OGH 4Ob138/91

OGH4Ob138/9116.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Wien 8., Bennoplatz 4, vertreten durch DD.Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei H.u.E.P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Herbert Gartner und Dr.Thomas Furherr, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 490.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 7.Oktober 1991, GZ 4 R 156/91-22, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8.März 1991, GZ 38 Cg 253/89-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.069,20 (darin enthalten S 3.178,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung. Im Februar 1989 sandte sie an Bürgermeister niederösterreichischer Gemeinden ein Rundschreiben folgenden Inhalts:

"Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Herren,

eine regelmäßige, korrekte und verantwortungsvoll durchgeführte Überprüfung der Ihnen zustehenden Gemeindeabgaben ist sicher nicht nur für Ihre Gemeinde finanziell interessant, sondern auch sehr gerecht gegenüber den 'braven Steuerzahlern'.

Die Gemeindeämter sind aber meist selbst aus personellen Gründen nicht in der Lage, diese Tätigkeiten durchzuführen. Daher möchten wir auf eine problemlose und erfolgreiche Möglichkeit aufmerksam machen:

Unser geschultes und erfahrenes Fachpersonal ist seit Jahren für Gemeindeämter und Gemeindeverbände tätig und dabei auch mit der Überprüfung der Gemeindeabgaben (Getränke- und Speiseeissteuer, Lohnsummensteuer, Lustbarkeitsabgabe, Fremdenverkehrsförderungsbeiträge, Ortstaxe, Anzeigenabgabe, Ankündigungsabgabe und richtige Durchführung der Gewerbesteuerzerlegung) befaßt.

Wir würden uns sehr freuen, wenn auch Sie von unseren seriösen Dienstleistungen und den Fachkenntnissen unseres korrekt arbeitenden Personals in Hinkunft Gebrauch machen würden......".

Sämtliche Dienstnehmer der Beklagten waren früher Beamte der Stadt Wien und haben die Fachprüfung für die Gemeindeabgabenüberprüfung abgelegt; sie sind jedoch nicht Wirtschaftstreuhänder, Inventurkommissäre oder öffentlich bestellte Sachverständige für das Buch- und Rechnungswesen. Zwischen den Gemeinden und den von der Beklagten überlassenen Arbeitskräften werden keine Beschäftigungsverträge abgeschlossen.

