Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 7.717,98 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 429,48 Umsatzsteuer und S 1.920,-Barausl binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Inhaber eines Taxi- und Autobusunternehmens in Bludenz. Der Beklagte war dort vom 1. Oktober 1976 bis 31. Jänner 1980 als Buchhalter beschäftigt; daneben war er für die Disposition der Fahrzeuge zuständig und half auch als Fahrer aus. Am 10. April 1979 verschuldete der Beklagte auf einer Dienstfahrt mit einem dem Kläger gehörenden PKW Mercedes 300 D in Feldkirch-Tisis einen Verkehrsunfall, bei welchem drei mitfahrende Personen getötet und zwei weitere Beifahrer sowie er selbst schwer verletzt wurden. Wegen dieses Unfalls wurde der Beklagte mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Feldkirch vom 11. Dezember 1979 der Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB sowie der schweren Körperverletzung nach § 88 Abs 1
und 4 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Strafgericht legte ihm zur Last, als Lenker des PKW 'durch Unaufmerksamkeit, wodurch er gegen die hintere linke Bordwandecke eines am rechten Fahrbahnrand abgestellten LKW-Zuges prallte', den Tod dreier Personen und schwere Körperverletzungen zweier weiterer Personen herbeigeführt zu haben. Der Berufung des Beklagten gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 16. April 1980 nicht Folge.
Mit der vorliegenden, am 3. März 1981 überreichten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten den Ersatz des Zeitwertes des Unfallsfahrzeuges in der Höhe von S 180.000 s.A.
Der Beklagte hat das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Da er ungeachtet seiner Verurteilung durch das Strafgericht nur eine entschuldbare Fehlleistung, allenfalls einen minderen Grad des Versehens im Sinne des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes (DHG) zu verantworten habe, sei die Klagsforderung gemäß § 6 dieses Gesetzes verfallen. Er habe die Unfallsfahrt gut ausgeschlafen und in körperlich normaler Verfassung angetreten. Trotzdem sei er, wie vom Strafgericht festgestellt wurde, mit einer den örtlichen Verhältnissen angepaßten Geschwindigkeit von 69 km/h ohne jede Reaktion auf einen schon längere Zeit sichtbaren, vorschriftswidrig am rechten Straßenrand abgestellten LKW aufgefahren. Da ihm jede Erinnerung an das Unfallsgeschehen fehle, könne er über die mögliche Unfallsursache nur Vermutungen anstellen. Sein Hausarzt halte es für möglich, wenn nicht sogar für wahrscheinlich, daß er, bedingt durch zu niedrigen und wechselnden Blutdruck, plötzlich das Bewußtsein verloren hatte. Obgleich der Beklagte nach dem Unfall noch fast 9 Monate lang beim Kläger weitergearbeitet habe, habe dieser niemals eine Schadenersatzleistung verlangt; dieses Verhalten könne nur als schlüssiger Verzicht auf einen Ersatzanspruch gewertet werden. Auch treffe den Kläger insofern ein erhebliches Eigenverschulden, als er den Beklagten 'systematisch überfordert' und ihm über seinen Arbeitsvertrag hinaus zusätzlich noch den täglichen Personentransport, also eine schadensgeneigte Arbeit, aufgetragen habe, ohne dieses Risiko durch eine Kaskoversicherung abzudecken. Für den Fall eines gänzlichen oder teilweisen Erfolges der Klage werde eine aus mehreren offenen Ansprüchen des Beklagten (überstundenentgelt, Urlaubsabfindung, Jahresausgleichs-Guthaben, restliches Arbeitsentgelt) bestehende Gegenforderung von insgesamt S 428.020 zur Aufrechnung eingewendet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:
Der Beklagte mußte an jedem Arbeitstag um 5,20 Uhr früh nach Bürserberg fahren, um dort Schichtarbeiter der Fa. C abzuholen. Von dort fuhr er dann nach Vandans, wo er einige Grenzgänger abholte, die er nach Liechtenstein zu fahren hatte. In der Regel verwendete der Beklagte für diese Fahrten einen VW-Bus. Der PKW Mercedes 300 Diesel war bis etwa einen Monat vor dem Unfall vom Kläger als Privatfahrzeug verwendet worden. In der Folge wurde er dann aber voll als Taxi eingesetzt und auch vom Beklagten im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis für Fahrten benützt.
