Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 51.381,35 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 2.852,85 S Umsatzsteuer und 20.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin übt das Gewerbe der Vermittlung von Versicherungsverträgen aus; sie vermittelt unter anderem Kapitalanlagen, wie zB Lebensversicherungsverträge, die mit der W*** S*** W*** V*** und mit der
U*** V***-AG abgeschlossen werden. Die Vertriebsorganisation der Klägerin für Kapitalversicherungen - auch HMI-Organisation genannt - ist durch einen pyramidenartigen Aufbau in 7 hierarchisch gegliederten Ebenen geprägt. Kernpunkt dieses Systems ist es, daß die Mitarbeiter oberhalb der Eingangsstufe a selbst eine Gruppe von Mitarbeitern zu werben und zu betreuen haben, die für sie tätig sind. Hat der neue Mitarbeiter entsprechende
Abschlüsse erzielt, dann rückt er von der Position a (= Anwärter) in
die Position 1 (= Repräsentant) auf. Von dieser Position an ist er
berechtigt, weitere Mitarbeiter einzustellen und zu führen; damit entsteht eine "Struktur". Nach der "Produktion" entsprechender Einheiten erreicht der Mitarbeiter dann die weiteren Positionen 2 bis 6. Während die Anwärter die Kosten ihrer Ausbildung selbst zu tragen haben, kommt für die Kosten der Führungskräfte die Klägerin auf. Jeder höher Eingestufte erhält für die Abschlüsse der ihm unterstellten Mitarbeiter eine Provision. Verläßt eine Führungskraft samt den ihm untergeordneten Mitarbeitern die Klägerin, dann entsteht in deren Vertriebssystem eine Lücke, die nicht sofort geschlossen werden kann, weil entsprechende Bewerber erst ein Schulungsprogramm durchlaufen müssen.
Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist unter anderem der Abschluß von Lebensversicherungen. Die Beklagte vermittelt diese Verträge nicht selbst, sondern bedient sich der "Bausparkasse Gemeinschaft der Freunde W*** gemeinnützige registrierte Genossenschaft" (im folgenden: B*** W***) als
Generalmakler. Die Beklagte selbst beschäftigt keine Außendienstmitarbeiter. Die B*** W*** bedient sich
eines Stabes von haupt- und nebenberuflichen Außendienstmitarbeitern, die nur zu ihr, nicht jedoch zur Beklagten in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis stehen. Diese Außendienstmitarbeiter haben sich unter der Bezeichnung "W***-Organisation" zusammengeschlossen, welche Lebensversicherungen der Beklagten anbietet.
Im November 1987 erschien in den "Vorarlberger Nachrichten" ein Inserat, mit dem die Mitarbeiter verschiedener Versicherungsvertriebsorganisationen unter anderem auch jene der Klägerin angesprochen wurden. Robert K***, ein HMI-Mitarbeiter der Klägerin, meldete sich unter der in der Zeitung angegebenen Chiffre als Interessent. Rund 2 Monate später nahm ein Mann mit ihm telefonisch Verbindung auf und erklärte, daß er mit "W***" zusammenarbeite. Zu einem weiteren Kontakt ist es in der Folge aber nicht gekommen.
Bis April 1988 hatte Anton K*** als freiberuflicher Mitarbeiter auf Stufe 3 (= leitender Repräsentant) bei der Klägerin gearbeitet; zuletzt hatte er dort etwa 15 bis 25 rangniedrigere Mitarbeiter, darunter 5 bis 6 Führungskräfte. Schon früher einmal war K*** mit einem Vertreter der B*** W*** ins
Gespräch gekommen, welcher deren Leistungsangebote und die bei ihr vorhandenen Verdienstmöglichkeiten erklärte. K*** ersuchte diesen Mann, noch mit einem Ranghöheren ein Informationsgespräch führen zu können. Einige Zeit später meldete sich Alexander S***, ein Mitglied der WVSP-Organisation, bei K*** und erklärte ihm das Produkt, das Vertriebssystem und die Verdienstmöglichkeiten in dieser Organisation. S***, der früher selbst einmal bei der Klägerin tätig gewesen war, äußerte sich dabei lobend über dieses System. K*** war bestrebt, einen Partner mit einem seiner Meinung nach besseren Image, eben jenem von "W***", zu finden, und führte in der Folge weitere Gespräch mit Vertretern der WVSP-Organisation. Er gab seine Informationen seinem Bekannten Hansjörg S*** weiter, der gleichfalls Mitarbeiter der HMI-Organisation, und zwar in der Position eines Chefrepräsentanten auf Stufe 4, war. Anton K*** und Hansjörg S***, damals vertragliche Mitarbeiter der Klägerin, entschlossen sich, ein Informationsseminar durchzuführen, zu dem sie alle ihre Mitarbeiter einluden oder zumindest verständigten. Als Vortragende wurden die WVSP-Mitarbeiter Reinhard M*** und Alexander S*** eingeladen. Am 24.April 1988 erschienen dann im Hotel Tyrol in Telfs etwa 80 bis 100 Teilnehmer, zum größten Teil Angehörige der Innsbrucker Geschäftsstelle der Klägerin. Als erster Vortragender erklärte Reinhard M*** die Struktur der WVSP-Organisation und deren Verkaufsphilosophie. Im Anschluß daran sprach Alexander S*** über das Produkt der Beklagten und die Verdienstmöglichkeiten ihrer Vertreter. Zur Unterstützung seines Vortrages erstellte S*** an der Tafel die Graphik eines Kundenbeispieles sowie der Verdienstmöglichkeiten auf den jeweiligen Stufen der Vertreterebenen. Aus dem Zuhörerkreis kamen immer wieder Zwischenfragen und Feststellungen, die sich auf das von der Klägerin vertriebene Produkt bezogen. S*** hielt die von den Zuhörern genannten Zahlen gleichfalls in einer Graphik an der Tafel fest, so daß sich eine optische Gegenüberstellung der Produkte beider Streitteile ergab. Auch wenn der Vortragende niemals ausdrücklich erklärte, daß es sich bei dem einen Produkt um jenes der Klägerin handle, war doch für sämtliche Beteiligten klar, daß hier die Leistungsangebote der Streitteile miteinander verglichen wurden. Tatsächlich ergaben sich bei diesem Vergleich Unterschiede, und zwar jeweils zum Vorteil der Beklagten.
Nach Beendigung des Vortrages Alexander S*** wurden Unterlagen der Beklagten, die S*** und M*** mitgebracht hatten, unter den Seminarteilnehmern verteilt; dabei handelte es sich um eine Kundengesprächsmappe, den W***-Vorsorgesparplan, verschiedene Antragsformulare udgl. Auf den Unterlagen schien jeweils der Name "W***" - mit oder ohne Hinweis auf die WVSP-Organisation - auf. Zumindest auf einem beigegebenen Erlagschein und einem Abbuchungsauftrag für Lastschriften stand der Name der Beklagten. Außerdem wurde bei dieser Veranstaltung der Text eines an die Klägerin gerichteten Kündigungsschreibens verteilt; wer der Urheber dieses Schreibens war, steht nicht fest. Nach den Vorträgen von M*** und S*** traten S*** und K*** vor ihre Mitarbeiter und erklärten - singemäß -, daß sie sich zum Übertritt zur WVSP-Organisation entschlossen hätten; sie empfahlen auch ihren Mitarbeitern, diesen Schritt zu tun. Schließlich unterschrieben sofort 54 Mitarbeiter der Klägerin die verteilten