Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird insoweit nicht Folge gegeben, als die Abweisung des Sicherungsbegehrens in Ansehung der erstbeklagten Partei bestätigt wird.
Im Übrigen wird dem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge gegeben; die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in Ansehung der zweitbeklagten Partei aufgehoben und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung über das Sicherungsbegehren aufgetragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 1.634,70 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens in Ansehung der zweitbeklagten Partei bilden weitere Kosten des Sicherungsverfahrens.
Begründung
Die Klägerin handelt mit Hygienepapier.
Die Republik Österreich (Erstbeklagte) und die Zweitbeklagte als zentrale Beschaffungsstelle iSd § 2 Z 48b BVerG 2006 schrieben im Juli 2010 den Abschluss einer Rahmenvereinbarung für die Beschaffung von Hygienepapier im offenen Verfahren europaweit aus. Dieses Ausschreibungsverfahren betraf einen Zeitraum von 36 Monaten mit einer einmaligen Verlängerungsoption um weitere 12 Monate. Die Rahmenvereinbarung sollte mit jenem Bieter abgeschlossen werden, der das wirtschaftlich günstigste Angebot legt.
Die Klägerin legte bei dieser Ausschreibung kein Angebot. Sie begehrte aber beim Bundesvergabeamt mit Nachprüfungsantrag vom 30. 8. 2010, die gesamte Ausschreibung sowie alle Unterlagen und Berichtigungen für nichtig zu erklären und die Öffnung des Angebots sowie die Fortführung des Vergabeverfahrens zu verbieten. Diesen Antrag wies das Bundesvergabeamt mit Bescheid vom 3. 12. 2010 ab bzw zurück.
Am 1. 2. 2011 schlossen die Beklagten aufgrund des Vergabeverfahrens die ausgeschriebene Rahmenvereinbarung für die Laufzeit vom 1. 3. 2011 bis 31. 12. 2013 mit einem bestimmten Unternehmen ab.
Die Klägerin beantragte daraufhin beim Bundesvergabeamt die Nichtigerklärung des gesamten Vertrags. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 24. 5. 2011 abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 6. 3. 2013 die Bescheide des Bundesvergabeamts vom 3. 12. 2010 und vom 24. 5. 2011 auf und sprach aus, das Bundesvergabeamt hätte die gesamte Ausschreibung für nichtig zu erklären gehabt.
Mit Bescheid vom 24. 4. 2013 stellte das Bundesvergabeamt fest, der Zuschlag im genannten Vergabeverfahren sei wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden. Die Rahmenvereinbarung vom 1. 2. 2011 wurde aber weder für nichtig erklärt noch aufgehoben.
Im Jahr 2013 schrieben die Beklagten darüber hinaus für die Lieferung von Hygienepapier den Abschluss einer neuen mit 1. 1. 2014 beginnenden, Rahmenvereinbarung aus. Die Klägerin beteiligte sich auch an dieser Ausschreibung nicht, weil sie Inhalte der Ausschreibungsunterlagen ‑ wie schon im vorangegangenen Ausschreibungsverfahren ‑ als diskriminierend erachtete.
Die Beklagten rufen aus der im ersten Vergabeverfahren geschlossenen Rahmenvereinbarung mit dem dritten Unternehmen laufend Waren ab.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, bis zur Beendigung des im Jahr 2013 begonnenen Vergabeverfahrens Hygienepapiere bei dem Unternehmen, mit dem im 2011 begonnenen Vergabeverfahren die Rahmenvereinbarung geschlossen wurde, zu kaufen, ohne zuvor eine den Geboten der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sowie dem Gleichbehandlungsgebot entsprechende Ausschreibung, welche insbesondere allen Bietern die Teilnahme an der Anbotslegung ermöglicht, durchgeführt zu haben. Hilfsweise beantragte sie die Erlassung dieser einstweiligen Verfügung gemäß § 381 Z 2 EO ohne den Hinweis auf den Wettbewerbszweck.
