Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Rechtssache war bereits Gegenstand von zwei Entscheidung des erkennenden Senats (4 Ob 34/01f = wbl 2001, 497 = ÖBl 2001, 229 - Großkunden-Rückvergütung; 4 Ob 210/02i = RdW 2003, 376 = ÖBl 2003, 188 <Barbist> - Großkunden-Rückvergütung II), auf die hinsichtlich Vorbringen, Verfahrensgang und Sachverhalt verwiesen wird.
Mit Teilurteil des Obersten Gerichtshofes vom 21. 1. 2003, 4 Ob 210/02i, wurde die Beklagte schuldig erkannt, in Vorarlberg im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Handel mit Lebensmitteln samt den dazugehörigen Bereichen anderer Warengruppen eine gesetzwidrige Bevorzugung einzelner Wiederverkäufer gegenüber anderen selbständigen S*****-Kaufleuten durch das Gewähren von sachlich nicht gerechtfertigten Rückvergütungen (z.B. Großkunden-Rückvergütungen bis zu 5 %) zu unterlassen. Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, ganz allgemein in Vorarlberg im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Handel mit Lebensmitteln samt den dazugehörigen Bereichen anderer Warengruppen jede gesetzwidrige Bevorzugung einzelner Wiederverkäufer gegenüber anderen selbständigen S*****-Kaufleuten zu unterlassen, wurde abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits im dritten Rechtsgang ist das Schadenersatzbegehren der Klägerin in Höhe von 36.336,42 EUR aus der Gewährung des Rabattsystems an Großabnehmer, hinsichtlich dessen Abweisung das Ersturteil im zweiten Rechtsgang vom Obersten Gerichtshof aufgehoben wurde. Die Klägerin stützt ihr Schadenersatzbegehren auf § 1 UWG, auf §§ 1293 ff ABGB und "auf jeden denkbaren anderen Rechtsgrund". Das Unterlassungsgebot im Teilurteil des Obersten Gerichtshofs beruhe nicht unmittelbar auf dem Nahversorgungsgesetz (NahVersG), sondern auf § 1 UWG, dessen Tatbestand durch die bewusste Verletzung der §§ 1 und 2 NahVersG erfüllt werde. Unterlassungs- und Schadenersatzbegehren seien bei einem Verstoß gegen § 1 UWG aus derselben Rechtsgrundlage ableitbar. Schon die Verpflichtung zur Unterlassung setze die Beurteilung des beanstandeten Verhaltens als sittenwidrig iSd § 1 UWG voraus. Bei der Berechnung des Vermögensschadens, den die Klägerin durch die jahrzehntelange Rabattdiskriminierung und die dadurch bewirkte systematische Schlechterstellung im Wettbewerb erlitten habe, sei nach der Differenzmethode auf die Vermögenslage der Klägerin abzustellen, wie sie sich ohne die gesetzwidrige Benachteiligung durch die Beklagte darstellte. Die hypothetische Gleichbehandlung der Klägerin lasse sich in drei Rechenmodellen darstellen:
Modell 1 lege eine Rückvergütung für die Klägerin von 5 % zugrunde, wie sie ihre Mitbewerber erhalten hätten. Die Klägerin habe zwischen 1988 und 1997 bei der Beklagten Waren im Einkaufswert von rund 243 Mio S netto bezogen; 5 % Rückvergütungen hätten sich für diesen Zeitraum auf rund 12 Mio S belaufen, die der Klägerin als zusätzlicher Gewinn zur Verfügung gestanden wären. Sie hätte damit ihre Konkurrenzfähigkeit steigern und zusätzliche Marktanteile und Gewinne erzielen können. Wie sich der Gesamtmarkt unter diesen Prämissen entwickelt hätte, könne bei diesem Modell dahingestellt bleiben, weil in diesem Rechtsstreit ohnehin nur einen Teilbetrag von 36.336,42 EUR verlangt werde. Modell 2 stelle allein auf die durch den Wegfall der Großkundenvergütung gesteigerte Konkurrenzfähigkeit der Klägerin und die dadurch ausgelöste hypothetische Marktentwicklung ab. Dieses Modell sei aus rechtlichen Gründen nicht angebracht, weil nicht die Auszahlung an sich, sondern die Auszahlung nach dem durch das gesetzwidrige Rabattsystem vorgegebenen Verteilungsschlüssel gesetzwidrig gewesen sei. Für den Fall, dass sich die Gerichte dieser Rechtsansicht nicht anschließen sollten, werde geltend gemacht, dass schon bei bloßer