OGH 4Ob152/09w

OGH4Ob152/09w29.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GesmbH, *****, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Gerhard Kuntner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei M*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 5. August 2009, GZ 6 R 111/09d-14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Die Beklagte führt in einem Einkaufszentrum einen Gastronomiebetrieb in der Betriebsart eines Selbstbedienungsrestaurants mit der Berechtigung nach § 111 Abs 1 Z 2 GewO. Sie hat bauliche Maßnahmen zur Schaffung eines gesonderten Raumes für Raucher im Sinn des § 13a Abs 2 TabakG in die Wege geleitet (§ 18 Abs 7 Z 3 TabakG) und vertritt die Auffassung, damit trete der Nichtraucherschutz für sie erst ab dem 1. 7. 2010 in Kraft (§ 18 Abs 6 Z 3 TabakG).

2. Die klagende Mitbewerberin stützt ihren Sicherungsantrag auf einen Verstoß der Beklagten gegen § 13 TabakG. Sie steht auf dem Standpunkt, auf Gastronomiebetriebe in Räumen öffentlicher Orte im Sinn des § 13 TabakG - worunter auch Einkaufszentren fielen - sei die Ausnahmebestimmung des § 13a Abs 2 TabakG iVm § 18 Abs 6 Z 3 TabakG nicht anwendbar.

Rechtliche Beurteilung

3.1. Die Klägerin stützt sich damit auf die Rechtsprechung zur lauterkeitsrechtlichen Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch" (4 Ob 225/07b - Stadtrundfahrten mwN; RIS-Justiz RS0123239). Danach ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinne von § 1 Abs 1 Z 1 UWG in der Fassung der UWG-Novelle 2007 zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Maßgebend für die Beurteilung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (4 Ob 225/07b mwN; 4 Ob 34/08s; 4 Ob 48/08z; 4 Ob 99/08z).

3.2. Der Senat hat für die Beurteilung dieser Fallgruppe zwei Prüfungsstufen unterschieden (4 Ob 118/08v; 4 Ob 40/09z): Schon auf der ersten - für die Beurteilung durch die Vorinstanzen nach § 1 UWG maßgebenden - Stufe geht es nur um die Frage nach einer vertretbaren Auslegung der Normen, um die Verwirklichung eines zurechenbaren Rechtsbruchs bejahen oder verneinen zu können. Auf der zweiten - für die Zulässigkeit der Anfechtung beim Obersten Gerichtshof hinzutretenden - Stufe ist sodann nicht maßgebend, ob das Berufungsgericht diese Vertretbarkeitsfrage richtig, sondern nur, ob es sie ohne eine krasse Fehlbeurteilung gelöst habe. Dies gilt allerdings nur dann uneingeschränkt, wenn das Gericht zweiter Instanz - wie hier - eine vertretbare Rechtsansicht angenommen hat. Denn in diesem Fall ist die „richtige" Auslegung der angeblich übertretenen Norm unerheblich; entscheidend ist allein, ob das Gericht zweiter Instanz die Vertretbarkeitsfrage in vertretbarer Weise beurteilt hatte. Das Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur „richtigen" Auslegung der angeblich übertretenen Norm schadet daher nicht; das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof ist aus diesem Grund nur dann zulässig, wenn das Gericht zweiter Instanz seinen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Vertretbarkeitsfrage überschritten hat. Das ist im Regelfall nur bei einer „krassen" Fehlbeurteilung anzunehmen (4 Ob 99/08z).

4.1. Das Gericht zweiter Instanz hat eine vertretbare Rechtsansicht der Beklagten angenommen. Es könne weder dem Gesetz noch den Materialien entnommen werden, dass Gastronomiebetriebe in Einkaufszentren nicht unter § 13a TabakG fielen. Die Materialien führten ausdrücklich an, dass Betriebe des Gastgewerbes von dem allgemeinen Verbot des § 13 TabakG ausgenommen sein sollen. Da die Beklagte den Umbau ihres Lokals in die Wege geleitet habe, sei ihre Auffassung vertretbar, ihr stehe eine Übergangsfrist bis 1. 7. 2010 offen.

4.2. Diese Beurteilung der Vertretbarkeitsfrage durch das Gericht zweiter Instanz ist nicht zu beanstanden. Der Revisionsrekurs gesteht zu, dass Rechtsprechung zu den fraglichen Bestimmungen des TabakG fehlt und kann sich auch nicht auf Schrifttum zur Auslegung der §§ 13 f TabakG stützen. Gemessen am Gesetzestext und den dazu ergangenen Materialien ist aber die vom Rekursgericht gebilligte Rechtsmeinung der Beklagten jedenfalls vertretbar. Das Beispiel im Rechtsmittel, Gastronomiebetriebe mit weniger als 50 m², die in Einkaufszentren liegen, könnten ihren Gästen unbefristet das Rauchen erlauben, ist unzutreffend, weil es das Erfordernis für die Ausnahme vom Rauchverbot, dass nämlich kein Tabakrauch in die mit Rauchverbot belegten Bereiche dringt (§ 13 Abs 2 TabakG), unberücksichtigt lässt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte