Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes im Punkt 2 wiederhergestellt wird.
Die Verfahrenskosten erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die Hälfte der Gerichtsgebühren des Verfahrens erster Instanz, sohin den Betrag von S 720 und die mit S 12.863,28 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 1.813,88 Umsatzsteuer und S 1.980 Barauslagen) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Alleineigentümer der EZ 2 GB H*****, zu deren Gutsbestand seit 1895 das Grundstück 998 (Weg) gehört. Dieser Weg führt vom Gehöft des Klägers bis zu einem Karrenweg, auf dem man zur Zufahrt zum Gehöft P***** gelangt. Über diese Hofzufahrt kann man weiter auf die Straße H***** fahren. Der Weg hat keinen festen Unterbau, führt großteils über Wiesenflächen und ist - mit Ausnahme im Bereich des sogenannten "Türkensturzes", wo er sich auf ca 1,5 m verengt - etwa 2,3 m breit. Er diente dem Kläger und seinem Rechtsvorgänger zur landwirtschaftlichen Nutzung und als Zufahrtsmöglichkeit zur Straße nach P*****. Seit er im Jahr 1991 die Viehhaltung aufgegeben hat, benützt er diesen Weg nur mehr selten.
Der genannte Weg führt am Haus des Beklagten vorbei. Der Beklagte betreibt auf seinem benachbarten Gehöft eine Grünlandwirtschaft. Er besitzt auch 25 Pferde, von denen 12 zum Reiten verwendet werden. Seit 1969 führt der Beklagte (sein Rechtsvorgänger) dort auch eine Jausenstation, wo er Gäste bewirtet und beherbergt, mit denen er auch Reitausflüge veranstaltet. Den Weg Nr 998 benützte schon sein Vater für landwirtschaftliche Fuhren mit Pferdefuhrwerken und auch mit Traktoren, sowie zum Viehtrieb und zu privaten Reitzwecken. 1962 oder 1965 wurde der Weg gemeinsam von den Vätern der Streitteile beschottert. Der Vater des Klägers erhob nie einen Einwand gegen die Benutzung des Weges durch den Rechtsvorgänger des Beklagten und hatte auch nichts dagegen, daß auf dem Weg auch geritten wurde. Bei den Reitausflügen mit Gästen, die der Vater des Beklagten vor 25 Jahren aufnahm, wurde auch der streitgegenständliche Weg benützt. Der Vater des Klägers hatte auch gegen diese Benützung nichts einzuwenden und wandte sich auch nicht dagegen, wenn der Vater des Beklagten Reitgruppen von bis zu zehn Personen über den Weg führte. Erst der Kläger verbot dem Beklagten vor vier Jahren, auf diesem Weg zu reiten. Der Beklagte, der damals glaubte, daß der Weg zum öffentlichen Gut gehört, leistete dem Verbot nicht Folge.
Von 1945 bis 1969 hielt der Vater des Beklagten auf seinem Hof zwei bis drei Perde. Seit 1970 wurde der Pferdebestand laufend vergrößert.
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß dem Beklagten keine Dienstbarkeit an dem Grundstück 998 GB H***** zustehe (Punkt 1), den Beklagten schuldig zu erkennen, alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellen (Punkt 2) und (in eventu), es zu unterlassen, mit Gästen oder Dritten über das genannte Grundstück als dienendes Grundstück zu reiten sowie seinen Gästen das Reiten auf diesem Grundstück zu untersagen. Das Weggrundstück sei mit keiner Dienstbarkeit belastet. Der Beklagte und seine Rechtsvorgänger hätten daran auch keine Dienstbarkeit ersessen. Insbesondere das Reiten über diesen Weg sei für den landwirtschaftlichen Betrieb nicht erforderlich. Nach der Errichtung einer Jausenstation habe der Vater des Beklagten die Nutzungshandlungen in unzulässiger Weise auf das Reiten mit Gästen ausgedehnt.
