OGH 4Ob151/10z

OGH4Ob151/10z18.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** AG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Ö***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn Rechtsanwalts GmbH in Wien, 2. M*****, vertreten durch Emberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 300.000 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Mai 2010, GZ 5 R 51/10x-53, mit welchem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 11. Dezember 2009, GZ 4 Cg 225/07z-46, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufungen der beklagten Parteien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten im Verfahren über die Berufungen der beklagten Parteien.

Text

Begründung

Die Klägerin ist eine große österreichische Bank; die Erstbeklagte ist ein Tochterunternehmen der Österreichischen Bundesforste AG, die Zweitbeklagte die Rechtsnachfolgerin eines Unternehmens der finnischen Staatsforste. Die Klägerin hatte einem Tochterunternehmen der beiden Beklagten Kredite gewährt, die nun uneinbringlich sind. Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagten aufgrund von „Patronatserklärungen“, die sie für ihr Tochterunternehmen abgegeben hatten, für den Kreditausfall der Klägerin haften. Folgender Sachverhalt ist im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof unstrittig:

Die Erstbeklagte und die Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten gründeten 2002 die F***** GmbH (idF: F***** oder Kreditnehmerin), an der sie je zur Hälfte beteiligt waren. Diese Gesellschaft sollte durch weitere Tochtergesellschaften in Osteuropa forstwirtschaftlich tätig werden. Insbesondere gründete sie 2003 eine solche Tochtergesellschaft für Russland (idF: F***** K*****). Der Informationsfluss zwischen der F*****, der F***** K***** und den Beklagten war durchwegs intensiv; dass wesentliche Informationen zurückgehalten worden wären, konnte nicht feststellt werden.

Die F***** K***** pachtete 2003 in einer nordwestlich von Moskau gelegenen Region 176.000 ha Staatswald, der zu etwa 75 % aus Laubbäumen (40 % Birke, 35 % Aspe [Zitterpappel]) und zu (maximal) 25 % aus Nadelbäumen (Kiefer und Fichte) bestand. Wegen des hohen Laubholzanteils waren die gepachteten Flächen deutlich ertragsschwächer als die umliegenden Wälder, die durchschnittlich 50 % Nadelholz und nur 10 % Aspe aufwiesen.

Aus diesem Grund schloss die F***** Ende Februar 2004 mit dem russischen Industrieministerium und der Regionalverwaltung eine „Vereinbarung“ über die langfristige Zusammenarbeit bei der Erschließung und Nutzung von Waldressourcen. Die Region verpflichtete sich darin unter anderem zur Bereitstellung von zumindest durchschnittlichem Waldbestand, die F***** im Gegenzug zur Vermittlung weiterer Investoren. Aufgrund dieser Vereinbarung verhandelte die F***** weiter um bessere Wälder, ohne damit vorerst Erfolg zu haben.

Im Frühjahr 2004 begann die F***** K***** mit den Schlägerungen, die allerdings wegen des milden Wetters und der damit verbundenen Transportprobleme nicht besonders ergiebig waren. Intensiver gearbeitet wurde ab Herbst 2004, wobei allerdings wegen fehlender Verladestationen ebenfalls Transportprobleme auftraten, die zu einem hohen Lagerbestand führten.

Ende 2003 oder Anfang 2004 hatte die F***** die Klägerin ersucht, sich für sie um eine Garantie der Österreichischen Kontrollbank zu bemühen, die das politische Risiko des Engagements in Russland abdecken sollte. Als Unterlage erhielt die Klägerin den Ausdruck einer Powerpoint-Präsentation; weitere Informationen hatte sie nicht. In der Präsentation wurden zunächst die Beteiligungsverhältnisse an der F***** dargestellt und auf den „Nutzen der Erfahrungen der 'Mütter'“ hingewiesen (langjährige Erfahrung in der Bewirtschaftung von Wäldern, Kompetenz in der Gebirgsforstwirtschaft [ÖBF] und Erfahrungen in der skandinavischen Forstwirtschaft [finnische Staatsforste]; internationale Kontakte, Verbindung zweier „potenter Firmen“). In den Staaten Osteuropas gebe es „großflächige, ungenutzte Waldressourcen mit hohem, nachhaltigen Nutzungspotential“. In Russland seien bereits 176.000 ha Wald gepachtet. Nach einer Anlaufphase sei ab 2008 eine jährliche Schlägerung von 800.000 bis 900.000 m³zu erwarten; der Jahresumsatz werde von 4 Mio EUR im Jahr 2004 auf 16 Mio EUR im Jahr 2008 steigen. Der jährliche EBIT sei zwar 2004 noch leicht negativ, werde dann aber von 500.000 EUR im Jahr 2005 auf 2,4 Mio EUR im Jahr 2008 steigen. Die Kosten würden bis 2008 insgesamt 9,2 Mio EUR betragen. Diese Präsentation war das „Konzept der Beklagten“ (Ersturteil US 15 f).

Offenbar über Vermittlung der Klägerin übernahm die Kontrollbank eine Garantie für die F*****. Die Klägerin gewährte der F***** K***** am 6. Juli 2004 einen Betriebsmittelkredit von 500.000 EUR und der F***** am 29. November 2004 einen solchen von 1 Mio EUR. Ende 2004 kam es zwischen dem Geschäftsführer der Erstbeklagten und der Klägerin zu Verhandlungen über einen weiteren Betriebsmittelkredit. Die Klägerin forderte dafür eine „Patronatserklärung“ (zumindest) der Erstbeklagten, die in erster Linie die sorgfältige Geschäftsführung der F***** sicherstellen sollte.

In weiterer Folge ersuchte die F***** die Klägerin um Investitionskredite. Zu diesem Zweck gaben die Beklagten zwei „Patronatserklärungen“ ab, und zwar zunächst am 11. bzw 14. Februar 2005 und dann am 24. August 2008. Darin sicherten sie zu, ihre jeweilige Beteiligung an der F***** aufrecht zu erhalten. Weiters übernahmen sie Informations- und Managementverpflichtungen. Die wesentlichen Bestimmungen der ersten Patronatserklärung lauteten wie folgt (Hervorhebung der strittigen Passagen durch den Senat):

MHO [Zweitbeklagte] and ÖBf [Erstbeklagte] hereby undertake to promptly inform RZB [Klägerin] and RBRU [russische Tochter der Klägerin] about any circumstances which may have a material adverse effect on the assets, financial or trading position or prospects of business of the Subsidiary [F*****] and/or F***** RU [F***** K*****].

MHO and ÖBf hereby undertake in favor of RZB and RBRU that they shall constantly manage the Subsidiary, and that they shall procure that F***** RU will always be managed, in a manner ensuring that the Subsidiary and F***** RU will at all times duly fulfill any and all of their respective obligations. MHO and ÖBf shall use all their legal rights and influence to support the management of the Subsidiary and of F***** RU in procuring a constant and sound financial and commercial standing of the Subsidiary and F***** RU.

[…]

It is understood that this Letter of Comfort shall not constitute a guarantee on the part of MHO and ÖBf for the fulfilment of the obligations.“

Die zweite Patronatserklärung war nicht auf die Russlandtochter der Beklagten und die F***** K***** beschränkt, sondern bezog auch alle anderen Tochterunternehmen der Beklagten und der F***** mit ein. Sonst waren die maßgebenden Bestimmungen gleich. Eine Garantie oder eine „harte“ Patronatserklärung (mit Ausstattungsverpflichtung) war für die Zweitbeklagte (ihre Rechtsvorgängerin) nicht in Frage gekommen, weil dafür ein Parlamentsbeschluss notwendig gewesen wäre. Alle Parteien gingen davon aus, dass eine Verletzung der in den Patronatserklärungen übernommenen Pflichten zu Schadenersatzansprüchen führen könnte.

Aufgrund der Patronatserklärungen gewährte die Klägerin der F***** am 30. März 2005 einen Kredit von 5,22 Mio EUR, der am 9. Mai 2005 ausgezahlt wurde, und am 24. August 2005 einen Kredit von 3 Mio EUR, der am 30. August 2005 ausgezahlt wurde. Nach den zugrundeliegenden Verträgen konnten die Kredite fällig gestellt werden, wenn ein „event of default“ eintrat. Darunter war unter anderem Folgendes zu verstehen:

„Material Adverse Change: Any event or circumstance occurs which, in the reasonable opinion of the lender, might have a Material Adverse Effect.“

„Material Adverse Effect“ war in den Kreditverträgen - allerdings in rekursiver Form - wie folgt definiert:

„[T]he occurrence of any event or series of events which, in the opinion of the Lender, might have a material adverse effect on:

a) the business, condition (financial or otherwise), operations or prospects of the Borrower; or

b) the ability of the Borrower to comply with its obligations under the Finance Documents; or

c) the legality, validity or enforceability of any Finance Document or the rights or remedies of the lender there under."

Da Projekte in Russland generell als riskant galten, verlangte die Klägerin einen Risikokreditsatz von 1,25 % über dem Referenzzinssatz. Die F***** leitete die Kreditbeträge der F***** K***** weiter. Für den Fall des Kreditausfalls aus politischen Gründen bestand eine Garantie der Kontrollbank.

Schon Ende 2004 hatten Vertreter der Beklagten der Klägerin mitgeteilt, dass im Transportbereich weitere Investitionen von 0,7 Mio EUR erforderlich sein würden. Vor der Gewährung des zweiten Kredits hatten die Erstbeklagte und die F***** die Klägerin einerseits auf gute Erntemengen und Verkaufspreise bei der F***** K*****, andererseits aber auch auf Transportprobleme („Flaschenhals“) und höhere Kosten für den Terminal und vorgezogene Investitionen (Waggons) hingewiesen (wofür der Kredit erforderlich war). Die Beklagten hatten die Klägerin jedoch nicht darüber informiert, dass, was ihnen bewusst war,

Weiters war den Beklagten spätestens bei Inanspruchnahme des ersten Kredits bewusst, dass das Management der F***** und der F***** K***** versagt hatte (ua unterschätzte Investitionen, gravierendes Alkoholproblem eines Geschäftsführers, Ernte und Transport nicht aufeinander abgestimmt).

Am 26. September 2005 informierte der Geschäftsführer der Erstbeklagten, der auch dem Aufsichtsrat der F***** angehörte, die Klägerin von „massiven Problemen“ bei der F***** K*****. Die Qualität der derzeitigen Einschlaggebiete entspreche nicht der ursprünglichen Planung; in den noch nicht erschlossenen Gebieten des Pachtgebietes sei die Qualität besser, die Erschließung aber kostenintensiv. Die Fertigstellung des Bahnterminals verzögere sich ebenso wie die Auslieferung von Eisenbahnwaggons. Daher gebe es hohe Lagerbestände, die zu einem weiteren Qualitätsverlust führten. Um die Liquidität der F***** sicherzustellen, hätten die Beklagten 5 Mio EUR nachgeschossen und die Geschäftsführung ausgewechselt. Über den Umfang der weiteren Tätigkeit in Russland werde im November entschieden.

