OGH 4Ob124/09b

OGH4Ob124/09b20.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) B***** GmbH, und 2) B***** I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1) P***** GmbH, 2) A***** P*****, und 3) H***** P*****, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Unterlassung, 1.000 EUR sA und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 69.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 8. Juni 2009, GZ 2 R 101/09z-11, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 21. April 2009, GZ 5 Cg 48/09t-7 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

I. „Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des mit Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird den Beklagten bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils verboten,

I.1. die gewerbliche Betriebsanlage im Umfang der beantragten Änderung der Betriebsanlage bzw die erneuerte Getreidereinigungs- und Mühlenanlage samt der zentralen Aspirationsanlage gemäß Antrag zur gewerbebehördlichen Genehmigung für die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage durch Umbau der Mühle im Standort *****, auf den Grundstücken Nr. *****, der Erstbeklagten vom 30. 11. 2007, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft ***** am 13. 12. 2007, zu betreiben, solange die dafür erforderlichen behördlichen Bewilligungen nicht vorliegen,

I.2. die gewerbliche Betriebsanlage am in Punkt 1. genannten Standort zu betreiben, sofern von diesem Betrieb tonhaltige und/oder impulsartige Dauergeräusche wie zB Lüftungsgeräusche, Gebäudeabstrahlung, Motor- und Pumpengeräusche ausgehen, die im Immissionspunkt 1, Messstelle bei den Nachbarn *****, den betriebsbedingten Immissionspegel LP,A von maximal 40 dB während der Nachtzeit überschreiten.

II. Das darüber hinausgehende Hauptbegehren, den Beklagten zu verbieten, die Anlage vor Eintritt der Rechtskraft der dafür erforderlichen Bewilligungen zu betreiben, wird ebenso abgewiesen, wie das Eventualteilbegehren, die gewerbliche Betriebsanlage bei Überschreitung des in Punkt 2. näher beschriebenen Geräuschpegels während der Tageszeit und/oder wegen eines auf Schlaggeräusche von der Entladung der anliefernden LKWs zurückzuführenden Geräuschpegels zu betreiben.

Die weiteren Eventualbegehren, den Beklagten werde verboten, im geschäftlichen Verkehr

(Eventualbegehren 2) die gewerbliche Betriebsanlage zu betreiben, sofern im Immissionspunkt 1, Messstelle bei den Nachbarn *****, der betriebsbedingte Immissionspegel LP,A - verursacht durch alle Dauergeräusche der gesamten Anlagenteile - von maximal 40 dB, in eventu von maximal 50 dB, während der Tages- und Nachtzeit überschritten wird;

(Eventualbegehren 3) die gewerbliche Betriebsanlage im Umfang der von der Bezirkshauptmannschaft ***** verfügten Schließungsanordnung vom 22. 12. 2008 und/oder im Umfang weiterer behördlicher Schließungsanordnungen zu betreiben, solange diese Verfügung(en) nicht aufgehoben ist (sind);

(Eventualbegehren 4) die gewerbliche Betriebsanlage in Form einer Änderung der Betriebsanlage durch den Umbau und die Aufstockung des Mühlengebäudes zu betreiben, solange die erforderlichen behördlichen Bewilligungen nicht rechtskräftig vorliegen und/oder eine Gesundheitsgefährdung der unmittelbaren Nachbarn nicht auszuschließen ist;

(Eventualbegehren 5) die Marktteilnehmer über das Vorliegen einer rechtskräftigen behördlichen Bewilligung für eine Änderung der gewerblichen Betriebsanlage durch den Umbau und die Aufstockung des Mühlengebäudes in die Irre zu führen;

(Eventualbegehren 6) die gewerbliche Betriebsanlage zu betreiben, sofern von diesem Betrieb tonhaltige Dauergeräusche ausgehen, die das ortsübliche und zumutbare Maß überschreiten;

(Eventualbegehren 7) die gewerbliche Betriebsanlage zu betreiben, sofern eine Gesundheitsgefährdung der unmittelbaren Nachbarn nicht auszuschließen ist;

werden abgewiesen.

