OGH 4Ob210/02i

OGH4Ob210/02i21.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** OHG, *****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei S*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Ernst Hagen und Dr. Günther Hagen, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Unterlassung (Streitwert 21.801,85 EUR) und Schadenersatz (Streitwert 36.336,42 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. Juni 2002, GZ 2 R 98/02g-81, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. Februar 2002, GZ 7 Cg 227/98x-74, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit sie das Unterlassungsbegehren betreffen, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert, sodass die Entscheidung insoweit als Teilurteil nunmehr zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist der klagenden Partei gegenüber ab sofort schuldig, in Vorarlberg im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Handel mit Lebensmitteln samt den dazugehörigen Bereichen anderer Warengruppen eine gesetzwidrige Bevorzugung einzelner Wiederverkäufer gegenüber anderen selbständigen S*****-Kaufleuten durch das Gewähren von sachlich nicht gerechtfertigten Rückvergütungen (zB "Großkunden-Rückvergütungen bis zu 5 %) zu unterlassen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, ganz allgemein in Vorarlberg im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Handel mit Lebensmitteln samt den dazugehörigen Bereichen anderer Warengruppen jede gesetzwidrige Bevorzugung einzelner Wiederverkäufer gegenüber anderen selbständigen S*****-Kaufleuten zu unterlassen, wird abgewiesen."

Im Übrigen, also soweit sie das Schadenersatzbegehren betrifft, wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Rechtssache war bereits Gegenstand einer Entscheidung des erkennenden Senats; hinsichtlich Vorbringen, Verfahrensgang und Sachverhalt wird auf den im ersten Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss (4 Ob 34/01f = wbl 2001, 497 = ÖBl 2001, 229 - Großkunden-Rückvergütung) verwiesen.

Zur mangelnden sachlichen Rechtfertigung des beanstandeten Großkundenrabatts brachte die Klägerin im zweiten Rechtsgang vor, dieser steigere den Konzentrationsgrad und stärke die Angebots- und Nachfragemacht der Beklagten auf dem Absatzmittlermarkt unter Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit; zugleich würde die Chancengleichheit der nicht begünstigten Kaufleute im Wettbewerb erheblich eingeschränkt und deren wirtschaftlicher Untergang beschleunigt. Die Beklagte als Großhändlerin setze ihre strukturpolitischen Ziele auf dem Einzelhandelsmarkt auf Kosten der nicht begünstigten kleinen Abnehmer durch. Bei einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Nahversorgungsgesetzes (NahVersG) komme den Interessen der Beklagten kein Vorrang vor jenen der übrigen Beteiligten zu.

Die Beklagte hält ihr Rabattsystem für sachlich gerechtfertigt, weil Großkunden nicht auf andere Weise gehalten werden könnten. Großkunden seien nicht nur wegen ihrer Umsätze, sondern auch wegen der Breite und Tiefe ihres Sortiments, ihrer Kundenfrequenz und ihrer Aktionspolitik für Lieferanten besonders attraktiv. Sie ermöglichten der Einkaufsgesellschaft der S*****-Händler, selbst bessere Einkaufskonditionen zu erzielen; dies führe zu einer Senkung der Grundpreise, die auch den kleinen Vertriebsformen zugute komme. Großkunden schulten ihr Personal teilweise auf eigene Kosten, was - neben der Ersparnis für Transport und Logistik - zu einer erheblichen Entlastung der Beklagten beitrage. Die von Großkunden ausgehende "Sogwirkung" sei nicht auf das Rabattsystem der Beklagten, sondern auf deren gute Standorte zurückzuführen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab.