Kündigungsformulare, welche in der Folge eingesammelt und von Anton K*** am 26.April 1988 geschlossen eingeschrieben an die Klägerin versandt wurden. Durch diese Aktion wurde die Vertriebsorganisation der Klägerin in Innsbruck zum größten Teil aufgelöst. Die Geschäftsleitung bezog ein kleineres Büro und ist nun bestrebt, wieder eine Organisation im Raum Innsbruck aufzubauen. Der Nachteil für die Klägerin besteht nicht nur darin, daß nun wieder neue Mitarbeiter angeworben und ausgebildet werden müssen, sondern auch in einem deutlichen Rückgang des monatlichen Prämienanfalls. Sämtliche Versicherungsverträge, die sich zur Zeit des Wechsels der Mitarbeiter von der Klägerin zur Beklagten noch in der Phase zwischen Antragstellung und Ausstellung der Polizze befunden hatten, wurden nach dem Wechsel sofort aufgelöst; auch seit längerer Zeit bestehende Verträge wurden - wenngleich nicht in so großem Umfang - von den Kunden gekündigt.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte bei ihrer Abwerbeaktion vom 24. April 1988 in Telfs planmäßig fremde Mitbeschäftigte zum Zweck der Ausbeutung der Klägerin als ihrer Mitbewerberin abgeworben und damit gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßen habe, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten - soweit im Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung - zu verbieten,
1. "planmäßig mit Repräsentanten der Stufen 1 bis 6 der Führungslaufbahn der Klägerin ohne deren vorangegangenes Auffordern unmittelbar oder über eine andere Person mündlich, fernschriftlich oder schriftlich, sowohl durch Stellenanzeigen in Verlagserzeugnissen, Verbindung aufzunehmen, die auf eine Tätigkeit der Angesprochenen und/oder der diesen unterstellten Mitarbeiter für die beklagte Partei und/oder der von dieser beherrschten Unternehmen abzielt;"
2. "Vertragsvertreter der klagenden Partei aufzufordern, während deren vertraglicher Bindung zur klagenden Partei, für die beklagte Partei tätig zu werden, insbesondere für diese Versicherungsverträge zu akquirieren und/oder weitere Mitarbeiter der klagenden Partei zu einer Tätigkeit für die beklagte Partei zu veranlassen;"
3. "mit dem Ziel Vertragsvertreter der klagenden Partei zu veranlassen, für die beklagte Partei oder deren Beteiligungsgesellschaften tätig zu werden".
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie sei passiv nicht legitimiert, weil ihr die von der Klägerin behaupteten Vorgänge nicht zuzurechnen seien. Die "WVSP-Organisation" stehe zu ihr in keinem Vertragsverhältnis; die Beklagte sei daher nicht in der Lage, den Mitgliedern dieser Organisation Weisungen zu erteilen oder ihr Verhalten sonst zu beeinflussen. Das Informationsseminar in Telfs sei ohne Wissen und Willen der Beklagten abgelaufen. Die 54 ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin, die gekündigt haben, stünden bis heute in keinem Vertragsverhältnis zur Beklagten. Die geschilderten Vorgänge erfüllten im übrigen auch nicht den Tatbestand des sittenwidrigen Abwerbens. Bei der Informationsveranstaltung seien keine negativen Vergleiche zwischen den Streitteilen angestellt worden; niemand von den Anwesenden sei zur Kündigung seines Vertragsverhältnisses zur Klägerin aufgefordert worden; auch Blancokündigungsschreiben seien nicht verteilt worden. S***, K*** und die 54 anderen Personen hätten sich aus freien Stücken zur Kündigung entschieden. Ein Großteil dieser 54 Personen sei schon damals nicht mehr in einem aufrechten Vertragsverhältnis zur Klägerin gestanden, weil sie schon vorher fristlos gekündigt worden seien. Ein weiterer Teil der Veranstaltungsteilnehmer sei schon vorher fest entschlossen gewesen, ihre Zusammenarbeit mit der Klägerin zu beenden.