Trotz der erwähnten behördlichen Entscheidungen verharrten die Beklagten in dem Vertragsverhältnis mit der dritten Gesellschaft. Die Erstbeklagte bestelle nach wie vor durch ihre Dienststelle Leistungen aus der Rahmenvereinbarung, ohne andere Angebote von Mitbewerbern, etwa der Klägerin einzuholen und zu vergleichen. Die Beklagten hätten die die Warenbestellungen faktisch durchführenden Dienststellen auch nicht davon informiert, dass die Zuschlagserteilung für nichtig erklärt worden sei und daher keine Verpflichtung mehr bestehe, aus der Rahmenvereinbarung mit der dritten Gesellschaft exklusiv zu bestellen. Da die Zweitbeklagte bis zum Abschluss des neuen Vergabeverfahrens weiterhin Waren bei der dritten Gesellschaft aufgrund der mit dieser geschlossenen Rahmenvereinbarung beziehe, werde die Klägerin vom Markt ausgeschlossen. Sie habe keine Möglichkeit, bis zum Abschluss der neuen Rahmenvereinbarung, deren Ausschreibung bereits laufe, Waren zu liefern. Durch den fortgesetzten Bezug der Waren von ihrer Vertragspartnerin, der dritten Gesellschaft, förderten die Beklagten den (fremden) Wettbewerb dieser dritten Gesellschaft. Die Erstbeklagte fördere überdies als Alleineigentümerin der Zweitbeklagten deren, aber auch den eigenen Wettbewerb, weil sie bei Mehreinnahmen der Zweitbeklagten weniger Geld aus allgemeinen Budgetmitteln zur Abdeckung der Jahresfehlbeträge oder Verluste der Zweitbeklagten aufwenden müsse. Die Klägerin stütze ihr Unterlassungsbegehren auf §§ 1 ff UWG und hilfsweise auf Selbstbindungsnormen. Für die Klägerin entstehe durch die Verhinderung ihrer Marktteilnahme bis zum Abschluss der neuen Rahmenvereinbarung ein unwiederbringlicher Schaden, der nicht wiedergutzumachen sei, weil im Nachhinein weder dargetan noch beurteilt werden könnte, ob die Klägerin wegen verpasster Abschlussgelegenheiten einen Umsatz‑/Gewinnentgang erlitten habe.
Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, die Rahmenvereinbarung mit der dritten Gesellschaft sei rechtsgültig geblieben. Die Erstbeklagte beziehe das Hygienepapier daher auf Basis gültiger Verträge. Zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis. Ein unwiederbringlicher Schaden für die Klägerin sei nicht zu erkennen.
Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren zur Gänze ab. Das Abrufen von Leistungen aus einer gültigen Rahmenvereinbarung sei zulässig und kein unlauteres Verhalten zu Zwecken des Wettbewerbs. Das laufende neue Vergabeverfahren berühre die Gültigkeit der bereits abgeschlossenen Rahmenvereinbarung nicht. Mangels unlauteren Verhaltens der Beklagten sei das Unterlassungsbegehren nicht berechtigt. Die Nichtteilnahme an laufenden Einkaufsvorgängen könne lediglich einen finanziellen Schaden verursachen, der keinesfalls unwiederbringlich sei.
Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Sicherungsbegehrens und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Eine reine Beschaffungstätigkeit öffentlich‑rechtlicher Körperschaften, möge sie auch einen großen Umfang haben, sei keine Teilnahme am Erwerbsleben und somit kein Handeln im geschäftlichen Verkehr. Zwischen dem Auftraggeber und einem Bieter im Vergabeverfahren bestehe kein Wettbewerbsverhältnis. Die Auftragserteilung oder auch die Erteilung des Zuschlags im Vergabeverfahren sei keine Wettbewerbshandlung. Selbst dann, wenn das beanstandete Verhalten objektiv geeignet sei, den fremden Wettbewerb ‑ hier des dritten Unternehmens ‑ zu fördern, greife das Lauterkeitsrecht nicht ein, weil bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiege. Der Abschluss der Rahmenvereinbarung mit dem dritten Unternehmen und die nachfolgenden Abrufe von Vertragsleistungen hätten nur die Versorgung von Dienststellen und öffentlichen Einrichtungen bezweckt, nicht hingegen die Förderung wirtschaftlicher Erfolge des dritten Unternehmens. Die abgeschlossene Rahmenvereinbarung habe bis zu ihrem Geltungsablauf rechtsgültig bestanden, die Beklagten seien daher berechtigt gewesen, aus dieser Vereinbarung Abrufe zu tätigen. Auch außerhalb des UWG fehle daher eine Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Unterlassungsansprüche.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie ihr Sicherungsbegehren weiter verfolgt, ist zulässig und in Ansehung der Zweitbeklagten auch im Sinn des in jedem Abänderungsanstrag implizit enthaltenen Aufhebungsantrag berechtigt.
Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin primär ihrem Unterlassungsbegehren zugrunde gelegte Norm des § 1 Abs 1 Z 1 UWG ein Handeln im geschäftlichen Verkehr voraussetzt. Auch Gebietskörperschaften und sonstige öffentlich‑rechtliche Körperschaften können „im geschäftlichen Verkehr“ handeln, wenn und soweit sie privatwirtschaftlich tätig werden. Beim Handeln im geschäftlichen Verkehr muss es sich um eine Tätigkeit handeln, die ‑ welchem Zweck sie auch immer dient ‑ über eine rein private oder eine amtliche Tätigkeit hinausgeht (RIS‑Justiz RS0077604). Eine reine Beschaffungstätigkeit, mag sie auch einen großen Umfang haben, begründet daher keine Teilnahme am Erwerbsleben (4 Ob 247/14y; Haidinger in Wiebe/Kodek , UWG² § 1 Rz 10; Köhler in Köhler/Bornkamm , UWG³³ § 4 Rn 13.33 mwN). Die Erteilung eines Auftrags oder Zuschlags ist daher regelmäßig keine Wettbewerbshandlung. Nur unter besonderen Umständen, wie etwa bei einer an sachwidrigen Kriterien, insbesondere in Bezug auf die Preisgestaltung, orientierten Auftragsvergabe, läge mit der Erteilung eines Auftrags ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vor (vgl 4 Ob 20/02y ‑ Chipkartenvergabe; Köhler aaO Rn 13.27).
Das Verhalten der öffentlichen Hand ist ‑ ungeachtet objektiver Eignung, fremden Wettbewerb zu fördern ‑ lauterkeitsrechtlich unbedenklich, wenn andere Zielsetzungen, insbesondere die Erfüllung typischer Aufgaben der öffentlichen Hand, deutlich überwiegen (4 Ob 40/11b ‑ Park and Ride Anlage). Dies gilt insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge oder der Schaffung von Infrastruktur. Auch die Beschaffung von Hygienepapier und ähnliche Artikel für öffentliche Dienststellen ist eine typische Aufgabe der öffentlichen Hand, wobei dieser Zweck derart im Vordergrund steht, dass ihm gegenüber eine allfällige objektive Eignung, fremden Wettbewerb zu fördern, in den Hintergrund tritt. Das von der Klägerin beanstandete Verhalten der Erstbeklagten im Rahmen ihrer Beschaffungstätigkeit vermag daher die geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüche nicht zu begründen.