Es traf folgende Feststellungen: Die Klägerin betrieb ab dem Jahr 1953 in Hohenems an zwei Standorten Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte samt dazugehörigen Bereichen anderer Warengruppen als Supermärkte mit einer Fläche von 500 m² und 900 m². Seit Anfang 2000 hat die Klägerin ihre Geschäfte an die A*****-AG verpachtet. Zuvor betrieb sie die Supermärkte selbst, und zwar bis Ende 1998 als Mitglied der Vereinigung Österreichischer S*****-Kaufleute im Rahmen der S*****-Organisation. Danach wechselte die Klägerin zur A*****-AG. Die Beklagte ist Lebensmittelgroßhändlerin und beliefert einerseits S*****-Kaufleute in Vorarlberg, andererseits betreibt sie selbst Lebensmitteleinzelhandel in Eigenfilialen sowie in den Großformen E***** und I*****. In Vorarlberg wird die Großvertriebsform "E*****" von der S***** GmbH betrieben. Die S***** GmbH betreibt in Vorarlberg 15 E*****-Geschäfte, die eine Verkaufsfläche von jeweils zwischen 1.000 bis 2.500 m² haben. Die I***** GmbH betreibt Standorte mit Verkaufsflächen über 2.500m². Die S***** GmbH bezieht ihr Warensortiment teilweise von der Beklagten, teilweise von anderen Lieferanten. Die Beklagte ist Mitglied der Vereinigung Österreichischer S*****-Kaufleute, sie beliefert von ihrer Zweigstelle in Dornbirn einerseits verschiedene S*****-Kaufleute in Vorarlberg als Großhändlerin und betreibt andererseits die Großmärkte I*****. Für die S*****-Kaufleute als Kunden der Beklagten gelten die offiziellen Preiskonditionen, die in Form eines "cost-plus-Systems" gestaltet sind. Nach diesem Preissystem wird bis zu einem bestimmten Warenbezug in einer bestimmten Höhe ein bestimmter Aufschlag verrechnet, der sich mit der Erhöhung des Warenbezuges pro Kalenderjahr verringert. Mit diesem Preissystem werden in etwa jene Einsparungen abgegolten, die die Beklagte durch die größere Abnahmemenge ihres Kunden hat. Daneben gibt es bei der Beklagten auch ein Rabattsystem für Großkunden (bei der Beklagten intern als "Rohspannenberichtigung" bezeichnet). Den Mitgliedern der Vereinigung der Österreichischen S*****-Kaufleute ist zwar allgemein bekannt, dass es ein solches Rabattsystem für Großkunden gibt, nicht aber die Einstiegsgröße oder die konkrete Ausformung. Dieses Rabattsystem war derart aufgebaut, dass ab einer Mindestumsatzstufe von rund 27,060.000 S für den darüber hinausgehenden Umsatz ein Rabatt von 1 % gewährt wird, der sich in weiteren Stufen von rund 9,250.000 S Umsatz auf bis zu 5 % der getätigten Umsätze erhöht (diese Zahlen beziehen sich auf das Jahr 1999; seither erfolgte eine jährliche Indexanpassung). In den Genuss dieser Rückvergütungen kommen nur Abnehmer, die an zumindest einem Standort den Mindestumsatz erreichen; ist dies der Fall, wird das Rabattsystem für sämtliche Umsätze dieses Abnehmers - also auch an kleineren Standorten - gewährt. Begünstigte dieses Rabattsystems sind österreichweit lediglich die I*****-GmbH, die E*****-Geschäfte und einige vereinzelte selbständige S*****-Mitglieder. In Vorarlberg kommen nur die I*****-Geschäfte sowie die von der S***** GmbH betriebenen E*****-Geschäfte in den Genuss dieser Rabattstaffel. Die Klägerin erreichte mit keinem ihrer beiden Geschäfte die Mindestumsatzstufe des Rabattsystems. Bei Zusammenrechnung der Umsätze beider Geschäfte hätte sie die Mindeststufe erreicht und wäre auch in den Genuss eines Rabatts gekommen, und zwar in jener Stufe mit 1 % Rückvergütung. S***** hat den höchsten Marktanteil im Lebensmitteleinzelhandel in Vorarlberg. Der Marktanteil von S***** am Lebensmitteleinzelhandel beträgt - ohne Berücksichtigung der Diskonter - etwa 62 % bis 67 %. Dabei gliedern sich die insgesamt 113 Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte in 5 I*****-Geschäfte, 37 Eigenfilialen der Beklagten, 57 selbständige Kaufleute ohne S***** sowie 15 S*****-Geschäfte. Die nächstgrößere Organisation am Vorarlberger Markt ist A*****, die 82 Geschäfte betreibt. B***** und M***** drängen stark auf den Vorarlberger Markt. Dabei ist aber die Besonderheit zu berücksichtigen, dass aufgrund des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes praktisch keine weiteren Flächen für Einkaufszentren erschlossen werden können. Eine Expansion oder das Gewinnen von Marktanteilen durch diese Organisationen ist daher in Vorarlberg im Wesentlichen nur dadurch möglich, dass bereits vorhandene Lebensmittelgeschäfte von einer anderen Organisation übernommen werden. Auf dem Absatzmittlermarkt, also in der Marktbeziehung zwischen der Beklagten einerseits und den selbständigen S*****-Kaufleuten andererseits, hat die Beklagte keine marktbeherrschende Stellung. Sowohl die selbständigen Kaufleute als auch die anderen Mitglieder der Vereinigung der Österreichischen S*****-Kaufleute können ihre Waren bei jedem anderen Lieferanten beziehen. Die Abnehmer der Beklagten beziehen durchschnittlich nur etwa 54 % ihres Warensortiments bei der Beklagten. Das Rabattsystem für Großkunden erreicht nur, wer eine Verkaufsfläche von zumindest etwa 1.000 m² betreibt. Würde der Betreiber einer Verkaufsfläche seinen gesamten Warenbezug bei der Beklagten tätigen, wäre eine Verkaufsfläche von zumindest 600 m² nötig, um in den Genuss der Rabattstaffel für Großkunden zu gelangen.