Der Erstrichter wies den Sicherungsantrag ab. Den eingangs wiedergegebenen, von ihm als bescheinigt angenommenen Sachverhalt beurteilte er rechtlich dahin, daß die Passivlegitimation der Beklagten nach § 18 UWG zu bejahen sei, daß aber kein sittenwidriges Abwerben vorliege. Die Vertreter der Klägerin, S*** und K***, hätten ein eigenes Interesse gehabt, ihre Mitarbeiter zur WVSP-Organisation mitzunehmen. Daß 2 Mitarbeiter dieser Organisation Vorträge gehalten hätten, verstoße nicht gegen die guten Sitten, auch wenn diesen Personen der Zweck der Veranstaltung habe bekannt sein müssen oder sogar bekannt gewesen sei. Zu abwertenden Äußerungen über die Klägerin sei es nicht gekommen; daß unrichtige irreführende Angaben über die Klägerin gemacht worden wären, habe diese nicht einmal behauptet. Die Herkunft des Kündigungsschreibens sei ungeklärt geblieben. Eine Verantwortlichkeit der Beklagten bzw. der WVSP-Organisation für den Übertritt von Mitarbeitern der Klägerin sei somit nicht bescheinigt worden.
Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteige. Die Haftung der Beklagten für das Verhalten von Mitgliedern der WVSP-Organisation sei zu bejahen. Die Haftung des Inhabers eines Unternehmens nach § 18 UWG werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß die "andere Person" im Sinne dieser Gesetzesstelle ein rechtlich selbständiges Unternehmen führe, weil dem Inhaber selbst solche Handlungen seiner Geschäftspartner zuzurechnen seien, die sie in seinem geschäftlichen Interesse entfalteten und im Zusammenhang mit seinem Betrieb vornähmen. Dem Unternehmensinhaber werde in diesen Fällen das Verhalten des Dritten objektiv so zugerechnet, als ob es sein eigenes gewesen wäre. Er könne daher auch dann auf Unterlassung des Wettbewerbsverstoßes in Anspruch genommen werden, wenn er von dem Verstoß der anderen Person zunächst nichts gewußt habe. Das Einstehenmüssen für die Unterlassungsverpflichtung nach § 18 UWG sei eine reine Erfolgshaftung, die allerdings grundsätzlich voraussetze, daß der Unternehmensinhaber die Möglichkeit habe, kraft seiner Beziehung zu der anderen Person für die Abstellung der wettbewerbswidrigen Handlungen zu sorgen. Diese Möglichkeit der Einflußnahme bestehe aber im Verhältnis zwischen einer Versicherungsunternehmung und einem Versicherungsagenten (§§ 43 ff VersVG). Es wäre nicht im Sinne des Gesetzgebers, gerade bei jenen Personen die Anwendung des § 18 UWG auszuschließen, deren sich die Versicherungsgesellschaften im Konkurrenzkampf am häufigsten zu bedienen pflegten. Die Beklagte hafte demnach für Wettbewerbsverstöße der B*** W*** und deren Mitarbeiter.
