European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00208.20X.0622.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts – bei Entfall der Wortfolge in Punkt I. „…wenn damit ein Abschluss eines Vertrags über die Einspeisung des Sendesignals des Senders 'P*****' zu den Konditionen der Erstbeklagten erreicht werden soll“ – samt Kostenentscheidung und Abweisung des Sicherungsmehrbegehrens wiederhergestellt wird.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung und der Hälfte ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen und ist schuldig, den Beklagten die mit 1.798,38 EUR (darin 299,73 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung und die mit 1.246,78 EUR bestimmten halben Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin betreibt ein österreichisches Kabelnetz, das 125.000 Haushalte unter anderem mit Fernsehen versorgt.
[2] Die Erstbeklagte ist ein Medienunternehmen, das die Fernsehsender P***** betreibt. Die Zweitbeklagte ist die Muttergesellschaft der Erstbeklagten. Sie betreibt die Webseiten www.p ***** sowie die Social-Media-Kanäle von P*****.
[3] Seit August 2019 bemühten sich die Beklagten, eine Einspeisung des Sendersignals von P***** in das Netz der Klägerin zu erwirken. Die Verhandlungen über eine mögliche Einspeisung wurden von der Frage der Tarife mitbestimmt. Am 13. 2. 2020 brachte die Erstbeklagte bei der Kommunikationsbehörde Austria einen Antrag auf Erteilung eines Verbreitungsauftrags an die Klägerin für das Fernsehprogramm P***** nach § 20 Abs 2 und Abs 3 AMD-G ein. Während dieses Verfahrens einigten sich die Klägerin und die Erstbeklagte, dass bis 30. 4. 2020 eine vorübergehende Einspeisung des Programmsignals P***** in das Netz der Klägerin stattfinden solle. Der 4. 5. 2020 war gemäß dieser Vereinbarung der letzte Tag der Signaleinspeisung durch die Klägerin. Ein weiterer Vertrag über den 4. 5. 2020 hinaus kam nicht zustande.
[4] Am 4. 5. 2020 wurde auf der Webseite www.p ***** unter der Überschrift „Informationen für alle L*****-Kunden“ folgender Text veröffentlicht:
„Informationen für alle L *****-Kunden – der oberösterreichische Kanalnetzbetreiber will P***** heute aus ihrem Netz nehmen. Wo sie sich dagegen beschweren können. Liebe L*****-Kunden! Leider will uns Ihr Kabelnetzbetreiber heute noch abschalten. Die Hintergründe: L***** hat P***** wegen des hohen Informationsbedürfnisses in der Coronakrise ins Netz aufgenommen, die Einspeisung läuft aber heute aus. Der Informationsbedarf endet aber natürlich nicht mit dem heutigen Tag, im Gegenteil! Hier verhindert ein lokaler Monopolist die Verbreitung von Journalismus in Zeiten, in denen qualitativ hochwertige Berichterstattung dringend notwendig ist. Sollten Sie L*****-Kunde sein, können Sie sich direkt beim Kundendienst [Telefonnummer und mail-Adresse] beschweren. Wir danken Ihnen! Ihr P***** Team.“
[5] Ein ähnlicher Text wurde am selben Tag im Programm P***** gesprochen. Weiters wurde auf www.p ***** am 4. 5. 2020 folgender Text veröffentlicht:
P ***** ist frei empfangbar über Satellit, Antenne, in jedem guten Kabelnetz und via App. Alle Infos finden Sie hier [Link]. Vorausgesetzt man ist kein L*****-Kunde. Denn der oberösterreichische Kabelnetzbetreiber hat angekündigt, P***** wieder abschalten zu wollen. Wer aber den Sender weiter frei empfangen will, kann sich [Telefonnummer und mail-Adresse] an den L*****‑Kundendienst wenden. Damit Sie auch weiterhin nicht auf die wichtigsten News, Talks und Sportevents verzichten müssen.