Bis zu dieser Mitteilung hatte die Klägerin angenommen, dass die F***** Wälder mit hohem nachhaltigen Nutzungspotential gepachtet hätte. Sie lehnte weitere Investitionskredite ab; ein von ihr im März 2006 gewährter „Betriebsmittelkredit“ von 0,4 Mio EUR diente der Abdeckung laufender Zinsen, um ein sonst notwendiges Zinsmoratorium zu vermeiden.

Im März 2006 verhandelte die neue Geschäftsführung der F***** (wieder) mit den russischen Behörden über bessere (dh durchschnittliche) Wälder, widrigenfalls das Projekt K***** - was die Geschäftsführung tatsächlich annahm - „das kommende Jahr nicht überleben“ könnte. Ein im Oktober 2006 revidierter Businessplan der F***** rechnete mit Verlusten bis 2016. Daraufhin entschieden sich die Beklagten mit Zustimmung der Klägerin für die Liquidation der F*****. Ein Konkurs hätte zu noch größeren Verlusten geführt. Die Kontrollbank lehnte eine Zahlung aus der Garantie ab, weil das Projekt nicht aus politischen Gründen gescheitert sei. Einer der Gründe für das Scheitern war die Zusammensetzung der gepachteten Wälder.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten 300.000 EUR samt Zinsen. Die Kredite von März und August 2005 seien uneinbringlich; sie mache einen Teilbetrag des Forderungsausfalls aus dem zweiten Kredit geltend. Die Beklagten seien nach den Patronatserklärungen verpflichtet gewesen, die Klägerin über Umstände zu informieren, die zu „material adverse effects“ bei der F***** und ihren Töchtern führen könnten. Dies habe sich nicht nur auf Umstände bezogen, die nach Abgabe der Erklärung eintreten würden, sondern auch auf die bereits im Zeitpunkt der Erklärungen bestehenden Verhältnisse. Daher hätten die Beklagten die nachteilige Zusammensetzung der gepachteten Wälder offenlegen müssen. In diesem Fall hätte die Klägerin die Kredite nicht gewährt. Die Probleme seien erstmals am 26. September 2005, also nach Auszahlung der Kredite, dargestellt worden. Daraufhin habe die Klägerin keine Investitionskredite mehr gewährt; ein Betriebsmittelkredit habe ausschließlich dazu gedient, eine sonst notwendige Zinsfreistellung zu verhindern. Die Klägerin treffe kein Mitverschulden, da sie bei der Kreditvergabe nicht verpflichtet gewesen sei, die Angaben der Beklagten über das „hohe Nutzungspotential“ der Wälder zu prüfen. Eine Rückforderung der Kredite nach Offenlegung der Probleme sei nicht möglich gewesen, weil die damit finanzierten Investitionen zu diesem Zeitpunkt bereits getätigt gewesen seien. Die schlechte Zusammensetzung der Wälder sei entscheidend für das Scheitern des Projekts gewesen.

Die Verpflichtung zur Offenlegung der bei Kreditvergabe bereits bestehenden Probleme habe sich weiters aus culpa in contrahendo und aus Treu und Glauben ergeben. Zudem hätten die Beklagten - was im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof allerdings nicht strittig ist - Management- und Unterstützungspflichten verletzt, die sich ebenfalls aus den Patronatserklärungen ergeben hätten.

Die Beklagten wenden - zusammengefasst und soweit für das Rekursverfahren relevant - ein, dass sie weder aufgrund der Patronatserklärungen noch aus anderen Gründen verpflichtet gewesen seien, die Klägerin über die Zusammensetzung der gepachteten Wälder zu informieren. Die Informationspflichten der Patronatserklärungen hätten sich auf zukünftige Ereignisse bezogen; in der Zeit zwischen der ersten Patronatserklärung und der (hier strittigen) zweiten Kreditvergabe habe sich die wirtschaftliche Lage der Kreditnehmerin nicht geändert. „Nachteiligkeit“ („adverse“) müsse sich auf einen Referenzzustand beziehen; das sei im vorliegenden Fall jener bei Abgabe der Erklärungen. Den Parteien könne auch nicht unterstellt werden, rückwirkende Vertragspflichten (hier: Sicherstellung eines Informationsflusses zwischen der F***** und den Beklagten vor Abgabe der Erklärung) begründet zu haben. Weiters führte die Auslegung der Klägerin zu völlig unüberschaubaren Informationspflichten. Das Projekt sei nicht am zu hohen Aspenanteil der gepachteten Wälder, sondern aus ganz anderen Gründen gescheitert (fehlendes Interesse der russischen Behörden, unterschätzte Investitionskosten, Erhöhung der Exportzölle). Zu hohe Kosten, nicht zu geringe Erträge seien das Problem gewesen. Zudem sei die (angeblich) unterbliebene Information nicht kausal für die Gewährung der Kredite gewesen; die Klägerin hätte die Kredite auch dann gewährt, wenn sie die Zusammensetzung der Wälder gekannt hätte. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden, da sie die Kredite ungeprüft vergeben und nach Offenlegung der Probleme nicht fällig gestellt habe. Letzteres wäre nach den Kreditverträgen zulässig gewesen, wenn tatsächlich „material adverse effects“ vorgelegen wären.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, die teils unbekämpft blieben und teils - entgegen einer Behauptung im Rekurs der Erstbeklagten - vom Berufungsgericht trotz Beweisrüge gebilligt wurden. Weiters nahm es, von unerledigten Beweisrügen bekämpft, als erwiesen an, dass