III. Die Klägerinnen haben drei Viertel ihrer im Sicherungsverfahren aller drei Instanzen angefallenen Kosten vorläufig und ein Viertel dieser Kosten endgültig selbst zu tragen. Die Klägerinnen sind schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen einen mit 1.535,87 EUR (darin enthalten 255,98 EUR USt) bestimmten Anteil an den Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen."

Text

Begründung

Die Klägerinnen betreiben ein Unternehmen zur Backmittelerzeugung, die Erstbeklagte, deren Geschäftsführer die Zweit- und Drittbeklagten sind, betreibt eine Mühle samt Backmittelerzeugung.

Mit Eingabe vom 30. 11. 2007 beantragte die Erstbeklagte bei der Bezirkshauptmannschaft die gewerberechtliche Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage durch Umbau und Aufstockung des Mühlengebäudes sowie durch Erneuerung der darin untergebrachten Getreidereinigungs- und Mühlenanlage. Die solcherart veränderte Anlage wurde bereits im Dezember 2007 in Betrieb genommen. Eine gewerbebehördliche Genehmigung lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.

Mit Bescheid vom 15. 12. 2008 erteilte die Bezirkshauptmannschaft der Erstbeklagten die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung ihrer Betriebsanlage (Mühle) mit einer Reihe gewerbetechnischer Auflagen. Die Auflagen Nr. 17 und 18 lauten wie folgt:

„17. Im Immissionspunkt 1 darf der betriebsbedingte Immissionspegel LP,A, verursacht durch alle Dauergeräusche der gesamten ggst. Anlagenteile, max. 40 dB während der Nachtzeit betragen. Dauergeräusche umfassen zB Lüftungsgeräusche, Gebäudeabstrahlung, Motor- und Pumpengeräusche usw. Betriebsbedingte Immissionen von Dauergeräuschen dürfen keine Tonhaltigkeit und keine Impulshaltigkeit aufweisen.

18. Die Einhaltung des unter Auflage 17. vorgeschriebenen Grenzwerts von LP,A = max. 40 dB für betriebsbedingte Dauergeräusche der ggst. gesamten Anlage ist durch eine Abnahmemessung durch einen befugten Zivilingenieur nachzuweisen. Als Messpunkt für den Immissionspunkt 1 wird ein geöffnetes Fenster im Dachgeschoss der Südostfassade des Wohnhauses auf der Grundfläche ***** festgelegt. Weiters ist bei der Abnahmemessung zu prüfen, inwieweit Tonhaltigkeit und Impulshaltigkeit vermieden wurde, und im Abnahmebericht festzuhalten."

Im Zusammenhang mit der zuletzt wiedergegebenen Auflage wurde der Erstbeklagten ferner vorgeschrieben, die dort vorgesehene Abnahmemessung der Gewerbebehörde bis spätestens 31. 5. 2009 vorzulegen.

Mit Bescheid vom 22. 12. 2008 verfügte die Bezirkshauptmannschaft eine einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme, mit der der Erstbeklagten aufgetragen wurde, den Betrieb der im Sinne des Bescheids vom 15. 12. 2008 gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlagenteile im Mühlenbetrieb, für die die schalltechnischen Auflagen Nr. 17 und 18 nicht erfüllt werden, unverzüglich einzustellen. Die Erstbeklagte erneuerte daraufhin am 26. 1. 2009 den Schalldämpfer mit erhöhter Einfügedämpfung und beantragte den Widerruf der Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen. Der von ihr zunächst vorgelegte schalltechnische Prüfbericht vom 13. 2. 2009 (Messzeitraum 26. bis 29. 1. 2009) wurde aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht als endgültig und repräsentativ erachtet, jener vom 9. 3. 2009 bestätigte schließlich, dass von der Mühlenanlage im Messzeitraum 8. 3. bis 9. 3. 2009 keine die Auflage übersteigenden Dauergeräusche ausgingen. Die Bezirkshauptmannschaft widerrief daraufhin die einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme mit Bescheid vom 18. 3. 2009.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrten die Klägerinnen, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr

1. die gewerbliche Betriebsanlage im Umfang der beantragten Änderung der Betriebsanlage bzw die erneuerte Getreidereinigungs- und Mühlenanlage samt der zentralen Aspirationsanlage gemäß Antrag zur gewerbebehördlichen Genehmigung für die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage durch Umbau der Mühle im Standort *****, auf den Grundstücken *****, der Erstbeklagten vom 30. 11. 2007, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft ***** am 13. 12. 2007, zu betreiben, solange die dafür erforderlichen behördlichen rechtskräftigen Bewilligungen nicht vorliegen (Hauptbegehren);

2. die gewerbliche Betriebsanlage am in Punkt 1. genannten Standort zu betreiben, sofern von diesem Betrieb tonhaltige und/oder impulsartige Dauergeräusche wie zB Lüftungsgeräusche, Gebäudeabstrahlung, Motor- und Pumpengeräusche oder Schlaggeräusche von der Entladung der anliefernden LKWs ausgehen, die im Immissionspunkt 1, Messstelle bei den Nachbarn *****, den betriebsbedingten Immissionspegel LP,A von maximal 40 dB während der Tages- und Nachtzeit überschreiten (1. Eventualbegehren);

3. die gewerbliche Betriebsanlage zu betreiben, sofern im Immissionspunkt 1, Messstelle bei den Nachbarn *****, der betriebsbedingte Immissionspegel LP,A - verursacht durch alle Dauergeräusche der gesamten Anlagenteile - von maximal 40 dB, in eventu von maximal 50 dB, während der Tages- und Nachtzeit überschritten wird (2. Eventualbegehren);

4. die gewerbliche Betriebsanlage im Umfang der von der Bezirkshauptmannschaft ***** verfügten Schließungsanordnung vom 22. 12. 2008 und/oder im Umfang weiterer behördlicher Schließungsanordnungen zu betreiben, solange diese Verfügung(en) nicht aufgehoben ist (sind) (3. Eventualbegehren);

5. die gewerbliche Betriebsanlage in Form einer Änderung der Betriebsanlage durch den Umbau und die Aufstockung des Mühlengebäudes zu betreiben, solange die erforderlichen behördlichen Bewilligungen nicht rechtskräftig vorliegen und/oder eine Gesundheitsgefährdung der unmittelbaren Nachbarn nicht auszuschließen ist (4. Eventualbegehren);

6. die Marktteilnehmer über das Vorliegen einer rechtskräftigen behördlichen Bewilligung für eine Änderung der gewerblichen Betriebsanlage durch den Umbau und die Aufstockung des Mühlengebäudes in die Irre zu führen (5. Eventualbegehren);

7. die gewerbliche Betriebsanlage zu betreiben, sofern von diesem Betrieb tonhaltige Dauergeräusche ausgehen, die das ortsübliche und zumutbare Maß überschreiten (6. Eventualbegehren);

8. die gewerbliche Betriebsanlage zu betreiben, sofern eine Gesundheitsgefährdung der unmittelbaren Nachbarn nicht auszuschließen ist (7. Eventualbegehren).

