OGH 4Ob183/05y

OGH4Ob183/05y4.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Rosa Maria S***** , vertreten durch Dr. Christoph Haffner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen den Antragsgegner Ing. Friedrich S*****, vertreten durch Dr. Johannes Riedl, Rechtsanwalt in Haag, wegen nachehelicher Aufteilung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 8. Juli 2005, GZ 23 R 148/05w-23, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Waidhofen an der Ybbs vom 21. März 2005, GZ 1 C 7/04s-16, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberin verweist wiederholt auf den Verschuldensausspruch des Scheidungsurteils. Sie sei nach § 55 EheG schuldlos geschieden und habe Anspruch auf Beibehaltung ihrer bisherigen Wohnverhältnisse und somit auch auf Zuweisung der Ehewohnung, weil ihr Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB auch die Befriedigung des Wohnbedürfnisses umfasse.

Dem ist entgegenzuhalten, dass Unterhalt nach § 94 ABGB nur während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft in natura zu leisten ist. Nach Aufhebung der ehelichen Haushaltsgemeinschaft besteht grundsätzlich nur ein Geldunterhaltsanspruch (Schwimann/Schwimann ABGB³ § 94 Rz 65 mwN), es sei denn, der Unterhaltspflichtige erbringt freiwillig und im Einvernehmen mit dem Unterhaltsberechtigten Naturalleistungen. Die geschiedene Ehegattin hat keinen Anspruch auf Naturalleistungen. Die Aufwendungen zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses sind aus den Unterhaltsleistungen des Unterhaltspflichtigen respektive aus eigenem Einkommen der Unterhaltsberechtigten zu tragen.

Die nach dem Grundsatz der Billigkeit vorzunehmende Aufteilung hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn dargetan wird, dass die bekämpfte Entscheidung von allgemein maßgeblichen Umständen abgewichen ist und so den Ermessensspielraum überschritten hat oder ihr in anderer Weise eine krass fehlerhafte Ermessensausübung unterlaufen ist, die im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf (stRsp RIS-Justiz RS0113732; 3 Ob 30/03p).

Berücksichtigt man, dass die der Ehewohnung dienende Liegenschaft ausschließlich aus Mitteln des Antragsgegners finanziert wurde, die er zum größten Teil bereits in die Ehe eingebracht hatte (lediglich 640.000 S, das sind etwa 20 % des damaligen Kaufpreises, hat er während der Ehe aufgebracht) und dass die Antragstellerin dazu keinen finanziellen Beitrag geleistet hat, kann in der Zuweisung der Ehewohnung an den Antragsgegner, der auch Liegenschaftseigentümer ist, gegen eine Ausgleichszahlung keine auffallende Fehlbeurteilung erblickt werden. Wenngleich der Verschuldensausspruch im Ehescheidungsverfahren bei der Billigkeitsentscheidung nicht ohne Bedeutung ist, kann der Aufteilungswunsch des schuldlos Geschiedenen nur dann Berücksichtigung finden, wenn nicht Umstände des Einzelfalls eine andere Regelung billig erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0057753). Der Wunsch des schuldlos Geschiedenen darf nach ständiger Rechtsprechung nicht dazu führen, dass der schuldig geschiedene Ehegatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen unverhältnismäßig geringe Gegenleistung aufgeben müsste (9 Ob 182/98z, 7 Ob 52/04d jeweils RIS-Justiz RS0057387). Dass die Antragstellerin über keine zur Erbringung einer Ausgleichszahlung hinreichende und in angemessener Frist liquide Mittel verfügt, haben die Vorinstanzen festgestellt. Die Zuweisung der Ehewohnung an den Antragsgegner berücksichtigt im Übrigen auch den Grundsatz der Rechtsprechung, wonach die Aufteilung so durchzuführen ist, dass sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten nach der Aufteilung möglichst wenig berühren sollen. Auch insoweit steht die bekämpfte Entscheidung mit der Rechtsprechung in Einklang.

