European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00210.13F.0217.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Beklagte war Prospektkontrollorin des Emmissionsprospekts der mittlerweile in Konkurs befindlichen A***** AG vom 1. 8. 2001 und auch Abschluss- und Konzernprüferin der Jahresabschlüsse der A***** AG in den Jahren 2000 bis 2008 sowie Prüferin deren IAS Konzern‑Abschlüsse in den Jahren 2004 bis 2008. Bei sämtlichen Abschlüssen bis zum Jahr 2007 erteilte die Beklagte uneingeschränkte Bestätigungsvermerke, beim Jahresabschluss 2008 erteilte sie nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk.
Die Klägerin kaufte am 23. 7. 2007, 2. 4. 2008 und 21. 7. 2008 drei Genussscheine der seit Mai 2010 in Konkurs befindlichen A***** AG um insgesamt 9.182 EUR, die sie am 27. 11. 2009 um 583,01 EUR wieder verkaufte. Ihren Kaufentscheidungen ging eine telefonische Beratung durch ihren Berater in vermögensrechtlichen Angelegenheiten voraus, der sie seit 2005 betreute.
Die Klägerin begehrte mit Klage vom 3. 10. 2011 8.598,99 EUR sA als Differenzschaden, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten für jenen Schaden, der der Klägerin aus dem Ankauf der Genussscheine und dem nachfolgenden Verkauf dieser Papiere entstanden ist. Sie wirft der Beklagten Pflichtverletzungen als Prospekt- und Abschlussprüferin vor, die sie im Einzelnen näher detailliert. Wäre die Beklagte ihrer Warn- oder Einwandspflicht nachgekommen, wäre dies dem Berater der Klägerin zur Kenntnis gelangt, der regelmäßig die Entwicklung der Genussscheine verfolgt; und sie der Klägerin aufgrund der bonitätsmäßig guten Einstufung und der veröffentlichten Bilanzen des von der Beklagten geprüften Unternehmens als sicheres und geeignetes Anlageprodukt empfohlen habe. Bei korrekter Informationslage hätte ihr Berater die Klägerin gewarnt und den Verkauf dieser Anlage empfohlen, was bis Oktober 2008 zu einem höheren Kurs als dem Ankaufskurs möglich gewesen wäre. Damit wäre der Klägerin bei korrekter Informationslage kein Schaden entstanden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Neben fehlender Aktiv- und Passivlegitimation sowie Verjährung wendete sie ein, die Bilanzen ordnungsgemäß geprüft zu haben; allfällige Mängel seien nicht erkennbar gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass der Berater der Klägerin seine Ankaufsempfehlung telefonisch übermittelt und dass kein persönliches Beratungsgespräch stattgefunden habe. Die Klägerin habe daher auch keinerlei Unterlagen zur Verfügung gehabt und auch nicht nach derartigen Informationen gefragt. Der Berater der Klägerin habe seine Ankaufsempfehlung auf die veröffentlichten Bilanzen und Börsekurse sowie auf Verlautbarungen der FMA und Pressemeldungen gestützt; auf Bestätigungsvermerke habe er nicht geachtet. Der Berater hätte seinen Kunden einen Verkauf der Genussscheine empfohlen, wenn er den Verdacht gewonnen hätte, dass „etwas nicht stimme“.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Prospekthaftungs‑Ansprüche nach § 11 Abs 7 KMG verjährt seien, da die Genussscheine am 17. 9. 2001 an der Frankfurter Börse notierten und die fünfjährige Frist zur Geltendmachung abgelaufen sei. Eine Haftung als Abschlussprüfer sei mangels Ursachenzusammenhangs nicht gegeben. Es bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit der Beklagten als Abschlussprüferin und der Anlageentscheidung der Klägerin.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es ging als notorisch davon aus, dass es sich bei den fraglichen Genussscheinen um ein Schneeballsystem (Pyramidenspiel) gehandelt habe. Die Tätigkeit der Beklagten sei für den eingetretenen Schaden nicht kausal. Ein Abschlussprüfer hafte für Sorgfaltsverstöße nur gegenüber solchen Dritten, die im Vertrauen auf die Verlässlichkeit seines Bestätigungsvermerks disponiert hätten. Für die Kausalität sei daher die Behauptung wesentlich, die Klägerin hätte die Transaktion nicht vorgenommen, hätte sie die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses gekannt. Die Klägerin habe die Bestätigungsvermerke der Beklagten nicht gekannt und sich auf die Empfehlung ihres Vermögensberaters verlassen, der jedoch ebenfalls auf die Bestätigungsvermerke ebenso nicht geachtet habe wie auf allfällige Prospekte. Eine Haftung der Beklagten komme damit schon wegen fehlender Kausalität nicht in Betracht.
Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Kausalitätsfrage unrichtig beurteilt haben; das Rechtsmittel ist im Sinne seines Aufhebungsantrags berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin macht geltend, dass ohne Bestätigungsvermerke der Beklagten keine Genussscheine verkauft hätten werden können bzw dass sich die Verweigerung eines Bestätigungsvermerks negativ auf den Kurs bereits verkaufter Genussscheine ausgewirkt hätte. Wäre bei ordnungsgemäßer Prüfung bereits einer der Bestätigungsvermerke von 2001 bis 2008 nur eingeschränkt oder gar nicht erteilt worden, wäre damit ein Kursverfall zum Zeitpunkt der Anlageentscheidungen der Klägerin bereits eingetreten gewesen, der sie von einer Investition abgehalten hätte bzw wäre das „System A*****“ damals schon zusammengebrochen. Damit hätte die Klägerin keinen Schaden erlitten.
