European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00021.18V.0220.000
Spruch:
I. Das gemäß § 7 IO unterbrochene Verfahren wird über Antrag der beklagten Partei wieder aufgenommen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
1. Die Streitteile bieten Beratungs- und Trainingsleistungen zur Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre an. Die Klägerin setzt dabei insbesondere auch Planspiele ein. Unter anderem ließ sie das Planspiel „Easy Business“ entwickeln, das sich auf Produktionsunternehmen bezieht und an dem sie die Nutzungs- und Verwertungsrechte besitzt. Auch die Beklagte bietet Planspiele an. Im Auftrag eines Reinigungsunternehmens erstellte sie das Planspiel „Act Business Facility“, nachdem ihr vom Auftraggeber ein Exemplar des Planspiels der Klägerin „Easy Business“ als Vorlage für ein ähnliches Spiel übergeben worden war. Das Planspiel „Act Business Facility“ weist einen völlig identen didaktischen Aufbau sowie teilweise idente Grafiken und Zahlenmaterial auf wie das als Vorlage dienende Planspiel der Klägerin und ist diesem auch in seiner graphischen Gestaltung sehr ähnlich.
Die Vorinstanzen gaben dem auf die Verletzung urheberrechtlicher Verwertungsrechte gestützten Begehren, das auf die Unterlassung der Verbreitung und/oder Bearbeitung der Planspielunterlagen der Klägerin abzielt, statt; das Beseitigungs- und das Veröffentlichungsbegehren wurden hingegen abgewiesen. Das Planspiel der Klägerin sei eine eigentümliche geistige Schöpfung iSd § 1 UrhG, das die Beklagte ohne Zustimmung des Urhebers bzw der Werknutzungsberechtigten bearbeitet und damit gegen § 14 Abs 2 UrhG verstoßen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2.1. Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß – hier eine angebliche Scheinbegründung zur Beweisrüge sowie zur Mängelrüge der Beklagten in ihrer Berufung – bildet nur dann einen Revisionsgrund, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0043027). Wird dem Berufungsgericht ein derartiger Fehler vorgeworfen, so muss im Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels konkret dargelegt werden.
2.2. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang nur pauschal auf „wesentliche inhaltliche Unterscheidungen“ zwischen den Planspielen der Streitteile. Von solchen Unterschieden sind die Vorinstanzen ohnedies ausgegangen. Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Unterschiede fachlich begründbar seien. Die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens setze keineswegs eine vollständige Kopie der Spielunterlagen der Klägerin voraus.
Die Relevanz der behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens wird in der außerordentlichen Revision nicht ausreichend konkret dargelegt. Der Behandlung der Mängelrüge durch das Berufungsgericht liegt auch keine unrichtige Rechtsansicht zugrunde. Entscheidend ist die Frage der Ähnlichkeit der Planspielunterlagen in Bezug auf den schöpferischen Leitgedanken beim Planspiel der Klägerin und dessen graphische Ausgestaltung. Diese Frage kann anhand der Gegenüberstellung der Planspielunterlagen beurteilt werden. Es liegen daher auch keine sekundären Feststellungsmängel vor.
3. Ob sich eine Schöpfung aufgrund ihrer Originalität hinreichend deutlich von ähnlichen Schöpfungen unterscheidet und daher ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0122254). Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem Planspiel der Klägerin Werkqualität zukomme, erweist sich als nicht korrekturbedürftig.
Auch mit der Behauptung, dass die Ausgestaltung der Planspielunterlagen wegen derselben betriebswirtschaftlichen Grundlagen vorgegeben sei, zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf. Das schöpferische Element in den Planspielunterlagen der Klägerin bezieht sich nicht auf die zu vermittelnden Wissensinhalte an sich, sondern auf die innovative Methode der (spielerischen) Vermittlung des Wissens und damit auf den didaktischen Aufbau und das Lehr- und Lernkonzept der Planspielunterlagen der Klägerin.
4. 1. Zur Abgrenzung der – ohne Zustimmung des Urhebers nicht rechtmäßig verwertbaren – Bearbeitung von der (zulässigen) Neuschöpfung sprach der Oberste Gerichtshof wiederholt (zuletzt 4 Ob 221/07i) aus, dass freie Benützung voraussetze, dass das fremde Werk nicht in identischer oder umgestalteter Form übernommen wird, auch nicht als Vorbild oder Werkunterlage, sondern lediglich als Anregung für das eigene Werkschaffen dient (RIS-Justiz RS0076503). Für die „freie Benützung“ ist kennzeichnend, dass trotz des Zusammenhangs mit einem anderen Werk ein von diesem verschiedenes selbständiges Werk vorliegt, dem gegenüber das Werk, an das es sich anlehnt, vollständig in den Hintergrund tritt. Angesichts der Eigenart des neuen Werks müssen die Züge des benützten Werks verblassen (RIS-Justiz RS0076521). Eine selbständige Neuschöpfung im Sinn des § 5 Abs 2 UrhG, bei welcher das benutzte Werk völlig in den Hintergrund tritt, ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Übereinstimmung mit dem benützten Werk nur im Thema, der Idee, dem Stoff oder der Problemstellung besteht (RIS‑Justiz RS0076452). Bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 5 Abs 2 UrhG sind beide Werke in ihrer Gesamtheit zu vergleichen, wobei insbesondere auch der Frage eines möglichen Wettbewerbs zwischen ihnen Bedeutung zukommen kann (RIS-Justiz RS0076469).
4.2. § 14 Abs 2 UrhG sieht ausdrücklich vor, dass der Urheber einer Bearbeitung diese nur soweit auf die ihm vorbehaltene Art verwerten darf, als ihm der Urheber des bearbeiteten Werks das ausschließliche Recht oder die Bewilligung dazu erteilt hat. Dies folgt daraus, dass die Verwertung einer Bearbeitung notwendig zugleich eine Verwertung des bearbeiteten Werks ist, sodass eine Verwertungshandlung des Bearbeiters zwingend in das entsprechende Verwertungsrecht des Urhebers des Originals eingreift (4 Ob 13/92, Robert-Stolz-Biografie ; 4 Ob 274/02a = MR 2003, 162, Felsritzbild ; 4 Ob 115/09d mwN).
4.3. Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung nicht abgewichen. Entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel beziehen die Vorinstanzen die Ähnlichkeit der Planspielunterlagen der Streitteile nicht allein auf deren äußerlichen, optischen Eindruck. Vielmehr erachteten sie auch als wesentlich, dass die Beklagte den didaktischen Aufbau und Zahlenmaterial identisch, die graphische Gestaltung weitgehend ähnlich den Planspielunterlagen der Klägerin übernommen hat. Diese Elemente betreffen auch den Inhalt der Planspielunterlagen.
5. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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