Nichtauszahlung des Großkundenrabattes die Konkurrenzfähigkeit der Klägerin gegenüber den Begünstigten so gesteigert worden wäre, dass sie unter Bedachtnahme auf die gesamte hypothetische Marktsituation in der Zeit von 1988 bis 1997 zusätzliche Gewinne von weit mehr als den begehrten Betrag erzielt hätte. Die Schadensberechnung nach Modell 3 gehe von der Verteilung der rechtswidrig gewährten Rückvergütungen auf alle S*****-Kaufleute nach sachlich gerechtfertigten Gesichtspunkten aus. Die offiziellen Preiskonditionen der Beklagten in Form ihres "cost-plus-systems" würden ungefähr jene Einsparungen abgelten, die die Beklagte durch die größere Abnahmemenge ihres Kunden habe. Für eine Verteilung der tatsächlich ausgeschütteten Rückvergütungen an alle S*****-Kaufleute erscheine deshalb eine Verteilung nach dem Verhältnis ihrer Einkäufe bei der Beklagten am ehesten sachgerecht. Dies käme einer allen S*****-Kaufleuten zugute kommenden Preissenkung gleich. Der Einkaufsumsatz der Firma S***** errechne sich mit 245,952.000 S. Abzüglich der Einstiegsgröße von 27,060.000 S ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von 218,892.000 S. Bei der Berechnung der Großkundenrückvergütungen in den festgestellten Stufen ergebe sich auf dieser Basis für 1998 eine Summe von insgesamt 27,570.302,31 S. Der Einkaufsumsatz der Klägerin bei der Beklagten habe 1998 rund 30 Mio S oder 1,25 % des gesamten "GH-Umsatzes" ausgemacht. Der der Klägerin zustehende Anteil an den gesetzwidrig ausgeschütteten Rabatten betrage daher rund 350.000 S. Auch für die Jahre 1976 bis 1997 sei der Betrag, welcher der Klägerin von der Beklagten rechtswidrig vorenthalten worden sei, unter Bedachtnahme auf die Indexanpassung der Rabattstaffel mit rund 350.000 S pro Jahr anzunehmen. Es sei daher selbst ohne Hinzurechnung der durch die Marktverzerrung verursachten zusätzlichen Schäden offensichtlich, dass der Vermögensschaden der Klägerin den strittigen Teilbetrag von EUR 36.336,42 um ein Vielfaches übersteige.
Die Klägerin habe den Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG und den daraus resultierenden Schadenersatzanspruch stets auch damit begründet, dass die Beklagte das zwischen den Angehörigen einer Handelskette vorausgesetzte Vertrauen missbraucht und den benachteiligten S*****-Kaufleuten die Rückvergütung für Großkunden verheimlicht habe. Auch dies sei als Verletzung der guten Sitten im Sinne des § 1 UWG zu beurteilen. Solange die Klägerin der Handelskette S***** angehört habe, habe sie Anspruch darauf gehabt, von der Beklagten vollständig und wahrheitsgemäß über das gesamte Konditionensystem informiert zu werden. Hätte sie diese Informationen gehabt, so hätte sie eine andere Strategie verfolgen, die Marktentwicklung zu ihren Gunsten beeinflussen und letztlich höhere Gewinne erzielen können. Die Klägerin habe frühestens 1998 erfahren, dass 5 % Rückvergütung erreichbar seien. Der Einwand der Verjährung sei daher nicht berechtigt.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei bis zur Zustellung des Teilurteils des Obersten Gerichtshofs im zweiten Rechtsgang mit guten Gründen der Überzeugung gewesen, dass das von ihr angewandte Konditionensystem (cost-plus-system) und die Großkundenrückvergütung gesetzeskonform sei, weil es den Interessen aller Beteiligten ausgewogen Rechnung trage. Sie sei auch davon überzeugt gewesen, dass die eingeschränkte Gewährung der Großkundenrückvergütung an selbständige S*****-Einzelhändler mit E*****-Märkten im Hinblick auf deren Bedeutung für ihre Einkaufskonditionen und damit für ihre - im Vergleich mit anderen "Ketten" - günstigen Grundpreise für alle ihre Wiederverkäufer sachlich gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe nicht sittenwidrig iSd § 1 UWG gehandelt, sie treffe auch kein Verschulden geringeren Grades. Für die Klägerin