Die beteiligten Unternehmen haben folgende Interessen am oben dargestellten Rabattsystem für Großkunden: 1. Der Rabatt kann nur von Abnehmern mit entsprechend großen Flächen erreicht werden. Dies führt zu einer Stärkung der Kaufleute mit einer Vertriebsform zumindest in Größe eines Supermarkts, also eines Lebensmittelgeschäfts mit einer Verkaufsfläche zwischen 400 m² und 1.000 m². Im Bereich der Supermärkte ist auch die größte Expansion in den letzten Jahren zu vermerken. Dieser Flächenvergrößerungsprozess wird auch großteils von den Konsumenten angenommen, weil ein Trend der Konsumenten zum "one-stop-shopping" (Erledigung aller Einkäufe in einem einzigen Geschäft) besteht. 2. Steigerung des Konzentrationsgrads. Durch die Rohspannenberichtigung besteht ein Anreiz für die Abnehmer, möglichst viele Waren bei der Beklagten abzunehmen. Dadurch kann die Beklagte höhere Absatzmengen und auch höhere Umsätze erreichen. Dies führt zu einer Erhöhung der Nachfragemacht der Beklagten bei ihren Lieferanten in der Industrie, wodurch ihr bessere Einkaufskonditionen und bessere Einkaufspreise ermöglicht werden. 3. Durch die Rohspannenberichtigung besteht ein höherer preispolitischer Spielraum bei den Abnehmern, die in den Genuss dieser Rabattstaffel kommen. Sie sind dadurch in der Lage, tendenziell günstigere Preise anzubieten als Kleinflächen. 4. Dadurch sind sie auch in der Lage, durch Aktionen wie Lockangebote oder "Dauertiefstpreise" preissensible Artikel günstiger anzubieten und eine Erhöhung der Kundenbindung zu erreichen. 5. Durch die Steigerung des Konzentrationsgrads und die Stärkung der Nachfragemacht der Beklagten bei der Industrie kommt es zu einer Stärkung der Angebots- und Nachfragemacht. Dies führt auf Seiten der Konsumenten dazu, dass auch diese ein günstigeres Preisniveau vorfinden. Für die von der Rabattstaffel Begünstigten besteht die Möglichkeit, selbst zu ermessen, ob und inwieweit sie ihre günstigeren Einkaufspreise an die Konsumenten weitergeben. Jener Anteil der günstigeren Einstandspreise eines an der Rabattstaffel Begünstigten, der nicht an die Konsumenten weitergegeben wird, schlägt sich in Form eines höheren prozentuellen Deckungsbeitrages und damit auch in einer höheren Umsatzrentabilität nieder. Auf die von der Rabattstaffel nicht Begünstigten, also insbesondere die kleinen Abnehmer, hat das Großkundenbonus- oder Rohspannenberichtigungssystem folgende Auswirkungen: Es führt zu einer weiteren Verdrängung kleinerer Flächen durch große. Diese Verdrängung ist jedoch nicht allein auf das Rabattsystem der Beklagten zurückzuführen, sondern ein allgemeiner Trend im Lebensmittelhandel und wird auch durch die Konsumenten beeinflusst, nämlich vor allem durch den zuvor erwähnten Trend zum one-stop-shopping. Mit dem Konditionensystem der Beklagten wird die Wettbewerbsfähigkeit der nicht begünstigten Kaufleute verringert. Es bestehen nur eingeschränkte Alternativen zur Zugehörigkeit zur Beklagten. Die anderen Organisationen, die auch mit selbständigen Kaufleuten zusammenarbeiten, haben in Vorarlberg ein schlechteres Image als die Beklagte, weshalb im Fall eines Wechsels mit Umsatzeinbußen zu rechnen ist. Würde die Beklagte die Rabattstaffel für Großkunden nicht anbieten, schwächte dies österreichweit ihre Marktposition nicht wesentlich; in Vorarlberg führte eine solche Maßnahme hingegen zu einer wesentlichen Verringerung ihres Marktanteils, weil die 15 von der S***** GmbH betriebenen E*****-Geschäfte dann voraussichtlich nicht mehr Abnehmer der Beklagten wären, sondern sich in diesem Fall Lieferanten suchen würden, bei denen sie ähnliche Konditionen bekommen. Für S***** besteht etwa die Alternative, die Geschäfte an B***** zu vermieten und dadurch die Gewinneinbußen, die mit dem Wegfall des Rabattsystems zu erwarten wären, wettzumachen. Durch den Verlust von S***** als Kunde würde sich der Marktanteil der Beklagten in Vorarlberg von derzeit zwischen 62 % und 67 % auf zwischen 52 % und 55 % verringern; zugleich würde ein anderer Mitbewerber in Vorarlberg stärker Fuß fassen. Diesen Verlust könnte die Beklagte langfristig kaum wettmachen, weil es aufgrund der Besonderheiten des Vorarlberger Raumplanungsgesetze sehr schwierig ist, zusätzliche Flächen für Einkaufszentren zu erschließen. Ein solcher Marktanteilsverlust, der auch zu einer Ertragseinbuße führt, wäre zwangsläufig mit Gewinneinbußen, unter Umständen sogar mit Verlusten für die Beklagte an ihrer Zweigniederlassung in Vorarlberg verbunden. Den selbständigen Einzelhändlern würde der Verzicht auf das Rabattsystem für Großkunden der Beklagten deshalb keinen Vorteil bringen, weil der Partner, der durch den Verlust der Rohspannenberichtigung nicht mehr bei der Beklagten bezieht, entweder einen anderen Großhändler findet, bei dem er dieselben Konditionen erhält, oder weil dieser seine Flächen an einen anderen Mitbewerber verkauft oder vermietet. Damit bliebe aber die Konkurrenzsituation für die anderen Lebensmittelhändler unverändert. Würde durch den Wegfall des Rabattsystems der Einstandspreis für sämtliche Abnehmer der Beklagten verringert, ergäbe sich kurzfristig eine Verbesserung der Ertragsituation der von der Rabattstaffel nicht begünstigten Abnehmer der Beklagten; mittel- und langfristig würde sich jedoch dieselbe Situation wieder einstellen, weil die Inhaber preisaggressiverer größerer Flächen nach Wegen suchen würden, um bessere Preiskonditionen zu bekommen.