Die klagende Kammer beantragt, die Beklagte schuldig zu erkennen es zu unterlassen, die Überprüfung von Gemeindeabgaben für niederösterreichische Gemeinden anzukündigen und/oder durchzuführen, ohne Wirtschaftstreuhänder, beeideter Sachverständiger für das Buch- und Rechnungswesen oder Inventurkommissär zu sein; außerdem erhebt die Klägerin ein Urteilsveröffentlichungsbegehren. Die von der Beklagten den Gemeinden angebotene Überprüfung von Gemeindeabgaben sei nichts anderes als die Erstattung von Sachverständigengutachten auf dem Gebiet des Abgabenrechtes, welche gemäß § 32 Abs 1 lit b WTBO den Wirtschaftstreuhändern und Wirtschaftstreuhandgesellschaften vorbehalten sei. Die Gemeinden als Abgabenbehörden dürften die Ermittlung von Steuerschulden auf Grund von Abgabenerklärungen der Steuerpflichtigen oder auf Grund der Nachschau bei Steuerpflichtigen nicht privaten Personen übertragen. Private dürften im Abgabenverfahren nur zu Sachverständigen bestellt werden; dabei dürften nur die in den §§ 31 bis 33 WTBO genannten Wirtschaftstreuhänder und Inventurkommissäre herangezogen werden. Eine Ausnahme davon treffe nur § 32 Abs 1 lit b letzter Satz WTBO, wonach auch für das Buch- und das Rechnungsfach beeidete Sachverständige herangezogen werden können, selbst wenn diese nicht Wirtschaftstreuhänder im Sinne der WTBO sind. Nicht entscheidend sei, ob die Beklagte selbst die Überprüfung von Gemeindeabgaben durchführt oder den Gemeinden Arbeitskräfte zur Überprüfung überläßt. Die Arbeitnehmer der Beklagten seien nämlich weder Sachverständige noch als Gemeindeorgane tätig. Letzteres wäre nur möglich, wenn sie Beamte oder Vertragsbedienstete wären; das sei aber nicht der Fall. Im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung werde zwischen dem Arbeitnehmer des Überlassers und dem Beschäftiger keine arbeitsrechtliche Beziehung begründet. Es treffe auch nicht zu, daß die überlassenen Arbeitskräfte durch einen gesetzmäßigen Vorgang zu Gemeindeorganen bestellt würden. Schließlich wäre die Abgabenerhebung durch "beliehene Organe" durch die nöAbgO nicht gedeckt. Die Beklagte verletze demnach planmäßig und in großem Umfang die Bestimmungen der WTBO und verschaffe sich damit einen Vorsprung gegenüber den Wirtschaftstreuhändern; damit verstoße sie aber auch gegen § 1 UWG. Zwischen den Mitgliedern der Klägerin und der Beklagten bestehe ein Wettbewerbsverhältnis, weil die Beklagte in Wahrheit Tätigkeiten ausübe, die den Wirtschaftstreuhändern vorbehalten sind. Sollte aber die Beklagte tatsächlich nur Arbeitskräfte überlassen, dann wäre ihre Ankündigung irreführend, weil ihre Arbeitskräfte nicht Sachverständige seien.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie biete den Gemeinden seit Jahren Fachpersonal für die Gemeindeabgabenüberprüfung an. Das von ihr beigestellte Personal werde von den jeweiligen Bürgermeistern zu Gemeindeorganen bestellt und angelobt; es unterstehe den Weisungen des Bürgermeisters oder dessen Beauftragten. Damit führe aber im Rahmen dieser Arbeitskräfteüberlassung nicht die Beklagte, sondern die Gemeinde selbst die Abgabenprüfung durch. Für eine solche Tätigkeit sei eine Befugnis als Wirtschaftstreuhänder nicht erforderlich; auch seien die Prüfungsergebnisse nicht Sachverständigengutachten. Die Beklagte übe daher keine Tätigkeiten aus, die den Wirtschaftstreuhändern vorbehalten sind. Wirtschaftstreuhänder dürften im Rahmen dieser Steuerprüfung für die Gemeinden nicht tätig werden, weil solche Tätigkeiten gemäß § 118 nöAbgO nur von weisungsgebundenen Gemeindeorganen durchgeführt werden dürften. Da aber Wirtschaftstreuhänder ihre Tätigkeit eigenverantwortlich auszuüben hätten, sei ihre Tätigkeit als weisungsgebundene Gemeindeorgane ausgeschlossen. Darüber hinaus würde eine solche Tätigkeit durch Wirtschaftstreuhänder zu einer Befangenheit führen, weil dabei auch die von anderen Wirtschaftstreuhändern verfaßten Steuererklärungen überprüft werden müßten; kritische Äußerungen dabei könnten eine den Wirtschaftstreuhändern untersagte Abwerbung sein. Damit fehle es auch an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen Wirtschaftstreuhändern und der Beklagten.

Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt. Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es noch folgende Feststellung:

Das von der Beklagten angebotene Personal wird vom jeweiligen Bürgermeister zum "Gemeindeorgan" bestellt, angelobt und dem Gemeindeamt organisatorisch eingegliedert; es untersteht auch dessen Dienst- und Fachaufsicht. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht folgendes aus:

