OGH 4Ob172/04d

OGH4Ob172/04d18.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Martin A*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 6.540,56 EUR sA und Feststellung (Streitwert 700 EUR), über die Revision und den Rekurs der klagenden Partei gegen die Entscheidung des Landesgerichts Innsbruck vom 21. April 2004, GZ 2 R 528/03s-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 8. Oktober 2003, GZ 12 C 93/99x-9, mit der "Maßgabe" bestätigt wurde, "dass das Zwischenfeststellungsbegehren der klagenden Partei zurückgewiesen wird", in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 499,39 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 83,23 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. den Beschluss

gefasst:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 199,87 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 33,31 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt Schulen für Naturheilverfahren. Der Beklagte hat am 11. 4. 1996 in Innsbruck einen "Zulassungsantrag" zur Ausbildung zum Heilpraktiker "Kollegstufe I" und "Kollegstufe II" unterfertigt. Am selben Tag hat er eine Zusatzvereinbarung unterschrieben, wonach er mit dem Vertrag die "Videos R2" gratis bis auf die Kosten des Versands erhalten werde. Dass der Beklagte weitere Zusatzvereinbarungen getroffen hätte, steht nicht fest. Für die Ausbildung "Kollegstufe I" hat der Beklagte einen Wochenendlehrgang gewählt, der wie folgt beschrieben wird:

"51 Seminartage à 6 UStd. (je 45 Min.), samstags von 9.00 bis 14.00 Uhr, 20 Seminartage im Centralsymposium, sowie Überlassung des kompletten Video-Lehrprogrammes (siehe Vollzeitstudium). Regelstudiendauer 20 Monate."

Für die "Kollegstufe II" hat sich der Beklagte für ein "Wochenendseminar mit Assistenzpraktikum" entschieden. Nach der Beschreibung soll das Seminar '23 Sonntagsseminare ... und 29 Assistenzpraktika-Abende à 3 UStd." umfassen.

Der Beklagte hat insgesamt 10 Raten zu 3.000 S an die Klägerin gezahlt. Weitere Zahlungen sind nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 10. 3. 1999 hat der Beklagtenvertreter dem Klagevertreter mitgeteilt, dass sein Mandant den Rücktritt "von einem allenfalls mit Ihrer Mandantschaft gültig zustande gekommenen Ausbildungsvertrag nach dem Haustürwiderrufsgesetz, dem KSchG, wegen Dissens und mangels Annahme des Zulassungsantrags innerhalb einer angemessenen Frist gemäß § 862a ABGB" erkläre.

In der von der Klägerin verbreiteten Broschüre "Studieninformation Heilpraktiker/in" heißt es ua:

"Bis 1948 regelte das Heilpraktikergesetz von 1939 die Tätigkeit von Heilpraktikern auch in Österreich, seither erschweren Ärztegesetz und Scharlatanerieparagraph des Strafgesetzbuches die Ausübung des Berufes, sie gestatten die Betätigung nur, so lange nicht ein größerer Personenkreis behandelt wird. So arbeiten derzeit Österreichs Heilpraktiker unter Ausnutzung des beschränkten gesetzlichen Spielraumes, in der Regel unter verständnisvoller behördlicher Duldung, mitunter auch verdeckt, aber wirkungsvoll im Rahmen anderer Berufsbezeichnungen des Gesundheitswesens oder - seit dem EU-Beitritt Österreichs - mit in Deutschland erworbener Lizenz, von grenznahen Orten auf deutschem Boden aus...".

Als Kursorte in Österreich sind in dieser Broschüre die Städte Bludenz, Innsbruck, Salzburg, Linz, Wien, Graz und Klagenfurt angegeben, wobei Wien und Innsbruck als Standort für Wochenend-, Abend- und Vollzeitkurse und die übrigen Städte lediglich als Standort für Wochenend- und Abendkurse genannt sind. In einem weiteren Prospekt weist die Klägerin darauf hin, dass sie in Wien, Innsbruck, Linz, Klagenfurt, Graz, Salzburg/Freilassung und Bregenz/Lindau Ausbildungszentren für künftige Heilpraktiker eingerichtet hat.