Rechtlich ging das Erstgericht - den Grundsätzen im Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang folgend - davon aus, dass die Beklagte ein produktbezogenes Umsatzrabattsystem anbiete, bei dem die Höhe des Rabatts vom Gesamtumsatz des einzelnen Abnehmers abhängig sei. Jene Einsparungen, die durch eine größere Abgabemenge erzielt würden, seien im Wesentlichen schon im Rahmen des cost-plus-Systems abgegolten, weshalb der darüber hinausgehende Großabnehmerrabatt im Rahmen einer Interessenabwägung auf seine sachliche Rechtfertigung zu prüfen sei. Der Rabatt biete den Begünstigen einen höheren Anreiz, Waren bei der Beklagten zu beziehen, wodurch die Beklagte ihre eigene Nachfragemacht stärken und bei ihren Lieferanten günstigere Konditionen erzielen könne, die - wenn auch auf Umwegen und nur zum Teil - allen Abnehmern der Beklagten zugute kämen. Darüber hinaus könne die Beklagte ihre starke Marktposition überhaupt nur durch das beanstandete Rabattsystem halten; sein Wegfall hätte auf dem Vorarlberger Markt einen erheblichen Marktanteilsverlust der Beklagten zur Folge, der auf Dauer nicht mehr wettzumachen sei. Demgegenüber könnten die vom Großkundenrabatt nicht Begünstigten zu anderen Mitbewerbern ausweichen, wie dies die Klägerin ja getan habe; diese Gruppe von Marktteilnehmern könnte auch bei Wegfall des Rabattsystems auf Dauer keine bessere Marktposition erreichen. Das Rabattsystems sei daher sachlich gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die Entscheidung im ersten Rechtsgang nicht zulässig sei und im übrigen die vorgenommene Interessenabwägung nicht über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sei. Das Rabattsystem gehe über eine Abgeltung jener Einsparungen hinaus, die die Beklagte auf Grund der größeren Abgabemengen an die begünstigten Großkunden erziele; die zu seiner sachlichen Rechtfertigung angestellte Interessenabwägung des Erstgerichts sei richtig vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die sachliche Rechtfertigung des Rabattsystems für Großkunden unrichtig beurteilt hat; das Rechtsmittel ist in Ansehung des Unterlassungsbegehrens teilweise berechtigt im Sinne des Abänderungsantrags, in Ansehung des Schadenersatzanspruchs ist es berechtigt im Sinne des Aufhebungsantrags.