Die Überlassung von Arbeitskräften sei auch an Gemeinden zulässig; sie dürfe aber nicht für Tätigkeiten erfolgen, die bestimmten Berufskreisen vorbehalten sind. Die Abgabenerhebung sei nur durch Organe der Abgabenbehörde möglich. Die überlassene Arbeitskraft werde aber nicht als Gemeindeorgan tätig. Dazu wäre eine Ernennung zum Beamten oder die Aufnahme als Vertragsbediensteter erforderlich; derartige Dienstverhältnisse würden aber zwischen den Gemeinden und den überlassenen Arbeitskräften nicht begründet. Eine Bestellung zum Gemeindeorgan ohne Begründung solcher Dienstverhältnisse sei nicht möglich, der von den Bürgermeistern gewählte Vorgang daher gesetzwidrig. Auch eine Nachschau zum Zweck der Abgabenerhebung dürfe nur von Gemeindeorganen vorgenommen werden. Wenn Gemeinden nicht über das für die Abgabenerhebung erforderliche Personal verfügen, müßten sie Sachverständige oder andere geeignete Personen im Sinne des § 142 nöAbgO heranziehen. Durch die hier gewählte Vorgangsweise werde aber die Bestellung von Wirtschaftstreuhändern zu Sachverständigen vermieden. Auch das Wettbewerbsverhältnis zwischen Wirtschaftstreuhändern und der Beklagten sei zu bejahen, weil den Wirtschaftstreuhändern die Erstattung von Sachverständigengutachten auf dem Gebiet des Abgabenrechtes vorbehalten sei. Die Tätigkeit ihrer Arbeitskräfte sei der Beklagten zuzurechnen. Sie biete aber selbst die Überprüfung der Gemeindeabgaben an und führe diese auch durch, wenngleich sie sich dabei der bei ihr beschäftigten Personen bediene; daran lasse der Inhalt ihres Rundschreibens vom Februar 1989 keinen Zweifel. Die Beklagte habe damit gegen § 32 WTBO, aber auch gegen § 1 UWG verstoßen. Der Verstoß gegen § 32 WTBO sei der Beklagten auch subjektiv vorwerfbar, weil das von ihr beigestellte Personal nicht als Wirtschaftstreuhänder befugt und nicht als Sachverständiger beeidet sei. Nur in dieser Form wäre aber eine Tätigkeit für niederösterreichische Gemeinden zum Zweck der Gemeindeabgabenüberprüfung möglich. Auch ein Verstoß gegen § 2 UWG liege vor, doch die Beklagte erwecke durch ihre Werbeankündigung bei den angesprochenen Personen den unrichtigen Anschein, daß eine gesetzeskonforme Beschäftigung ihres Personals im Zuge der Erhebung von Gemeindeabgaben möglich wäre.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht trat das Berufungsgericht der - von ihm selbst bereits im Provisorialverfahren

ausgesprochenen - rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Abweisung der Klage abzuändern; hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zu der hier für die Beurteilung des behaupteten Wettbewerbsverstoßes maßgebenden Frage, ob überlassene Arbeitskräfte zu Organen der Abgabenbehörde im Sinne der nöAbgO bestellt werden können, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Beklagte bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Bestellung der einer Gemeinde im Wege eines Arbeitskräfteüberlassungsvertrages beigestellten Arbeitskräfte zu Gemeindeorganen nicht zulässig sei. Ihre Arbeitskräfte würden vielmehr in den Behördenapparat der Gemeinde organisatorisch eingegliedert, unterlägen der Amtsverschwiegenheit und seien weisungsgebunden. Daß daneben der Dienstvertrag zwischen diesem Personal und der Beklagten aufrecht bleibe, ändere daran nichts; auf die Tätigkeit ihres Personals im Rahmen der Abgabenprüfung der Gemeinden übe sie keinen Einfluß aus. Die Überlassung von Arbeitskräften an Gemeinden sei jedenfalls zulässig. Selbst wenn der Bestellungsvorgang fehlerhaft sei, entfalte er rechtliche Wirkungen, weil er nicht absolut nichtig und auch nicht angefochten worden sei. Die von der Beklagten den Gemeinden überlassenen Arbeitskräfte seien nicht als Sachverständige im Abgabenverfahren tätig. Schließlich bekämpft die Beklagte auch die Annahme eines Verstoßes gegen § 2 UWG. Ihren Ausführungen kann jedoch nicht beigepflichtet werden:

Die Beklagte hat mit dem beanstandeten Werbeschreiben Bürgermeistern niederösterreichischer Gemeinden die Überprüfung der Gemeindeabgaben durch ihr geschultes und erfahrenes, seit Jahren für Gemeindeämter und Gemeindeverbände tätiges Fachpersonal angeboten; sie stellt ihr Personal den Gemeinden im Wege von Arbeitskräfteüberlassungsverträgen zur Verfügung. Nach der weiteren - von der Klägerin im Berufungsverfahren allerdings bekämpften - Feststellung des Erstgerichtes wird dieses Personal von den jeweiligen Bürgermeistern zum Gemeindeorgan bestellt, angelobt und den Gemeindeämtern organisatorisch eingegliedert. Selbst wenn das tatsächlich zutreffen sollte, würden die überlassenen Arbeitskräfte in Niederösterreich aus rechtlichen Gründen nicht zu Angehörigen der Abgabenbehörde. Fehlt aber ein solcher "Bestellungsvorgang" aber überhaupt, dann stellt sich die Frage, ob diese Arbeitskräfte Angehörige der Abgabenbehörde geworden sind, nicht.

Gemäß § 48 nöAbgO ist in den Angelegenheiten der Gemeindeabgaben - mangels anderer Bestimmungen in den Abgabenvorschriften - der Bürgermeister Abgabenbehörde erster Instanz. Gemäß § 92 nöAbgO haben die Abgabenbehörden darauf zu achten, daß alle Abgabenpflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfaßt und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, daß Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Die Abgabenbehörden haben daher die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind (§ 93 nöAbgO). Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens haben die Abgabenbehörden die Abgabenerklärungen zu prüfen (§ 127 nöAbgO unter Hinweis auf § 93). Als Beweismittel kommt im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist (§ 131 nöAbgO), ist, insbesondere der Beweis durch Urkunden, Zeugen, Sachverständige und Augenschein. Für Zwecke der Abgabenerhebung kann die Abgabenbehörde ua bei Personen, die nach abgabenrechtlichen Vorschriften Bücher oder Aufzeichnungen zu führen haben, Nachschau halten und hiebei alle für die Abgabenerhebung bedeutsamen Umstände feststellen (§ 118 Abs 1 nöAbgO); in Ausübung der Nachschau dürfen Organe der Abgabenbehörde Gebäude, Grundstücke und Betriebe betreten und besichtigen, die Vorlage der nach den Abgabenvorschriften zu führenden Bücher und Aufzeichnungen sowie sonstiger für die Abgabenerhebung maßgeblicher Unterlagen verlangen, in diese Einsicht nehmen und hiebei prüfen, ob die Bücher und Aufzeichnungen fortlaufend, vollständig sowie formell und sachlich richtig geführt werden (§ 118 Abs 2 nöAbgO). Die mit der Vornahme einer Nachschau beauftragten Organe haben sich zu Beginn der Amtshandlung unaufgefordert über ihre Person und darüber auszuweisen, daß sie zur Vornahme einer Nachschau berechtigt sind; über das Ergebnis dieser Nachschau ist, soweit erforderlich, eine Niederschrift aufzunehmen (§ 120 nöAbgO).

Ist der Bürgermeister Abgabenbehörde, dann kann er sich zur Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten des Gemeindeamtes, das gemäß § 42 nöAbgO aus ihm als Vorstand, den Bediensteten und dem Kassenverwalter besteht, bedienen. § 42 Abs 1 Satz 1 nöAbgO umschreibt den Personenbereich des Gemeindeamtes; andere als die genannten Personen dürfen zur Besorgung der Geschäfte der Gemeinde nicht herangezogen werden (Gromaczkiewicz-Haider-Häußl-Hrdlicka-Klerr, NÖGO2, 151). "Lediglich die Heranziehung von Hilfsdiensten, wie elektronische Datenverarbeitungsanlagen, ist unter Bedachtnahme auf die Amtsverschwiegenheit zulässig" (§ 42 Abs 1 Satz 2 NÖGO). Anders als etwa § 120 Abs 2 Bgld LAbgO, sieht die nöAbgO die Heranziehung von Personen, die nicht dem Personalstand der Abgabenbehörde angehören, zur Vornahme einer Nachschau als bestellte Nachschauorgane ("beliehene Unternehmer") nicht vor. Damit mangelt es in Niederösterreich an der gesetzlichen Grundlage, im Abgabenverfahren der Gemeinden Private durch Beleihung, Inpflicht- oder Indienstnahme zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben heranzuziehen (vgl zu diesem Erfordernis Schäffer, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private (Beleihung und Inpflichtnahme) in der Schriftenreihe der Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft Nr 22, 59 ff (79)). Die Gemeindebediensteten aber werden entweder als Beamte auf Lebenszeit bestellt oder durch Vertrag auf Zeit oder auch unkündbar in Dienst genommen (Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts 163). Personen, die nicht Gemeindebedienstete sind, dürfen daher im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde nur für Hilfstätigkeiten, nicht aber auch für solche hoheitliche Aufgaben, in deren Rahmen auch Hoheitsgewalt ausgeübt werden kann, herangezogen werden (vgl VfSlg 8.844).

Charakteristisch für die Arbeitskräfteüberlassung ist, daß die Arbeitskraft ihre Arbeitsleistung nicht im Betrieb ihres Arbeitgebers (Überlassers), sondern in den Betrieben der Beschäftiger in Unterordnung unter deren Weisungsbefugnis erbringt. Während die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen der Arbeitskraft und dem Überlasser im Arbeitsvertrag geregelt sind, beruht die schuldrechtliche Verbindung zwischen Überlasser und Beschäftiger auf dem Überlassungsvertrag (Dienstverschaffungsvertrag); eine vertragliche Regelung zwischen dem Beschäftiger und der Arbeitskraft besteht im allgemeinen nicht (JBl 1991, 331). Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz - AÜG, BGBl 1098/196 - hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Vom Geltungsbereich der Abschnitte II bis IV ist zwar zufolge § 1 Abs 2 Z 1 AÜG die Überlassung von Arbeitskräften durch oder an den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband ausgenommen. Die Überlassung von Bediensteten durch Gebietskörperschaften oder durch einen Gemeindeverband mußte wegen Art 21 B-VG aus dem Regelungsbereich ausgeschlossen bleiben (EB 450 BlgNR 17.GP 14). Die Ausnahme wird aber auch damit begründet, daß die Einhaltung der Funktionen des AÜG (Schutz der Arbeitskräfte, Vermeidung arbeitsmarktpolitisch negativer Folgen) im öffentlichen Bereich ohnedies gewahrt sein müßte (Leutner-Schwarz-Ziniel, AÜG 40). Die Zulässigkeit der Ausstattung überlassener Arbeitskräfte mit hoheitlichen Befugnissen für den Außenbereich einer Behörde ergibt sich daraus aber nicht. Wegen des Fehlens einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen überlassener Arbeitskraft und Beschäftiger - weshalb derartige Arbeitskräfte nur über Umwege dem für Verwaltungsorgane wesentlichen Weisungsrecht und der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit unterzogen werden

können - wird - für die gemäß Art 20 Abs 1 B-VG unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder geführte Verwaltung - die Beschäftigung überlassener Arbeitskräfte als nicht verfassungskonform angesehen (Mathes, Bundesbeamte: "Beamte auf Zeit" oder ernannte berufsmäßige Organe?, JBl 1987, 703 ff (707)). Auch für die Führung der Geschäfte der Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich durch das Gemeindeamt (Art 117 Abs 6 B-VG) ergibt sich keine andere Wertung. Werden überlassene Arbeitskräfte im Rahmen des Gemeindeamtes für die Abgabenprüfung nicht bloß zur Erbringung von Hilfsdiensten im Innenbereich, sondern auch - ausgestattet mit hoheitlichen Befugnissen - für den Außenbereich bestellt, dann ist ein solcher Bestellungsvorgang mangels verfassungsmäßiger und gesetzlicher Deckung fehlerhaft. Daß dieser Vorgang von einem für die Bestellung von Gemeindebediensteten zuständigen Organ der Gemeinde ausgeht und daher nicht absolut nichtig ist, vermag daran nichts zu ändern; daß derartige Bestellungsvorgänge bisher noch nicht angefochten wurden, ist jedenfalls für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eines Gesetzesverstoßes ohne Belang. Daß im Bereich der Amtshaftung, in dem es zufolge des weiten Organbegriffes in § 1 Abs 2 AHG auf die Fehlerhaftigkeit (Vernichtbarkeit) des Bestellungsvorganges nicht ankommt (Schragel, AHG 30 f) und in dem nicht einmal die Einbindung in den Weisungszusammenhang gemäß Art 20 Abs 1 B-VG verlangt wird (Wrba-Zechner, AHG 154), das Handeln fehlerhaft bestellter Organe dem Rechtsträger zuzurechnen ist, hat auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung ebenfalls keine Auswirkungen.