In einem Informationsblatt wies die Klägerin im August 1996 darauf hin, dass das Ausbildungsvorbehaltsgesetz ein wirkungsloses Spezialgesetz sei, die Klägerin die Ausbildung vertragsgemäß weiterführen und sich noch mehr als bislang für freiheitlichere Lösungen in der österreichischen Medizin engagieren werde. Sie sei zusammen mit dem renommierten Wiener Rechtsanwalt Dr. Michael Graff der Auffassung, dass dieses "widerliche Manöver" (Ausbildungsvorbehaltsgesetz) lediglich zur Interessenwahrung des etablierten Medizin- bzw Pharmakartells geplant sei und auch aus europarechtlichen Gründen wirkungslos bleiben werde. Die Klägerin betreibe in Wien die exemplarische Gewerbeanmeldung zum "Naturpraktiker" und glaube, dass sie alle Aussicht habe, dieses Berufsbild zum Erfolg zu bringen.

Die Klägerin begehrt 6.540,56 EUR sA und stellt den Zwischenantrag auf Feststellung, dass das Ausbildungsvorbehaltsgesetz BGBl 1996/378 auf den zwischen den Streitteilen am 11. 4. 1996 abgeschlossenen Vertrag nicht anzuwenden sei und im Übrigen die Modalitäten der von der Klägerin angebotenen Ausbildung in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck vermittelten, dass der Beruf des Heilpraktikers in Österreich nunmehr zulässig sei, so dass auch aus diesem Grund das Ausbildungsvorbehaltsgesetz BGBl 1996/378 nicht auf den vorliegenden Vertrag und die von der Klägerin mit österreichischen Schulen (Kunden) geschlossenen Verträge anzuwenden sei und daher der erwähnte zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag rechtswirksam, jedenfalls nicht mit Nichtigkeit behaftet sei. Die erste Rate des mit 90.000 S vereinbarten Ausbildungsentgelts sei mit Beginn der Ausbildung, somit am 4. 5. 1996, fällig gewesen; die weiteren Raten von je 3.000 S für die Monate Juni 1996 bis Oktober 1998 spätestens zum 15. eines jeden Folgemonats. Die Reichweite der mit Zwischenantrag begehrten Feststellung gehe über den konkreten Rechtsstreit hinaus und sei auch für die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell. Der Beklagte könne möglicherweise von ihm geleistete Zahlungen zurückfordern. Das Ausbildungsvorbehaltsgesetz sei nicht anzuwenden, weil die Modalitäten der Wissensvermittlung und Ausbildung keinesfalls geeignet seien, den Eindruck zu vermitteln, dass die Berufsausübung in Österreich zulässig sei. Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen und den Zwischenantrag auf Feststellung zurückzuweisen. Er habe keinen Ausbildungsvertrag geschlossen, sondern nur einen Zulassungsantrag unterfertigt. Die Klägerin habe den Zulassungsantrag nicht angenommen. Sie habe ihn nicht über das Verbot der Berufsausübung in Österreich aufgeklärt. Hätte der Beklagte vom Verbot gewusst, so hätte er den Zulassungsantrag niemals unterfertigt. Der Beklagte fechte den Vertrag wegen Irrtums an. Die von der Klägerin angebotene Ausbildung sei nach dem Ausbildungsvorbehaltsgesetz verboten; für eine verbotene Leistung könne kein Entgelt verlangt werden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren und den Zwischenantrag auf Feststellung ab. Nach dem Urteil des EuGH vom 11. 7. 