OGH 4Ob214/16y

OGH4Ob214/16y25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G***** N*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 12.299,26 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Juli 2016, GZ 1 R 195/15w‑12, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 7. September 2015, GZ 9 Cg 264/15m‑8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00214.16Y.1025.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Streitteile schlossen 2002 einen Kreditvertrag über 58.000 EUR, wobei der klagende Kreditnehmer in Ausübung seines Konvertierungsrechts den Kreditbetrag in Schweizer Franken (CHF) aufnahm. Im Oktober 2014 beauftragte der Kläger die Konvertierung unter Setzung einer Take-Profit-Order (mit einer Grenze von 1,3 CHF) und einer Stop-Loss-Order (mit einer Grenze von 1,19 CHF). Am 15. 1. 2015 hob die Schweizer Notenbank die davor über drei Jahre bestehende Euro-Wechselkursuntergrenze von 1,2 CHF auf. Unmittelbar nach dieser Wechselkursfreigabe fiel der Euro schlagartig auf einen Wechselkurs von unter 0,9 CHF, um sich ab Februar 2015 auf einem Kursniveau im Bereich von 1,05 CHF einzupendeln. Die beklagte Kreditgeberin teilte dem Beklagten am 21. 1. 2015 mit, dass sie das Fremdwährungskonto per 19. 1. 2015 in Euro konvertiert habe, und gab den neuen Saldo bekannt. In weiterer Folge bot die beklagte Partei dem Kläger die unentgeltliche Rückkonvertierung zu jenem Kurs an, zu welchem die Konvertierung im Jänner 2015 erfolgt war, was der Kläger ablehnte.

Der Kläger begehrt die Klagssumme und brachte dazu vor, dass der Kreditbetrag bei richtiger Beratung der beklagten Partei um den eingeklagten Betrag geringer aushaften würde. Er warf der beklagten Partei vor, ihm eine Stop-Loss-Order empfohlen zu haben, weshalb der Kredit erst im Jänner 2015 zu einem ungünstigen Wechselkurs konvertiert worden sei. Bei richtiger Beratung hätte der Kläger schon im Oktober 2014 zu einem günstigeren Kurs konvertiert.

Die Beklagte entgegnete, dass sie den Kläger über die mit Fremdwährungskrediten verbundenen Risken aufgeklärt hätte. Der Kläger sei mündlich und schriftlich darauf hingewiesen worden, dass der Ausführungskurs auch erheblich unter der von ihm festgelegten Stop‑Loss‑Grenze von 1,19 CHF als Auslöser für den Konvertierungsantrag liegen könne.

Das Erstgericht, das mit Ausnahme des Urkundenbeweises kein Beweisverfahren durchführte, wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, dass der Kläger durch die Übergabe eines Informationsschreibens ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil nach Berufung des Klägers auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es ging davon aus, dass dem Kläger nach seinem Vorbringen ein bezifferbarer Schaden entstanden sei, der ein Leistungsbegehren rechtfertige. Das Ausschlagen des Angebots einer spesenfreien Rückkonvertierung könne nicht als Verzicht auf Schadenersatzansprüche ausgelegt werden, weil der Kläger bei richtiger Beratung schon früher und zu einem günstigeren Wechselkurs konvertiert hätte. Auch wenn dem Kläger schriftliche Warnhinweise übergeben worden seien, könne sich aus davon abweichenden mündlichen Empfehlungen dennoch eine Haftung der beklagten Partei ergeben, wobei die Missachtung der schriftlichen Warnhinweise dem Kläger allenfalls als Mitverschulden anzurechnen wäre. Dem Erstgericht wurde die Aufnahme der beantragten Personalbeweise aufgetragen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, inwieweit bei der hier gegebenen Konstellation eine Zahlungsklage erhoben werden könne und ob ein Verzicht auf Schadenersatz anzunehmen sei, wenn ein Kreditkunde das Angebot auf Rückkonvertierung ablehne.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der beklagten Partei ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) – mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig (§ 519 Abs 2 ZPO).