[6] In der Zeitschrift „Horizont“ vom 22. 5. 2020 wurde ein Interview mit dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten, der auch geschäftlicher Leiter der Erstbeklagten ist, abgedruckt. Darin antwortete er auf die Frage:
„Bei der angesprochenen technischen Reichweite gab es mit Kabelnetzbetreibern so einige Querelen, was die Verbreitung anbelangt. Warum gibt es mit L ***** keine bestehenden Verträge? Oder warum greift die Must-Carry-Regelung nicht?“
wie folgt:
„Diese Eskalation hat keine sachlichen Gründe. Der Kabelnetzbetreiber L ***** hat leider nicht das Interesse seiner Kunden im Fokus, er nimmt ihnen die Chance, einen kostenlosen österreichischen Nachrichtensender in HD‑Qualität zu sehen. Viele L*****-Kunden sind verständlicherweise sehr verärgert. Die Thematik wird auf mehreren Ebenen ein juristisches Nachspiel haben. Da der Public‑Value-Sender P***** unzweifelhaft Must‑Carry-Status hat, wird die Einspeisung vermutlich ohnehin behördlich angeordnet werden. Allerdings überlegen wir, uns überhaupt aus einem veraltet agierenden Kabelnetz zurückzuziehen, weil die interessierten Seher all unsere Inhalte auch anders empfangen können: Ganz ohne Gebühr über die OTT-App Zappn, einem kostenlosen Streaming-Produkt aller guten österreichischen Sender inklusive ORF und S*****TV für mobile Endgeräte und immer mehr auch über große TV‑Geräte.“
[7] Mit Bescheid vom 9. 6. 2020 verpflichtete die Kommunikationsbehörde Austria die Klägerin, das Fernsehprogramm P***** im Basispaket ihres Kabelnetzes weiterzuverbreiten, dies unter der Bedingung, dass die Erstbeklagte der Klägerin dafür ein im Bescheid beziffertes Entgelt pro an das Kabelnetz angeschlossenem Teilnehmer leistet. Es kann nicht festgestellt werden, dass das im Bescheid vom 9. 6. 2020 festgesetzte Entgelt dem entspricht, was die Erstbeklagte der Klägerin für die Weiterverbreitung in ihrem Kabelnetz angeboten hatte.
[8] Zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin die Erlassung folgender einstweiliger Verfügung gegen die Beklagten:
[9] Den Erst- und Zweitbeklagten wird geboten, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils bei sonstiger Exekution zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, zu Zwecken des Wettbewerbs, folgende Beiträge sowie Beiträge mit sinngleichen Inhalt:
1. „Informationen für alle L*****-Kunden – Der oberösterreichische Kabelnetzbetreiber will P***** heute aus ihrem Netz nehmen. Wo Sie sich dagegen beschweren können. Liebe L*****-Kunden! Leider will uns ihr Kabelbetreiber heute noch abschalten. Die Hintergründe: L***** hat P***** wegen des hohen Informationsbedürfnisses in der Coronakrise ins Netz aufgenommen, die Einspeisung läuft aber heute aus. Der Informationsbedarf endet aber natürlich nicht mit dem heutigen Tag, im Gegenteil! Hier verhindert ein lokaler Monopolist die Verbreitung von Journalismus in Zeiten, in denen qualitativ hochwertige Berichterstattung dringend notwendig ist. Sollten Sie L*****-Kunde sein, können Sie sich direkt beim Kundendienst [Telefonnummer und Mail-Adresse] beschweren. Wir danken Ihnen! Ihr P***** Team,“;
2. „P***** ist frei empfangbar über Satellit, Antenne, in jedem guten Kabelnetz und via App. [. . .] Vorausgesetzt man ist kein L*****-Kunde.“
3. „Der Kabelnetzbetreiber L***** hat leider nicht das Interesse seiner Kunden im Fokus [. . .].“
4. „Allerdings überlegen wir, uns überhaupt aus einem veraltet agierenden Kabelnetz zurückzuziehen [...]“
zu verbreiten, insbesondere die Erstbeklagte auf dem selbst betriebenen und kontrollierten Sender P***** und die Zweitbeklagte auf allen Social-Media-Kanälen von „P*****“ (Facebook, Twitter, Instagram) und auf den Webseiten www.p ***** sowie in Printmedien.