2002 hindere das Gemeinschaftsrecht einen Mitgliedstaat nicht daran, die Tätigkeit des Heilpraktikers den Ärzten und die Ausbildung dazu bestimmten Einrichtungen vorzubehalten. Ein dazu geeignetes Mittel sei das Verbot der Ausbildung für die Tätigkeit des Heilpraktikers. Die Wirksamkeit des Verbots könne nur durch solche Modalitäten der Ausbildung beeinträchtigt werden, die geeignet sind, in der Öffentlichkeit Unklarheit darüber entstehen zu lassen, ob die von dieser Ausbildung betroffene Tätigkeit im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem die Ausbildung stattfindet, rechtmäßig als Beruf ausgeübt werden kann. Die von der Klägerin verwendeten Formulierungen seien tatsächlich geeignet, in der Öffentlichkeit Unklarheit darüber entstehen zu lassen, ob die Tätigkeit eines Heilpraktikers in Österreich ausgeübt werden kann. In diesem Sinn habe auch der Oberste Gerichtshof zu 8 Ob 174/02z entschieden. Da der Vertrag gegen das Ausbildungsvorbehaltsgesetz verstoße, sei er nichtig. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen. Aus diesem Grund sei auch der Zwischenantrag auf Feststellung abzuweisen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, bestätigte das Urteil des Erstgerichts mit der "Maßgabe ..., dass das Zwischenfeststellungsbegehren der klagenden Partei zurückgewiesen wird" und sprach - aufgrund eines Antrags nach § 508 ZPO - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe bereits mehrfach die Notwendigkeit der zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Ausbildungsvertrags zwecks Absicherung des Berufsverbots für Heilpraktiker bejaht. Das Berufungsgericht sehe keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Die Ausführungen der Klägerin in der Informationsbroschüre seien jedenfalls geeignet, in der Öffentlichkeit Unklarheit hervorzurufen, ob der Heilpraktikerberuf erlaubt sei. Der Ausbildungsvertrag sei ein Dauerschuldverhältnis, das zwar zu Beginn wirksam gewesen sein möge, mit dem Inkrafttreten des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes am 1. 8. 1996 aber absolut nichtig geworden sei. Offen seien ausschließlich Raten, die nach diesem Zeitpunkt fällig geworden seien. Der Zwischenantrag auf Feststellung sei unzulässig, da seine Bedeutung über den konkreten Rechtsstreit nicht hinausreiche. Ob das Ausbildungsvorbehaltsgesetz auch auf von der Klägerin mit anderen Schülern abgeschlossene Verträge anzuwenden sei, könne nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens zwischen den Parteien sein. Ob die Modalitäten der von der Klägerin angebotenen Ausbildung in der Öffentlichkeit (nicht) den Eindruck vermitteln, dass der Beruf des Heilpraktikers in Österreich nunmehr zulässig sei, betreffe nicht die Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines Rechts (Rechtsverhältnisses).

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob eine Rechtsänderung während der Laufzeit eines Ausbildungsvertrags zu beachten ist; die Revision ist aber nicht berechtigt. Der Rekurs ist gemäß dem analog anzuwenden § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zwar zulässig (4 Ob 1/92 = ÖBl 1992, 160 - Fernsehwoche; 7 Ob 503, 504, 1606/96 [insoweit von der Veröffentlichung in ZIK 1997, 67 nicht erfasst]; Kodek in Rechberger, ZPO² § 519 Rz 3, jeweils mwN); der Klägerin fehlt aber insoweit die Beschwer.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision

Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte, sofern die Übergangsvorschriften nichts Gegenteiliges bestimmen, keinen Einfluss. Einmalige Handlungen und Zustände, aber auch mehrgliederige und dauernde Sachverhalte, die zur Gänze in die Geltungszeit eines Gesetzes fallen, sind nach diesem Gesetz zu beurteilen. Andernfalls gelten für den Dauersachverhalt die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes ab seinem Inkrafttreten (F. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 5 Rz 1; s auch 1 Ob 544/89 = SZ 62/34; 10 ObS 151/93 = SZ 66/135). Nach dem zwischen den Streitteilen zustande gekommenen Ausbildungsvertrag waren die Leistungen beider Teile über einen längeren Zeitraum hinweg zu erbringen, wobei der weitaus überwiegende Teil der Leistungen in die Zeit nach Inkrafttreten des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes am 1. 8. 1996 fällt. Es liegt daher im Sinne der oben wiedergegebenen Lehre und Rechtsprechung ein Dauertatbestand vor, auf den das Ausbildungsvorbehaltsgesetz anzuwenden ist.

Die neuere Lehre kritisiert, dass die vom Begriff der "Nichtrückwirkung" ausgehenden deduktiven Systeme und die Formalkriterien wie "Dauertatbestand" der Notwendigkeit wertenden Denkens in der Rechtswissenschaft im Allgemeinen und bei der Konkretisierung der intertemporalen Blankettnorm des § 5 ABGB im Besonderen nicht Rechnung tragen. § 5 ABGB könne aber auch nicht als bloße Aufforderung zur Interessenabwägung im Einzelfall verstanden werden, sondern das intertemporale Kollisionsproblem sei auf der Basis einschlägiger Prinzipien und Wertungen der Rechtsordnung zu lösen (Vonkilch, Das Intertemporale Privatrecht 104 f). Vonkilch (aaO 106 ff) nennt in diesem Zusammenhang den Vertrauensschutz, die Sicherheit und Einfachheit des Rechtsverkehrs und die umfassende Durchsetzung neuer Wertentscheidungen durch den Gesetzgeber. Der Vertrauensschutz ist auch das wesentliche Argument, mit dem sich die Klägerin gegen die Anwendung des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes auf den vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossenen Ausbildungsvertrag wendet. Vertrauensschutz setzt aber voraus, dass das Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage schutzwürdig ist (Vonkilch aaO 116). Stellt man die Rechtslage vor Inkrafttreten des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes jener nach seinem Inkrafttreten gegenüber, so besteht die Änderung darin, dass - bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes - nunmehr die Ausbildung zum Heilpraktiker verboten ist, wenn die Modalitäten der Ausbildung in der Öffentlichkeit Unklarheit über die Erlaubtheit der Berufsausübung in Österreich hervorrufen. Ein Vertrauen der Klägerin auf die Wirksamkeit von Ausbildungsverträgen, über deren Nutzlosigkeit für eine Berufsausübung in Österreich die Interessenten im Unklaren gelassen werden, ist nicht schutzwürdig.

Die Sicherheit und Einfachheit des Rechtsverkehrs spricht bei der Abgrenzung von altem und neuem Recht für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des neuen Rechts. Damit wird verhindert, dass längere Zeit hindurch auf gleichartige Tatbestände je nach dem Zeitpunkt ihrer Verwirklichung verschiedene Gesetze angewendet werden (Vonkilch aaO 118 mwN). Stellte man, wie die Klägerin begehrt, auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab, so wären die vor dem 1. 8. 1996 abgeschlossenen Ausbildungsverträge anders als die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge zu beurteilen, obwohl - wie aufgrund des hier verfahrensgegenständlichen Vertrags - die Teilnehmer gleichzeitig ausgebildet werden.

Für eine Anwendung des neuen Rechts spricht auch der Grundsatz umfassender Durchsetzung neuer Wertentscheidungen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber wollte mit dem Ausbildungsvorbehaltsgesetz aus Gründen des Gesundheitsschutzes und aus konsumentenschutzpolitischen Gründen den Aktivitäten von Instituten entgegenwirken, die in Österreich "Heilpraktikerausbildungen" anbieten (150 BlgNr 20. GP 13, 24). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn das Gesetz auch die bereits laufenden Ausbildungen unabhängig davon erfasst, wann der jeweilige Ausbildungsvertrag abgeschlossen wurde.

