European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00018.23K.0531.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Nachdem seine Klage rechtskräftig abgewiesen worden war, beantragte der klagende Rechtsanwalt, das Verfahren infolge fehlender Parteifähigkeit der Erstbeklagten für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen.
[2] Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Den daraufhin vom Kläger eingebrachten „Rekurs gemäß § 519 ZPO (analog) an den Obersten Gerichtshof“ wies das Erstgericht als unzulässig zurück. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Revisionsrekurs in Ermangelung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung „zur Gleichstellung der Abweisung eines Antrags auf Nichtigerklärung des Verfahrens mit der Zurückweisung einer (Nichtigkeits-)Klage aus formellen Gründen und damit zur Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO im Falle zweier gleichlautender Entscheidungen über einen solchen Antrag“ zulässig sei.
[3] Der Kläger macht mit seinem Revisionsrekurs im Wesentlichen geltend, das Urteil des Erstgerichts sei am 29. 6. 2021 ergangen, die Zweitbeklagte (gemeint wohl die Erstbeklagte) habe sich am 20. 8. 2021 löschen lassen. Die Löschung einer Verfahrenspartei sei von amtswegen wahrzunehmen und das laufende Verfahren für nichtig zu erklären. Daher reiche jederzeit ein Antrag, diese Nichtigerklärung zu verlangen. Der Kläger habe analog zu § 534 Abs 2 Z 1 ZPO einen solchen Antrag gestellt und analog zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO Revisionsrekurs erhoben, weil ihm der Rechtsweg zur Nichtigerklärung verwehrt werden solle. Die Zurückweisung von Klagen könne immer entgegen § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nach § 519 ZPO beim Obersten Gerichtshof angefochten werden.
Rechtliche Beurteilung
[4] Damit zeigt der Kläger keine erheblichen Rechtsfragen auf. Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig und somit zurückzuweisen.
[5] 1.1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656).
[6] 1.2. Hat das Rekursgericht den angefochtenen erstrichterlichen Beschluss zur Gänze bestätigt, ist jeglicher Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Ausnahmefall dieser Gesetzesstelle (nämlich Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen) nicht vorliegt (RS0112314).
[7] 1.3. Wohl bezeichnet der JAB (991 BlgNR 17. GP zu § 528 ZPO) die in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO idF der WGN 1989 von der Unanfechtbarkeit ausgenommenen Beschlüsse als jene, „durch die der Rechtsschutzanspruch überhaupt verneint wird“; er meint damit aber nur formalrechtlich begründete Klagezurückweisungen (vgl RS0044487).
[8] 1.4. Auch wenn nach der Rechtsprechung auch andere Entscheidungen wie Klagszurückweisungen ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO) behandelt werden, so muss es sich dabei doch um solche handeln, die im Ergebnis auf eine endgültige Verweigerung der Sachentscheidung über das Rechtsschutzbegehren hinauslaufen (vgl RS0105321 mwN; RS0044536 [insb T8] mwN).
[9] 1.5. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Es wurde keine Sachentscheidung verweigert. Im Gegenteil, die Sachentscheidung wurde – wenn auch nicht im Sinne des Klägers – getroffen: Der Antrag auf Nichtigerklärung des Verfahrens wurde abgewiesen.
[10] 2.1. Die Rechtsprechung bejaht die Zulässigkeit des Vollrekurses analog § 519 Abs 1 Z 1 Fall 1 ZPO dann, wenn das Rekursgericht erstmals einen Nichtigkeitsgrund aufgreift und aus diesem Grund die Klage zurückweist. Argumentiert wird damit, dass das Rekursgericht erstmals über den Zurückweisungsgrund entscheidet. Der Vollrekurs nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO kommt nur in Betracht, wenn sich das Berufungsgericht mit dem zur Klagezurückweisung führenden Nichtigkeitsgrund erstmals auseinandergesetzt hat. War das (behauptete) Prozesshindernis aber bereits Gegenstand des Verfahrens erster Instanz und der erstgerichtlichen Entscheidung, so unterliegt ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof den Beschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO (RS0116348). Die eine Analogie tragende Wertung liegt daher darin, dass eine aus formellen Gründen erfolgende Verweigerung der Sachentscheidung zumindest von zwei Instanzen geprüft werden muss.
[11] 2.2. Im vorliegenden Fall, in dem sowohl in erster als auch in zweiter Instanz die Gerichte meritorisch über das Rechtsschutzbegehren entschieden haben und es sich um keinen Zurückweisungs- bzw Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts handelt, kommt diese Analogie gemäß der dargelegten Rechtsprechung nicht zum Tragen. Das Rekursgericht hat daher vertretbar die vom Rechtsmittelwerber geforderte analoge Anwendung des § 519 ZPO auf die vorliegende Konstellation verneint.
[12] 3. Soweit der Revisionsrekurswerber Kostenentscheidungen – in Beschlüssen des Rekursgerichts, die gar nicht Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens sind – bekämpft, genügt ein Verweis auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO (Unzulässigkeit des Revisionsrekurses über den Kostenpunkt).
[13] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf §§ 40, 50 ZPO.
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