Zur Erstbeklagten bestehe ein Wettbewerbsverhältnis. Die Zweit- und Drittbeklagten seien für deren Wettbewerbsverstöße (mit-)verantwortlich. Es liege ein Verstoß gegen Bestimmungen der GewO und gegen behördliche Anordnungen vor, weil die Beklagten mit der geänderten Betriebsanlage konsenslos produzierten und dabei die Gesundheit der Nachbarn gefährdeten. Insbesondere überschreite die umgebaute Anlage den mit der gewerbebehördlichen Auflage Nr. 17 verfügten Schallimmissionsgrenzwert von 40 dB. Die Gewerbebehörde habe deshalb die Schließung des Betriebs angeordnet, dessen ungeachtet werde jedoch weiterproduziert. Aus diesem Rechtsbruch zögen die Beklagten ungerechtfertigte Vorteile gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern, weil sie sich diverse Umbauarbeiten, schalldämmende Maßnahmen und einen beträchtlichen administrativen Aufwand sowie mit einer Anlagenänderung einhergehende Produktionseinschränkungen ersparten. Mit einer 2008 veranstalteten Feier zur Eröffnung der neuen Betriebsanlage hätten die Beklagten das Vorliegen aller erforderlichen behördlichen Bewilligungen suggeriert und damit die Marktteilnehmer in die Irre geführt.

Die Beklagten bestritten das Wettbewerbsverhältnis zu den Klägerinnen; die beanstandeten baulichen und maschinentechnischen Änderungen beträfen allein die Mühlenanlage und stünden in keinem Zusammenhang mit der Backmittelerzeugung. Die Mühle werde weder rechtswidrig, noch konsenslos betrieben. Betriebsanlagen dürften nach § 78 Abs 1 GewO bereits vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheids betrieben werden, wenn dessen Auflagen eingehalten würden - was hier der Fall sei. Durch die Erneuerung des Schalldämpfers im Jänner 2009 sei gewährleistet, dass der maximale Immissionspegel von 40 dB laut Auflage Nr. 17 nicht überschritten werde.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in allen Punkten ab. Es erachtete als bescheinigt, dass der maximale betriebsbedingte Immissionspegel von 40 dB nicht (mehr) überschritten werde. In Anbetracht des Umstands, dass die Erstbeklagte nach § 78 Abs 1 GewO berechtigt sei, die geänderte Betriebsanlage auch schon vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheids zu betreiben, liege kein konsensloser Betrieb vor. Der Betriebseinstellungsbescheid vom 22. 12. 2008 sei mit Bescheid vom 18. 3. 2009 widerrufen worden. Eine konkrete Behauptung der Beklagten, dass eine rechtskräftige gewerberechtliche Genehmigung vorhanden sei, sei nicht bescheinigt, sodass keine Irreführung vorliege. Ob Geräusche das ortsübliche und zumutbare Maß übersteigen, sei keine in einem UWG-Verfahren abzuhandelnde Thematik.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Mangels Überschreitung des gemäß Auflage Nr. 17 zulässigen Immissionspegels liege keine Verletzung dieser Auflage vor. Die Nachweisverpflichtung laut Auflage Nr. 18 sei bis 31. 5. 2009 befristet gewesen. Die Frist sei zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung am 21. 4. 2009 daher noch nicht abgelaufen gewesen, sodass auch keine Verletzung der Auflage Nr. 18 vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerinnen ist zulässig, weil das Rekursgericht die Voraussetzungen des § 78 Abs 1 GewO zu Unrecht als gegeben erachtete, unzutreffend von der Einhaltung der Auflagen ausging und deshalb die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Voraussetzungen des Wegfalls der Wiederholungsgefahr außer Acht ließ; er ist auch teilweise berechtigt.

1. Gemäß § 14 Abs 1 UWG kann ua in den Fällen der §§ 1 und 2 UWG der Anspruch auf Unterlassung von jedem Unternehmer, der Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt (Mitbewerber) erhoben werden. Der in § 14 UWG gebrauchte Begriff „verwandter Art" ist weit auszulegen; „verwandter Art" sind alle Waren und Leistungen, die geeignet sind, das gleiche Verkehrsbedürfnis zu befriedigen, und deshalb im Konsum einander vertreten sowie im Absatz beeinträchtigen können; es genügt, dass sich die Parteien um denselben Kundenkreis bemühen. Der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Betätigungsgebiete zweier Unternehmen nicht zur Gänze zusammenfallen, die jeweiligen Angebote also nur teilkongruent sind. Es genügt, dass die von ihnen vertriebenen Waren (oder Leistungen) ihrer Art nach miteinander in Konkurrenz treten und einander nach der Verkehrsauffassung im Wettbewerb behindern können (RIS-Justiz RS0077719; RS0077675 [T2]).

