Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 7.440,-- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1240,-- USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit einem gleichzeitig mit der Unterhaltsklage eingebrachten Sicherungsantrag begehrte die Klägerin am 19.7.1991, ihren Unterhaltsanspruch während aufrechter Ehe durch eine einstweilige Verfügung zu sichern. Die einstweilige Verfügung wurde am 13.8.1991 antragsgemäß erlassen; mit Beschluß vom 8.6.1993 wurde sie eingeschränkt. Der Beklagte wurde schuldig erkannt, der Klägerin beginnend mit 1.5.1993 bis zur rechtskräftigen Beendigung oder registermäßigen Erledigung des Verfahrens C 462/91 i S 3.350,-- monatlich zu zahlen.
Bei Einbringung der Unterhaltsklage war das Ehescheidungsverfahren schon anhängig. Der Beklagte hatte mit einer am 29.3.1991 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt, die Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Klägerin zu scheiden. Das Erstgericht schied die Ehe der Parteien am 25.11.1994 ohne Ausspruch eines Verschuldens; Berufung und Revision blieben erfolglos. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens war der von der Klägerin (= Beklagte des Ehescheidungsverfahrens) begehrte Verschuldens- ausspruch.
Der Beklagte begehrt, die einstweilige Verfügung aufzuheben.
Nach dem hier anwendbaren türkischen Recht seien mit der rechtskräftigen Scheidung alle Ehewirkungen beseitigt. Das gelte auch für vorläufige Unterhaltsmaßnahmen. Die Umstände hätten sich demnach seit Bewilligung des Sicherungsantrages derart geändert, daß die einstweilige Verfügung aufzuheben sei.
Die Klägerin sprach sich gegen die Aufhebung aus.
Richtig sei, daß nach türkischem Recht mit der Scheidung nacheheliche Unterhaltsansprüche an die Stelle der ehelichen Unterhaltsansprüche träten. Einstweilige Verfügungen entfalteten ihre Wirungen aber über die Scheidung hinaus zur Sicherung nachehelicher Ansprüche.
Das Erstgericht hob die einstweilige Verfügung auf.
Nach türkischem Recht stehe der Klägerin nur mehr nachehelicher Unterhalt zu. Einen derartigen Anspruch habe sie bisher nicht geltend gemacht. Mit der rechtskräftigen Scheidung seien alle Ehewirkungen beseitigt worden. Die auf den Bestand der Ehe abstellende Unterhaltsmaßnahme könne nicht aufrecht bleiben.
Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Aufhebungsantrag abwies. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Nach § 399 Abs 1 Z 2 EO könne die einstweilige Verfügung nur aufgehoben werden, wenn die Gefährdung weggefallen sei. Der Beklagte behaupte nicht den Wegfall der Gefährdung, sondern nur das Erlöschen des Unterhaltsanspruches. Das Erlöschen des Anspruches sei mit Oppositionsklage oder mit negativer Feststellungeklage geltend zu machen.
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Beklagte verweist darauf, daß mit der rechtskräftigen Scheidung die materiellrechtliche Grundlage der einstweiligen Verfügung weggefallen sei. Daß eine Oppositionsklage möglich sei, schließe einen Aufhebungsantrag nicht aus.
Die Vorinstanzen haben richtig erkannt, daß die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien - wie der Obersten Gerichtshof auch schon im Scheidungsverfahren (6 Ob 581/95) ausgesprochen hat - nach türkischem Recht zu beurteilen sind. Nach türkischem Scheidungsrecht werden mit der rechtskräftigen Scheidung alle Ehewirkungen beseitigt. Davon betroffen sind auch vorläufige Unterhaltsmaßnahmen gemäß Art 137 türkisches Zivilgesetzbuch (türk Z GB). Mit dem Bestand der Ehe hören die gegenseitigen Unterhaltsansprüche auf. An ihre Stelle treten die nachehelichen Unterhaltsansprüche, die eigens einzuklagen sind. Nachehelicher Unterhalt kann als Schadenersatz (Art 143 türk ZGB) oder als Bedürftigkeitsunterhalt (Art 144 türk ZGB) begehrt werden (Rumpf, Scheidungsfolgen im türkischen Recht, ZfRV 1988, 272 [272f]).
Dem Beklagten wurde noch während aufrechter Ehe aufgetragen, der Klägerin Unterhalt zu leisten. Mit dieser einstweiligen Verfügung wurde der Anspruch der Klägerin auf Unterhalt während aufrechter Ehe gesichert.
