicht auf die Verlagerung des Wohnsitzes abzustellen, sondern der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit muss in das Hoheitsgebiet eines anderen EU‑Mitgliedstaats verlegt werden. So genügt etwa die bloße Wohnsitznahme eines weiterhin im Inland tätigen Inländers in einem anderen EU-Mitgliedstaat zur Erfüllung des grenzüberschreitenden Elements nicht, da die wirtschaftliche Tätigkeit, auf die allein abzustellen ist, dann im Inland erfolgt (EuGH Rs C-112/91 , Werner ).
4.3. Im Anlassfall bedeutet dies, dass eine bloße Wohnsitzverlagerung ins Inland nicht ausreicht, um dem Beklagten den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit zu eröffnen. Aufgrund der Anknüpfung an die wirtschaftliche Tätigkeit müsste der Beklagte vielmehr gerade zum Zweck der Aufnahme einer dauerhaften wirtschaftlichen Tätigkeit in den österreichischen Markt eingetreten sein. Ein derartiges Vorbringen hat der Beklagten nicht erstattet. Der bloße Umstand seiner deutschen Staatsbürgerschaft genügt nicht, das Tatbestandsmerkmal der Grenzüberschreitung zu erfüllen. Es ist daher auch unter dem Aspekt der Niederlassungsfreiheit von einem Inlandssachverhalt auszugehen.
5. Die Sache ist nicht entscheidungsreif:
5.1. Aus den gesetzlichen Bestimmungen als solchen ist ‑ nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens ‑ nicht abzuleiten, dass die Ausgestaltung des Glücksspielrechts nicht dem Ziel des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung diente. Insbesondere können die Regelungen über die Erforderlichkeit und die Voraussetzungen von Konzessionen für das „große“ Glücksspiel und die Beschränkungen für „Landesausspielungen“ (§ 5 GSpG) als erforderliche und verhältnismäßige Maßnahmen verstanden werden, um den offenbar bestehenden und sonst auf illegale Weise befriedigten Spieltrieb eines nicht vernachlässigbaren Teils der Bevölkerung in geordnete Bahnen zu lenken und so ein größeres Übel zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zuletzt keine Veranlassung für eine unionsrechtsbedingte Nichtanwendung, amtswegige Gesetzesprüfung oder Anfechtung der Verbotsbestimmungen des Glücksspielgesetzes gesehen haben (zB VfGH G 82/12, VfSlg 19.749; B 615/2013; VwGH Ro 2014/17/0120, 0121 und 0123; Ro 2014/02/0026; Z 2012/17/0440).
5.2. Die ‑ eine Vorfrage für eine allfällige Verfassungswidrigkeit bildende - Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes hängt nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings auch von tatsächlichen Umständen ab (C‑390/12, Pfleger ; 4 Ob 145/14y; nunmehr auch VwGH Ro 2014/17/0120, 0121 und 0123). Die einschlägigen Regelungen müssen in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass die Gelegenheit zum Spiel verringert und die damit verbundene Kriminalität bekämpft wird. Diese Bedingung wäre etwa dann nicht erfüllt, wenn es trotz der vordergründig restriktiven Ausgestaltung des Glücksspielrechts in den letzten Jahren ‑ auch unter Bedachtnahme auf Landesausspielungen iSv § 5 GSpG und die konkrete Geschäftstätigkeit von Konzessionären ‑ zu einer Ausweitung der Spielsucht samt den damit verbundenen Problemen gekommen wäre. Dazu werden die Parteien in erster Instanz ein konkretes, mit Beweisanboten belegtes Vorbringen zu erstatten haben; dem Bund wird Gelegenheit zu geben sein, sich dazu in Form einer gutachterlichen Stellungnahme zu äußern (1 Ob 71/13t).
5.3. Aufgrund der dann zu treffenden Feststellungen wird das Erstgericht zu beurteilen haben, ob die Regelungen des Glücksspielrechts den Anforderungen des Unionsrechts entsprechen. Dabei können die vom EuGH zu Verwaltungs- bzw Strafverfahren getroffenen Aussagen über die Darlegungspflicht des Staates (zuletzt etwa C-390/12 , Pfleger ) in einem zivilrechtlichen Verfahren schon mangels Parteistellung des Staates nicht unmittelbar herangezogen werden (2 Ob 243/12t). Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht aber ohnehin als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer derartigen Darlegungspflicht (Behauptungslast) nicht stellen. Können aber bei Regelungen, bei denen ‑ wie hier ‑ sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers (vgl etwa die Materialien zur GSpG‑Nov 2010, BGBl I 2010/73: 657 BlgNR 24. GP 3 [RV], 784 BlgNR 24. GP 1 [AB]) gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so hat sich diese Prüfung grundsätzlich an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft hier den Beklagten die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionsrechtswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt (vgl RIS-Justiz RS0106638; RS0109287). Da allerdings die Geltung oder Anwendbarkeit eines Gesetzes letztlich nicht von Behauptungen oder Beweisanboten einer Partei abhängen kann, wird das Erstgericht dann, wenn es aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Unionsrechtskonformität des Glücksspielrechts haben sollte, auch von Amts wegen entsprechende Beweise aufnehmen und Feststellungen treffen müssen. Verbleiben letztendlich Zweifel über die zu prüfenden Tatsachen, liegt also ein non liquet vor, geht das zu Lasten des damit beweisbelasteten Beklagten (RIS‑Justiz RS0037797).
5.4. Erweisen sich die inländischen Regelungen des Glücksspielrechts aufgrund von ihren tatsächlichen Auswirkungen als unionsrechtswidrig, bestünden wegen der dann drohenden Inländerdiskriminierung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielmonopols. Dies müsste zu einer Anfechtung der relevanten Bestimmungen - also zumindest der Anordnung eines Monopols (§ 3 GSpG), der Bezeichnung von nicht ausdrücklich erlaubten oder vom Monopol ausgenommenen Ausspielungen als verboten (§ 2 Abs 4 GSpG) und der entsprechenden Verwaltungsstrafbestimmung (§ 52 Abs 1 Z 1 GSpG) ‑ beim Verfassungsgerichtshof führen. Nach einer stattgebenden Entscheidung des Erstgerichts stünde dem Beklagten zudem ein Parteiantrag auf Normenkontrolle iSv Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG offen. Die Beurteilung der Frage, ob eine verfassungsrechtlich relevante Inländerdiskriminierung das tatsächliche Tätigwerden von ausländischen Anbietern auf dem österreichischen Markt voraussetzt oder ob eine solche Diskriminierung für eine gewisse Zeit zur Herstellung einer unionsrechtskonformen Rechtslage hinzunehmen ist (vgl G 41/10 ua, VfSlg 19.529), obläge ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof.
6. Aus diesen Gründen sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, und dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
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