[10] Die bis 30. 4. 2020 befristete Vereinbarung mit der Erstbeklagten habe ohne eine Einigung über den Abschluss einer neuen derartigen Vereinbarung geendet, weil die Erstbeklagte den Standpunkt vertreten habe, die weitere Einspeisung müsse kostenlos erfolgen. Zu diesen Bedingungen habe die Klägerin keine weitere Vereinbarung treffen wollen und habe sich daher entschlossen, den Sender P***** wieder aus ihrem Programm zu nehmen. Daraufhin hätten die Beklagten die oben genannten abfälligen Aussagen getätigt. Diese Aussagen seien unzulässig und verstießen gegen §§ 1, 2a und 7 UWG (Behinderung durch Boykott, Anschwärzung, pauschale Abwertung) und § 1330 Abs 1 und Abs 2 ABGB.
[11] Die Beklagten wendeten ein, die Klägerin sei gemäß § 20 AMD-G zur Einspeisung von P***** verpflichtet gewesen, habe dies aber aus unsachlichen Gründen verweigert. Letztlich habe die Kommunikationsbehörde Austria eine entsprechende Anordnung erlassen. In dem dem Bescheid vorangegangenen Verfahren habe die Erstbeklagte keineswegs eine kostenlose Weiterverbreitung begehrt, sondern ein angemessenes Entgelt angeboten. Die Klägerin habe im Regulierungsverfahren die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen für eine Weiterverbreitungsanordnung nicht vorlägen, weil das Programm keinen besonderen Beitrag zur Meinungsvielfalt leiste. Dies habe die bei der Erstbeklagten beschäftigten Journalisten nachvollziehbar empört, was zu den im Verfahren beanstandeten redaktionellen Beiträgen geführt habe. Diese seien inhaltlich richtig. So sei wahr, dass die Klägerin in ihrem Versorgungsgebiet insofern ein Monopolist sei, als es keine anderen Kabelnetzbetreiber mit vergleichbarem Programmbouquet gebe, und dass sie Ende April angekündigt habe, den Sender P***** wieder aus dem Netz zu nehmen; dies habe sie dann auch getan. Die Beklagten hätten weder behauptet, dass die Klägerin ein veraltetes Kabelnetz betreibe, noch, dass deren Kabelnetz kein gutes Kabelnetz sei. Die darüber hinausgehende Wertung, dass ein Kabelnetz veraltet agiere, seien durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt. Im Übrigen bestehe zwischen den Streitteilen kein Wettbewerbsverhältnis und es fehle auch an der wettbewerbsrechtlichen Spürbarkeit, weil auch nach dem Vorbringen der Klägerin nur 0,15 % ihrer Kunden auf die Aufrufe der Beklagten reagiert hätten.
[12] Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung bezüglich der Aussagen 1., 3. und 4. gegen beide Beklagte, bezüglich der Aussage 1. allerdings nur unter der Voraussetzung, „wenn damit ein Abschluss eines Vertrags über die Einspeisung des Sendesignals des Senders P***** zu den Konditionen der Erstbeklagten erreicht werden solle“, und bezüglich der Aussage 2. allein gegen die Zweitbeklagte; außerdem schränkte es die Unterlassungsverpflichtung jeweils auf bestimmte Medien ein und wies das Begehren, soweit es sich auf andere Medien bezog, und das gegen die Erstbeklagte erhobene Unterlassungsbegehren zur Aussage 2. ab.