Die Beklagten seien bei den Kreditverhandlungen als Vertreter der Kreditnehmerin aufgetreten, wobei sie an der Kreditgewährung ein eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt hätten. Zu diesem Zweck hätten sie bindende Erklärungen abgegeben, die im Austauschverhältnis mit der Gewährung der Kredite gestanden seien. Die darin vorgesehene Informationspflicht habe sich nicht nur auf zukünftige Ereignisse, sondern auch auf die aktuelle wirtschaftliche Lage der Kreditnehmerin bezogen. Dies ergebe sich schon aus der Wortauslegung: „circumstances“ beziehe sich auch auf den aktuellen Zustand, nicht nur auf zukünftige Ereignisse. Zudem verstieße es gegen Treu und Glauben, wenn ein potentieller Vertragspartner nicht über ihm bereits bekannte Umstände aufklären müsste, die die Kreditrückzahlung gefährden könnten. Dass die Qualität des einzigen Rohstoffes ein ausschlaggebendes Kriterium für den Erfolg oder Misserfolg des Projekts (gewesen) sei, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Hätten die Beklagten pflichtgemäß gehandelt, wäre es nicht zur Kreditvergabe und damit auch nicht zum Forderungsausfall (Schaden) gekommen. Auf weitere Pflichtverletzungen der Beklagten komme es daher nicht an. Ein Mitverschulden liege nicht vor. Die Klägerin sei nicht zur Prüfung der Verhältnisse in Russland verpflichtet gewesen, zumal sie sich auf die Sachkunde der Beklagten verlassen durfte und nicht damit rechnen musste, dass diese ungeeignete Wälder pachten würden. Auch die unterbliebene Fälligstellung könne ihr nicht vorgeworfen werden, da eine Rettung allen Beteiligten noch möglich erschienen sei. Zudem hätte in diesem Fall der Konkurs eröffnet werden müssen, wodurch sich der Schaden noch vergrößert hätte.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zu.

Die im Referat der erstgerichtlichen Entscheidung wiedergegebenen (weiteren) Feststellungen seien zwar aus näher dargelegten Gründen bedenklich. Eine Erledigung der diesbezüglichen Beweisrügen erübrige sich aber, weil die Rechtsrügen der Berufungen auch unter Zugrundelegung dieser Feststellungen berechtigt seien. Die bei der Kreditaufnahme für die F***** handelnden Personen könnten nicht (auch) den Beklagten zugerechnet werden. Daher seien die Beklagten gegenüber der Klägerin nicht als Vertreter der Kreditnehmerin aufgetreten, weswegen sie von vornherein nicht als deren im eigenen wirtschaftlichen Interesse handelnde Vertreter haften könnten. Vorvertragliche Aufklärungspflichten der Beklagten könnten sich nur auf die Erfüllung der Patronatserklärungen beziehen, nicht auch auf die Erfüllung des Kreditvertrags durch die Kreditnehmerin. Die Informationspflichten aus den Patronatserklärungen erfassten nur neu auftretende Umstände. Dies ergebe sich einerseits aus der Definition von „material adverse effect“ in den Kreditverträgen („occurrence“, dh Auftreten, von Ereignissen, die eine tiefgreifend nachteilige Auswirkung haben könnten). Auch der Zweck der Klausel erstrecke sich nicht darauf, dem Kreditgeber nach „Abschluss der Verträge“ die Information zu verschaffen, die er schon davor hätte einholen können. Für die rechtliche Beurteilung maßgebend seien daher nur Umstände, die sich zwischen der ersten Patronatserklärung (11. bzw 14. Februar 2005) und der zweiten Kreditvergabe (24. August 2005) geändert hätten. Insofern hätten die Beklagten die Klägerin rechtzeitig über die Mehrkosten des Terminals, das weiterhin bestehende „Flaschenhalsproblem“ und das Stoppen der Holzernte unterrichtet. Damit hätten sie ihren Informationspflichten voll entsprochen. Die Klägerin habe sich aber auch auf einen Verstoß gegen die in den Patronatserklärungen vorgesehenen „Leitungsverpflichtungen“ gestützt. Insofern müsse sie sowohl die Pflichtverletzung als auch deren Kausalität für die unterbliebene Kreditrückzahlung beweisen. Dazu habe sie ein Vorbringen erstattet, mit dem sich das Erstgericht nicht auseinandergesetzt habe. Das sei im fortgesetzten Verfahren nachzuholen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil „kaum“ Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu in einer Patronatserklärung übernommenen Informationspflichten vorlägen.