Nach Auffassung der Klägerin sei das beanstandete Rabattsystem nicht leistungsgerecht und widerspreche dem NahVersG, weil es marktstarke Abnehmer im Verhältnis zu marktschwächeren Abnehmern begünstige. Auch in der Rechtsprechung des EuGH werde betont, dass Gründe zur sachlichen Rechtfertigung eines Rabattsystems stets objektiver Natur sein müssten und dass unterschiedliche Rabatte stets auf einer entsprechenden wirtschaftlichen Gegenleistung beruhen müssten. Solches sei beim Großkundenrabatt der Beklagten nicht der Fall. Dass auch ein Wegfall des Rabattsystems - nach dem festgestellten Sachverhalt - den davon nicht Begünstigten keine bessere Marktposition verschaffe, sei kein Grund, die Zielsetzungen des NahVersG außer Acht zu lassen. Dazu ist zu erwägen:

Der erkennende Senat hat in seinem im ersten Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss (4 Ob 34/01f = wbl 2001, 497 = ÖBl 2001, 229 - Großkunden-Rückvergütung) die sachliche Rechtfertigung des von der Beklagten gewährten Großkunden-Rabatts dann, wenn er - wie hier - über kostengedeckte Differenzierungen und Konditionsunterschiede hinausgeht, von einer Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Zielsetzung des NahVersG abhängig gemacht. Das Erstgericht hat sodann bei der ihm aufgetragenen Interessenabwägung das Interesse der Beklagten, ihre Abnehmer an sich zu binden, höhere Umsätze und damit auch eine stärkere Nachfragemacht zu erreichen und ihre starke Marktposition zu halten, berücksichtigt. Zu den Interessen der Betroffenen hat das Erstgericht nur ausgeführt, dass sie den Lieferanten wechseln könnten, sich für sie aber auch bei Wegfall des Rabattsystems auf Dauer gesehen keine bessere Marktpositionen ergäben. Auf die in der genannten Entscheidung beispielsweise angeführten geschützten Interessen der Betroffenen, nicht durch das machtbedingte Verhalten anderer Marktteilnehmer in ihren wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeiten beeinträchtigt zu werden oder bei offenstehendem Marktzugang nicht durch Beeinträchtigung der Chancengleichheit in der wettbewerblichen Betätigung im Verhältnis zu anderen Unternehmen benachteiligt zu werden, gehen weder das Erstgericht noch das Berufungsgericht ein. Letzteres verweist dazu nur auf die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts.