Die Veranstaltung vom 24.April 1988 sei sehr wohl der WVSP-Organisation zuzurechnen. Wenn auch der Entschluß ehemaliger Mitarbeiter der Klägerin, ein solches Informationsseminar zu veranstalten, nicht der Beklagten zuzuordnen sei, so reiche doch die Mitwirkung der WVSP-Mitarbeiter M*** und S*** aus. Gerade von ihnen, denen der Zweck des Abwerbens bekannt gewesen sei oder doch habe bekannt sein müssen, seien die Informationen über die Struktur und die Verkaufsphilosophie der Vertriebsorganisation der B*** W*** und über die Verdienstmöglichkeiten der Vertreter gekommen, all das in Gegenüberstellung mit den Verhältnissen bei der Klägerin, wobei sämtliche Vergleiche zum Vorteil der Beklagten bzw. der B*** W*** ausgefallen seien. S*** und M*** seien so gut vorbereitet gewesen, daß sie nach Abschluß ihrer Referate unter den Seminarteilnehmern Arbeitsunterlagen der Beklagten bzw. der B*** W***
verteilt hätten. Die 54 Mitarbeiter der Klägerin hätten sich zweifellos nicht nur auf Empfehlung von S*** und K***, sondern auch auf Grund der von S*** und M*** präsentierten Informationen zum Übertritt zur WVSP-Organisation entschlossen. Wenngleich nach der Rechtsprechung schon im Interesse der Arbeitnehmer das Abwerben von Beschäftigten für den eigenen Betrieb nicht grundsätzlich sittenwidrig sei, sei doch das Abwerben von Dienstnehmern und von freien Mitarbeitern immer dann unlauter, wenn dabei verwerfliche Mittel angewendet würden. Verwerflich seien die Mittel dann, wenn Dienstnehmer eines Mitbewerbers planmäßig ausgespannt würden, damit die Konkurrenztätigkeit allmählich oder auf einen Schlag beeinträchtigt oder die Vertreterorganisation eines Mitbewerbers zerstört werde. Da durch die Aktion vom 24.April 1988 die Vertriebsorganisation der Klägerin in Innsbruck zum größten Teil aufgelöst worden sei, seien genau jene Kriterien erfüllt, die das Anwerben von Dienstnehmern unlauter machten; hiezu komme noch ein deutlicher Prämienausfall.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der "Rekurs" (richtig: Revisionsrekurs) der Klägerin wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Die geltend gemachten Aktenwidrigkeiten liegen nicht vor (§ 510 Abs 3, § 528 a ZPO); die Rechtsrüge ist aber begründet:
Wie schon das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, ist das Abwerben von Beschäftigten eines Mitbewerbers grundsätzlich erlaubt. Oftmals kann ein Unternehmer nur dann tüchtige Mitarbeiter und Arbeitnehmer haben, wenn er sie vom Mitbewerber zu sich herüberzieht; die damit verbundene Beeinträchtigung des Mitbewerbers folgt aus dem Wesen des Wettbewerbes. Das Ausspannen fremder Arbeiter oder Angestellter oder sonstiger von einem Mitbewerber Beschäftigter - also auch freier Mitarbeiter (ÖBl. 1975, 113) - wird auch nicht dadurch unzulässig, daß man ihnen vorteilhaftere Bedingungen bietet, entspricht doch gerade dies dem Leistungswettbewerb. Jeder Beschäftigte hat das Recht, seine
wirtschaftliche Lage zu verbessern; es kann daher niemals
sittenwidrig sein, wenn ein Unternehmer diesem Wunsch entgegenkommt, mag er den Arbeitnehmer oder freien Mitarbeiter dabei auch veranlassen, sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis zu kündigen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 840 Rz 545 zu § 1 dUWG;
Hohenecker-Friedl 82; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 213;
ÖBl. 1971, 122; ÖBl. 1975, 113 ua). Das Abwerben fremder Beschäftigter verstößt aber dann gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG, wenn verwerfliche Mittel angewendet oder verwerfliche Ziele verfolgt werden (Baumbach-Hefermehl aaO 840 Rz 546; Koppensteiner aaO; SZ 34/86; ÖBl. 1975, 113 mwN).
Dem Rekursgericht ist auch darin zuzustimmen, daß es gegen die guten Sitten verstößt, wenn Dienstnehmer oder sonstige Mitarbeiter eines Konkurrenten planmäßig "ausgespannt" werden, damit der Geschäftsbetrieb des Konkurrenzunternehmens ernsthaft beeinträchtigt, der Mitbewerber also geschädigt wird (vgl. ÖBl. 1965, 116; ÖBl. 1966, 13; ÖBl. 1971, 122). Das trifft nicht nur dann zu, wenn die Wettbewerbshandlung gerade zu dem Zweck begangen wird, den Geschäftsbetrieb des Mitbewerbers ernsthaft zu beeinträchtigen, sondern auch dann, wenn dieses Ergebnis (nur) bewußt in Kauf genommen wird (Baumbach-Hefermehl aaO 844 f Rz 551 zu § 1 dUWG; vgl. ÖBl. 1963, 72).