[13] Die Aussage 1. sei zwar kein Aufruf zum Boykott, aber wegen des unlauteren Motivs aufgrund der Nähe zur Behinderung und zum Boykott eine „sonstige Handlung“ im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Allerdings sei das unlautere Motiv im Spruch zu nennen. Die Aussage 2. sei eine sittenwidrige Pauschalabwertung, wobei allerdings nicht bescheinigt sei, dass auch die Erstbeklagte diese Äußerung verbreitet habe. Die Aussagen 3. und 4. habe der Geschäftsführer bzw geschäftliche Leiter der Beklagten in einem Interview gemacht; die Beklagten hätten gar nicht behauptet, dass ihnen dies nicht zuzurechnen sei. Diese Aussagen würden so verstanden, dass die Klägerin aus unsachlichen Gründen eine Einspeisung des Programms P***** verweigere und die Interessen ihrer Kunden nicht berücksichtige. Weil verschwiegen werde, dass die Parteien keine Einigung über die Vergütung herstellen konnten, sei diese Mitteilung unvollständig und folglich nicht wahr. Somit sei das Unterlassungsbegehren im Wesentlichen berechtigt, allerdings nur bezüglich jener Medien, in denen die beanstandeten Behauptungen aufgestellt worden seien.
[14] Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab. Die Aussage 1. sei kein Aufruf zum Boykott, da die Kunden bloß informiert würden. Die Bezeichnung „lokaler Monopolist“ sei nicht herabsetzend oder kreditschädigend. Die Aussage 2. bringe nicht zum Ausdruck, dass das Kabelnetz der Klägerin ein schlechtes sei. Abgesehen davon wäre dies bloß eine Wertung und keine Tatsachenbehauptung. Die dahinter stehende Tatsachenbehauptung, dass P***** im Kabelnetz der Klägerin nicht zu sehen sei, sei wahr gewesen. Die Aussage 4. spreche nicht von einem veralteten Kabelnetz, sondern nur von einem veraltet agierenden Kabelnetz, was eine Wertung sei. Auch die Aussage 3. sei eine Wertung bezugnehmend darauf, dass es zwischen den Streitteilen keinen Vertrag gebe, was wahr gewesen sei. Eine vergleichende Werbung liege schon deswegen nicht vor, weil die Klägerin keine Mitbewerberin der Beklagten sei. Auch sei durch die beanstandeten Äußerungen keine Pauschalabwertung vorgenommen worden, weil das Kabelnetz der Klägerin nicht als schlecht bezeichnet, sondern nur behauptet worden sei, dass in ihrem Kabelnetz der Sender der Beklagten nicht mehr zu sehen sei; diese Behauptung sei richtig. Inwiefern die Äußerungen den wirtschaftlichen Ruf oder Kredit der Klägerin gefährden könnten, sei nicht ersichtlich.
[15] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die beantragte Sicherungsverfügung vollumfänglich zu erlassen. Die Beklagten hätten die Kunden der Klägerin ausdrücklich aufgefordert, sich bei der Klägerin zu beschweren. Darin liege eine unlautere Willensbeeinflussung der Kunden, die geeignet sei, deren Geschäftsbeziehung zur Klägerin zu stören, zumal behauptet werde, die Klägerin missbrauche als „Monopolist“ ihre Marktmacht dazu, die Verbreitung von Journalismus zu verhindern und sie betreibe zudem nur ein schlechtes Kabelnetz, in das ein Sender der Beklagten nicht eingespeist werde. Darin liege jedenfalls eine Behinderung iSd § 1 UWG.
[16] Die Beklagten beantragen mit der ihnen vom Senat freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[17] Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.
[18] 1.1. Für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses genügt, dass die vertriebenen Waren oder gewerblichen Leistungen ihrer Art nach miteinander in Konkurrenz treten und einander daher nach der Verkehrsauffassung im Wettbewerb behindern können (RIS‑Justiz RS0077680 [T27]). Im Rahmen des § 14 UWG bedarf es keiner eigenen Beeinträchtigung des klagenden Mitbewerbers durch den Wettbewerbsverstoß (kein konkretes Wettbewerbsverhältnis), sondern es reicht wegen des auch öffentlichen Interesses an der Ausschaltung unlauterer Wettbewerbshandlungen aus, dass abstrakt eine Beeinträchtigung theoretisch möglich erscheint (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG² § 14 Rz 96; 4 Ob 231/17z). Es genügt zur Begründung einer Mitbewerbereigenschaft, wenn sich der Kundenkreis auch nur zum Teil oder lediglich vorübergehend überschneidet (RS0077680). Entgegen der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung findet ein Wettbewerb auch zwischen Marktteilnehmern unterschiedlicher Absatzstufen statt, hängt doch etwa die Absatzmöglichkeit eines Generalimporteurs (oder Herstellers) letztlich vom Erfolg der nachgelagerten Absatzstufen ab (vgl Handig in Wiebe/Kodek, UWG² § 7 Rz 42).