Beide Vorinstanzen setzen sich demnach nicht damit auseinander, dass das NahVersG den leistungsgerechten Wettbewerb schützt und einen bestimmten Wettbewerbsbestand erhalten will, der durch die Existenz vieler mittlerer und kleinerer Unternehmen gekennzeichnet ist (Fahrnleitner/Straberger, NahVersG 16). Wird diese Zielsetzung - den Grundsätzen der Entscheidung 4 Ob 34/01f folgend - bei der Interessenabwägung berücksichtigt, so kann das Interesse der Beklagten, Großabnehmer über die Abgeltung der Kostenersparnis hinaus zu begünstigen, nicht schutzwürdig sein, weil eine solche Begünstigung die Konzentration verstärkt, der das NahVersG entgegenwirken will. Im Rahmen eines Interessenkonflikts können aber solche Interessen keine Berücksichtigung finden, deren Durchsetzung von der Rechtsordnung missbilligt wird (vgl Schultz in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht9 § 20 Rz 127 mN zur deutschen Rsp). Das genannte Interesse der Beklagten kann aber jedenfalls nicht schutzwürdiger sein als das Interesse der kleinen Abnehmer, zu gleichen Konditionen beliefert zu werden wie die Großabnehmer, um dadurch konkurrenzfähig zu bleiben. Nur die Konkurrenzfähigkeit der kleinen Abnehmer kann ihren Bestand und damit - wie vom NahVersG angestrebt - die Existenz vieler mittlerer und kleinerer Unternehmen sichern.

Nicht zu berücksichtigen ist bei der Interessenabwägung, ob der Konzentrationsprozess überhaupt aufgehalten werden kann. Der Klägerin kann daher nicht entgegengehalten werden, dass die Großabnehmer der Beklagten Wege finden werden, um bei anderen Lieferanten die gleichen - ebenso unzulässigen - Konditionen zu erhalten, so dass sich die Marktposition der Betroffenen bei einem Wegfall des Rabattsystems nicht verbessern werde. Wollte man dieses Argument - mit den Vorinstanzen - berücksichtigen, führte dies letztlich dazu, dass ein Gesetz (hier: das NahVersG) dann nicht angewandt wird, wenn das damit angestrebte Ziel im Einzelfall nicht erreicht wird, weil es auch von anderen verletzt werden würde.

Diese Überlegungen führen somit zu dem Ergebnis, dass das von der Beklagten gewährte Rabattsystem insoweit sachlich nicht gerechtfertigt ist und damit gegen § 1 Abs 2 NahVersG verstößt, als es den Großkunden-Rabatt (bei der Beklagten intern als "Rohspannenberichtigung" bezeichnet) betrifft.

Das von beiden Streitteilen zitierte Urteil des EuGH C-163/99 P ortugiesische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Slg 2001 I-2613, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dort wird ausgesprochen, dass auch ein marktbeherrschendes Unternehmen seinen Kunden Mengenrabatte gewähren darf, die ausschließlich an den Umfang der bei ihm getätigten Käufe anknüpfen (Rz 50). Gleichwohl bringen Mengenrabatte die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen mit sich, sofern die Schwellen für die Auslösung der unterschiedlichen, an die festgelegten Sätze geknüpften Rabattstufen dazu führen, die Inanspruchnahme der Rabatte oder von Zusatzrabatten bestimmten Handelspartnern vorzubehalten und ihnen einen durch den Umfang der von ihnen erbrachten Tätigkeit und durch die möglichen Größenvorteile, die der Lieferant gegenüber ihren Mitbewerbern erzielen kann, nicht gerechtfertigten wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen (Rz 52). Eine hohe Schwelle zur Auslösung des Rabattes, die nur einige besonders bedeutende Partner des Unternehmens mit beherrschender Stellung erreichen können, oder das Fehlen eines gleichmäßigen Anstiegs der Rabatte mit den Mengen können, sollten keine objektiven Gründe vorliegen, Anzeichen einer diskriminierenden Behandlung sein (Rz 53).

Im Streitfall beweist allein der Umstand, dass Begünstigte des beanstandeten Rabattsystems für Großkunden österreichweit lediglich die I*****-GmbH, die E*****-Geschäfte und einige vereinzelte selbständige S*****-Mitglieder sind, die hohe Auslösungsschwelle dieses Rabatts, für dessen Zulässigkeit keine objektiven berücksichtigungswürdigen Gründe sprechen. Das beanstandete Rabattsystem ist demnach auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt.

Gem § 2 Abs 1 NahVersG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer als Lieferant gewerberechtlich befugten Wiederverkäufern bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen gewährt oder anbietet. Der von der Beklagten gewährte Großkunden-Rabatt ("Rohspannenberichtigung") ist sachlich nicht gerechtfertigt. Das Unterlassungsbegehren erweist sich insoweit als berechtigt. Dass die Beklagte einzelne Wiederverkäufer auch noch in anderer Weise gesetzwidrig bevorzugt hätte als durch das Gewähren von sachlich nicht gerechtfertigten Rückvergütungen, ist nicht erwiesen; das Unterlassungsgebot war daher auf das festgestellte konkrete gesetzwidrige Verhalten zu beschränken. Zum Schadenersatzbegehren hat die Klägerin im bisherigen Verfahren einerseits vorgebracht, dass bei Wegfall der von ihr bekämpften Großkunden-Rückvergütung die Expansion der davon Begünstigten zu Lasten der Betroffenen gebremst und deren Konkurrenzfähigkeit gesteigert worden wäre; andererseits behauptet die Klägerin, ihr wären - hätte sie für die von ihr 1988 bis 1997 bezogenen Waren wie ein Großkunde 5% Rückvergütung erhalten - für ihre betriebliche Entwicklung mehr als 12 Mio S zusätzlich zur Verfügung gestanden, die ihr einen preisgünstigeren Marktauftritt und weitere Gewinne ermöglicht hätten (Klage S. 5f).

Diesem Vorbringen lässt sich noch nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, auf welche Weise die Klägerin den ihr nach ihren Behauptungen entstandenen Schaden berechnet. Insbesondere zeigt die Klägerin noch nicht nachvollziehbar auf, welche vermögensrechtlichen Auswirkungen die - ihren Behauptungen nach - durch Wegfall der Großkunden-Rückvergütung bewirkte Steigerung ihrer Konkurrenzfähigkeit mit sich gebracht hätte, wobei einer solchen Rechnung die gesamte hypothetische Marktsituation bei Nichtauszahlung des Großkundenrabatts zugrunde zu legen wäre. Soweit die Klägerin aber auf zusätzliche finanzielle Mittel für ihre betriebliche Entwicklung verweist, die ihr im Fall einer Rabattgewährung zur Verfügung gestanden wären, so setzt eine solche Rechnung einerseits voraus, dass die Beklagte - hätte sie die Rechtswidrigkeit des auf Großkunden beschränkten Rabattsystems erkannt - allen ihren Kunden eine Begünstigung von 5 % (zusätzlich zum cost-plus-System) eingeräumt hätte; andererseits können durch Rabatte bewirkte Ersparnisse beim Einkauf betriebswirtschaftlich nicht Gewinnen gleichgehalten werden.

Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht haben die Vorinstanzen Erörterungen zum Schadenersatzbegehren für entbehrlich erachtet und auch keine Feststellungen getroffen, nach denen die Berechtigung dieses Begehrens abschließend beurteilt werden könnte. Dieser Mangel führt im Umfang dieses verfolgten Anspruchs zur Aufhebung der Vorentscheidungen; dem Erstgericht war eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Revision ist teilweise Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

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