Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.981,70 EUR (darin 780,95 EUR USt und 1.296 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung „Ö*****“, die Beklagte jene der Tageszeitung „K*****“, in der am 23. 11. 2011 ein Artikel samt Grafik mit auszugsweise folgendem Text abgedruckt war:
„Inseraten-Affäre
70 Millionen für zwei Blätter
Faymann lässt einmal mehr in ausgewählten Medien werben. Die öffentliche Hand ist laut Agentur F***** besonders großzügig.
[...]
Ist es eine Gegenoffensive eines in die Ecke Getriebenen oder Business as Usual? Werner Faymann strahlte gestern aus den Gratiszeitungen Ö***** und H*****, wobei er gemeinsam mit Minister Alois Stöger quasi als Retter des Gesundheitssystems in Erscheinung tritt. Das just zu einer Zeit, in der der Bundeskanzler in eine Inseratenaffäre verstrickt ist. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Faymann und seinen engsten Vertrauten Josef Ostermayer. Den SPÖ-Granden wird vorgeworfen, sie hätten in ihrer Zeit im Verkehrsministerium ausgewählte Medien via ÖBB mit umfassenden Inseraten-Strecken versorgen lassen.
Im Gesundheitsministerium verweist man zu den aktuellen Inseraten auf das Kanzleramt - mit dem Hinweis, dass es sich um eine Schaltung des Kanzleramtes handle. Ein Faymann-Sprecher sagt: 'Derartige Einschaltungen werden lange im Voraus geplant. Das Kanzleramt informiert seit zwei Jahren regelmäßig über die Tätigkeit des Ressorts.'
Und warum unterscheidet sich die Werbung optisch kaum von redaktionellen Beiträgen? 'Die optische Gestaltung liegt im Ermessen der jeweiligen Redaktion.'
H*****- Herausgeberin E***** D***** sagte gestern in ATV, das sei wahrscheinlich 'zu sehr in unserer redaktionellen Schrift. Das wollen wir ändern. Aber es ist klar gekennzeichnet.'
[...]
Transparenz wurde bei diversen 'Medienkooperationen' offenbar nicht immer groß geschrieben. Ex-ÖBB-Manager berichteten dem K***** von direkter Einflussnahme durch Faymann/Ostermayer auf die Inseratenvergabe der vom Steuerzahler finanzierten ÖBB, Faymann und Ostermayer sagen dazu stets: 'Unsinn'.
Fest steht: Die Gratiszeitungen H***** und Ö***** wurden in den letzten Jahren auffallend reichhaltig mit ÖBB-Inseraten bedacht. Mehr noch: Laut der Agentur F***** wurden die genannten Zeitungen generell von der öffentlichen Hand ordentlich via Schaltungen unterstützt. Seit 2006 flossen - Stand Juli 2011 - jeweils rund 35 Millionen Euro an die beiden Blätter (siehe Grafik). Auffällig: Die K***** lukriert nur unwesentlich mehr, obwohl das Massenblatt über mehr Leser verfügt als die beiden Konkurrenten gemeinsam. [...]“
Die Grafik enthielt unter der Überschrift „Inserate aus öffentlicher Handfür Gratis-Zeitungen“ für den Zeitraum 2006 bis inkl. 07/2011 folgende - als „Werte in Millionen EUR“ bezeichnete - Zahlen:
Ö***** H*****
Stadt Wien 20,5 20,4
Ministerien 7,1 7,9
Asfinag 1,4 0,9
ÖBB 6,4 6,5
Gesamt
öffentliche Hand 35,4 35,7
Die M***** Ges.m.b.H. (in der Folge: Medienunternehmen) ermittelt Werbeaufwendungen von Unternehmen dadurch, dass sie ua von diesen in Printmedien geschaltete Anzeigen der Größe nach erfasst und den Anzeigen die vom Printmedium veröffentlichten tarifmäßigen Anzeigenpreise zuordnet. Individuelle Nachlässe, die vom Printmedium gegeben werden, sind ebenso wenig berücksichtigt wie Gratisschaltungen, sodass die erhobenen Zahlen nicht dem tatsächlichen Umsatz entsprechen. In ihren AGB legt das Medienunternehmen fest, dass die Daten streng vertraulich sind und von den Kunden nur zur internen Information benützt werden dürfen; an Dritte dürfen sie nicht weitergegeben werden. Ein Journalist der Beklagten befasste sich schon länger mit der sogenannten „Inseratenaffäre“ und prüfte, welche Medien als „Kooperationspartner“ ua von ÖBB und ASFINAG bei der Schaltung Faymann-freundlicher Inserate feststellbar seien. Aufgrund der vom Medienunternehmen ermittelten Zahlen rechnete er die von diesem erhobenen Beträge zusammen und nahm sie in seinen Artikel auf. Diese Zahlen kamen der Beklagten durch ein konzernzugehöriges Unternehmen zu, das Vertragspartnerin des Medienunternehmens ist.