Das Ausbildungsvorbehaltsgesetz behält (ua) die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch das Ärztegesetz geregelt sind, ausschließlich den nach diesem Bundesgesetz dafür vorgesehenen Einrichtungen vor. Das Anbieten oder Vermitteln solcher Ausbildungen durch andere Personen oder Einrichtungen ist verboten (§ 1 Abs 1 AusbVG). Der Normzweck des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes erfordert, wie der Oberste Gerichtshof in der die Vorentscheidung des EuGH vom 11. 7. 2002, C-294/00 , umsetzenden Entscheidung 8 Ob 174/02z (= wbl 2003/226) ausgesprochen hat, die Nichtigkeit von Verträgen über die Ausbildung zum Heilpraktiker, wenn - wie in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall - die Modalitäten der Organisation der Ausbildung geeignet sind, in der Öffentlichkeit Unklarheit darüber entstehen zu lassen, ob der Beruf des Heilpraktikers im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem die Ausbildung stattfindet, rechtmäßig ausgeübt werden kann. Die Entscheidung 4 Ob 158/03v (= EvBl 2004/18) folgt dieser Rechtsprechung. An ihr ist auch für den vorliegenden Fall festzuhalten; die Einwendungen der Klägerin überzeugen nicht:

Die im Ausbildungsvorbehaltsgesetz angedrohte Verwaltungsstrafe ist kein Indiz gegen die vom Gesetzgeber gewollte Nichtigkeit. Eine vom Gesetzgeber angedrohte Strafe ist nur für die Frage von Bedeutung, ob aus einem Gesetz, das ein Verhalten nicht ausdrücklich verbietet, ein Verbot abgeleitet werden kann (Iro, Zivilrechtliche Probleme bei Verträgen mit Schwarzarbeitern, JBl 1987, 1 [6], wonach die primäre Frage, ob ein Verbot vorliegt, aus der betreffenden Norm im Zusammenhang mit eventuellen Strafbestimmung zu beantworten ist). Steht fest, dass ein bestimmtes Verhalten verboten ist (s § 1 Abs 1 letzter Satz AusbVG: Das Anbieten oder Vermitteln solcher Ausbildungen durch andere Personen oder Einrichtungen ist verboten), dann ist zu prüfen, ob der Zweck der Norm die Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB erfordert. Dass der Zweck des § 1 AusbVG, insbesondere die Sicherung des Niveaus der österreichischen Gesundheitsversorgung im Interesse der Allgemeinheit, die Nichtigkeit verbotswidriger Vereinbarungen erfordert, legt die Entscheidung 8 Ob 174/02x unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien (150 BlgNR 20. GP 24) ausführlich dar. Die Entscheidung verweist auch auf die konsumentenschutzpolitischen Gründe, die den Gesetzgeber zur Erlassung des Verbots bewogen haben. Damit ist das Argument der Klägerin und der von ihr zitierten Autorin (Laimer, Vertragsnichtigkeit wegen Verstoßes gegen das Ausbildungsvorbehaltsgesetz? wbl 2003, 361 [363]) entkräftet, die Einseitigkeit des (nur an den Ausbildner gerichteten) Verbots spreche gegen die Nichtigkeit des Ausbildungsvertrags. Das weitere Argument, das Verbot sei überschießend, weil Ausbildungswilligen die Möglichkeit genommen werde, sich für eine Tätigkeit in Deutschland oder in anderen Mitgliedstaaten ausbilden zu lassen, ist schon deshalb unberechtigt, weil die Klägerin durch eine entsprechende Organisation ihrer Ausbildung Unklarheit darüber vermeiden kann, ob der Beruf des Heilpraktikers in Österreich rechtmäßig ausgeübt werden kann. Kann keine Unklarheit entstehen, so ist der Ausbildungsvertrag gültig, weil das gemeinschaftsrechtskonform ausgelegte Ausbildungsvorbehaltsgesetz derartige Ausbildungen nicht erfasst. Die Revision musste erfolglos bleiben.