hätten sich im Falle der Nichtgewährung der Großkundenrückvergütung an die S***** GmbH im maßgeblichen Zeitpunkt keine vermögensrechtlichen Auswirkungen ergeben. Auf Grund ihres Einkaufumsatzes und der Attraktivität ihrer Verbrauchsmärkte für andere Lieferanten hätte die S***** GmbH keine Konditionsverschlechterungen in Kauf nehmen müssen, sondern andere Lieferanten gefunden, die sie zu mindestens gleich günstigen Konditionen beliefert hätten. Der Wegfall des hohen Einkaufsumsatzes hätte zu einer Verschlechterung des Deckungsbeitrages und damit im Ergebnis zu einer Erhöhung der Grundpreise für die selbständigen S*****-Einzelhändler und damit auch für die Klägerin geführt. Die Beklagte hätte mit Sicherheit keine Begünstigung von 5 % allen selbständigen S*****-Kaufleuten gewährt, wenn sie die Rechtswidrigkeit der Großkundenrückvergütung erkannt hätte. Eine aliquote Aufteilung aller tatsächlich vergüteten Rabatte finde weder im Gesetz noch in den Vereinbarungen der Streitteile Deckung und würde zur Diskriminierung aller nicht Begünstigten führen. Die Klägerin treffe eine Verletzung der Schadensminderungspflicht. Durch Eingehen einer Systempartnerschaft wäre sie grundsätzlich in den Genuss der damit verbundenen Vergütung von 1,7 % des Warenbezugs gekommen. Durch eigene Expansionsinitiativen oder Zusammenschluss mit anderen Unternehmen hätte sie die Möglichkeit gehabt, die Bedingungen für einen Großkundenrabatt zu erreichen. Das Konditionensystem sei den für die Klägerin handelnden Personen im Wesentlichen seit 1976 bekannt gewesen. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch sei verjährt.
Das Erstgericht wies das Schadenersatzbegehren ab. Es traf umfangreiche Feststellungen und vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, die von der Klägerin angeführten drei Modelle der Schadensberechnung schlössen einander aus, weil sie auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhten. Das Berechnungsmodell 1 setze voraus, dass der Klägerin von der Beklagten, hätte sie die Rechtswidrigkeit des Großkundenrabattsystems erkannt, bei dem von ihr bezogenen Warenwert eine 5 %ige Rückvergütung gewährt worden wäre. Das Modell 3 wiederum setze voraus, dass die Beklagte bei Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Großkundenrabattsystems die tatsächlich ausgeschütteten Rückvergütungen an alle S*****kaufleute verteilt hätten. Zu Modell 2 mache die Klägerin lediglich geltend, dass schon bei bloßer Nichtauszahlung des Großkundenrabatts die Konkurrenzfähigkeit der Klägerin so gesteigert worden wäre, dass sie unter Bedachtnahme auf die gesamte hyopothetische Marktsituation in der Zeit von 1997 bis 1998 zusätzliche Gewinne von weit mehr als 500.000 S erzielt hätte. Die Schadensberechnungen nach Modell 1 und 3 kämen nicht in Betracht, weil nicht erwiesen sei, dass die Beklagte bei Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Großkundenrabatts der Klägerin einen zusätzlichen Rabatt bis zu 5 % eingeräumt hätte, oder dass sie die tatsächlich ausgeschütteten Rückvergütungen auf alle S*****-Kaufleute nach dem Verhältnis ihrer Einkäufe aufgeteilt hätte. Hinsichtlich des Schadensberechnungsmodells 2 sei das Begehren im Sinne des § 226 ZPO nicht schlüssig, weil sich daraus nicht ergebe, inwieweit sich die Marktsituation für die Klägerin dadurch verändert hätte, dass die rechtswidrigen Vergütungen für alle Begünstigten entfallen wären und wie sie unter Zugrundelegung der gesamten hypothetischen Marktsituation zusätzliche Gewinne von 36.336,42 EUR erzielt hätte. Die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Betriebswirtschaft zur konkreten Schadensbemessung sei ein unzulässiger Erkundungsbeweis. Die Klägerin habe trotz Anleitung ihr Schadenersatzbegehren nicht ausreichend konkretisiert, sodass es als unschlüssig abzuweisen sei.