Der Beklagte beantragt die Abweisung sämtlicher Begehren. Er und seine Rechtsvorgänger hätten den Weg von alters her, mindestens aber seit der Zeit vor dem 2. Weltkrieg, als Servitutsweg mit Fuhrwerken, Pferden, zu Fuß und später auch mit dem Traktor und mit Personenkraftwagen in dem Bewußtsein benützt, ein Recht auszuüben. Die Rechtsvorgänger des Klägers hätten diese Dienstbarkeit nie bestritten. Auch die Dienstbarkeit des Reitens sei seit dem 2. Weltkrieg durchgehend ausgeübt worden. Überdies sei früher die Gemeinde P***** Eigentümerin des Weges gewesen. Diese habe dem Beklagten keinerlei Beschränkungen der Dienstbarkeit auferlegt.
Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren (Punkt 1) ab und gab - ohne über das Unterlassungsbegehren (Punkt 2) zu entscheiden - dem Eventualunterlassungsbegehren statt (Punkt 2 des Urteiles des Erstgerichtes). Schon der Vater des Beklagten habe als Eigentümer des Nachbargehöfts das Recht ersessen, den strittigen Weg zu landwirtschaftlichen Zwecken zu benützen und darauf zu reiten. Die Benützung des Weges mit Reitgästen in Gruppen von bis zu zehn Personen sei jedoch eine unzulässige Ausweitung der Dienstbarkeit. Da die Ersitzungszeit für diese Ausübung frühestens im Jahr 1969 begonnen habe, sei eine Dienstbarkeit in diesem Umfang nicht ersessen worden.
Das Berufungsgericht änderte das lediglich in Punkt 2 angefochtene Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es auch das davon erfaßte Eventualbegehren abwies. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Beklagte habe sich mit den Worten, daß das behauptete Wegerecht absolut unbestritten (nie bestritten) gewesen sei, auch auf eine einvernehmliche Ausübung berufen. Der einmal festgelegte Umfang einer Dienstbarkeit könne auch durch schlüssige Vereinbarung geändert (erweitert) werden. Der Vater des Klägers habe gegen die Reitausflüge nichts einzuwenden gehabt und sich auch nicht dagegen gewandt, daß der Beklagte Reitgruppen von bis zu zehn Personen über den Weg geführt habe. Wegen dieses Verhaltens könne eine einvernehmliche Erweiterung des Umfanges des rechtskräftig festgestellten Servitutsrechts auf diese Art der Benützung angenommen werden. Eine Zustimmung zu dieser weitergehenden Benützung sei auch darin gelegen, daß die Streitteile und ihre Rechtsvorgänger eine gewisse Zeit hindurch geglaubt hätten, daß der Weg zum öffentlichen Gut gehöre und damit einer weitergehenden Benutzung zugänglich sei.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Kläger gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Voraussetzungen des schlüssigen Erwerbes (hier: der Erweiterung) einer Dienstbarkeit abgegangen ist; sie ist auch berechtigt.
Den Ausführungen des Revisionswerbers, daß er (sein Rechtsvorgänger) keine schlüssige Zustimmung zur Ausweitung der Dienstbarkeit auf das Reiten mit Gästen erteilt habe, ist zu folgen:
Auf Grund der Abweisung des negativen Feststellungsbegehrens (Begehren 1) steht fest, daß der Beklagte bzw sein Rechtsvorgänger die Dienstbarkeit des Gehens, Fahrens mit Pferdefuhrwerken, Traktoren und Personenkraftwagen zum Zwecke der Bewirtschaftung der auf dem herrschenden Gut betriebenen Landwirtschaft sowie des Reitens zu privaten Zwecken, alles bereits vor der Errichtung der Jausenstation auf dem herrschenden Gut im Jahr 1969, ersessen hat. Nach dem Jahr 1969 hat der Vater des Beklagten den Betrieb einer Jausenstation und eines Reitstalls aufgenommen. Das Gehen und Fahren über den streitgegenständlichen Weg für Zwecke dieser Betriebe ist nicht Gegenstand des Eventualbegehrens, mit dem dem Beklagten verboten werden soll, mit Gästen oder Dritten über das Weggrundstück zu reiten.