2. Zum Rekurs

Vorausgeschickt sei, dass sich das Gericht zweiter Instanz bei Fassung des Spruchs, soweit es das angefochtene Urteil "mit der Maßgabe" bestätigte, dass der Zwischenfeststellungsantrag der Klägerin zurückgewiesen werde, im Ausdruck vergriffen und in Widerspruch zur Begründung seiner Entscheidung gesetzt hat. Es hat nämlich zutreffend erkannt, dass das Erstgericht wegen mangelnder Berechtigung des Begehrens zu einer Abweisung gelangt ist; die in Wahrheit vorliegende Unzulässigkeit des Antrags sei in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, "weshalb in Abänderung des angefochtenen Urteils der Zwischenfeststellungsantrag der Klägerin zurückzuweisen war". Richtigerweise hätte das Berufungsgericht bei dieser Rechtsauffassung aus Anlass des gegen die Entscheidung über den Zwischenantrag erhobenen Rechtsmittels das Urteil insoweit (als nichtig) aufzuheben und den Zwischenantrag zurückzuweisen gehabt. Gegenstand eines Zwischenantrags auf Feststellung kann nur ein zum Zeitpunkt der Entscheidung noch streitiges und für die Entscheidung in der Hauptsache präjudizielles Rechtsverhältnis oder Recht sein; die Bedeutung der begehrten Feststellung muss über den konkreten Rechtsstreit hinausreichen (Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO² § 236 Rz 3 ff mwN). Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass die Frage der Rechtswirksamkeit des Ausbildungsvertrags Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrags sein kann und dass die Bedeutung der Entscheidung insoweit auch über den Rechtsstreit hinausreicht. Ob der Ausbildungsvertrag nichtig ist, ist auch für ein allfälliges Rückzahlungsbegehren des Beklagten präjudiziell. Das Berufungsgericht hätte daher - gleich dem Erstgericht - sachlich über den Zwischenantrag zu entscheiden gehabt.

Die Klägerin ist jedoch durch die ihren Zwischenfeststellungsantrag auch insoweit zurückweisende Entscheidung der zweiten Instanz nicht mehr beschwert. Durch die nun erfolgte Bestätigung der Entscheidung über das Zahlungsbegehren ist nämlich die Präjudizialität des Zwischenfeststellungsantrags weggefallen; der - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende - Wegfall der Präjudizialität müsste, würde die angefochtene Entscheidung insoweit aufgehoben und dem Berufungsgericht im Sinne des oben Gesagten aufgetragen, über die Berufung gegen die Abweisung des Zwischenfeststellungsantrags in diesem Umfang erneut zu entscheiden, zu einer Zurückweisung des Zwischenfeststellungsantrags durch das Berufungsgericht führen (s 4 Ob 46/98p = EvBl 1998/126). Für die Klägerin wäre damit nichts gewonnen.

Die mangelnde Beschwer führt zur Zurückweisung des Rechtsmittels (Kodek in Rechberger, ZPO² vor § 461 Rz 9 mwN). Gemäß § 50 Abs 2 ZPO ist in einem solchen Fall die Kostenentscheidung so zu treffen, als wäre die Beschwer nicht weggefallen.

Wäre über die Berufung gegen die Abweisung des Zwischenfeststellungsantrags im Umfang der Nichtigkeit des Ausbildungsvertrags in der Sache zu entscheiden, so wäre die erstgerichtliche Entscheidung zu bestätigen. Wie oben dargelegt, ist der Ausbildungsvertrag nichtig; der Antrag festzustellen, dass der Vertrag rechtswirksam, jedenfalls nicht mit Nichtigkeit behaftet ist, wäre somit abzuweisen. Die Kosten sind daher gemäß §§ 41, 50 ZPO von der Klägerin zu tragen.

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