Das Schadenersatzbegehren sei aber auch inhaltlich unbegründet. Bis zur Zustellung des Teilurteils sei nämlich die Beklagte von der Ausgewogenheit ihres Großkundenrabattsystems überzeugt gewesen. Diese Auffassung der Beklagten über die Auslegung des § 1 Abs 2 NahVersG sei durch das Gesetz so weit gedeckt gewesen, dass sie es mit gutem Grund vertreten habe können. Eine gesicherte höchstgerichtliche Judikatur zur Auslegung des § 2 Abs 1 NahVersG habe bis dahin nicht bestanden. Die Frage, was unter sachlicher Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs 2 NahVersG zu verstehen sei, sei komplex und - wie vom Obersten Gerichtshof im Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang ausgeführt - auch in der Lehre teilweise gegensätzlich beantwortet worden. Nach der dort ausgesprochenen Rechtsansicht hänge die Frage, ob das Rabattsystem mit § 1 Abs 2 NahVersG in Einklang stehe, von der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "sachlich nicht gerechtfertigt" im Einzelfall ab und könne somit erst nach Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der einen leistungsgerechten Wettbewerb anstrebenden Zielsetzung des NahVersG beurteilt werden. Auch das langwierige Verfahren und die Urteile zweier Instanzen, die das Rabattsystem der Beklagten als sachlich gerechtfertigt erachtet hätten, zeigten die Schwierigkeiten bei Auslegung des § 1 Abs 2 NahVersG. Die Auslegung der Beklagten, ihr Großkundenrabattsystem sei sachlich gerechtfertigt, habe daher objektiv zumindest mit guten Gründen vertreten werden können. Durch das Gewähren der Großkundenrabatte habe die Beklagte nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt. In seinem Teilurteil habe sich der Oberste Gerichtshof nur mit dem Unterlassungsanspruch nach § 2 NahVersG auseinandergesetzt, ohne die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 UWG geprüft zu haben. Eine Bindung des Erstgerichts an diese Entscheidung dahin, dass mit dem Verstoß gegen § 2 NahVersG auch die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG und damit für den Schadenersatzanspruch nach § 1 UWG erfüllt seien, bestehe daher nicht. Ein Verheimlichen der Großkundenrückvergütung sei nicht erwiesen. Dass die Großkundenrückvergütung lediglich auf Nachfrage der Klägerin mitgeteilt worden sei, sei kein sittenwidriges Verhalten im Sinne des § 1 UWG, weil solche Vereinbarungen im Geschäftsleben üblicherweise bedeckt gehalten werden würden, um nicht konkurrierenden Organisationen diese Informationen zukommen zu lassen. Auch das auf §§ 1293 ff ABGB gestützte Schadenersatzbegehren sei nicht schlüssig, weil nicht vorgebracht worden sei, wie sich der Wegfall des Großkundenrabatts auf die Konkurrenz- und Ertragssituation der Klägerin ausgewirkt hätte.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil als nichtig auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in seinem Teilurteil nicht ausdrücklich auf das UWG Bezug genommen habe. Das Erstgericht habe gegen die Rechtskraft und die Bindungswirkung des Teilurteils des Obersten Gerichtshofes verstoßen. Die materielle Rechtskraft sei - soweit sie als Bindungswirkung auftrete - von Amts wegen wahrzunehmen, sodass die durch diese Nichtigkeit betroffenen Entscheidungen aufzuheben, die neuerliche Sachentscheidung aber unter Bindung an die rechtskräftig entschiedene Vorfrage zu treffen sei. Bedeute der rechtskräftig entschiedene Anspruch eine Vorfrage für den mit der neuen Klage geltend gemachten Anspruch, sei die rechtskräftige Entscheidung also präjudiziell, verhindere der Sachzusammenhang zwischen dem neuen Begehren und dem vorliegenden Urteilsspruch eine selbständige Beurteilung der Vorfrage im zweiten Prozess: Die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft bewirke eine inhaltliche Bindung an die Entscheidung im zweiten Rechtsgang. Werde einem auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Handelns gerichteten Klagebegehren rechtskräftig stattgegeben, so schließe dies eine neuerliche Prüfung des Wettbewerbsverstoßes bei der nachfolgenden Entscheidung über einen auf das UWG gestützten Schadenersatzanspruch aus. Dass die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren auf das UWG gestützt habe, ergebe sich bereits aus der Formulierung des Klagebegehrens ("im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs"). Über dieses Begehren habe der Oberste Gerichtshof mit Teilurteil schon nach dem Wortlaut des Urteilsspruchs entschieden, wenngleich in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auf § 1 UWG, sondern nur auf den Unterlassungsanspruch nach § 2 Abs 1 NahVersG Bezug genommen werde. Die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb blieben aber von jenen des NahVersG unberührt. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und solche nach dem NahVersG könnten daher auch nebeneinander geltend gemacht werden, die einen mit Klage im streitigen Verfahren, die anderen beim Kartellgericht nach den Verfahrensvorschriften der §§ 6, 7 NVG im außerstreitigen Verfahren. Hier habe die Klägerin einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend gemacht, über den rechtskräftig entschieden sei. Eine neuerliche Prüfung wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten bei der Entscheidung über den auf ebendieses wettbewerbswidrige Verhalten gestützten Schadenersatzanspruch habe wegen der Bindung an das vorangegangene Teilurteil des Obersten Gerichtshofs zu unterbleiben. Das Erstgericht habe in seiner Entscheidung die Frage, ob die Beklagte mit gutem Grund die Rechtsauffassung habe vertreten können, ihr Rabattsystem sei für Großkunden nicht rechtswidrig, zu Unrecht und unter Missachtung der Bindungswirkung des Teilurteils des Obersten Gerichtshofs aufgeworfen und einen Wettbewerbsverstoß verneint. Das angefochtene Urteil sei daher als nichtig aufzuheben. Das Gericht zweiter Instanz dürfe nicht in Wahrnehmung einer Nichtigkeit des Verfahrens die Entscheidung in der Sache selbst an sich ziehen. Deshalb und auch wegen der Senatsbesetzung, in der über den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund zu entscheiden gewesen sei, sei die Schlüssigkeit des Klagevorbringens nicht zu erörtern gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten gegen diese Entscheidung ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Nach Auffassung der Beklagten sei ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil für einen gleichzeitig geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht präjudiziell, weil die Ansprüche auf unterschiedlichen Voraussetzungen beruhten; das Teilurteil im zweiten Rechtsgang habe daher auch dem Grunde nach keine Klärung des Schadenersatzanspruchs gebracht. Dem kann nicht beigepflichtet werden.
Zum Verhältnis zwischen dem NahVersG und dem UWG bestimmt § 9 NahVersG, dass die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb unberührt bleiben. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers gibt es demnach Sachverhalte, die nur unter das UWG oder das NahVersG fallen, und solche, die die Voraussetzungen beider Gesetze erfüllen (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 30 Rz 2 mwN). Der Gesetzgeber lässt somit für den Fall der Gesetzeskonkurrenz - der dann vorliegt, wenn derselbe Sachverhalt die Tatbestandsmerkmale mehrerer anspruchsbegründender Normen verwirklicht - die Rechtsfolgen beider in Frage kommenden gesetzlichen Bestimmungen nebeneinander eintreten. Ein gegen das NahVersG verstoßendes Verhalten läuft daher, wenn es zugleich wettbewerbswidrig ist, auch dem UWG zuwider und kann dann sowohl zur Einleitung eines (außerstreitigen) Verfahrens vor dem Kartellgericht als auch zu einem Rechtsstreit vor dem ordentlichen Gericht führen. Der erkennende Senat hat in seiner - vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegebenen - Rechtsprechung daraus den Schluss gezogen, dass zwischen einer Klage nach § 1 UWG und einem Untersagungsantrag nach § 6 NahVersG uneingeschränkte Konkurrenz besteht (ÖBl 1989, 167 - FAMILIA mwN; SZ 69/284 = ÖBl 1997, 161 - 20 Jahre dm).
Die Klägerin hat die von ihr behauptete (und nunmehr rechtskräftig festgestellte) Verletzung des § 2 Abs 1 NahVersG durch die Beklagte zum Gegenstand einer auf das UWG gestützten Klage vor den allgemeinen Gerichten gemacht und sich dabei auf die dem § 1 UWG zuzuordnende Fallgruppe des "sittenwidrigen Rechtsbruchs" gestützt (vgl ihr Vorbringen S. 6f der Klage sowie die Fassung des Unterlassungsbegehrens "im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs").
Gegenstand des im zweiten Rechtsgang gefassten Teilurteils (4 Ob 210/02i = RdW 2003, 376 = ÖBl 2003, 188 <Barbist> - Großkunden-Rückvergütung II) war die Beurteilung, ob der von der Beklagten gewährte Großkunden-Rabatt gem § 2 Abs 1 NahVersG sachlich gerechtfertigt ist oder nicht. Diese Frage wurde verneint und dem Unterlassungsbegehren stattgegeben. Wenn auch in der Begründung dieser Entscheidung § 1 UWG nicht ausdrücklich erwähnt worden ist, kann - abgesehen von der Fassung des Unterlassungsgebots - schon deshalb kein Zweifel daran bestehen, dass mit dem Teilurteil ein im Wettbewerbsrecht begründeter Anspruch (§ 14 UWG iVm § 1 UWG) als berechtigt erkannt worden ist, weil eine auf das NahVersG gegründete Untersagungsverfügung vom Kartellgericht im außerstreitigen Verfahren zu erlassen gewesen wäre (§ 7 NahVersG), insoweit demnach der streitige Rechtsweg unzulässig ist.