Mit ihrem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs strebt die Klägerin die Wiederherstellung des Ersturteils an; hilfsweise begehrt sie eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Die Beklagten beantragen, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Der Begriff „Patronatserklärung“ ist eine Sammelbezeichnung für eine Vielzahl von Erklärungen einer vom Kreditnehmer verschiedenen, zu diesem jedoch regelmäßig in einem Naheverhältnis stehenden Person, die der Kreditsicherung dienen und einen unterschiedlichen Inhalt haben können. Je nach ihrem Inhalt reichen sie von völliger Unverbindlichkeit über Verwendungszusagen bis zum Garantievertrag (7 Ob 572/85 = SZ 58/127; RIS-Justiz RS0016949; Th. Rabl in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 §§ 1346, 1347 Rz 86 ff; P. Bydlinski in KBB3 § 1244 Rz 3; Rummel, Rechtsprobleme der Patronatserklärung, in FS P. Doralt [2004] 493 [493 f]; S. Leitner, Die Patronatserklärung, ÖBA 2002, 517 [517 f]; vgl zum deutschen Recht umfassend und mwN Koch, Die Patronatserklärung [2005] 11 ff, sowie zuletzt etwa Allstadt-Schmitz in Boujong/Ebenroth/Joost/Strohn, HGB2 [2009] Rz IV 662 ff). Dabei werden in der Lehre (seit Mosch, Patronatserklärungen deutscher Konzernmuttergesellschaften und ihre Bedeutung für die Rechnungslegung [1978] 3) harte und weiche Patronatserklärungen unterschieden.

Nur die erste dieser Kategorien hat klare Konturen. Sie ist durch die Übernahme der Verpflichtung gekennzeichnet, den Schuldner - idR eine Tochtergesellschaft - so auszustatten, dass er seine Schulden zurückzahlen kann (Th. Rabl in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 §§ 1346, 1347 Rz 86 ff; P. Bydlinski in KBB3 § 1244 Rz 3; Rummel, FS P. Doralt 495; S. Leitner, ÖBA 2002, 520 ff; Koch, Patronatserklärungen 28 f). Hingegen können „weiche“ Patronatserklärungen einerseits unverbindliche Äußerungen sein, die dem Empfänger nicht mehr als ein „warm feeling“ verschaffen sollen (so pointiert Käser, Garantieversprechen als Sicherheit im Handelsverkehr, RabelsZ 35 [1971] 601 [613]), andererseits aber auch rechtlich verbindliche Handlungszusagen (Th. Rabl in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 §§ 1346, 1347 Rz 91 f; S. Leitner, ÖBA 2002, 518; Koch, Patronatserklärungen 29 ff). Liegt eine Handlungspflicht vor, kann deren Verletzung Schadenersatzansprüche auslösen (7 Ob 572/85 = SZ 58/127; S. Leitner, ÖBA 2002, 518; Th. Rabl in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 §§ 1346, 1347 Rz 91).

2. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten unter anderem eine Informationspflicht in Bezug auf Umstände (circumstances) bei der Kreditnehmerin übernommen. Eine solche Pflicht wird in wiederholt formulierten Beispiellisten für typische „weiche“ Patronatserklärungen nicht genannt (vgl etwa Koch, Patronatserklärungen 343 ff; Allstadt-Schmitz in Boujong/Ebenroth/Joost/Strohn, HGB2 [2009] Rz IV 696 ff; Rummel, FS P. Doralt 495); soweit dort von „Informationspflichten“ die Rede ist, beziehen sie sich auf Änderungen der in der Erklärung dargestellten Beteiligungsverhältnisse (Koch, Patronatserklärungen 349). Das schadet aber nicht, da der Grundsatz der Vertragsfreiheit selbstverständlich auch bei Rechtsgeschäften gilt, die die Parteien als „Patronatserklärung“ bezeichnen. Der konkrete Inhalt der (allenfalls) bestehenden Verpflichtung ist - wie auch sonst - durch Auslegung zu ermitteln (7 Ob 572/85 = SZ 58/127; 8 Ob 153/03p = EvBl 2004/137; Th. Rabl in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 §§ 1346, 1347 Rz 87).

3. Damit ist der Kern des - im Verhältnis zu den ungewöhnlich umfangreichen Rechtsmittelschriftsätzen doch recht einfachen - Problems erreicht: Waren die Beklagten aufgrund der Patronatserklärungen verpflichtet, die Klägerin vor der Vergabe des (hier strittigen) zweiten Kredits über die gegenüber den umliegenden Gebieten und den ursprünglichen Erwartungen schlechtere Zusammensetzung der gepachteten Wälder, die dadurch (mit)bedingte geringere Rentabilität und die zur Bewältigung dieses Problems geführten, aber noch nicht endgültig abgeschlossenen Verhandlungen mit den russischen Behörden zu informieren? Das Berufungsgericht hat diese Frage zu Unrecht verneint.

3.1. Auf der Tatsachenebene ist zunächst festzuhalten, dass das Berufungsgericht - anders als in der Rekursbeantwortung der Erstbeklagten behauptet - keineswegs alle Beweisrügen der Berufungen unbehandelt gelassen hat. Vielmehr hat es nur die im Referat der erstgerichtlichen Entscheidung wiedergegebenen Feststellungen (obiter) als „bedenklich“ bezeichnet. Daraus und aus der konkreten Auseinandersetzung mit den übrigen Beweisrügen ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass die anderen bekämpften Feststellungen vom Berufungsgericht übernommen wurden. Das gilt insbesondere für die im Vergleich zu den umliegenden Wäldern und zu den Erwartungen der Kreditnehmerin und der Beklagten schlechtere Zusammensetzung der gepachteten Wälder (Berufungsurteil S 24, 31), für die insofern trotz Kenntnis nicht erfolgte Information (Berufungsurteil S 26 f) und für den Umstand, dass die Zusammensetzung der Wälder - wenn schon nicht die „Hauptursache“, so doch - eine Mitursache des Scheiterns war (Berufungsurteil S 26 f).