[19] 1.2. Zutreffend hat das Erstgericht das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen der Erstbeklagten, die im Rahmen ihres Medienunternehmens auch Fernsehen betreibt, und der Klägerin als Absatzmittlerin für Fernsehprogramme bejaht, treten doch die auf dem Markt angebotenen Leistungen der Streitteile jedenfalls insoweit ihrer Art nach in Konkurrenz, als sie sich allesamt unmittelbar oder mittelbar (durch Einspeisung in ein Kabelnetz) mit der Versorgung des Publikums mit Fernsehprogrammen beschäftigen. Da die Zweitbeklagte die Muttergesellschaft der Erstbeklagten ist, besteht infolge dieser wirtschaftlichen Verflechtung an deren Handeln in Wettbewerbsabsicht zu Gunsten ihrer Tochtergesellschaft kein Zweifel.
[20] 2.1. Ein Boykott ist die von einer oder mehreren Personen ausgehende, durch dritte Personen ausgeübte planmäßige Absperrung eines Gegners vom Geschäftsverkehr (RS0078012). Boykott verlangt eine Willensbeeinflussung durch den Boykottierer. Eine reine Anregung, die keinerlei Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit nimmt, reicht nicht aus (RS0103594; Handig in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 Rz 301).
[21] 2.2. Nach dem Wortlaut der beanstandeten Aussage 1. werden Kunden lediglich informiert, dass sie zukünftig im Kabelnetz der Klägerin den Sender der Beklagten nicht mehr empfangen können, und wo sie sich darüber beschweren können. Die Mitteilung enthält auch keinen Vorschlag, die Geschäftsbeziehungen mit der Klägerin zu beenden. Das Rekursgericht hat daher zutreffend das Vorliegen eines Boykotts im oben dargestellten Sinn verneint.
[22] 3. Auch dann, wenn eine geschäftsschädigende Behauptung wahr ist, ist der Wettbewerber nicht ohne weiteres berechtigt, seinen Mitbewerber herabzusetzen und ihn geschäftlich zu schädigen (RS0078189, RS0078055). Eine unnötige und unsachliche Herabsetzung, auch wenn sie einen wahren Kern enthalten mag, ist lauterkeitswidrig (Kraft/Steinmair, UWG Praxiskommentar2 § 1 Rz 89). Eine solche Herabsetzung kann durch Tatsachenbehauptungen wie durch Werturteile erfolgen (Handig in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 Rz 519).
[23] 3.1. Im vorliegenden Fall informiert die unter 1. beanstandete Aussage die Kunden der Klägerin zwar richtig darüber, dass die Einspeisung des Senders der Beklagten ausläuft. Auch mag die Klägerin „lokaler Monopolist“ hinsichtlich einer bestimmten Art von Dienstleistung sein. Allerdings ist die Aussage in ihrem Gesamtzusammenhang als Vorwurf an die Klägerin zu verstehen, dass diese mutwillig die Verbreitung von hochwertigem Journalismus verhindere. Diese Darstellung, verbunden mit der Einladung zur Beschwerde und dem Verschweigen des (finanziellen) Hintergrunds, nämlich der Uneinigkeit über die zu entrichtenden Einspeisungsgebühren, setzt die Klägerin pauschal und unsachlich herab.