Die Rechtsprechung bejaht eine Bindungswirkung an die Vorentscheidung, wenn sowohl die Identität der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts (verbunden mit notwendig gleicher Qualifikation) gegeben sind, aber anstelle der inhaltlichen und wörtlichen Identität der Begehren ein im Gesetz gegründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht. Ein solcher ist anzunehmen, wenn die Entscheidung über den neuen Anspruch vom Inhalt der bereits rechtskräftig entschiedenen Streitsache abhängig ist (Präjudizialität der rechtskräftigen Entscheidung) oder wenn das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs bedeutet (SZ 68/103; SZ 68/2 = JBl 1995, 458 [Oberhammer]; 4 Ob 132/98k; 4 Ob 288/99b = EvBl 2000/80 mwN; 4 Ob 154/00a = ARD 5351/40/02).
Streitanhängig verblieben ist im dritten Rechtsgang allein ein Schadenersatzbegehren, das die Klägerin - zumal das NahVersG keine solchen Ansprüche gewährt - auf § 1 UWG gestützt hat. Damit ist aber der vom Berufungsgericht erhobene Vorwurf, das Erstgericht habe bei seiner Entscheidung, ob die Beklagte mit guten Grund ihren Großkunden-Rabatt für rechtmäßig halten durfte, die Bindungswirkung des Teilurteils nicht beachtet, berechtigt. Der rechtskräftige Abspruch im zweiten Rechtsgang, wonach der Großkunden-Rabatt der Beklagten gegen § 2 Abs 1 NahVersG verstößt, weshalb der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zusteht, setzt denknotwendig die Feststellung einer Wettbewerbswidrigkeit des untersagten Verhaltens gem § 1 UWG voraus. Ein Rechtsbruch gewährt aber nur dann einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspuch, wenn der Beklagte schuldhaft vorwerfbar gehandelt hat (stRsp RIS-Justiz RS0077751). Ein Verschulden der Beklagten war somit denknotwendige Voraussetzung für die Erlassung des Unterlassungsgebots. Es besteht daher in diesem Punkt eine Bindungswirkung dieses Unterlassungsurteils, sodass bei Prüfung der Schadenersatzpflicht der Beklagten ein neuerliches Aufrollen der Verschuldensfrage nicht in Betracht kommt.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der erkennende Senat im zweiten Rechtsgang kein Zwischenurteil über den Schadenersatzanspruch dem Grunde nach gefällt hat, steht doch eine solche Entscheidung im Ermessen des Gerichts (Rechberger in Rechberger, ZPO² § 393 Rz 3).
Der von der Beklagten angeführten Entscheidung 4 Ob 154/00a lag ein anderer Sachverhalt zugrunde: Der rechtskräftige Abspruch im Wettbewerbsprozess, wonach ua der dort Beklagte den Vertrieb näher bezeichneter Hüte - sofern diese nicht von der (dortigen) Klägerin stammen - zu unterlassen habe, hatte nicht denknotwendig die Feststellung (des Wettbewerbsprozesses) über die bewusste Mitwirkung des Beklagten an einem Vertragsbruch einer Geschäftspartnerin der Klägerin zum Hauptgegenstand; die "Mitklagung" des Beklagten im Wettbewerbsprozess wurde dort vielmehr darauf gegründet, dass er als Geschäftsführer der dort erstbeklagten GmbH nach dem UWG auch hafte; ob er schuldhaft gehandelt hat, war im Wettbewerbsprozess - anders als im nachfolgenden Schadenersatzprozess - unerheblich.
Der vom Berufungsgericht angenommene Nichtigkeitsgrund liegt vor. Infolge Aufhebung des Ersturteils als nichtig fehlen Tatsachenfeststellungen, die dem Obersten Gerichtshof eine - von der Rechtsmittelwerberin angestrebte - Entscheidung in der Sache selbst (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO) ermöglichten. Dem Rekurs kann deshalb auch unter diesem Aspekt kein Erfolg beschieden sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.
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