3.2. Die Beklagten hatten es in den Patronatserklärungen „übernommen“ („to undertake“), die Klägerin „promptly“ über „any circumstances“ zu informieren, „which may have a material adverse effect on the assets, financial or trading position or prospects of business of the Subsidiary [F*****] and/or F***** RU [F***** K*****].“ Nach der inzwischen unstrittigen Übersetzung durch das Erstgericht entspricht „material adverse effect“ der deutschen Formulierung „tiefgreifend nachteilige Auswirkung“. „To undertake“ wurde vom Erstrichter zutreffend mit „sich verpflichten“ wiedergegeben. Die in erster Instanz (ansatzweise) aufgestellte Behauptung, dass es sich dabei bloß um eine unverbindliche Äußerung bzw eine Verpflichtung minderen Grades gehandelt habe, hielten die Beklagten schon in ihren Berufungen nicht mehr aufrecht.

3.3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich die Informationspflicht nur auf neu eintretende Umstände bezogen habe, ist verfehlt.

3.3.1. Der Wortlaut der strittigen Klausel knüpft, was schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ganz allgemein an „circumstances“ („Umständen“) an. Eine Einschränkung, dass es sich dabei um neue, dh nach Abgabe der Erklärung eintretende Umstände handeln müsste, lässt sich daraus nicht entnehmen. Gegen diese Auffassung spricht auch ein Vergleich mit ähnlich, aber eben gerade nicht gleich formulierten Klauseln in den Kreditverträgen: ein zur Fälligstellung berechtigendes „event of default“ war danach ein „material adverse change“, das wie folgt definiert war: „Any event or circumstance occurs which, in the reasonable opinion of the lender, might have a Material Adverse Effect“. Hier geht es daher, dem Zusammenhang entsprechend, tatsächlich um eine Änderung der Umstände nach Abschluss des jeweiligen Kreditvertrags. Hätten das die Parteien auch für die Patronatserklärungen gewollt, so hätten sie leicht die Formulierung der Kreditverträge übernehmen (Information über „material adverse changes“) oder den Wortlaut der Klausel in anderer Weise präzisieren können (zB „any new circumstances“). Da dies unterblieb, erfasst der Wortlaut auch bereits vorliegende Umstände.

3.3.2. Auch der Zweck der Bestimmung erfordert keine Einschränkung. Zwar ergibt sich aus dem soeben dargestellten Zusammenhang mit den Kreditverträgen, dass die Informationspflicht der Klägerin jedenfalls die Ausübung des Fälligstellungsrechts wegen einer „material adverse change“ ermöglichen sollte. Weshalb der Zweck aber, wie das Berufungsgericht annimmt, darauf beschränkt sein sollte, ist nicht erkennbar. Denn einerseits bestand das Informationsinteresse der Klägerin selbstverständlich auch schon vor Gewährung der Kredite; ein Umstand, der zur Fälligstellung eines Kredits berechtigt, steht aus wirtschaftlicher Sicht umso mehr dessen Gewährung entgegen. Auf der anderen Seite haben sich die Beklagten (unbestrittene Feststellung des Erstgerichts in US 15 f: Beilage ./O als „Konzept der Beklagten“) bereits vor der Kreditvergabe und den Patronatserklärungen darauf berufen, dass ihre eigenen Mütter (Bundes- bzw Staatsforste) mit ihrer Fachkunde hinter der F***** und deren Töchtern stünden. Die Klägerin musste daher annehmen, dass auch den Beklagten die wirtschaftlichen Umstände der Kreditnehmerin bekannt waren. Auf dieser Grundlage wäre eine von den Parteien gewollte Einschränkung der Informationspflicht auf neue Umstände schlechthin nicht nachvollziehbar. Die Position der Beklagten liefe letztlich darauf hinaus, dass sie die Klägerin nicht einmal über einen von der Kreditnehmerin bereits gestellten Insolvenzantrag oder über deren materielle Insolvenz hätten informieren müssen. Wenn die Erstbeklagte in der Rekursbeantwortung meint, sie könne dieses Argument unerörtert lassen, weil es auch durch mehrmalige Wiederholung nicht richtiger werde, verzichtet sie darauf, die Gründe für diese Auffassung zu erläutern.

3.3.3. Auch die weiteren Argumente der Beklagten schlagen nicht durch.

(a) Die Informationspflicht der Beklagten entstand - ebenso wie die anderen Pflichten aus den Patronatserklärungen - selbstverständlich erst mit der Abgabe dieser Erklärungen. Davon getrennt zu sehen ist aber der Gegenstand dieser Verpflichtung: Während eine rückwirkende Einflussnahme auf die Kreditnehmerin der Natur der Sache nach ausgeschlossen ist, ist eine Information über Vergangenes oder bei Abgabe der Erklärung Gegenwärtiges möglich und sinnvoll.