[24] 3.2. Die Vorinstanzen haben es als bescheinigt erachtet, dass die Diskussionen zwischen den Streitteilen über eine mögliche Einspeisung von der Frage der Tarife mitbestimmt wurde. Dieser Aspekt macht die beanstandeten Aussagen der Beklagten wegen Unvollständigkeit ihrer Mitteilungen unlauter: Redlicherweise hätten die Beklagten auch den Grund für das Scheitern der Vertragsgespräche kommunizieren müssen (statt tatsachenwidrig zu verbreiten, „diese Eskalation hat keine sachlichen Gründe“). Ohne diese Zusatzinformation muss das Handeln der Klägerin willkürlich erscheinen und setzt sie in ein schlechtes Licht. Die zu 1. beanstandeten Äußerungen verstoßen daher auch ohne den vom Erstgericht einschränkend vorgenommenen Zusatz „wenn damit ein Abschluss eines Vertrags über die Einspeisung des Sendesignals des Senders 'P*****' zu den Konditionen der Erstbeklagen erreicht werden soll“ als sonstige unlautere Handlung gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG.
[25] 3.3. Auf das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht kommt es seit der UWG‑Novelle 2007 nicht mehr an (RS0123244). Es ist ausreichend, wenn das beanstandete Verhalten objektiv geeignet ist, den Wettbewerb zu fördern, was im hier gegebenen Fall schon deshalb bejaht werden kann, weil die beanstandeten Äußerungen der Beklagten geeignet sind, zu einem Abwandern von Kunden der Klägerin zu anderen Absatzmittlern für Fernsehprogramme zu führen, die bereits in Geschäftsbeziehung zu den Beklagten stehen. Etwas anderes gälte nur dann, wenn bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiegt (vgl RS0123244 [T1]) was allerdings nicht bescheinigt ist. Auf ein Motiv kommt es nicht an. Das Sicherungsbegehren zu 1. besteht daher ohne den vom Erstgericht aufgenommenen Einschub hinsichtlich des Motivs zu Recht.
[26] 3.4. Die Aussage zu 2., wonach die Programme der Beklagten „in jedem guten Kabelnetz …“ empfangbar seien, vorausgesetzt man sei kein Kunde der Klägerin, kann im Umkehrschluss nur dahin verstanden werden, dass die Klägerin kein gutes Kabelnetz betreibe. Auch darin liegt eine unsachliche Herabsetzung. Da auf Basis des von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalts nicht bescheinigt ist, dass die beanstandete Äußerung (auch) von der Erstbeklagten verbreitet wurde, besteht der diesbezügliche Unterlassungsanspruch nur gegenüber der Zweitbeklagten zu Recht.
[27] 3.5. Die Aussagen zu 3., dass die Klägerin nicht das Interesse seiner Kunden im Fokus habe, und zu 4., dass sie „veraltet agiere“, sind ebenfalls herabsetzende und unsachliche Wertungen. Denn Preisverhandlungen der Klägerin mit den beklagten „Lieferanten“ sind durchaus im Interesse der Kunden. Es ist ausschließlich im Interesse der Beklagten, möglichst kostengünstigen Zutritt zum Kabelnetz der Klägerin zu erhalten. Auch ist ein kostenbewusstes Agieren der Klägerin nicht als veraltet anzusehen. Auch diesbezüglich besteht der Sicherungsanspruch daher zu Recht.
[28] 3.6. In Bezug auf die vom Erstgericht vorgenommene Einschränkung der Sicherungsverfügung auf bestimmte Medien fehlt es an einem nachvollziehbaren Vorbringen im Revisionsrekurs, weshalb es bei der vom Erstgericht vorgenommenen Einschränkung zu bleiben hat.
[29] Auf Basis der Bescheinigungslage der Vorinstanzen ist daher die einstweilige Verfügung des Erstgerichts – unter Weglassung des vom Erstgericht angeordneten Einschubs – wiederherzustellen.
[30] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 393 Abs 1, 402 Abs 4, 78 EO iVm §§ 43 Abs 1 ZPO. Die Obsiegensquote der Klägerin beträgt bei wertender Beurteilung gegenüber beiden Beklagten jeweils 50 %. Für die Rekursbeantwortung der Beklagten ist daher eine Bemessungsgrundlage von 31.000 EUR heranzuziehen, für die Revisionsbeantwortung eine solche von 62.000 EUR. Diesbezüglich hat die Klägerin den Beklagten die halben Kosten zu ersetzen.
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