OGH 4Ob21/13m

OGH4Ob21/13m17.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** P*****, vertreten durch Mag. Egmont Neuhauser, Rechtsanwalt in Scheibbs, gegen die beklagte Partei F***** P*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2012, GZ 23 R 426/12p‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00021.13M.0417.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Entscheidung, ob eine Berufungsverhandlung im Einzelfall erforderlich ist, steht seit dem BudgetbegleitG 2009 generell im Ermessen des BerG (RIS‑Justiz RS0127242). Die hierdurch erfolgte Abschaffung des Antrags auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung verstößt nicht gegen Art 6 MRK (RIS‑Justiz RS0126298).

2.1. Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, die in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint werden, können ‑ von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen ‑ nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht mehr gerügt werden (RIS‑Justiz RS0042963; RS0106371; RS0043172; Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 528 ZPO Rz 44; Kodek in Rechberger , ZPO² § 503 Rz 9).

2.2. Ob ein Sachverständigen‑Gutachten eingeholt werden soll, ist im Übrigen eine Frage der Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0043320 [T9]; vgl RS0043414 [T17]) und damit nicht revisibel (vgl RIS‑Justiz RS0040840).

3.1. Die Gewichtung einzelner Eheverfehlungen kann sich nach der Rechtsprechung nicht in einer zahlenmäßigen Gegenüberstellung beiderseitiger Eheverfehlungen erschöpfen (RIS‑Justiz RS0056171 [T8]). Maßgeblich ist vielmehr das Gesamtverhalten und die besonderen Umstände des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0056171 [T6]), wozu insbesondere das Gewicht der Eheverfehlungen, ihre Reihenfolge und ihr Beitrag zur Ehezerrüttung zählen (vgl RIS‑Justiz RS0057223 [T2]).

3.2. Bei der Beurteilung des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten sind alle Umstände zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen (RIS‑Justiz RS0057303). Ein überwiegendes Verschulden ist auszusprechen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (RIS‑Justiz RS0057821), also das mindere Verschulden des einen Teils im Rahmen des maßgeblichen Gesamtverhaltens beider Ehegatten in seinem Zusammenhang fast völlig in den Hintergrund tritt (RIS‑Justiz RS0057858 [T11]).

3.3. Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Es hat die festgestellten Eheverfehlungen und das Gesamtverhalten der Streitteile gegeneinander abgewogen und ist in vertretbarer Weise zum Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten gelangt, ohne dabei das ihm in dieser Frage eingeräumte Ermessen eklatant zu überschreiten (vgl RIS‑Justiz RS0044088). Die Verschuldensbemessung bei der Scheidung erfolgt regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls und begründet keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0119414, RS0118125, RS0119414, RS0110837 [T1]).

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