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 Ob 46/13g vom 17. 12. 2013 zur auch hier aufgeworfenen Kausalitätsfrage wie folgt Stellung genommen:
„1. Es ist im Verfahren nicht strittig, dass der Abschlussprüfer (auch) Dritten, die wegen eines erkennbar unrichtigen Jahresabschlusses Vermögensschäden erlitten haben, haftet. Der Oberste Gerichtshof hat dazu in seiner Leitentscheidung 5 Ob 262/01t (= SZ 74/188 = RIS‑Justiz RS0116076) ausgeführt, dass ein Vertrag zwischen einem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, nämlich zu Gunsten jener (potentiellen) Gläubiger der geprüften Gesellschaft ist, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen und dann bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen davon ausgehen können, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres (potentiellen) Schuldners nach fachmännischer Ansicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Der Prüfungsauftrag wird zwar von der Gesellschaft erteilt, hat aber, weil es um die Erfüllung einer gesetzlichen Prüfpflicht geht, den zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, sodass die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers und die damit bezweckte Information (potentieller) Gläubiger der geprüften Gesellschaft jedenfalls Vertragsinhalt wird.
2. Es entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Geschädigte nicht nur den Eintritt des behaupteten Schadens und dessen Höhe, sondern auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen hat (RIS‑Justiz RS0022862). Auch die Beweislast, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (RIS‑Justiz RS0022900 [T5 und T11]). Auch in der Frage des Kausalitätsbeweises bei einer Haftung wegen Aufklärungs‑ oder Beratungsfehlern bei einer Vermögensanlage folgt der Oberste Gerichtshof dem allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsatz, wonach der geschädigte Kläger die Voraussetzungen für seinen Ersatzanspruch nachzuweisen hat. Er hat daher auch die Beweislast für die Verletzung von Aufklärungs‑ oder Beratungspflichten zu tragen. Eine teilweise in der Lehre befürwortete Beweislastumkehr oder eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises wird von der ständigen Rechtsprechung in diesem Zusammenhang abgelehnt (vgl 6 Ob 2100/96h; 7 Ob 220/04k; 7 Ob 77/10i; 3 Ob 225/11a ua).
2.1 Zutreffend hat aber bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass nach jedenfalls ständiger Rechtsprechung an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Die Anforderung an den Beweis des bloß hypothetischen Kausalverlaufs werden geringer angesetzt als die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Denn die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der (potentielle) Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht stattgefunden hat. Es genügt daher die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist. Der Anleger hat daher ein Vorbringen zu erstatten, mit dem die Verursachung eines Schadens plausibel gemacht wird. Dem Beklagten steht dann der Nachweis offen, dass ein anderer Verlauf wahrscheinlicher sei (vgl 4 Ob 67/12z mwN; RIS‑Justiz RS0022900).
2.2 Es trifft daher die Kläger die Behauptungs‑ und Beweislast für ein Fehlverhalten der Beklagten sowie dafür, dass sie bei korrektem Verhalten der Beklagten und ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten die tatsächlich gezeichneten Wertpapiere nicht erworben oder bereits erworbene Wertpapiere unverzüglich verkauft hätten.
2.3 Die Kläger haben dazu ausdrücklich vorgebracht, sie hätten bei ordentlicher Prüfung und Versagung des Bestätigungsvermerks durch die Beklagte ‑ wenn auch mittelbar durch ihren Anlageberater bzw die Fachpresse ‑ erkannt, dass die sorgfältige und insbesondere widmungskonforme Geschäftsgebarung der beiden Immobilien‑Aktiengesellschaften in Wahrheit nicht vorgelegen sei und hätten ihr Kapital in diesem Fall nicht in Immofinanz‑Aktien investiert bzw bereits erworbene Aktien umgehend verkauft.“
Der Senat schließt sich (wie schon zuvor auch der 6. Senat in seiner Entscheidung 6 Ob 187/13p) diesen überzeugenden Ausführungen an.
Mag daher auch in den konkreten telefonischen Beratungsgesprächen mit der Klägerin über einen Bestätigungsvermerk nicht gesprochen worden sein und mögen auch Klägerin und Berater solche Vermerke nicht gekannt haben, so wäre der Klägerin doch nach ihrem Vorbringen ‑ mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ‑ die Information über eine Einschränkung des Bestätigungsvermerks durch die Beklagte, wenn sie in einem korrekten Jahresabschluss enthalten gewesen wäre, zugekommen, und sie hätte aufgrund dieser Information das hier gegenständliche Investment unterlassen oder sofort verkauft.
Wie auch in den zitierten Vorentscheidungen erscheint es dem Senat durchaus plausibel, dass sich eine Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks für den Jahresabschluss der in Rede stehenden Gesellschaft am Kapitalmarkt rasch verbreitet und zu einer Kaufwarnung geführt hätte, sodass es auch nicht zu einer Kaufempfehlung durch den Anlageberater der Klägerin gekommen wäre.
Die Kausalität zwischen Bestätigungsvermerken der Beklagten und dem Kaufentschluss der Klägerin ist daher zu bejahen. Damit erweist sich die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur weiteren Prüfung des geltend gemachten Anspruchs als unumgänglich.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)