Am Morgen des 10. April 1979 wurde der VW-Bus des Klägers anderweitig gebraucht. Der Beklagte benützte deshalb - wie schon die Tage zuvor - den PKW Mercedes 300 D. Er fuhr zunächst um 5,20 Uhr nach Bürserberg, um die Schichtarbeiter der Fa. C abzuholen, und anschließend nach Vandans, wo die Grenzgänger aufzunehmen waren. Da eine Frau, welche an den vorangegangenen Tagen krank gewesen war, an diesem Tag erstmals wieder zustieg, war der PKW um eine Person überladen.
Der Beklagte war am 9. April 1979 um 21 Uhr zu Bett gegangen. Er war am folgenden Morgen ausgeschlafen und fühlte sich körperlich in guter Verfassung.
Bis Feldkirch verlief die Fahrt normal. Das Erinnerungsvermögen des Beklagten setzt an jener Stelle aus, wo er mit dem PKW das 'Bad 2000' in Feldkirch, Liechtensteinerstraße, passierte. An dieser Stelle konzentrierte sich der Beklagte besonders, weil die Gendarmerie dort öfter Radarkontrollen durchführt.
Im Zuge der Annäherung an die Liechtensteinische Grenze fuhr der Beklagte bei km 2,5, wo die erlaubte Höchstgeschwindigkeit 70 km/h betrug, ohne Bremsreaktion mit unverminderter Geschwindigkeit von 69 km/h gegen die linke hintere Bordwandecke eines LKW-Zuges, welcher von seinem Lenker als letztes Fahrzeug einer Kolonne am rechten Fahrbahnrand abgestellt worden war. Der Unfall ereignete sich um 6,15 Uhr, als es bereits hell war. Die Straße war trocken, der abgestellte LKW-Zug für den Beklagten auf eine Entfernung von 500 m gut sichtbar. Der Beklagte war zum Unfallszeitpunkt völlig nüchtern. Aus welchen Gründen der Beklagte reaktionslos in den gut sichtbaren LKW-Zug hineinfuhr, konnte weder im Strafverfahren noch im vorliegenden Rechtsstreit geklärt werden. Das Erstgericht ließ diese Frage im Rahmen seiner Feststellungen offen.
Der Beklagte leidet an niedrigem Blutdruck. Er wurde von seinem Hausarzt darüber informiert, daß bei diesem Leiden Bewußtseinsstörungen auftreten können. Bis zum 10. April 1979 war freilich beim Beklagten noch nie eine auf den niedrigen Blutdruck zurückzuführende Bewußtseinsstörung aufgetreten.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß dem Kläger der Beweis eines auffallend sorglosen Fehlverhaltens des Beklagten nicht gelungen sei. Die strafgerichtliche Verurteilung rechtfertige für sich allein noch nicht die Annahme grober Fahrlässigkeit. Da die Möglichkeit, daß die Aufmerksamkeit des Beklagten durch unbekannte, von ihm nicht zu vertretende Umstände abgelenkt wurde, nicht auszuschließen sei, könne aus dem objektiven Unfallsgeschehen noch nicht mit letzter Sicherheit auf grobe Fahrlässigkeit des Beklagten geschlossen werden.
Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Im Zuge der Neudurchführung der Verhandlung (§ 25 Abs 1 Z 3 ArbGG) holte das Berufungsgericht zusätzlich noch Befund und Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen und eines Facharztes für innere Medizin über die Möglichkeiten einer kurzfristigen Bewußtseinsstörung des Beklagten vor dem Unfall ein. Auf Grund dieses ergänzten Beweisverfahrens kam das Berufungsgericht 'im wesentlichen zu denselben Tatsachenfeststellungen wie das Erstgericht', nämlich insbesondere:
Während im Fond des Wagens drei Personen saßen, schliefen auf dem rechten Vordersitz zwei sehr schlanke Mädchen. Der Beklagte war durch sie im Lenken des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt. Das Erinnerungsvermögen des Beklagten setzt etwa 500 m vor dem Unfall aus, als der auf der rechten Straßenseite abgestellte LKW-Zug auf der übersichtlichen Strecke bereits erkennbar war. Die letzte Erinnerung des Beklagten vor dem Unfall ist, daß er - vor allem wegen der dort häufig durchgeführten Radarkontrollen - einen Blick auf den Tachometer warf, um sich zu vergewissern, daß seine Fahrgeschwindigkeit im Rahmen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h lag. Noch dunkel in Erinnerung hat der Beklagte, daß er hierauf nach der im Seitenfach der linken Türe befindlichen Werkstafel 'Ivoclar' langte, um sie, wie von der liechtensteinischen Zollbehörde gefordert, auf das Armaturenbrett zu legen. Tatsächlich lag die Tafel nach dem Unfall an dieser Stelle. Auch dadurch war jedoch der Beklagte beim Lenken des PKWs nicht beeinträchtigt, weil er durch diese Routinehandlung seine Sitzposition nicht verändern mußte und auch in seiner Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr nicht abgelenkt war. Der Beklagte hat mit seinen Fahrgästen während der Fahrt nicht gesprochen.