Soweit der Rechtsvorgänger des Beklagten vor dem Jahr 1969 den Weg auch zum Reiten benützt hat, geschah dies nur zu privaten Zwecken und nicht bei der Ausübung eines Gewerbes. Eine solche Servitut erstreckt sich nach der Rechtsprechung nicht auf das Reiten mit Gästen und Dritten zu gewerblichen Zwecken (SZ 56/46; MietSlg 29.064). Ebensowenig deckt der Erwerb einer Servitut für Wirtschaftsfuhren die Benützung des Weges mit Reitpferden (SZ 31/35; SZ 34/81). Aber auch das Reiten mit Gästen des eigenen Betriebes in Gruppen ist als erheblich erschwerende Änderung der Benützungsart gegenüber dem ersessenen Recht des Reitens zu persönlichen Zwecken eine unzulässige Ausweitung der Servitut (vgl zur unzulässigen Ausweitung SZ 52/99; SZ 54/154; SZ 55/125; SZ 60/160). Der Beklagte stützt sich daher auf Benützungshandlungen, die eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit bilden.
Streitentscheidend ist somit die in der Zulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob der Rechtsvorgänger des Klägers dieser Ausweitung der Servitut schlüssig zugestimmt hat (zur Möglichkeit der Ausdehnung einer Servitut durch schlüssige Rechtseinräumung JBl 1963, 377; SZ 48/78; 4 Ob 515/95). Der Vater des Klägers hat aber gegen diese Art der Ausdehnung der Servitut bloß keinen Einwand erhoben. Aus dem bloßen Dulden der durch die Servitut nicht gedeckten Art der Wegbenützung durch den Eigentümer des dienenden Gutes durfte der Vater des Beklagten aber nicht auf die Einräumung einer entsprechenden Berechtigung schließen, weil ja auch die Ersitzung voraussetzt, daß der Eigentümer der dienenden Sache die Ausübung eines bestimmten Rechtes erkennen kann und sie gestattet (§ 313 ABGB; SZ 55/30; 4 Ob 515/95). Schon deshalb muß die auf die bloße Gestattung gegründete schlüssige Einräumung (Ausweitung) einer Dienstbarkeit des Reitens mit Gästen und Dritten verneint werden.
Bei ungemessenen Dienstbarkeiten, bei denen Art und Ausmaß der Berechtigung durch den Titel nicht konkret bestimmt sind, kommt es zwar im Rahmen der ursprünglichen oder vorhersehbaren Art der Bewirtschaftung auf die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten an (SZ 42/10; SZ 52/99; SZ 56/60; Petrasch in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 484). Das kann aber entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zu dem Ergebnis führen, daß sich der bloß mit der Führung eines Bauernhofes verbundene Zweck einer Servitut auch auf den auf dem herrschenden Gut aufgenommenen Betrieb eines Reitstalls und einer Jausenstation erstreckt. Denn auch hier bestehen Schranken auf Grund des ursprünglichen Bestandes und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart (SZ 54/154 mwN; SZ 60/160).
In Stattgebung der außerordentlichen Revision ist daher Punkt 2 des Urteiles des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Hiebei ist auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in seiner Berufung im Kostenpunkt Bedacht zu nehmen. Der Kläger ist mit dem Begehren 1 unterlegen, mit dem anstelle des Unterlassungsbegehrens 2 erhobenen Eventualbegehren aber durchgedrungen. Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine andere Aufteilung ist für jedes dieser Begehren die Hälfte des Streitwertes anzusetzen, so daß mit einer Kostenteilung vorzugehen ist (§ 43 Abs 1 ZPO). Die Gerichtsgebühren sind dem Kläger dabei zur Hälfte (mit dem Ausmaß des Obsiegens: § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO) zuzusprechen. Daß das Eventualbegehren erst im Laufe des Verfahrens erhoben wurde, führt zu keiner Bildung von Verfahrensabschnitten, weil damit keine Änderung des Streitwertes verbunden war. Bemessungsgrundlage im Rechtsmittelverfahren ist nicht mehr der gesamte Streitwert der Klage, sondern die Hälfte des Streitwertes.
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