(b) Die von der Klägerin in einer E-Mail angesprochene Beurteilung des Kreditverhältnisses „on a stand alone basis“ bedeutet nur, dass die wirtschaftliche Lage der Konzernmütter mangels Haftungsübernahme (Interzession) nicht in die Beurteilung des Risikos der Töchter einbezogen werden sollte. Eine solche Interzession wäre unter den gegebenen Umständen nahe gelegen, weil sich das Unternehmen der Kreditnehmerin noch in der Aufbauphase befand, (offenkundig) über keine eigenen Sicherheiten verfügte und in hohem Maße von den beiden Müttern abhing. Unter solchen Umständen ist das Verlangen nach Drittsicherheiten geradezu selbstverständlich. Nach den Feststellungen war die Interzession (oder eine gleichwertige „harte“ Patronatserklärung) aber nicht möglich, weil dafür auf Seiten der Zweitbeklagten ein Parlamentsbeschluss erforderlich gewesen wäre. Damit waren für die Beurteilung der Bonität allein die Verhältnisse der Kreditnehmerin maßgebend (daher „stand alone basis“); das Unterbleiben einer Interzession wurde aber durch die (wenngleich nicht „harte“ und daher wohl auch nicht zu bilanzierende) Patronatserklärung von deren Müttern zumindest teilweise kompensiert. Weshalb die so verstandene „stand alone basis“ gegen die hier angenommenen Informationspflichten sprechen sollte, ist nicht erkennbar; deren Zusammenhang mit der unterbliebenen Interzession spricht sogar eher für eine weite Auslegung.

(c) Unter diesen Umständen ist die behauptete (zumindest teilweise) „Überwälzung“ der Pflicht (Obliegenheit) zur Prüfung der Erfolgsaussichten des Russlandprojekts genau das, was sich bei richtigem Verständnis aus den Patronatserklärungen und dem Verhalten der Beteiligten ergibt. Denn erkennbares Ziel der Klägerin war es, wenn schon nicht die Bonität, so doch die Fachkunde der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Redlichen Parteien (§ 914 ABGB) kann daher nicht die Annahme unterstellt werden, dass die Beklagten für sie erkennbare oder von ihnen sogar erkannte gravierende Risiken, die der Klägerin unbekannt waren, verschweigen durften. Das wäre dem oben dargestellten Zweck der Informationspflicht diametral zuwidergelaufen.

(d) Die behauptete Verwischung zwischen den einzelnen Rechtsbeziehungen - „bevorstehendes Geschäft“ seien die Patronatserklärungen, nicht die Kreditverträge - findet nicht statt. Die Beklagten haften selbstverständlich nicht aus den Kreditverträgen, sondern aus den von ihnen in den Patronatserklärungen übernommenen Verpflichtungen. Allerdings zielten diese Patronatserklärungen ja gerade auf die Gewährung der Kredite ab, an denen (auch) die Beklagten ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatten. Im gegebenen Zusammenhang geht es zudem nicht um vorvertragliche Pflichten, sondern schlicht um eine der Hauptpflichten aus den Patronatserklärungen.

(e) Die Informationspflicht bezog sich bei vernünftiger Auslegung nicht auf alle nur denkbaren Umstände in der Vergangenheit, sondern auf den (natürlich historisch gewachsenen) gegenwärtigen Zustand der Kreditnehmerin. Die Erteilung dieser Information war für die Beklagten als deren jederzeit voll informierte Muttergesellschaften möglich; von einer Uferlosigkeit der sie treffenden Pflichten kann daher keine Rede sein.

3.3.4. Eine Informationspflicht bestand, wenn aufgrund bestimmter Umstände ein „material adverse effect“ drohte. Richtig ist, dass zur Bestimmung einer solchen „tiefgreifend nachteiligen Auswirkung“ ein Referenzzustand erforderlich ist, dem gegenüber ein Nachteil eintreten könnte. Dieser Referenzzustand ist aber in der Präsentation ./O (dem „Konzept“ der Beklagten) dargestellt: ein von der Sachkunde traditionsreicher Staatsunternehmen getragenes Unternehmen arbeitet in Wäldern mit hohem, nachhaltigem Nutzungspotential. Wenn die tatsächlich gepachteten Wälder eine objektiv unterdurchschnittliche Zusammensetzung aufwiesen, was auch schon (wenngleich zusammen mit anderen Ursachen) zu Rentabilitätsproblemen geführt hatte, dann lag - wegen der dadurch höheren Kosten für die Erzielung eines bestimmten Ertrags - die Möglichkeit „tiefgreifend nachteiliger Auswirkungen“ für den geschäftlichen Erfolg des Unternehmens auf der Hand. Allein diese Möglichkeit reichte nach der Formulierung der Patronatserklärungen für das Entstehen der Informationspflicht aus („... which may have a material adverse effect ...“). Die Auffassung des Erstgerichts, dass die Beklagten zu einer diesbezüglichen Information verpflichtet waren, trifft daher zu.

3.3.5. Es ist unstrittig, dass die Beklagten die Klägerin über diese Schwierigkeiten nicht informiert haben. Dabei fällt ihnen zumindest Fahrlässigkeit zur Last, weil (auch) für sie kein Zweifel daran bestehen konnte, dass die Zusammensetzung der bewirtschafteten Wälder für die Erfolgschancen eines Forstbetriebs von entscheidender Bedeutung ist (vgl auch Rekursbeantwortung der Zweitbeklagten, S 12: „wesentlich für die Geschäftsaussichten“); weitere Feststellungen sind in diesem Zusammenhang daher nicht erforderlich. Auf die anderen in den Rechtsmittelschriften umfangreich erörterten Anspruchsgrundlagen kommt es unter diesen Umständen nicht an. Insbesondere gilt das für deutsche Lehrmeinungen und Judikatur zu vorvertraglichen Aufklärungspflichten aufgrund von weichen Patronatserklärungen. Denn diese Frage stellt sich nur, wenn eine Patronatserklärung nicht ohnehin ausdrücklich eine (primäre) Informationspflicht über die Kreditnehmerin vorsieht. Diesen Fall behandeln weder Fried (Die weiche Patronatserklärung [1998] 242 ff) noch die von den Parteien mehrfach zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf (6 U 23/88, NJW-RR 1989, 1116).