§ 399 EO zählt Gründe auf, aus denen einstweilige Verfügungen aufzuheben sind. Die Aufzählung ist nicht taxativ (ua SZ 60/60 = EFSlg 55.329/2 mwN). Nach § 399 Abs 1 Z 2 EO sind einstweilige Verfügungen aufzuheben, wenn sich inzwischen die Verhältnisse, in Anbetracht deren die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, derart geändert haben, daß es des Fortbestandes dieser Verfügung zur Sicherung der Partei, auf deren Antrag sie bewilligt wurde, nicht mehr bedarf. Dieser Aufhebungsgrund erfaßt den Wegfall oder die Verminderung der Gefährdung der Rechte des Antragstellers; ein Erlöschen des zu sichernden Anspruches ist mit dem Einstellungsgrund nach § 399 Abs 1 Z 4 EO geltend zu machen (Heller/Berger/Stix, Kommentar zur Exekutionsordnung4, 2886f; s auch König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren, Rz 372; ecolex 1996, 29). § 399 Abs 1 Z 4 EO erfaßt jene Fälle, in denen der zu sichernde Anspruch berichtigt oder rechtskräftig aberkannt oder dessen Erlöschen rechtskräftig festgestellt wurde. Das Erlöschen aus anderen Gründen kann nicht mit Aufhebungsantrag, sondern nur mit Feststellungsklage oder - wenn bereits Exekution geführt wird - mit Oppositionsklage geltend gemacht werden (ecolex 1996, 29 mwN). Der rechtskräftigen Feststellung des Erlöschens sind aber jene Fälle gleichzuhalten, in denen aus einer rechtskräftigen Entscheidung folgt, daß der zu sichernde Anspruch nicht mehr besteht.
Das ist hier der Fall:
Die rechtskräftige Scheidung der von den Parteien geschlossenen Ehe hat zur Folge, daß die ehelichen Unterhaltsansprüche weggefallen sind. Damit ist auch das Erlöschen des mit der Unterhaltsklage geltend gemachten Anspruches auf Unterhalt während aufrechter Ehe festgestellt, zu dessen Sicherung die einstweilige Verfügung erlassen worden war.
Daß der Beklagte das Erlöschen des Unterhaltsanspruches auch mit negativer Feststellungsklage oder (nach Einleitung der Exekution) mit Oppositionsklage geltend machen könnte, schließt den Aufhebungsantrag
nicht aus (SZ 60/60 = EFSlg 55.329/2; in dieser Entscheidung wird die in der Entscheidung SZ 13/176 vertretene gegenteilige Auffassung ausdrücklich abgelehnt). In dem der Entscheidung SZ 60/60 = EFSlg 55.329/2 zugrunde liegenden Fall war einer Ehefrau einstweiliger Unterhalt nach § 382 Z 8 lit a EO zuerkannt worden; die einstweilige Verfügung wurde aufgehoben, als die Ehefrau über ausreichendes eigenes Vermögen verfügte. In der Begründung wird darauf verwiesen, daß mangels taxativer Aufzählung der Aufhebungsgründe in § 399 Abs 1 EO und wegen der Ähnlichkeit mit den Tatbeständen nach § 399 Abs 1 Z 2 EO auch nach Einleitung der Exekution eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach § 399 Abs 1 EO mit der Behauptung begehrt werden kann, daß die Ehefrau nunmehr über hinreichendes eigenes Vermögen verfügt. In einem solchen Fall komme der Sicherungsgedanke nicht mehr zum Tragen.
Der im vorliegenden Fall verwirklichte Sachverhalt ist, weil das Erlöschen des Unterhaltsanspruches aus der rechtskräftigen Ehescheidung folgt und weil mit dem Erlöschen auch jede Gefährdung dieses Anspruches weggefallen ist, sowohl den in § 399 Abs 1 Z 2 als auch den in § 399 Abs 1 Z 4 EO geregelten Tatbeständen ähnlich. Die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach § 399 Abs 1 EO kann daher begehrt werden, wenn aufgrund der rechtskräftigen Ehescheidung feststeht, daß der mit der einstweiligen Verfügung gesicherte Anspruch auf Unterhalt während aufrechter Ehe nicht mehr besteht.
Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO; §§ 41, 50, 52 ZPO.
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