1. Auch im Bereich von mangelhafter Anlage- oder Kreditberatung ist eine auf Geldleistung gerichtete Schadenersatzklage (nur) dann möglich, wenn sich der dem Kläger endgültig entstandene Schaden zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz beziffern lässt (RIS‑Justiz RS0120784). Die Vorinstanzen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Kläger einen bezifferbaren Schaden schlüssig behauptet hat. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur an Hand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage sein (RIS‑Justiz RS0037780). In der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass sich der behauptete Schaden aus einem Vergleich des zum Zeitpunkt der (laut Klage) gebotenen Konvertierung geltenden Wechselkurses mit dem bei der tatsächlich erfolgten Konvertierung geltenden Kurs beziffern lässt, liegt jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung der Schlüssigkeit.

2. Nach gefestigter Judikatur kann der Geschädigte bei einem bezifferbaren Schaden auch dann Geldersatz verlangen, wenn die Naturalherstellung möglich und tunlich ist (RIS‑Justiz RS0112887). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen dieser Judikatur und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht lässt sich aus der zitierten Entscheidung 5 Ob 9/13d für die hier vorliegende Konstellation nicht ableiten, dass eine Zahlungsklage bei einem bezifferbaren Schaden nicht zulässig sein soll. Abgesehen davon, dass der dortige Kläger sich darauf stützte, er hätte bei richtiger Beratung (überhaupt) nicht konvertiert, ging es in der Entscheidung um die Frage, ob eine auf Naturalrestitution gerichtete Leistungsklage möglich ist, wenn der rechnerische Schaden nicht feststeht und nicht darum, ob eine Zahlungsklage auch dann erhoben werden kann, obwohl ein Begehren auf Naturalrestitution (allenfalls) möglich wäre.

3. Auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe durch die Ablehnung des Rückkonvertierungsangebots nicht auf seinen Schadenersatzanspruch schlüssig verzichtet, begründet keine Zulässigkeit des Rechtsmittels. Die Beurteilung eines Verhaltens als Verzicht begründet im Allgemeinen nicht die Erheblichkeit einer Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0044298 [T3]). Abgesehen davon, dass bei der Annahme schlüssiger Verzichtserklärungen ganz besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind (RIS‑Justiz RS0014188 und RS0014436) und ein stillschweigender Verzicht auf ein Recht immer nur dann angenommen werden kann, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist (RIS‑Justiz RS0014190), bedarf die angefochtene Entscheidung auch in diesem Zusammenhang schon deshalb keiner Korrektur durch eine gegenteilige Sachentscheidung, weil sich der Kläger auf eine im Oktober 2014 unterlassene Konvertierung stützt, das Angebot der beklagten Partei sich jedoch auf die tatsächlich erfolgte Konvertierung im Jänner 2015 bezieht.

4. Der Kläger stützt seinen Schadenersatzanspruch im Wesentlichen darauf, dass er von einem Mitarbeiter der beklagten Partei über die Stop‑Loss‑Order mündlich falsch aufgeklärt worden sei. Ausgehend vom schlüssig behaupteten Schaden (vgl oben) vertritt das Berufungsgericht die Ansicht, dass der Sachverhalt zur Beratung noch nicht genügend geklärt ist, weil das Erstgericht die beantragten Personalbeweise nicht aufgenommen hat. In einer solchen Konstellation kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem Aufhebungsbeschluss nicht entgegentreten, wenn die rechtliche Beurteilung, die diesem Beschluss zugrundeliegt, richtig ist (RIS‑Justiz RS0042179). Letzteres liegt hier vor, weil – ungeachtet der dem Kläger zugegangenen schriftlichen Informationen – nach dem Klagsvorbringen jedenfalls auch die mündlichen Beratungen Teil der Aufklärung durch die beklagte Bank waren, die zur Prüfung der Anspruchsgrundlagen gehören.

5. Der Rekursgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO iVm § 528a ZPO).

6. Der Rekurs der beklagten Partei ist daher zurückzuweisen.

7. Da der Kläger auf die Unzulässigkeit des Rekurses mangels erheblicher Rechtsfrage nicht hingewiesen und demgemäß auch nur beantragt hat, diesem nicht Folge zu geben, hat er auch keinen Anspruch auf Honorierung seiner Rekursbeantwortung.

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