4. Die Haftung der Beklagten setzt die Kausalität der Vertragsverletzung (Informationspflichtverletzung) voraus. Ob sie vorliegt, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden, weil das Berufungsgericht die zu diesem Punkt erhobenen Beweisrügen der Beklagten - aufgrund seiner Rechtsauffassung folgerichtig - nicht erledigt hat. Damit ist die Sache trotz der abschließend erledigten Frage der Informationspflichtverletzung noch nicht spruchreif. Das führt zur Aufhebung des Aufhebungsbeschlusses und zur Rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das erstinstanzliche Verfahren müsste nur dann im Sinn der Berufungsentscheidung ergänzt werden, wenn die Kausalität der jedenfalls vorliegenden Vertragsverletzung aufgrund einer in diesem Fall notwendigen Beweiswiederholung verneint würde oder nicht feststellbar wäre.

5. In der unterlassenen Prüfung der gepachteten russischen Wälder lag kein relevantes Mitverschulden der Klägerin. Denn die Klägerin musste nicht damit rechnen, dass das von den Beklagten in ihrem Konzept zugesicherte „hohe, nachhaltige Nutzungspotential“ russischer Wälder schon im Zeitpunkt der Kreditvergabe wegen ungünstiger Pachtverträge in Wahrheit nicht genutzt werden konnte und dass die Beklagten ihr dies trotz Kenntnis und der insofern bestehenden Informationspflicht verschweigen würden. Zwar hätte eine sorgfältige Bank möglicherweise weitere Informationen verlangt und allenfalls auch ein betriebswirtschaftliches Gutachten eingeholt. Die Sorglosigkeit der Klägerin in ihren eigenen Angelegenheiten tritt aber gegenüber der gravierenden Informationspflichtverletzung durch die Beklagten, denen die Probleme ja bewusst waren, so deutlich in den Hintergrund, dass sie keine Auswirkungen auf die Schadenszurechnung hätte (RIS-Justiz RS0027202).

6. Denkbar wäre hingegen die von beiden Beklagten eingewendete Verletzung einer Schadensminderungsobliegenheit durch Unterlassen der Fälligstellung nach Vorliegen der zunächst vorenthaltenen Informationen. Nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt wäre die Kreditnehmerin allerdings nicht in der Lage gewesen, in diesem Fall auch nur Teile der aushaftenden Kredite - und damit auch nicht den hier strittigen Teilbetrag von 300.000 EUR - zurückzuzahlen. Auf dieser Sachverhaltsgrundlage war die unterbliebene Fälligstellung nicht kausal für den Schaden der Klägerin; der Einwand ginge daher ins Leere (RIS-Justiz RS0027284, RS0027321, RS0022831). Die Zweitbeklagte hat die letztgenannte Feststellung nicht bekämpft, sodass dieser Einwand für sie jedenfalls versagt.

Hingegen ist die Frage der Kausalität für die Erstbeklagte noch nicht abschließend geklärt, weil das Berufungsgericht deren diesbezügliche Beweisrüge nicht erledigt hat. Hier ist Folgendes zu erwägen: Hätte die Kreditnehmerin bei einer Fälligstellung zumindest den hier strittigen Betrag zurückzahlen können - wofür die Erstbeklagte beweispflichtig ist -, wäre die Kausalität der unterbliebenen Fälligstellung zu bejahen. Allerdings stellte sich dann die Frage, ob die Klägerin überhaupt zu dieser Maßnahme verpflichtet war. Dabei wäre zu prüfen, mit welchen Folgen sie im maßgebenden Zeitpunkt bei einer Fälligstellung rechnen musste. Diese Folgen hätte die Klägerin mit den mittelfristigen Erfolgsaussichten eines weiteren Engagements abwägen müssen. Eine Fälligstellung wäre von ihr nur dann zu verlangen gewesen, wenn diese Maßnahme (und die damit wohl verbundene Teilabschreibung bereits gewährter Kredite) auch bei einer Ex-ante-Betrachtung mit hoher Wahrscheinlichkeit dem weiteren Engagement vorzuziehen gewesen wäre. Denn die Fälligstellung eines Kredits greift massiv in die Betriebsführung des Kreditnehmers ein und löst möglicherweise einen Rechtsstreit aus; sie wiegt daher aus Sicht aller Beteiligten wesentlich schwerer als die bloße Nichtgewährung. Ob im konkreten Fall die Voraussetzungen dafür vorlagen, wäre bei einem Erfolg der in diesem Punkt erhobenen Beweisrüge nach Erörterung mit den Parteien in einem fortgesetzten Verfahren zu klären.

7. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsgericht wird die Beweisrügen beider Beklagten zur Kausalität der unterbliebenen Information und jene der Erstbeklagten zur Kausalität der Verletzung einer (allfälligen) Schadensminderungsobliegenheit zu erledigen haben. Übernimmt es die bekämpften Feststellungen, wäre das Urteil des Erstgerichts zu bestätigen. Bei fehlender oder nicht feststellbarer Kausalität der unterbliebenen Information hätte es bei der Aufhebung zu bleiben. Gleiches würde wegen der noch nicht abschließend beurteilbaren Frage des Bestehens einer Schadensminderungsobliegenheit für einen Teil des Schadens im Verhältnis zur Erstbeklagten gelten, wenn das Berufungsgericht die Kausalität der Nicht-Fälligstellung bejahte. Hier käme jedoch auch eine Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht in Betracht.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte