European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E125710
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Zwischen den Parteien behängt seit 2013 das Scheidungsverfahren sowie weiters ein Verfahren auf Leistung des Ehegattenunterhalts. Mit Teilurteil des Erstgerichts vom 27. 12. 2016 wurde dem Rechnungslegungsbegehren der hier Gefährdeten (als dortiger Klägerin) zur Ermittlung ihrer Unterhaltsansprüche nach § 94 ABGB rechtskräftig stattgegeben. Zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf Rechnungslegung führt sie gegen den Gegner Exekution nach § 354 EO. Zwischen den Parteien sind zwischenzeitlich weitere zehn Verfahren anhängig.
Mit einstweiliger Verfügung vom 30. 5. 2014 wurde der hier Gefährdeten im Unterhaltsverfahren ein Prozesskostenvorschuss in Höhe von 25.000 EUR zuerkannt. Diesen Prozesskostenvorschuss hat sie zumindest im Betrag von 9.176,66 EUR für Kosten des Sachverständigen im Obsorgeverfahren, für Kosten des Kinderbeistands, für Gerichtsgebühren und Übersetzungskosten im Scheidungsverfahren, für die Gerichtsgebühren im Unterhaltsverfahren sowie für einen Kostenersatz an den Gegner in zwei anderen Verfahren verwendet. Darüber hinaus verwendete sie den Prozesskostenvorschuss auch für andere Zwecke, die mit den Prozesskosten nichts zu tun hatten.
Die bisher (bis zur Entscheidung des Erstgerichts im vorliegenden Verfahren) entstandenen Honoraransprüche des Rechtsvertreters der Gefährdeten belaufen sich auf 118.315,10 EUR. Mit weiteren (künftigen) Honoraransprüchen ist in zumindest gleicher Höhe zu rechnen. Bisher hat die Gefährdete an ihren Rechtsvertreter keine Zahlungen geleistet; eine Schenkung liegt nicht vor.
Im vorliegenden Verfahren stellte die Gefährdete am 31. 8. 2018 den Antrag, dem Gegner mittels einstweiliger Verfügung einen (weiteren) Prozesskostenvorschuss in Höhe von 200.000 EUR aufzuerlegen. Zwischen den Parteien seien zahlreiche Verfahren anhängig. Mit Ausnahme der Verfahren wegen Ehescheidung, Ehegattenunterhalt und Ersatz von Reparaturaufwendungen für die Ehewohnung seien die Verfahren vom Gegner eingeleitet worden; bisher sei keines dieser Verfahren abgeschlossen. Sie sei nicht in der Lage, die Verfahrenskosten aus eigenem zu finanzieren. Hingegen sei der begehrte Prozesskostenvorschuss für den Gegner leistbar und angemessen.
Der Gegner erwiderte, dass er seine Rechnungslegungspflicht längst erfüllt habe. Die Exekutions- und Strafanträge der Gefährdeten seien unberechtigt. Dieser fehle zudem das rechtliche Interesse am begehrten Kostenvorschuss, weil sie den ersten Prozesskostenvorschuss für andere Zwecke verwendet und ihr Rechtsvertreter das Honorar auch nicht gestundet habe. Schließlich sei der Anspruch der Höhe nach nicht ausreichend bescheinigt.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag teilweise statt und verpflichtete den Gegner zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses in Höhe von 184.176,66 EUR; das Mehrbegehren von 15.823,34 EUR wies es ab. Die Gefährdete sei nicht in der Lage, die schon entstandenen und künftigen Prozesskosten ohne Gefährdung ihres Existenzminimums aufzubringen. Jener Teil des ersten Prozesskostenvorschusses, den die Gefährdete widmungswidrig verwendet habe, sei allerdings abzuziehen, weil bei widmungsgemäßer Verwendung die Honorarforderung ihres Rechtsvertreters entsprechend geringer wäre.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung. Könne der Unterhaltsberechtigte erwartbare Prozesskosten aus den laufenden Unterhaltsbeiträgen nicht decken, so sei ihm ein Prozesskostenvorschuss als Sonderbedarf zuzusprechen, sofern dies dem Unterhaltspflichtigen zumutbar sei. Dies gelte nach der Rechtsprechung nicht nur für Honorarverbindlichkeiten aus einem erst künftig einzuleitenden Verfahren, sondern auch für bereits entstandene Honorarverbindlichkeiten, sofern diese dem Unterhaltsberechtigten gesetzlich oder vertraglich „gestundet“ worden seien. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Der Unterhaltsanspruch der Gefährdeten sei im Unterhaltsverfahren dem Grunde nach bereits rechtskräftig bejaht worden. Aus dem laufenden Unterhalt könne sie die enormen Prozesskosten nicht bestreiten. Der Gegner habe seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht bestritten. Die Höhe des vom Erstgericht zugesprochenen Prozesskostenvorschusses sei plausibel.
