OGH 4Ob16/12z

OGH4Ob16/12z28.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Klaus Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 91.293,11 EUR sA (Revisionsinteresse 30.431,04 EUR sA), über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. November 2011, GZ 4 R 169/11t-25, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 4. August 2011, GZ 4 Cg 99/10p-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.680,84 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 280,14 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

1. Die Klägerin erwarb bei der beklagten Bank Wertpapiere im Gegenwert von 91.293,11 EUR. Gestützt auf Schadenersatz und Irrtumsanfechtung begehrt sie die Rückzahlung dieses Betrags Zug um Zug gegen Rückgabe der Papiere. Die Vorinstanzen nahmen unbekämpft an, dass die Irrtumsanfechtung verjährt sei, wohl aber ein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten bestehe. Im Revisionsverfahren ist ausschließlich strittig, ob sich die Klägerin darauf ein Mitverschulden von einem Dritten anrechnen lassen muss. Die Vorinstanzen bejahten diese Frage, weil die Klägerin Risikohinweise in den Unterlagen der Beklagten nicht gelesen habe. Die Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass die „über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage des Mitverschuldens irregeführter Anleger im Bereich der rechtsgeschäftlichen und irrtumsrechtlichen Ebene nach den Entscheidungen 8 Ob 25/10z und 4 Ob 65/10b vom OGH noch nicht endgültig beantwortet“ sei.

Rechtliche Beurteilung

2. Bei diesem Zulassungsausspruch verkannte das Berufungsgericht, dass die von ihm genannten Entscheidungen zu Rückabwicklungsansprüchen nach einer Irrtumsansfechtung ergangen waren. Insofern wird in der Lehre tatsächlich erörtert, ob und unter welchen Umständen der Irrende seinem Vertragspartner zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet sein kann (vgl zuletzt etwa Leupold/Ramharter, Ausgewählte Aspekte der Irrtumsanfechtung beim Wertpapierkauf, ÖJZ 2011, 107 [112 ff], sowie Riedler, Schadenersatzpflicht irregeführter Anleger?, ecolex 2011, 194 ff; beide mwN; vgl auch 8 Ob 25/10z). Im vorliegenden Fall war demgegenüber ausschließlich zu prüfen, ob der Schadenersatzanspruch der Klägerin aufgrund eines Mitverschuldens nach § 1304 ABGB zu kürzen ist. Dass das grundsätzlich möglich ist, steht außer Zweifel (RIS-Justiz RS0102779).

3. Folgerichtig erörtert die Klägerin in ihrer Revision auch nicht die vom Berufungsgericht angesprochene Frage, sondern wendet sich ausschließlich gegen die konkrete Beurteilung ihres Mitverschuldens durch die Vorinstanzen. Dabei handelt es sich aber um eine typische Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0087606 [T10 und T14]; RS0022681 [T8]). Daher kann auch über die Frage, inwieweit sich ein Anleger ein Mitverschulden am Scheitern seiner Veranlagung anrechnen lassen muss, nur aufgrund der konkreten Umstände entschieden werden; eine über den Einzelfall hinausgehende Rechstfrage erheblicher Bedeutung liegt im Allgemeinen nicht vor (RIS-Justiz RS0078931; zuletzt etwa 8 Ob 167/09f, 8 Ob 132/10k; 2 Ob 198/11y).

4. Eine zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf. Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, dass das Nichtlesen von Risikohinweisen als Mitverschulden gewertet werden kann (8 Ob 132/10k; 2 Ob 198/11y). Das ist jedenfalls dann vertretbar, wenn dem Anleger - wie hier - bewusst war, dass er Anteile an einem Unternehmen („Aktien“) erwarb, deren Kurswert Schwankungen unterworfen war, und wenn er sich daher nicht auf eine sparbuchgleiche Sicherheit verlassen konnte. Soweit die Revision die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts übergeht, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt. Dass die Frage des Mitverschuldens - zumal bei groben Pflichtverletzungen des Beraters (4 Ob 62/11p) - im Einzelfall auch anders beurteilt werden kann, begründet keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.

5. Die Revision ist daher trotz der den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassung durch das Berufungsgericht zurückzuweisen. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat, ist die Klägerin zum Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung verpflichtet.

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