Im vorliegenden Fall beschäftigen sich sowohl die Klägerinnen als auch die Beklagten mit der Backmittelerzeugung. Im Übrigen sind Mühlenprodukte und Backmittel Waren „verwandter Art" im oben erläuterten Sinn. Vom Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Streitteilen ist daher auszugehen.

2. Gemäß § 74 Abs 2 Z 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.

Gemäß § 81 Abs 1 GewO bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer behördlichen Genehmigung, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs 2 GewO umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs 2 GewO umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Die Spruchpraxis der Verwaltungsbehörden geht davon aus, dass jede Änderung der Betriebsanlage, die geeignet ist, die geschützten Interessen zu verletzen, eine genehmigungspflichtige Änderung ist (Kinscher/Paliege- Barfuß, GewO7 § 81 Anm 1 und 14). Das Tatbestandsmerkmal des „Änderns" ist nicht erst erfüllt, wenn die Änderungsmaßnahme abgeschlossen ist, es ist vielmehr bereits gegeben, wenn mit der Herstellung der die Änderung der Betriebsanlage bezweckenden Maßnahmen begonnen wird (Kinscher/Paliege-Barfuß aaO Anm 7). Alle Änderungen, die abstrakt geeignet sind, die Schutzinteressen des § 74 Abs 2 GewO zu berühren und im Genehmigungsbescheid noch nicht berücksichtigt sind, sind prinzipiell genehmigungspflichtig, außer es liegt eine Ausnahme vor (Hanusch, GewO § 81 Rz 3; vgl auch Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Die gewerbliche Betriebsanlage3 Rz 188, Pt 1.2). Genehmigungspflichtig sind demnach Änderungen, aus denen sich Steigerungen der Belastungen im Sinne des § 74 Abs 2 GewO oder neue derartige Belastungen ergeben können. Da § 81 Abs 1 GewO von der Notwendigkeit einer Genehmigung „im Sinne der vorstehenden Bestimmungen" spricht, sind die Genehmigungsvoraussetzungen für die Änderung der Anlage die gleichen wie für die Errichtung einer Anlage (Stolzlechner/Wendl/Bergthaler aaO Rz 345 Pt 3.2). Wird eine Betriebsanlage erweitert, so liegt grundsätzlich eine „Anlagenänderung" vor (VwGH 26. 3. 1996, 94/05/0332). Wird eine genehmigte Betriebsanlage in einer Weise geändert, dass das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflusst wird, so darf mit der Erstattung der Anzeige über die solcherart geänderte Betriebsanlage dieselbe vorerst (bis zu einer allfälligen Untersagung durch die Behörde) in Betrieb genommen werden. Andernfalls darf die geänderte Betriebsanlage erst nach Erlassung eines entsprechenden Genehmigungsbescheids nach § 81 Abs 1 GewO betrieben werden (VwGH 2. 9. 2008, AW 2008/04/0050).

Die Beklagten gaben durch den Antrag an die Bezirkshauptmannschaft auf gewerberechtliche Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage zu erkennen, dass sie selbst davon ausgehen, dass eine - nicht bloß der Anzeige bedürftige, sondern bewilligungspflichtige - Anlagenänderung im Sinne von § 81 Abs 1 GewO vorliegt. Zur Rechtfertigung ihrer vorzeitigen (vor Erteilung des Genehmigungsbescheids) Inbetriebnahme der Anlage berufen sie sich lediglich auf § 78 Abs 1 GewO. Diese Bestimmung erlaubt aber nur die Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheids, wenn dessen Auflagen bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. § 78 Abs 1 GewO räumt das Recht auf Errichtung und Betrieb der Anlage aber (erst) mit der Erlassung des (positiven) Genehmigungsbescheids ein (Kinscher/Paliege-Barfuß, GewO7 § 78 Anm 4).