Dem (dringenden) Wohnbedürfnis des weichenden Ehegatten kann nicht nur durch Zuweisung der Ehewohnung, sondern auch durch eine der Billigkeit entsprechende Ausgleichszahlung Rechnung getragen werden. Davon abgesehen hat die Antragstellerin eine in ihrem Eigentum befindliche Wohnung wenige Tage vor Einbringung ihres Aufteilungsantrags vermietet. Dass die Vorinstanzen das dadurch hervorgerufene Wohnbedürfnis an der ehelichen Wohnung nicht zu Lasten des Antragsgegners berücksichtigt haben, ist mit den Grundsätzen der Billigkeit vereinbar.

Die Antragstellerin bekämpft auch die Höhe der Ausgleichszahlung. Sie meint, die Bemessung des angemessenen Ersatzes für die Aufgabe der Ehewohnung sei eine erhebliche Rechtsfrage. Die Vorinstanzen hätten den Verkehrswert der Liegenschaft zum Zeitpunkt der Aufteilung zugrunde legen müssen. Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht geltend gemacht. Die Bemessung der Ausgleichszahlung richtet sich stets nach den Umständen des konkreten Falls, denen - vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Das Ergebnis einer Billigkeitsentscheidung kann nur dann angefochten werden, wenn es außerhalb der Ober- und Untergrenzen liegt, die sich nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ergeben. Dabei wäre sogar eine unrichtig angewandte Ermittlungsart oder eine unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente solange zu vernachlässigen, als sich der ausgemittelte Ausgleichsbetrag innerhalb des erwähnten Spielraums bewegt (stRsp RIS-Justiz RS0108755).

Dies ist hier der Fall: Selbst bei Berücksichtigung einer Steigerung des Verkehrswerts der Liegenschaft bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz im Aufteilungsverfahren wäre zu bedenken, dass die Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befindet, ausschließlich aus Mitteln des Antragsgegners finanziert wurde, die er zum größten Teil bereits in die Ehe eingebracht hatte. Die Antragstellerin hat dazu finanziell nichts beigetragen. Die von ihr in die Ehe eingebrachten Mittel (wie auch die weiteren Mittel des Antragsgegners) dienten der gemeinsamen Haushaltsführung; sie unterstützte damit im Übrigen auch ihre Tochter aus erster Ehe. Ihr Beitrag zur Haushaltsführung ermöglichte es dem Antragsgegner jedoch, während der Ehe weitere 640.000 S (das sind etwa 20 %) für den Ankauf der Liegenschaft aufzubringen. Bei der Bemessung der Ausgleichszahlung könnte daher aus Billigkeitsüberlegungen eine Steigerung des Verkehrswerts der Liegenschaft im Ausmaß dieser 20 % berücksichtigt werden. Ein sich daraus ergebender - dem Beitrag der Antragstellerin an der Werterhöhung von 50 % entsprechender - Betrag fände auch dann in der zugesprochenen Ausgleichszahlung Deckung, wenn die Liegenschaft während aufrechter Ehe (unrealistischerweise) eine Wertsteigerung um 1 Mio S erfahren hätte. Eine grob unrichtige Ermessensausübung der zweiten Instanz, die eine Befassung des Obersten Gerichtshofs in der Sache erforderte, ist daher nicht zu erkennen.

Dass die Vorinstanzen die dem Antragsgegner zustehenden Fruchtgenussrechte an Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteilen nicht berücksichtigt haben, steht mit dem Grundsatz in Einklang, dass von den Ehegatten eingebrachte Vermögenswerte der Aufteilung nicht unterliegen.

Die von den Vorinstanzen unter Billigkeitserwägungen vorgenommene Aufteilung bewegt sich in dem zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum. Ob auch eine andere Entscheidung (etwa die Einräumung eines lebenslänglichen Wohnrechts mit oder ohne Entgelt) rechtlich möglich und billig gewesen wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Mangels erheblicher Rechtsfragen war das außerordentliche Rechtsmittel zurückzuweisen.

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