Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.126,62 EUR (darin 187,77 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die klagende Verwertungsgesellschaft nimmt in Österreich die Rechte von Tonträgerherstellern an ihren weltweit produzierten Aufnahmen sowie die Rechte der ausübenden Künstler an ihren Darbietungen treuhändig wahr; dazu gehören die Rechte der Vervielfältigung und Verbreitung auf Bild‑ und/oder Schallträgern und das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung. Zu ihren Vertragspartnern zählen eine Reihe namhafter Tonträgerproduktions‑ und Vertriebsfirmen. Aufgrund dieser Verträge ist die Klägerin zur Verfolgung von Rechtsverletzungen im eigenen Namen berechtigt. Die ihr übertragenen Rechte erfassen alle originären und/oder abgeleiteten Rechte der Schallträgerhersteller und der ausübenden Künstler, deren Darbietungen darauf festgehalten sind, soweit es sich um zu Handelszwecken hergestellte Schallträger handelt. Zu den Aufgaben der Klägerin zählt auch die Bekämpfung der Piraterie, die im Internet im Wege sogenannter Internettauschbörsen unter Verwendung von Filesharingsystemen stattfindet. Teilnehmer an diesen Systemen stellen geschützte Musiktitel ohne Zustimmung der Rechteinhaber zum Herunterladen zur Verfügung. Die dazu erforderliche Software verbindet Nachfrager und Anbieter. Dabei wird die IP‑Nummer, die der Provider des Anbieters zum gegebenen Zeitpunkt zuordnet, festgehalten. Der Internetprovider ordnet nämlich die für den jeweiligen Vorgang festgehaltene IP‑Adresse und den Zeitpunkt ihrer Vergabe seinem jeweiligen Kunden (Anbieter der Musikfiles) zu.
Der Beklagte ist Inhaber eines in seinem Haushalt eingerichteten Internetanschlusses. Am 11. 11. 2006 wurden in der Zeit zwischen 11:48:22 MEZ bis 12:03:41 MEZ von der diesem Anschluss (durch den Access‑Provider) zugeordneten IP‑Adresse 62.47.200.221 1.828 Files, davon 1.627 Musikfiles über das System LimeWire angeboten. Der größte Teil davon betraf das Repertoire moderner Unterhaltungsmusik, das in den Wahrnehmungsbereich der Klägerin auch im Fall von Rechtsverletzungen fällt.
Der Beklagte hatte diese Titel nicht selbst zum Herunterladen zur Verfügung gestellt, er war zu diesem Zeitpunkt im Ausland. Die Rechtsverletzung wurde durch seine 17‑jährige Tochter begangen. Derartige Tauschbörsen waren in den Medien wiederholt Thema. Der Beklagte hatte die Möglichkeit, Musik aus dem Internet herunterzuladen, grundsätzlich gekannt, dass dies mit Urheberrechtsverletzungen verbunden sein kann, war ihm nicht bewusst. Er hatte mit seiner Tochter nicht darüber gesprochen.