Im vorliegenden Fall nahmen die Beklagten die geänderte Betriebsanlage bereits im Dezember 2007, somit etwa ein Jahr vor der Erlassung des Genehmigungsbescheids, in Betrieb, was von § 78 Abs 1 GewO keinesfalls gedeckt ist. Erst ab Erlassung des Bescheids vom 15. 12. 2008 durfte die Anlage unter den in § 78 Abs 1 GewO genannten Voraussetzungen betrieben werden. Der Betrieb der Anlage von Dezember 2007 bis zur Erlassung des Genehmigungsbescheids vom 15. 12. 2008 war somit jedenfalls - weil gegen § 81 Abs 1 GewO iVm § 74 Abs 2 Z 2 GewO verstoßend - rechtswidrig.

3. Für den Zeitraum nach Erlassung des Genehmigungsbescheids bis zu dessen Rechtskraft durfte die (erweiterte) Anlage unter der Voraussetzung der Einhaltung der im Bescheid enthaltenen Auflagen betrieben werden.

Das Rekursgericht hat den beanstandeten Rechtsbruch mangels Verstoßes gegen die Auflagen des gewerbebehördlichen Bescheids verneint. Es übersah dabei den wegen Nichteinhaltung der schalltechnischen Auflagen ergangenen Einstellungsbescheid vom 22. 12. 2008. Schon das Erstgericht war in Einklang mit dem Spruch dieses Bescheids davon ausgegangen, dass die darin verhängte Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme (Betriebseinstellung) aufgrund offensichtlicher Nichteinhaltung der Auflagenpunkte 17 und 18 erlassen wurde.

Der Betrieb der Anlage vor Rechtskraft des gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheids unter Verstoß gegen den in Auflage 17 behördlich vorgeschriebenen maximalen betriebsbedingten Immissionspegel von 40 dB verstieß gegen § 78 Abs 1 GewO iVm §§ 81 Abs 1 und 74 Abs 2 Z 2 GewO und verwirklicht - ebenso wie der Betrieb der Anlage vor Erlassung des Genehmigungsbescheids überhaupt - unter der Voraussetzung der objektiven Eignung dieses Verhaltens zur nicht nur unerheblichen, Beeinflussung des Wettbewerbs einen der lauterkeitsrechtlichen Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch" zuzuordnenden Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Die Eignung zur nicht bloß unerheblichen Beeinflussung des Wettbewerbs kann sich - ausgehend vom Regelungszweck der verletzten Norm und von den typischen Auswirkungen des Rechtsbruchs - schon aus dem (Wiederholungsgefahr indizierenden) Normverstoß als solchem ergeben (4 Ob 225/07b = ÖBl 2008, 237 - Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123243). Dies trifft hier zu: Setzen einzelne Unternehmen ihre (geänderten) Anlagen erst nach erfolgter gewerbebehördlicher Genehmigung in Betrieb und halten sie die behördlich vorgeschriebenen Auflagen (hier Immissions-Grenzwerte) vor Inbetriebnahme dieser Anlagen ein, während andere ihre Anlagen vorzeitig in Betrieb nehmen und die Einhaltung der Auflagen verweigern, so wirkt sich dieses Verhalten auf ihre Stellung im Wettbewerb aus. Sie ersparen sich erhebliche Aufwendungen und können so billiger als die Mitbewerber kalkulieren und ihre Produkte früher als die rechtstreue Konkurrenz auf den Markt bringen; ihr Verhalten ist demnach geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.

Dass die Inbetriebnahme der geänderten Anlage vor Erteilung des Genehmigungsbescheids und die Verletzung der Auflage Nr. 17 des gewerbebehördlichen Bescheids vom 15. 12. 2008 mit guten Gründen vertreten werden könnte, wird von den Beklagten nicht geltend gemacht.