Der Beklagte leidet an niedrigem Blutdruck. Er wurde von seinem Hausarzt wegen gelegentlicher Kopfschmerzen und Wetterempfindlichkeit medikamentös behandelt. Bewußtseinsstörungen infolge zu niedrigen Blutdrucks sind ihm nie bewußt geworden. Der Beklagte - ein sehr verantwortungsbewußter, fleißiger, tüchtiger Mensch und umsichtiger, aufmerksamer Kraftfahrer - hat immer wieder über die mögliche Ursache des Unfalls nachgedacht. Er ist davon überzeugt, nicht etwa am Steuer eingeschlafen zu sein, weil er die Fahrt etwa 1 Stunde vor dem Unfall gut ausgeschlafen angetreten hatte. Irgendeiner Störung, Ablenkung oder Ausfallserscheinung ist er sich gleichfalls nicht bewußt. Sein Hausarzt besprach mit ihm nachträglich die Möglichkeit eines allfälligen 'black outs' wegen seines niedrigen Blutdrucks. Im Strafverfahren wurde diese Frage nicht näher untersucht.
Auf Grund des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Georg D steht fest, daß die Erinnerungslücke während der letzten 500 m Fahrtstrecke auf eine Gehirnerschütterung zurückzuführen ist. Dieser Sachverständige läßt die Möglichkeit einer kurzen Bewußtseinsstörung offen bzw. unbeantwortet, während der Facharzt für innere Medizin Prim.Dr. Gert MöHR eine kurzfristige Bewußtseinsstörung oder eine nur wenige Sekunden oder Sekundenbruchteile dauernde Bewußtlosigkeit - etwa wegen des niedrigen Blutdrucks - als höchst unwahrscheinlich bezeichnet. Rechtlich meinte das Berufungsgericht, es könne der Meinung der Strafgerichte erster und zweiter Instanz, wonach eine Bewußtseinsstörung oder -trübung ebenso auszuschließen sei wie ein Einschlafen des Beklagten, so daß nur Unaufmerksamkeit des Beklagten als Unfallsursache in Betracht komme, 'nicht uneingeschränkt folgen'. Die Annahme, daß der Beklagte auf den teilweise auf der rechten Straßenseite abgestellten, über hunderte Meter gut sichtbaren LKW-Zug aus bloßer Unaufmerksamkeit reaktionslos aufgeprallt sei, lasse sich mit der Persönlichkeit des Beklagten und der Art des Unfalles nicht in Einklang bringen, dies umso weniger, als an der Unfallsstelle gerichtsbekanntermaßen häufig Eüge, die auf die Zollabfertigung warten, in gleicher oder ähnlicher Weise abgestellt sind und dies dem Beklagten 'wie jedermann, der diese Strecke öfter befährt, bekannt ist bzw. bekannt war'. Auch dürfe nicht übersehen werden, daß der Beklagte den abgestellten Eug über eine Zeitspanne von mehr als 20 Sekunden sehen konnte und den Unfall schon durch ein verhältnismäßig geringfügiges Auslenken nach links hätte vermeiden können.
Das Berufungsgericht sehe sich deshalb 'in tatsächlicher Beziehung' nicht imstande, den Unfall nur auf Unaufmerksamkeit des Beklagten zurückzuführen; es gehe vielmehr davon aus, daß eine andere unbekannte Mitursache nicht auszuschließen ist. Mit der - für den Zivilrichter gemäß § 268 ZPO bindenden - Tatsachenfeststellung des Strafgerichtes, daß der Beklagte den Unfall infolge Unaufmerksamkeit fahrlässig verursacht habe, sei noch nichts Abschließendes darüber ausgesagt, auf welche konkreten Umstände diese Unaufmerksamkeit zurückzuführen war, ebensowenig über Art und Maß der Unaufmerksamkeit. Daß ein im allgemeinen verantwortungsbewußter, umsichtiger Kraftfahrer einen nur teilweise auf der rechten Fahrbahnseite abgestellten Eug, welcher auf hunderte von Metern und über eine Zeitspanne von mehr als 20 Sekunden mit hohem Auffälligkeitswert gut erkennbar ist, einfach übersieht und völlig reaktionslos auf dieses Hindernis aufprallt, sei höchst unwahrscheinlich. Gleich dem Erstgericht gehe daher auch das Berufungsgericht in tatsächlicher Beziehung davon aus, daß die Frage der Ursache, der Art und des Maßes der Unaufmerksamkeit des Beklagten mangels mit beruhigender Gewißheit anzunehmender Klärung offen bleibt.