Die „Inseratenaffäre“ war vor dem beschriebenen Artikel bereits von den Medien aufgegriffen worden. So wurde etwa über umfangreiche Inserate der ÖBB in der K*****Zeitung, die den damaligen Verkehrsminister Faymann in ein günstiges Licht rückten, sowohl in der Zeitung der Beklagten als auch in anderen Tageszeitungen berichtet worden.
Die Klägerin begehrte zuletzt als Hauptbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,
1. a) in redaktionellen Beiträgen Zahlen über Inseratvolumen zu veröffentlichen, wenn dies entgegen der ausdrücklichen Untersagung des erhebenden Instituts erfolgt und/oder
b) Daten über Inseratvolumen im Anzeigenbereich von Konkurrenzmedien zu veröffentlichen, sofern diese Daten lediglich Bruttowerte darstellen und diese hinsichtlich ihrer Aussagekraft nicht hinreichend definiert sind,
c) insbesondere zu behaupten, in der Tageszeitung „Ö*****“ seien laut Daten der Agentur „F*****“ im Zeitraum 2006 bis Juli 2011 Inserate im Wert von 35,4 Millionen EUR von der öffentlichen Hand geschaltet worden und/oder sinngleiche Behauptungen;
2. der Tageszeitung „Ö*****“ die Teilnahme an unrechtmäßigen Vorgängen im Zusammenhang mit Inseratschaltungen der öffentlichen Hand zu unterstellen, insbesondere zu behaupten,
a) die Tageszeitung „Ö*****“ sei an intransparenten Medienkooperationen beteiligt und/oder
b) die Tageszeitung „Ö*****“ werde „auffallend reichhaltig“ mit Inseraten aus der öffentlichen Hand bedacht und/oder sinngleiche Behauptungen. Die Klägerin stellte weiters Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung und auf Widerruf jeweils in der Tageszeitung der Beklagten.
Der beanstandete Artikel enthalte unrichtig dargestellte Zahlen. Das Medienunternehmen erhebe nicht aussagekräftige „Bruttoaufwendungen“, berechnet aufgrund der Anzeigengröße und der Anzeigentarife; dabei blieben Preisnachlässe, Mengenrabatte, Gefälligkeitsschaltungen, Gegengeschäfte usw unberücksichtigt. Die vom Medienunternehmen erhobenen Daten seien streng vertraulich und dürften nicht veröffentlicht werden. Mit Veröffentlichung des beanstandeten Artikels habe die Beklagte gegen §§ 1, 7 UWG verstoßen, da darin dem Medium der Klägerin gesetzwidrige Vorgänge unterstellt würden. Die Verwendung der Daten des Medienunternehmens verstoße nicht nur gegen die dessen Vertragspartnern überbundene Geheimhaltungsverpflichtung, sondern auch gegen die eigene berufliche Sorgfalt. Die Beklagte habe die Daten von einem dazu angestifteten Dritten im Wissen um dessen Vertragsverletzung bezogen.
Die Beklagte begehrte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe nicht im Wettbewerb gehandelt, sondern wahrheitsgemäß über Tatsachen von öffentlichem Interesse berichtet. Das Verbot des Medienunternehmens, von ihm erhobene Daten nicht an Dritte weiterzugeben, treffe die Beklagte nicht, die keine Kundin sei. Der Artikel berichte wahrheitsgemäß, da er das Zahlenmaterial des Medienunternehmens richtig zitiere, ohne die Zahlen den tatsächlichen Einnahmen gleichzuhalten. Die daraus gezogenen Schlüsse seien zulässige subjektive Wertungen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die von ihren Kunden gegenüber dem Medienunternehmen eingegangene vertragliche Pflicht zur Geheimhaltung des Zahlenmaterials beziehe sich nicht auf die Regelung des Wettbewerbs. Die Vertragsklausel diene nicht dem Schutz von Daten des Mitbewerbers, sondern den wirtschaftlichen Interessen des datenerhebenden Medienunternehmens. Es handle sich um keine geheimen Daten, weil ihre Grundlagen öffentlich seien. Unter diesen Umständen könne ein Vertragsbruch zwar vom Medienunternehmen verfolgt werden, das Verhalten der Beklagten sei aber nicht unlauter im Sinne des § 1 UWG. Die von der Beklagten veröffentlichten Zahlen könnten beim Durchschnittsleser den Eindruck erwecken, es handle sich um die Ausgaben der genannten öffentlichen Stellen/Staatsbetriebe bzw die Einnahmen der Medien. Dies genüge aber nicht, um die genannten Medien in den Augen des Lesers herabzusetzen. Einerseits handle es sich erkennbar um gerundete Ziffern, andererseits habe die Klägerin nicht vorgebracht, in welchem Ausmaß die Ziffern über ihrem tatsächlichen Umsatz lägen. Es mache für den Grad des im Bericht erhobenen Vorwurfs, bei bestimmten Medien seien vom Verkehrsminister/Bundeskanzler besonders viele sein Image förderende Inserate in Auftrag gegeben worden, keinen nennenswerten Unterschied, ob die Einnahmen um 10 % oder um 20 % höher seien als die genannten Zahlen. Das Begehren Punkt 2. beziehe sich auf den Inhalt des Artikels, bei dem es sich im Gesamtzusammenhang um offenkundige Wertungen und nicht um Tatsachenbehauptungen handle. Diese seien auch gegenüber Konkurrenzmedien durch die Meinungsfreiheit gedeckt, sofern die zugrundeliegenden Tatsachen - wie hier - in ihrem Kern wahr seien, die Kritik nicht pauschal herabsetzend oder überschießend sei und ein öffentliches Interesse daran bestehe.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren in seinem Hauptunterlassungsbegehren zu 1. und 2. b) sowie dem Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung und Widerruf stattgab und das Mehrbegehren abwies; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im Artikel werde ein Zahlungsfluss von der öffentlichen Hand an „Ö*****“ behauptet, dies werde allein mit den vom Medienunternehmen erhobenen Zahlen begründet. Dabei handle es sich ebenso um eine Tatsachenbehauptung wie bei der Formulierung, die genannten Gratiszeitungen seien in den letzten Jahren auffallend reichhaltig mit ÖBB-Inseraten bedacht worden. Die Behauptung sei im Sinne der § 7 UWG, § 1330 Abs 2 ABGB geeignet, den Betrieb des Unternehmens der Klägerin oder deren Kredit zu schädigen, weil sie dem unbefangenen Leser die Vorstellung nahelege, es seien im genannten Zeitraum mit 35,4 Millionen EUR ungewöhnlich hohe Beträge an öffentlichen Mitteln („Steuergelder“) an die Zeitung der Klägerin geflossen. Die Eignung, dadurch beim Publikum eine nachteilige Meinung von der Klägerin oder ihrer Zeitung zu erwecken, ergebe sich daraus, dass der Artikel an anderer Stelle nahelege, durch die genannten Zeitungen werde das finanzielle Engagement der öffentlichen Hand unter anderem dadurch entgolten, dass sich die als Inserat geschaltete Regierungswerbung zum Thema Gesundheitssystem „optisch kaum von redaktionellen Beiträgen“ unterscheiden. Für einen Lauterkeitsverstoß genüge die objektive Eignung des Verhaltens, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Vertragspartnern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. Es genüge, dass sich ein Störer zumindest der Wirkung seiner Handlung auf die Beeinflussung der Marktverhältnisse bewusst sei, was sich hier bereits daraus ergäbe, dass den für die Klägerin handelnden Personen die Eignung des Artikels bewusst gewesen sei, die Meinung des Publikums von der Zeitung der Klägerin negativ zu beeinflussen. Der Artikel sei nicht durch die Meinungs- und Pressefreiheit gerechtfertigt, weil es nicht um die Austragung unterschiedlicher Ansichten über Medien gehe, sondern um einen Bericht, der die verpönte Einflussnahme von Politikern auf zwei Medien unter missbräuchlicher Verwendung von Steuermitteln und die Geldflüsse an diese Medien zum Gegenstand habe. Die Beklagte habe keine verpönten Geldflüsse an die Zeitung der Klägerin in konkreter Höhe unter Beweis stellen können und den Beweis für die Richtigkeit der behaupteten Tatsache, es seien seit 2006 mit Stand Juli 2011 rund 35 Millionen oder 35,4 Millionen EUR an die Zeitung der Klägerin geflossen, nicht erbracht. Einen aufklärenden Hinweis über die Berechnungsgrundlagen des Medienunternehmens (im Wesentlichen handle es sich um eine Hochrechnung ohne Berücksichtigung der tatsächlich vereinbarten Entgelte) enthalte der Artikel nicht.
