OGH 4Ob177/08w

OGH4Ob177/08w18.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch e|n|w|c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.500 EUR), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 25. August 2008, GZ 1 R 97/08b, 133/08x-15, mit dem a) der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 29. April 2008, GZ 3 Cg 74/08a-2, und b) der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 27. Mai 2008, GZ 3 Cg 74/08a-7, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Rekursgericht gab keinem der beiden Rekurse Folge. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. I. Zur Bestätigung der Zurückweisung des Widerspruchs

Das Erstgericht wies den Widerspruch der Beklagten gegen die einstweilige Verfügung aus formellen Gründen zurück. Vor Ergehen dieses Beschlusses hatte es der Klägerin mit Beschluss vom 19. 5. 2008 die Möglichkeit eingeräumt, binnen fünf Tagen „allfällige Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Widerspruchs" zu erheben. Solche „Einwendungen zum Widerspruch der beklagten Partei" wurden in der Folge - noch vor Ergehen des Beschlusses auf Zurückweisung des Widerspruchs - erstattet.

Das Rekursgericht bestätigte die Zurückweisung mit der Begründung, das Erstgericht habe der Beklagten eine Äußerungsmöglichkeit zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung eingeräumt. Ihr stehe somit kein Widerspruchsrecht gemäß § 397 Abs 1 EO zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist insofern nicht jedenfalls unzulässig:

1.1. Mit der Zurückweisung des Widerspruchs aus formellen Gründen und deren Bestätigung wurden zwar keine Sachentscheidungen über den Widerspruch getroffen, dennoch ist hier aber die in § 402 Abs 1 Satz 2 EO normierte Ausnahme von der absoluten Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO anzuwenden, wurde doch der Widerspruchsgegner vor Ergehen des Zurückweisungsbeschlusses angehört (vgl 1 Ob 226/02w [Bestätigung der Zurückweisung eines Sicherungsantrags]; im Ergebnis wohl ebenso E. Kodek in Angst² § 402 Rz 17). Die Entscheidung 4 Ob 318/99i ist nicht gegenteilig, weil sich aus deren Gründen nicht ergibt, ob die dort beurteilte Bestätigung der Zurückweisung eines Widerspruchs aus formellen Gründen einen Beschluss betraf, den das Erstgericht ohne oder nach vorangegangener Anhörung des Widerspruchsgegners erlassen hatte. Soweit sich E. Kodek (aaO) auch auf letztere Entscheidung beruft, kann das im Kontext mit seinen sonstigen Ausführungen an der zitierten Stelle nur im Sinn der eingangs referierten Leitlinie verstanden werden.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung wird eine durch postamtliche Hinterlegung erfolgte Zustellung einer Sendung an den Zustellempfänger gemäß § 17 Abs 3 ZustG an dem innerhalb der vierzehntägigen Abholfrist gelegenen Tag wirksam, an dem der Zustellempfänger die hinterlegte Sendung nach seiner Rückkehr an die Abgabestelle hätte beheben können, sofern ihm für die Behebung noch ein voller Tag zur Verfügung steht (RIS-Justiz RS0083966).

1.3. Die Auffassung des Rekursgerichts, die Rückkehr des bei Beginn der Abholfrist am 17. 4. 2008 ortsabwesenden Geschäftsführers der Beklagten an die Abgabestelle am 21. 4. 2008 habe bewirkt, dass die Zustellung des hinterlegten Sicherungsantrags iVm mit der Aufforderung zur Äußerung binnen sieben Tagen am 22. 4. 2008 wirksam geworden sei, entspricht somit ebenso den Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung wie die Ansicht, dass einer Partei dann kein Widerspruchsrecht zustehe, wenn ihr eine Äußerungsmöglichkeit zum Sicherungsantrag eingeräumt wurde (RIS-Justiz RS0002100).

II. Zur Bestätigung der einstweiligen Verfügung

1.1. Die Beklagte macht erstmals in dritter Instanz geltend, es sei die einstweilige Verfügung bereits am letzten Tag der eingeräumten Äußerungsfrist erlassen worden. Diese Tatsache bewirkt - nach den tieferstehenden Gründen - jedenfalls keine Nichtigkeit.

1.2. Aus § 397 Abs 1 EO - wie überdies auch aus § 402 Abs 4 iVm § 3 Abs 2 EO - ergibt sich, dass über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich ohne vorangegangene Anhörung des Gegners zu entscheiden ist. Unterbleibt somit eine Aufforderung des Antragsgegners, sich zum Sicherungsantrag zu äußern, so verwirklicht das keine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, steht Letzterem doch in diesem Fall der Widerspruch nach § 397 EO zu (RIS-Justiz RS0005878 [T1]; zuletzt 6 Ob 99/06m in RIS-Justiz RS0005557 [T4]).

1.3. Richtig ist, dass die einstweilige Verfügung hier bereits am letzten Tag der Äußerungsfrist (29. 4. 2008) - gerechnet ab dem Zeitpunkt, an dem die Zustellung der Aufforderung zur Äußerung binnen sieben Tagen nach den Erwägungen unter I.1.2. und I.1.3. wirksam geworden war - erlassen wurde. Die eingeräumte Äußerungsfrist wurde somit faktisch verkürzt. Darin ist - vor dem Hintergrund der Ausführungen unter II.1.2. - keine mit Nichtigkeit sanktionierte Verletzung des Gebots auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu erblicken.

1.4. Die faktische Verkürzung der eingeräumten Äußerungsfrist durch die - nach den besonderen Umständen dieses Falls - verfrühte Entscheidung über den Sicherungsantrag könnte indes einen wesentlichen Verfahrensmangel bilden. Das muss hier jedoch deshalb nicht geklärt werden, weil die Beklagte den erörterten Umstand in zweiter Instanz nicht als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügte, kann doch eine in zweiter Instanz versäumte Verfahrensrüge in dritter Instanz nicht mehr erfolgreich nachgeholt werden (RIS-Justiz RS0043111 [T24]; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 34, 121, § 520 ZPO Rz 31 mwN).

2.1. Ob Angaben zur Irreführung geeignet sind, ist sowohl nach der Rechtslage vor als auch aufgrund jener nach der UWG-Novelle 2007 vom Gesamteindruck der Werbung abhängig (RIS-Justiz RS0078524 [zum alten und neuen Recht], RS0043590 [T28, T36, T39, T40, T46, T49 - zum alten und neuen Recht]). Ob eine Ankündigung im Einzelfall zur Irreführung geeignet ist, wirft - abgesehen von krassen Entscheidungsfehlern - keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS-Justiz RS0053112).

2.2. Das Rekursgericht qualifizierte die Ankündigung der Beklagten „Unsere Tarife sind nachweislich günstiger als jene der Konkurrenten, woraus sich nur Vorteile für den Kunden ergeben, niemals aber eine Schädigung" als irreführend, weil sie nach ihrem Gesamteindruck von einem durchschnittlichen Telefonkunden dahin verstanden werde, sämtliche Tarife der Beklagten seien günstiger als jene der Mitbewerber; Letzteres treffe jedoch nicht zu. Damit wurden die Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung - zumindest ohne Vorliegen einer gravierenden Fehlbeurteilung - auf den Einzelfall angewendet.

Die Auffassung der Beklagten, die beanstandete Ankündigung sei „im Gesamtverhältnis" zu sehen, sie sei - gemessen an der „überwiegenden Anzahl" der einzelnen Tarife - auch richtig, berücksichtigt weder den Gesamteindruck der Aussage, noch den Umstand, dass sich der angestellte Günstigkeitsvergleich gerade nicht auf bestimmte Tarifangebote bezieht.

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