Die Beklagte hat Bürgermeistern niederösterreichischer Gemeinden die Vornahme der Abgabenprüfung angekündigt; ihre Fachkräfte führen die in diesen Bereich fallenden Tätigkeiten aus. Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung dieses Verhaltens ist daher auf Grund der für die Abgabenprüfung in der nöAbgO enthaltenen Vorschriften auch davon auszugehen, daß die Arbeitskräfte der Beklagten nicht bloß als Hilfsorgane im Innenbereich des Gemeindeamtes tätig bleiben, sondern auch als Nachschauorgane im Sinne des § 118 nöAbgO mit der Ausführung hoheitlicher Tätigkeiten im Außenbereich betraut werden. Diese Tätigkeiten umfaßten auch die Feststellung abgabenrechtlich maßgebender Tatbestände und die Ermittlung von Abgabenschulden, materiell gesehen sohin auch Elemente von Sachverständigengutachten auf dem Gebiet des Abgabenrechtes. Wenngleich Wirtschaftstreuhänder - ebenso wie die Arbeitskräfte der Beklagten - auf die vorbeschriebene Weise nicht wirksam zu Organen der Abgabenbehörde bestellt werden könnten und auch eine Eingliederung selbständige Erwerbstätiger in den Behördenapparat durch Begründung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Dienstverhältnisse nicht möglich wäre, üben die Arbeitskräfte der Beklagten, materiell gesehen, dennoch eine Tätigkeit aus, die den Wirtschaftstreuhändern gemäß § 32 Abs 1 lit b WTBO vorbehalten ist. Von der - in Ausnahmefällen bestehenden - Möglichkeit, an Stelle "öffentlich bestellter Sachverständiger" "andere geeignete Personen" als Sachverständige heranzuziehen (§ 142 Abs 1 und 2 nöAO) und diese im Einzelfall als Sachverständige zu beeiden (§ 32 Abs 1 lit b WTBO), haben die Abgabenbehörden keinen Gebrauch gemacht; die Beklagte behauptet vielmehr ausdrücklich, daß ihre Leute nicht als Sachverständige tätig geworden sind. Die Ausnahme von diesem Berufsvorbehalt in § 32 Abs 1 lit b WTBO, wonach das Recht der Gerichte und Verwaltungsbehörden, zur Erstattung von Gutachten ständig oder im Einzelfall für das Buch- und Rechnungsfach beeidete Sachverständige oder Inventurkommissäre heranzuziehen, die nicht Wirtschaftstreuhänder sind, unberührt bleibt, kommt daher im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zum Tragen. Sowohl mit der Beistellung von Arbeitskräften zu solchen Tätigkeiten im Wege eines mit einer niederösterreichischen Gemeinde geschlossenen Arbeitskräfteüberlassungsvertrages als auch mit der entsprechenden Ankündigung solcher Tätigkeiten hat also die Beklagte, die über keine entsprechende Befugnis verfügt, gegen die Bestimmungen in der WTBO über die ausschließlichen Befugnisse von Wirtschaftstreuhändern verstoßen.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung (MR 1988, 102; MR 1991, 120; ÖBl 1989, 122; ÖBl 1990, 7; EvBl 1989/100) verstößt derjenige, der sich schuldhaft über ein Gesetz hinwegsetzt, um im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen, gegen § 1 UWG, ohne daß es darauf ankäme, ob die übertretene Norm an sich wettbewerbsregelnden Charakter hat (MR 1990, 196; MR 1991, 120); entscheidend ist vielmehr die objektive Eignung des konkreten Verstoßes zur Beeinträchtigung des freien Leistungswettbewerbes (MR 1991, 120 mwN). Bei einem Verstoß gegen einen sogenannten "Berufsvorbehalt" kann diese Eignung nicht zweifelhaft sein. Guter Glaube, zur Vornahme der beanstandeten Tätigkeiten berechtigt zu sein, kann der Beklagten schon im Hinblick auf den gegen einen eindeutigen Berufsvorbehalt verstoßenden Inhalt nicht ihres Werbeschreibens zugebilligt werden.

Aber auch ein Wettbewerbsverhältnis ist zu bejahen, wenn sich die Streitteile - hier die Wirtschaftstreuhänder und die Beklagte - mit einem nicht unmaßgeblichen Bereich ihrer Tätigkeiten an einen im wesentlichen gleichartigen Abnehmerkreis wenden (SZ 43/195; SZ 54/77; MR 1991, 206 uva). Konkreter Wettbewerb zwischen den Parteien ist nicht erforderlich; vielmehr genügt es, daß die von ihnen vertriebenen Waren oder gewerblichen Leistungen ihrer Art nach in Konkurrenz treten und einander nach der Verkehrsauffassung behindern können (SZ 54/77; SZ 60/78; MR 1991, 206). Das ist hier aber zweifellos der Fall.

Da sich der geltend gemachte Anspruch schon aus § 1 UWG ergibt, muß nicht mehr geprüft werden, ob die Ankündigungen der Beklagten auch irreführend sind.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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