Mit Schreiben vom 16. 1. 2007 forderte der Klagevertreter den Beklagten zur Abgabe einer rechtsverbindlichen Unterlassungserklärung, zur Löschung der Musikfiles und der verwendeten Software sowie zur Bezahlung pauschalierten Schadenersatzes und der Kosten seines Einschreitens auf. Der Beklagte wies nach Erhalt dieses Schreibens seine Tochter an, das Filesharing‑Programm zu löschen. Sie kam dieser Anweisung nach. Mit Schreiben vom 30. 1. 2007 teilte der Beklagtenvertreter dem Klagevertreter mit, dass der Beklagte sich im Ausland befunden und keine Tätigkeit im Internet entfaltet habe. Es habe für ihn keinen Hinweis gegeben, dass seine Tochter, die als Benützerin in Frage komme, an einem Filesharing‑System teilgenommen haben könnte. Sollte sich herausstellen, dass sie Musikdateien Dritten zugänglich gemacht habe, werde der Beklagte die Löschung des Ordners vornehmen lassen.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit dem Beklagten verboten werde, die öffentliche Zurverfügungstellung von Musikaufnahmen, an welchen die ausschließlichen Nutzungsrechte des Schallträgerherstellers und/oder des/der ausübenden Künstler/s, insbesondere der namentlich angeführten Schallträgerhersteller bzw für den Fall der Rechtsverletzung der Klägerin zustünden, ohne Zustimmung der Berechtigten durch Bereitstellung seines Internetanschlusses für Dritte zu ermöglichen; dieses Verbot solle sich insbesondere auf mehrere hundert Musikaufnahmen erstrecken, die namentlich in einer Urkundenbeilage aufscheinen und die zumindest im November 2006 mit Hilfe des häuslichen Internetanschlusses des Beklagten öffentlich zur Verfügung gestellt wurden. Das nicht genehmigte öffentliche Zugänglichmachen von Musikfiles bewirke einen Eingriff in die absoluten Rechte der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller. Der Beklagte habe spätestens mit Erhalt des Schreibens vom 16. 1. 2007 von der mit Hilfe seines Internetanschlusses erfolgten Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und sei ab diesem Zeitpunkt zur Unterlassung verpflichtet gewesen. Er habe kein Verhalten gesetzt, das zur Beseitigung der Gefahren geeignet sei. Die bloße Mitteilung, er werde den behaupteten Sachverhalt prüfen und gegebenenfalls die Löschung des Ordners vornehmen lassen, reiche nicht aus. Der Beklagte habe durch Bereitstellen des Internetzugangs erst die Möglichkeit geschaffen, dass Musikaufnahmen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt würden. Er wäre daher verpflichtet gewesen, für die Unterlassung weiterer Rechtsverstöße zu sorgen und eine vollstreckbare Unterlassungserklärung abzugeben, um die Begehungs‑ und Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
Der Beklagte wendete unter anderem seine mangelnde Passivlegitimation ein. Er sei weder Täter noch Gehilfe. Er habe sich am 11. 11. 2006 auf Auslandsreise befunden und eine Aufsichtspflicht gegenüber seiner Tochter nicht wahrnehmen müssen. Er habe sie darauf hingewiesen, dass die Nutzung des Internetanschlusses nur im Rahmen der Legalität geduldet werde und sie keine Rechtsverletzungen begehen dürfe. Daran habe sie sich auch gehalten. Sie habe das Filesharing‑Programm nach einem Hinweis aus dem Freundeskreis heruntergeladen, ohne dass ihr bewusst gewesen sei, dass dabei Urheberrechte verletzt werden könnten. Er selbst habe Ordner und Medienbibliothek samt aller Musikdateien gelöscht und am 24. 5. 2007 eine Überprüfung durch einen EDV‑Techniker veranlasst. Dieser habe keine Ordner vorfinden können, durch die Musikdateien über das Internet hätten zugänglich gemacht werden können.
Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung. Es stellte noch fest, das Landesgericht für Strafsachen Wien habe das gegen unbekannte Täter zum Nachteil der Klägerin wegen des Verdachts nach § 91 UrhG eingeleitete Strafverfahren gemäß § 90 StPO eingestellt, nachdem der Access‑Provider den Beklagten als Inhaber der angeführten IP‑Adresse bekanntgegeben hatte. Rechtlich ging es von einer Gehilfenhaftung des Beklagten aus. Mit Zurverfügungstellen eines Internetanschlusses an Teenager ohne Einflussnahme auf den Gebrauch des Internets habe der Beklagte die Rechtsverletzung bewusst gefördert. Er wäre verpflichtet gewesen, darauf zu dringen, dass sich seine Tochter an derartigen Tauschbörsen nicht beteilige. Es wäre an ihm gelegen, von Anfang an entsprechende Schritte zu setzen, um eine Teilnahme an Tauschbörsen über seinen Internetanschluss zu verhindern. Besondere Umstände, die eine Wiederholungsgefahr beseitigten, lägen nicht vor. Die bloße Anweisung an die Tochter, das Programm zu löschen, reiche zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht aus, weil eine neuerliche Installation jederzeit möglich sei.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu Urheberrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Filesharing‑Systemen durch Minderjährige oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Der Beklagte hafte weder als unmittelbarer Täter noch als Gehilfe. Er habe weder tatbildmäßig gehandelt noch eine Rechtsverletzung des unmittelbaren Täters (seiner Tochter) bewusst gefördert. Dass es der Download eines Filesharing‑Systems und dessen Benutzung jedenfalls mit sich bringe, dass die heruntergeladenen Daten auch für andere Internet‑User zugänglich sein, könne nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Es sei daher dem Beklagten auch nicht als bewusste Förderung eines Eingriffs in fremde Urheberrechte oder als Verletzung seiner Prüfpflicht vorzuwerfen, wenn er es in Unkenntnis dessen vor Zugang des Schreibens vom 16. 1. 2007 unterlassen habe, den Computer auf das Vorhandensein eines Filesharing‑Systems zu überprüfen. Ein derartiges Tun oder Unterlassen sei ihm aber auch nach Zugang dieses Schreibens nicht vorzuwerfen, weil er sofort nach dessen Erhalt die Löschung der Filesharing‑Software veranlasst habe. Er sei daher auch danach nicht zum Gehilfen geworden. Die bloße Erlaubnis, den Computer zu benutzen, mache ihn nicht zum Gehilfen seiner Tochter.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Die Klägerin nimmt den Beklagten als Gehilfen eines Urheberrechtsverstoßes in Anspruch. Gehilfe eines urheberrechtlichen (wie auch wettbewerbsrechtlichen) Verstoßes ist derjenige, der den Täter bewusst fördert. Für seine Haftung reicht eine bloß adäquate Verursachung nicht aus, auch er muss sich rechtswidrig verhalten. Er muss den Sachverhalt kennen, der den Vorwurf gesetzwidrigen Verhaltens begründet (stRsp RIS‑Justiz RS0026577, RS0077158, RS0079462) oder muss zumindest eine diesbezügliche Prüfpflicht verletzen (4 Ob 140/06a; RIS‑Justiz RS0031329 [T8]). Die Prüfpflicht ist allerdings auf grobe und auffallende Verstöße beschränkt (4 Ob 50/07t = RIS‑Justiz RS0031329 [T10]). Die Rechtsprechung hält der Kenntnis der Tatumstände ein vorwerfbares Nichtkennen gleich (4 Ob 221/03h = MR 2004, 117 ‑ Weinatlas).
2. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten bei Anwendung dieser Grundsätze ein tatbestandsmäßiges Verhalten und eine bewusste Förderung des unmittelbaren Täters (hier seiner minderjährigen Tochter) bis zum Erhalt des Schreibens vom 16. 1. 2007 nicht vorgeworfen werden kann. Das bloße Zurverfügungstellen des Computers mit Internetzugang schuf zwar eine adäquate Ursache für die spätere Rechtsverletzung, der Beklagte musste aber mangels irgendwelcher Anhaltspunkte nicht damit rechnen, dass seine Tochter bei Nutzung des Internets in Urheber‑ und/oder Werknutzungsrecht eingreifen würde. Das Rekursgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Funktionsweise von Internettauschbörsen und Filesharing‑Systemen bei Erwachsenen nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können. Der Beklagte musste daher nicht wissen, dass die relevanten Daten über ein solches System auch für andere Internetnutzer zugänglich sein und damit unter Verletzung von Verwertungsrechten verbreitet werden können. Er war daher auch nicht verpflichtet, die Internetaktivitäten seiner Tochter von vornherein zu überwachen. Der Vorwurf der Klägerin, der Beklagte habe Handlungs‑ und Prüfpflichten bereits vor ihrem Aufforderungsschreiben vom 16. 1. 2007 verletzt, ist somit nicht berechtigt. Damit fehlen aber die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten als Gehilfen in Bezug auf den Verstoß seiner Tochter im November 2006.
3. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen, es bestehe auch nach ihrem Aufforderungsschreiben vom 16. 1. 2007 die Gefahr weiterer Eingriffe. Soweit sie damit die Wiederholungsgefahr in Bezug auf das Verhalten des Beklagten als Gehilfen anspricht, ist ihr entgegenzuhalten, dass insoweit ein Verstoß, der die Vermutung der Wiederholungsgefahr auslösen könnte, nicht vorliegt. Das gegen den Beklagten angestrengte Unterlassungsgebot beruhte auf dem Vorwurf bewusster Förderung der unmittelbaren Täterin durch Zurverfügungstellen des PC für den Internetzugang, wodurch diese im November 2006 eine Verletzungshandlung hatte begehen können. Eine derartige, die Gehilfenhaftung auslösende Förderung ist aber nach dem bisher Gesagten zu verneinen.
Soweit die Klägerin die Möglichkeit von Verletzungshandlungen durch die Tochter des Beklagten nach dem 16. 1. 2007 anspricht, unterstellt sie in Wahrheit ‑ bezogen auf den Beklagten ‑ eine Erstbegehungsgefahr. Ein darauf gestütztes Unterlassungsgebot setzt aber voraus, dass ein Zuwiderhandeln unmittelbar droht (RIS‑Justiz RS0037661; siehe ferner zu geringeren Anforderungen für die Beseitigung einer Erstbegehungsgefahr RIS‑Justiz RS0079944). Das ist nach den Ergebnissen des Bescheinigungsverfahrens nicht der Fall. Der Beklagte hat nämlich nach Erhalt des Aufforderungsschreibens vom 16. 1. 2007 für die Entfernung des Filesharing‑Systems gesorgt, indem er seine Tochter angewiesen hatte, das Programm zu löschen und sie dieser Aufforderung nachgekommen ist. Es wurde damit jenes Instrument beseitigt, das Voraussetzung weiterer Eingriffe in Verwertungsrechte sein könnte. Dass danach noch weitere Verstöße stattgefunden hätten, für die der Beklagte als Gehilfe einstehen müsste, hat die Klägerin nicht einmal behauptet.
Der Vorwurf der Klägerin, der Beklagte sei mit Zugang des Schreibens vom 16. 1. 2007 zum verantwortlichen Gehilfen geworden, übersieht diesen Umstand. Nach Erhalt dieses Schreibens könnte eine Haftung des Beklagten als Gehilfe nur dann in Frage kommen, wenn seine Tochter tatsächlich weitere Eingriffshandlungen gesetzt hätte oder solche - auch wegen des Verhaltens des Beklagten - unmittelbar drohten. Dies ist nach dem bescheinigten Sachverhalt aber nicht der Fall. Der Vorwurf, der Beklagte habe weitere Handlungen zur Vermeidung künftiger Eingriffe (wie etwa den Abschluss eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs oder die Untersagung der Internetverwendung) unterlassen und hafte deshalb als Gehilfe, vermag dem Unterlassungsbegehren der Sicherungswerberin nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Die im Rechtsmittel der Klägerin zitierte Rechtsprechung, wonach die Löschung einer beanstandeten Internetseite und die Kündigung des Telefonanschlussses nicht ausreicht, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (4 Ob 30/04x), ist im hier gegebenen Zusammenhang nicht einschlägig. Im Anlassfall geht es nämlich nicht um die Frage, ob die Beseitigung des Eingriffsgegenstands durch den unmittelbaren Täter die Gefahr eines neuerlichen Eingriffs beseitigt, wenn der Störer behauptet, zu den beanstandeten Handlungen berechtigt zu sein. Zu beurteilen ist vielmehr, ob vom Kläger als allfälligem Gehilfen eine Erstbegehungsgefahr ausgeht. Dies ist nach dem bescheinigten Sachverhalt nicht der Fall. Dass der Beklagte einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich nicht angeboten hat, schadet nicht, weil er keinen die Vermutung der Wiederholungsgefahr hervorrufenden Verstoß setzte, aber auch keinen Sachverhalt verwirklichte, der eine Erstbegehungsgefahr indizieren könnte. Er musste somit auch eine Vermutung der Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr nicht entkräften.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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