Bei dieser Sachlage könne das Berufungsgericht eine - vom Kläger nachzuweisende - auffallende Sorglosigkeit des Beklagten auch in gewissem Maße im Hinblick auf das mehrjährige tadelsfreie, pflichtbewußte und aufopfernde Gesamtarbeitsverhalten des beklagten Dienstnehmers für den Kläger nicht bejahen. Vielmehr sei, gesamthaft betrachtet, nur ein minderer Grad des Versehens im Sinne des § 2 DHG anzunehmen. Der erst nach dem Ablauf der sechsmonatigen Ausschlußfrist des § 6 dieses Gesetzes gerichtlich geltend gemachte Schadenersatzanspruch des Klägers sei infolgedessen erloschen, das Klagebegehren somit zu Recht abgewiesen worden.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach vom Kläger mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO bekämpft.
Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Auffallende Sorglosigkeit im Sinne des
Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes - in der hier anzuwendenden Fassung
vor der Novelle BGBl. 1983/169 - hat ein Arbeitnehmer (nur) dann zu
verantworten, wenn eine außergewöhnliche und auffallende
Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt
des Schadens nicht bloß als möglich, sondern geradezu als
wahrscheinlich vorauszusehen war, mit anderen Worten, wenn es sich
um ein Versehen handelt, das mit Rücksicht auf seine Schwere und
(geringe) Häufigkeit nur bei besonders leichtsinnigen und
nachlässigen Menschen vorkommt und sich dabei aus der Menge der
unvermeidlichen Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens
heraushebt. Es muß also ein objektiv besonders schwerer
Sorgfaltsverstoß vorliegen, der dem Arbeitnehmer bei Würdigung aller
Umstände und unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse
auch subjektiv besonders schwer vorzuwerfen ist (SZ 48/39 =
Arb. 9381 = EvBl 1975/295 = ZAS 1976, 53 mit weiteren Hinweisen auf
Lehre und Rechtsprechung; iglS. SZ 43/80 = Arb. 8762; SZ 45/42 =
Arb. 8985 = SozM I A e 945 = ZVR 1973/200; Arb. 9168; Arb. 9179 =
EvBl 1973/180; Arb. 9485; Arb.
96O5 = RdA 1978, 133 = ZAS 1978, 185; Arb. 9702 = SozM I A e 1141;
Arb. 9862, 9939; Arb. 10.064 = RdA 1984, 227; Arb. 10.071 u.a.). Den
Vorinstanzen ist auch darin zu folgen, daß die strafgerichtliche Verurteilung des Arbeitnehmers noch keinen bindenden Ausspruch über das Vorliegen eines groben Verschuldens auf seiner Seite enthält; diese Frage muß vielmehr in jedem Einzelfall unter Bedachtnahme auf die persönlichen Verhältnisse und die allgemeinen Lebensgewohnheiten geprüft werden (Arb. 9485; Arb. 9702 = SozM I A e 1141 mit weiteren Nachweisen; ebenso Arb. 10.087 u.a.).
Gemäß § 268 ZPO ist der Zivilrichter, wenn die Entscheidung von dem Beweis und der Zurechnung einer strafbaren Handlung abhängt, an den Inhalt eines hierüber ergangenen rechtskräftigen verurteilenden Erkenntnisses des Strafgerichtes gebunden. Diese Bindung erstreckt sich nach Lehre und Rechtsprechung auf alle den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen, d.h. auf alle vom Strafgericht festgestellten Tatumstände, die in ihrer Gesamtheit den Straftatbestand ergeben, gleichgültig, ob sie im Spruch oder in den Gründen des Strafurteils enthalten sind. Der Zivilrichter muß also bei seiner Entscheidung von der Annahme ausgehen, daß der strafgerichtlich Verurteilte die ihm im Strafurteil zur Last gelegte Tat wirklich begangen hat.
Als 'Tat' sind dabei jene Handlungen und Unterlassungen anzusehen, die nach dem Inhalt des Strafurteils den Tatbestand derjenigen strafbaren Handlung oder Unterlassung begründen, deretwegen die Verurteilung ausgesprochen worden ist (SZ 54/150 = EvBl 1982/70 mit weiteren Nachweisen; EvBl 1982/164 u.a.).
Darüber hinaus muß der Zivilrichter bei seiner rechtlichen Beurteilung auch von einem zivilrechtlichen Verschulden des Verurteilten ausgehen, weil eine strafbare Handlung oder Unterlassung Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraussetzt (§§ 5, 6 StGB) und bei einer strafgerichtlichen Verurteilung somit im Sinne des § 1294 ABGB ein zivilrechtliches Verschulden an der schädigenden Handlung oder Unterlassung feststeht. In welchem Ausmaß diese vom Strafgericht festgestellte schuldhafte Handlung oder Unterlassung zum Schadenserfolg beigetragen hat, ob sie allein dafür maßgebend war oder wie weit der Schadenserfolg auch aus dem Verschulden des Beschädigten eingetreten ist, hat der Zivilrichter hingegen selbständig zu entscheiden (EvBl 1983/34 mit weiteren Nachweisen). Der Beklagte ist mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 11. Dezember 1979 rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 88 Abs 1
und 4 StGB schuldig erkannt worden, weil er 'am 10. April 1979 in Feldkirch/Tisis als Lenker des PKWs ...... durch Unaufmerksamkeit, wodurch er gegen die hintere linke Bordwandecke eines am rechten Fahrbahnrand abgestellten Euges prallte', den Tod dreier Personen herbeigeführt sowie zwei weitere Personen am Körper schwer verletzt hat. Für den vorliegenden Schadenersatzprozeß steht damit gemäß § 268 ZPO bindend fest, daß der Beklagte den Unfall durch Unaufmerksamkeit verursacht hat und daß ihm diese Unaufmerksamkeit nicht nur als (strafrechtliche) Fahrlässigkeit im Sinne des § 6 StGB, sondern zugleich auch als (zumindest leichte) Fahrlässigkeit ('Versehen') im Sinne des § 1294 ABGB vorzuwerfen ist. Damit ist aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, über die Ursache, die Art und das Ausmaß der Unaufmerksamkeit des Beklagten - als die für die Beurteilung des Grades seiner Fahrlässigkeit maßgebenden Umstände - noch nichts Abschließendes ausgesagt. Nach herrschender Rechtsprechung (SZ 44/87 = JBl 1972, 100; Arb. 9862;
JBl 1977, 648; EvBl 1983/72 u.a.) wird ein höherer Grad des Verschuldens nicht vermutet; das Vorliegen grober Fahrlässigkeit ist also immer von demjenigen zu beweisen, der sich darauf beruft. Einen solchen Nachweis hat aber das Berufungsgericht hier nicht als erbracht angesehen; es ist vielmehr auf Grund der Ergebnisse des neu durchgeführten und ergänzten Beweisverfahrens davon ausgegangen, daß eine andere, unbekannte Mitursache im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden kann und deshalb - vor allem auch wegen der Unmöglichkeit, die Ursache, die Art und das Ausmaß der dem Beklagten zur Last fallenden Unaufmerksamkeit verläßlich zu klären - ein auffallend sorgloses Fehlverhalten des Beklagten nicht erweislich ist. Auch eine Heranziehung des sogenannten Anscheinsbeweises (prima-facie-Beweises; siehe dazu Reischauer in Rummel, ABGB II Rdz 4 ff. zu § 1296; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 I 324 ff.; Arb. 8698 = SozM I A e 837 = ZVR 1970/176;
ZVR 1977/231 ua.) führt zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis: Ob diese Grundsätze zur Abgrenzung zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit überhaupt herangezogen werden können, braucht nicht weiter erörtert zu werden;
da ein Unfall, wie er sich hier ereignet hat, durchaus nicht immer auf grober Unachtsamkeit des Fahrzeuglenkers beruhen muß, nach der Lebenserfahrung vielmehr auch andere Umstände - etwa eine kurzfristige Bewußtseinsstörung oder -trübung, ein plötzliches Einschlafen, aber auch eine Ablenkung des Fahrers durch Vorgänge innerhalb oder außerhalb des Fahrzeuges - als Unfallsursache in Betracht kommen, fehlt es schon an dem für den prima-facie-Beweis kennzeichnenden Erfordernis eines typischen Geschehensablaufes. Ist aber dem Kläger der Beweis dafür, daß der Beklagte den Unfall vom 10. April 1979 durch eine als auffallende Sorglosigkeit zu qualifizierende Unaufmerksamkeit herbeigeführt hat, mißlungen und deshalb von einem minderen Grad des Versehens im Sinne des § 2 DHG auszugehen, dann ist der erst am 3. März 1981 gerichtlich geltend gemachte Ersatzanspruch des Klägers gemäß § 6 DHG verfallen und das Klagebegehren schon aus diesem Grund mit Recht abgewiesen worden. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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