Vertragsbruch iSd § 1 UWG setze voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände hinzuträten, aus denen sich die Unlauterkeit ergebe; dies sei etwa dann der Fall, wenn sich die verletzte Vertragsverpflichtung unmittelbar auf eine Regelung des Wettbewerbs zwischen den Vertragsteilen beziehe und aus der Vertragsverletzung ein Vorteil erlangt werden solle. Das Ausnützen fremden Vertragsbruchs sei an sich nicht wettbewerbswidrig, es sei denn, dass der Dritte den Vertragsbruch bewusst gefördert oder sonst aktiv dazu beigetragen habe. Hier stehe fest, dass der Beklagten die von ihr verwendeten Zahlen durch ein Konzernunternehmen zukamen, das Vertragspartnerin des Medienunternehmens sei. Damit liege in der Verwendung des Datenmaterials durch die Beklagte ein dem eigenen Vertragsbruch oder dem bewussten Fördern fremden Vertragsbruchs zumindest gleichwertiges Verhalten, das unter das Verbot des § 1 Abs 1 Z 1 UWG falle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Die Beklagte macht geltend, es liege keine Wettbewerbshandlung vor, weil der Artikel ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung in der Frage sei, ob die öffentliche Hand durch entgeltliche Einschaltungen die redaktionelle Berichterstattung verschiedener Boulevardmedien beeinflusst habe; damit träten ihre kommerziellen Motive in den Hintergrund. Es stehe daher auch Art 10 EMRK dem Unterlassungsbegehren entgegen. Ein Verstoß gegen § 1 UWG liege nicht vor, da die Beklagte nicht Vertragspartnerin des Medienunternehmens sei und keiner Geheimhaltungsverpflichtung unterliege. Diese Verpflichtung sei auch nicht als solche wettbewerbsregelnd; es fehle an jedem zusätzlichen besonderen Element der Unlauterkeit und an einer bewussten Förderung fremden Vertragsbruchs.
1.1. Ob der Durchschnittsleser dem beanstandeten Artikel auch die Aussage entnehmen kann, es sei zu Geldflüssen der öffentlichen Hand an die genannten Gratismedien gekommen, kann dahingestellt bleiben, weil das Unterlassungsbegehren darauf nicht abstellt. Die Klägerin begehrt nämlich sinngemäß die Unterlassung der Veröffentlichung von Daten über den Wert von Inseratenaufträgen insbesondere der öffentlichen Hand an Mitbewerber und bezieht sich damit nicht auf Geldflüsse zwischen Inserent und Publikationsmedium.
1.2. Dass die im beanstandeten Artikel enthaltenen Zahlen nach den Erhebungsmethoden des Medienunternehmens, von dem das Zahlenmaterial stammt, richtig sind, hat die Klägerin nicht bestritten. Ausgegangen wird bei der Datenerhebung nämlich von der Größe des Inserats, die mit dem vom jeweiligen Printmedium veröffentlichten Anzeigentarif verknüpft wird, um so den Inseratenwert zu bestimmen. Die Aussagen im beanstandeten Artikel über den Wert von Inseraten, die Unternehmen der öffentlichen Hand bei Gratismedien in Auftrag gegeben haben, sind damit zutreffend und können unter dem Gesichtspunkt der §§ 7 UWG, 1330 ABGB nicht verboten werden.
1.3. Dazu kommt, dass der Artikel als Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung in der Frage zu beurteilen ist, ob die öffentliche Hand durch entgeltliche Einschaltungen die redaktionelle Berichterstattung verschiedener Boulevardmedien zu beeinflussen versucht. Ausdrücklich wird im Text darauf verwiesen, dass die - den Anlass für den Artikel bildenden - Inserate des Bundeskanzlers zu einer Zeit erschienen sind, als gegen ihn wegen der in der Medien so genannten „Inseratenaffäre“ (betreffend seine Inseratenaufträge als Verkehrsminister) ermittelt wurde. Der Artikel war damit Teil einer Medienberichterstattung im Zusammenhang mit einem aktuellen politischen Ereignis von erheblichem öffentlichen Interesse.
1.4. Den Medien kommt nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle zu. Der Gerichtshof prüft aufgrund des Art 10 Abs 2 EMRK, ob der vorgenommene Eingriff des Staats in die Freiheit der Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig oder doch verhältnismäßig ist und einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht. Für Beschränkungen von politischen Aussagen oder einer Debatte über Fragen des öffentlichen Interesses besteht dabei nach der ständigen Rechtsprechung nur ein sehr enger Ermessensspielraum. Die Medienfreiheit bietet der Öffentlichkeit eines der besten Mittel, eine Meinung über die Ideen und Einstellungen politischer Führer festzustellen und zu bilden, zumal die Freiheit der politischen Debatte das eigentliche Kernstück des Konzepts einer demokratischen Gesellschaft ist. Ob eine politische Äußerung nach Art 10 EMRK gerechtfertigt erscheint, ist zusammengefasst an der politischen Bedeutung der Stellungnahme, am Gewicht des Anlassfalls, an der Form und Ausdrucksweise sowie dem danach zu unterstellenden Verständnis der Erklärungsempfänger zu messen (6 Ob 244/09i mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0110046).
1.5. Vor dem Hintergrund der Medienfreiheit muss die Interessenabwägung regelmäßig schon dann zugunsten der Berichterstattung ausfallen, wenn nicht überwiegende Gründe deutlich dagegen sprechen, weil die Einschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit andernfalls nicht iSd Art 10 Abs 2 EMRK ausreichend konkretisiert ist (RIS-Justiz RS0008990 [T16]).
1.6. Im Lichte dieser Grundsätze treten allfällige kommerzielle Motive der Veröffentlichung in den Hintergrund, und es ist dem Erstgericht darin beizupflichten, dass auch Art 10 EMRK einem Verbot entgegensteht. Bei der Äußerung „[Die Zeitung der Klägerin] wird auffallend reichhaltig mit Inseraten aus der öffentlichen Hand bedacht“ handelt es sich zudem um ein jedenfalls zulässiges Werturteil.
2.1. Die Richtigkeit des vom Medienunternehmen übernommenen Zahlenmaterials hat die Klägerin nicht bestritten. Es kann aber dann aus lauterkeitsrechtlichen Gründen (behaupteter Tatbestand der Beteiligung am fremden Vertragsbruch) die Verwendung dieses richtigen Zahlenmaterials in einer öffentlich geführten Debatte nicht verboten sein. Auch hier hat die Interessenabwägung zugunsten der Öffentlichkeit auszuschlagen.
2.2. Davon abgesehen ist das Ausnützen fremden Vertragsbruchs - auch wenn es zu Zwecken des Wettbewerbs geschieht - an sich nicht wettbewerbswidrig, es sei denn, der Dritte hat den Vertragsbruch bewusst gefördert oder sonst aktiv dazu beigetragen; das gilt auch nach der UWG-Nov 2007 (RIS-Justiz RS0107766). Eine bewusste Förderung eines fremden Vertragsbruchs durch die Beklagte haben die Tatsacheninstanzen nicht festgestellt.
3. Der Revision ist daher Folge zu geben und das abweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
4. Die Kostenentscheidung ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.
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