4. Um die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu entkräften, hat der Beklagte nach ständiger Rechtsprechung besondere Umstände darzutun, die eine Wiederholung seiner Handlung als völlig ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Dabei kommt es immer auf die Art des Eingriffs und die Willensrichtung des Störers an, für welche insbesondere sein Verhalten nach der Beanstandung und während des Rechtsstreits wichtige Anhaltspunkte bieten kann. Maßgebend ist stets, ob dem Verhalten des Verletzers in seiner Gesamtheit wichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (ÖBl 2001, 105 - Reisebedarf mwN; 4 Ob 72/03x; 4 Ob 34/09t).

Hinsichtlich der Inbetriebnahme der geänderten Anlage bereits vor der Erteilung des Genehmigungsbescheids vom 15. 12. 2008 liegen keinerlei Umstände vor, die für den nachträglichen Wegfall der Wiederholungsgefahr sprechen könnten. Was die Zeit danach betrifft, so haben die nach der Zwangsmaßnahme der Behörde (Betriebsschließung) getroffenen Maßnahmen der Beklagten (Einbau eines Schalldämpfers) zwar dazu geführt, dass die Grenzwerte im nachfolgenden Messzeitraum 8. 3. bis 9. 3. 2009 nicht (mehr) erhöht waren und demgemäß auch die Betriebsschließung am 18. 3. 2009 widerrufen werden konnte. Dies konnte aber die Wiederholungsgefahr nicht beseitigen. Die Beklagten haben ihr Verhalten im Verfahren als zulässig verteidigt und sich vom Wettbewerbsverstoß nicht distanziert, geschweige denn einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich angeboten. Ihr Verhalten im Verfahren gab Anlass zur Befürchtung, sie könnten auch in Zukunft Anlagen (oder Anlagenteile) vor Erteilung der entsprechenden gewerbebehördlichen Genehmigung bzw vor Rechtskraft der gewerbebehördlichen Genehmigung in Betrieb nehmen, ohne deren Auflagen einzuhalten.

5. In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen war daher die beantragte einstweilige Verfügung in Teilstattgebung des Hauptbegehrens - unter Weglassung des Wortes „rechtskräftigen" - sowie in Teilstattgebung des 1. Eventualbegehrens zu erlassen. Da die Auflage Nr. 17 ausdrücklich vom Immissionspegel (nur) während der Nachtzeit spricht und auch keine „Schlaggeräusche von der Entladung der anliefernden LKWs" nennt, war die Sicherungsverfügung auf den Wortlaut der genannten Auflage zu beschränken und somit das Eventualbegehren 1 zum Teil abzuweisen. Das Eventualbegehren 2 war abzuweisen, weil dessen Inhalt bereits vom Eventualbegehren 1 abgedeckt wird; Eventualbegehren 3, weil die Klägerinnen nicht bescheinigt haben, dass die Beklagten die Anlage nach der Schließungsanordnung vom 22. 12. 2008 unter Verletzung der Auflagen (weiter-)betrieben haben; Eventualbegehren 4, 6 und 7, weil deren Inhalt ohnehin vom Haupt- und vom Eventualbegehren 1 abgedeckt wird; sowie Eventualbegehren 5, weil es an der Bescheinigung eines Sachverhalts fehlt, der eine Irreführung der Marktteilnehmer nach sich ziehen könnte.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerinnen gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO. Die Klägerinnen haben sich im Ergebnis mit etwa drei Viertel ihres Begehrens durchgesetzt. Sie haben daher drei Viertel ihrer im Sicherungsverfahren angefallenen Kosten vorläufig und ein Viertel dieser Kosten endgültig selbst zu tragen. Den Beklagten haben sie ein Viertel ihrer Kosten zu ersetzen. Für die Äußerung im Provisorialverfahren gebührt nur der einfache Einheitssatz.

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