Dies gälte gleichermaßen auch für die Zweitbeklagte, beschränkte sich diese ‑ zumindest in Ansehung der hier zu beurteilenden Beschaffungs-tätigkeit ‑ ausschließlich auf die Beschaffung von Hygienepapier und ähnliche Waren für Einrichtungen der öffentlichen Hand. Die Klägerin brachte aber vor, die Zweitbeklagte stehe in direktem Wettbewerb zu ihr, weil sie nach dem Gesetz berechtigt sei, auch Drittkunden anzubieten, Waren aus einer Rahmenvereinbarung über sie zu bestellen. Sollte die Zweitbeklagte jedoch nicht bloß Waren für die öffentliche Hand beschaffen, sondern darüber hinaus in eigenwirtschaftlichem Interesse angekaufte Waren weiterveräußern, müsste ihre von der Klägerin beanstandete und als Grundlage für die hier geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüche herangezogene Tätigkeit als Handeln im geschäftlichen Verkehr aufgefasst werden. Auf die Zweitbeklagte wäre diesfalls ungeachtet der Alleineigentümerstellung der Erstbeklagten Lauterkeitsrecht anzuwenden. Es kommt hiebei auf ihre tatsächliche Unternehmenstätigkeit und nicht auf allfällige gesellschaftsrechtliche oder vertragliche Beschränkungen an. Ob auch für die Zweitbeklagte das UWG als Anspruchsgrundlage des Unterlassungsbegehrens ausscheidet, kann allerdings derzeit mangels entsprechender Sachverhaltsaufklärung noch nicht abschließend beurteilt werden.
Zu 4 Ob 100/11a ‑ Westbahn hielt der Senat fest, dass das Vergaberecht dazu dient, durch seine konkreten Vorschriften für die Auftragsvergabe zu verhindern, dass die öffentliche Hand durch Missbrauch ihrer wirtschaftlichen Machtstellung den Wettbewerb durch Diskriminierung und mangelnde Transparenz bei der Auftragsvergabe behindert. Darin liegt eine abschließende Regelung, die als lex specialis eine parallele Beurteilung nach allgemeinem Lauterkeitsrecht ausschließt.
Eine Anspruchsgrundlage außerhalb des UWG haben die Vorinstanzen zu Recht verneint. Die Klägerin steht in keinem Vertragsverhältnis zu den Beklagten, sie hat sich um ein solches auch nicht bemüht (sie hat sich am Vergabeprozess nicht als Bieterin beteiligt), weshalb sie auch aus allfälligen vorvertraglichen Pflichten der Beklagten keine Ansprüche ableiten kann. Ohne lauterkeitsrechtliche Anspruchsgrundlage als Mitbewerberin fehlt den zu sichernden Unterlassungsansprüchen daher ein Rechtsgrund. Der Klägerin blieben nur jene Rechtsbehelfe, die das Vergaberecht bereit hält. Gleichfalls zu 4 Ob 100/11a wies der erkennende Senat bereits darauf hin, dass aufgrund des gesetzlich angeordneten Primats des Vergaberechts allfällige Rechtsschutzlücken im Vergaberecht durch unionsrechtskonforme Auslegung zu beheben sind, sodass die Rechtsschutzmöglichkeiten des Vergaberechts dem Gebot einer raschen und effizienten Überprüfung und eines effektiven Rechtsschutzes im Sinn der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen entsprechen müssen. Eine Ausdehnung des lauterkeitsrechtlichen Rechtsschutzes kommt hingegen nicht in Betracht.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die von der Klägerin erhobenen Unterlassungsansprüche gegenüber der Erstbeklagten am fehlenden Handeln im geschäftlichen Verkehr scheitern und gegenüber der Zweitbeklagten noch nicht abschließend beurteilt werden können. Insoweit wird das Erstgericht die Voraussetzungen für eine allfällige Stellung der Zweitbeklagten als Mitbewerberin der Klägerin beim Wiederverkauf der hier gegenständlichen Hygieneartikel zu prüfen und bejahendenfalls die (abgesehen vom bereits vergabekontrollbehördlich festgestellten Vergaberechtsbruch) erforderlichen weiteren Voraussetzungen für den erhobenen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch zu klären haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 41, 50 und 52 ZPO (Bemessungsgrundlage 36.000 EUR).
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