Daß die durch das Informationsseminar vom 24.April 1988 ausgelöste Kündigungswelle den Geschäftsbetrieb der Klägerin, deren Innsbrucker Organisation zum größten Teil aufgelöst wurde, schwer beeinträchtigt hat, kann nicht zweifelhaft sein. Daraus allein ergibt sich aber entgegen der Rechtsmeinung des Gerichtes zweiter Instanz noch nicht, daß ein der Beklagten nach § 18 UWG zuzurechnendes sittenwidriges Verhalten vorgelegen wäre. Daß die Veranstalter des Seminars - ein leitender Repräsentant und ein Chefrepräsentant der Klägerin - nicht nur ihr und ihrer Mitarbeiter Interesse an den von der B*** W*** gebotenen
Bedingungen befriedigen wollten, sondern - im weitesten Sinn - im "Betrieb" der B*** W*** (und damit der Beklagten) tätig geworden wären (§ 18 UWG; ÖBl. 1983, 146 uva), hat die Klägerin nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem bescheinigten Sachverhalt. Nur für die Handlungsweise der WVSP-Mitarbeiter Reinhard M*** und Alexander S*** hat - wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat - die Beklagte einzustehen. Diese beiden Personen sind aber nicht von sich aus an Mitarbeiter der Klägerin in der Absicht herangetreten, sie für die WVSP-Organisation zu gewinnen; sie haben vielmehr auf Einladung zweier Führungskräfte der Klägerin in einem von diesen veranstalteten Seminar Vorträge gehalten und die an sie gerichteten Fragen beantwortet. Ob ein solches Verhalten dann, wenn die beiden Vortragenden dabei den Zweck verfolgt oder doch bewußt in Kauf genommen haben sollten, daß der Geschäftsbetrieb der Klägerin durch den Verlust einer größeren Anzahl von Beschäftigten erheblich beeinträchtigt werde, gegen die guten Sitten verstoßen hätte, kann hier offen bleiben, weil das von der Klägerin angestrebte Unterlassungsgebot gar nicht auf das Verbot einer solchen Handlungsweise gerichtet worden ist; der Beklagten soll vielmehr nur untersagt werden, mit Repräsentanten der HMI-Organisation ohne deren vorangegangenes Auffordern zu Abwerbezwecken Verbindung aufzunehmen. Davon kann aber nach den Feststellungen hier keine Rede sein. Alexander S*** und Reinhard M*** haben nur der Aufforderung von Mitarbeitern der Klägerin Folge geleistet, die an einem Wechsel ihres Beschäftigungsverhältnisses interessiert waren; das gilt nicht nur für die beiden Veranstalter sondern auch für die Teilnehmer an dem Seminar. Da dessen Gegenstand die Information über das System der WVSP-Organisation war, haben daran wohl nur solche Personen teilgenommen, die einen Übertritt zu dieser schon in Erwägung gezogen hatten. Auch das - ohne solche Aufforderung - eingeschaltete Inserat in den "Vorarlberger Nachrichten" verstößt nicht gegen die guten Sitten, handelt es sich dabei doch gewiß nicht um ein "verwerfliches Mittel"; das Bemühen, fremde Mitarbeiter zu sich herüberzuziehen, ist nach dem oben Gesagten für sich allein nicht unzulässig.
Soweit der Beklagten verboten werden soll, Vertragsvertreter der Klägerin während ihres Vertragsverhältnisses mit dieser für die Beklagte tätig werden zu lassen, muß die Klägerin daran scheitern, daß sie einen solchen Verstoß der Beklagten weder behauptet noch bescheinigt hat. Dafür, daß Alexander S*** und Reinhard M*** Leute der Klägerin dazu aufgefordert oder veranlaßt hätten, während (und trotz) ihres aufrechten Beschäftigungsverhältnisses zur Klägerin - sohin vor Wirksamwerden einer Kündigung - für die Beklagte zu arbeiten, fehlen alle Anhaltspunkte.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO.
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