In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs führt der Gegner aus, dass die schon entstandenen Honorarverbindlichkeiten der Gefährdeten nicht zu berücksichtigen seien, weil keine Stundungsvereinbarung vorliege und diese Verbindlichkeiten daher fällig seien. Ein Prozesskostenvorschuss für die künftige Prozessführung stehe nur zu, wenn es sich um vernünftige und zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahmen handle. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Exekutionsführung gegen ihn unberechtigt sei. Der Gefährdeten stehe auch deshalb kein Prozesskostenvorschuss zu, weil sie den ersten Kostenvorschuss widmungswidrig verwendet habe und der Prozesskostenvorschuss daher nicht zur Herstellung der Waffengleichheit diene.
Rechtliche Beurteilung
Damit zeigt der Gegner keine erhebliche Rechtsfrage auf:
1.1 Unstrittig ist, dass die Deckung „notwendiger“ Prozess- und Anwaltskosten zum Unterhalt zählt und der Unterhaltsberechtigte einen entsprechenden Sonderbedarf (in Form eines Prozesskostenvorschusses) als einstweiligen Unterhalt gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO geltend machen kann, wenn die laufenden Unterhaltsbeiträge zur Begleichung derartiger Kosten nicht ausreichen (RIS‑Justiz RS0013486).
1.2 Richtig ist, dass der Entscheidung 1 Ob 67/05t folgender Rechtssatz zu entnehmen ist: „Besteht materiell ein Anspruch auf (zusätzlichen) Unterhalt wegen eines anzuerkennenden Sonderbedarfs, so ist der Unterhaltsberechtigte, dem seine Verbindlichkeit (gesetzlich oder vertraglich) „gestundet“ wurde, ebenso schutzwürdig wie derjenige, der das kostenverursachende Verfahren erst anhängig machen will“. Zur Begründung wird in der zitierten Entscheidung ausgeführt, es könne nicht entscheidend sein, ob es sich um einen echten Vorschuss für die Kosten eines erst einzuleitenden Verfahrens oder um bereits entstandene Honorarverbindlichkeiten für die Vertretung in einem Gerichtsverfahren handelt, die noch nicht fällig oder zumindest noch nicht bezahlt sind. Diese Rechtsprechung gelte daher auch insoweit, als der Unterhaltsberechtigte die den Sonderbedarf bildenden, seine wirtschaftlichen Möglichkeiten übersteigenden besonderen Kostenverbindlichkeiten noch nicht beglichen habe, sondern erst in Zukunft begleichen müsse.
1.3 Entgegen der Ansicht des Gegners ist für die Berücksichtigung bereits entstandener Honorar-verbindlichkeiten – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – somit nur maßgebend, dass sie noch offen sind. Auf das Vorliegen einer Stundungsvereinbarung kommt es nicht an; dies gilt umso weniger für eine vom Gegner geforderte echte, also die Fälligkeit hinausschiebende Stundungsvereinbarung (vgl dazu 5 Ob 157/10i).
1.4 Der vom Gegner im gegebenen Zusammenhang geltend gemachten Aktenwidrigkeit kommt keine Bedeutung zu, weil unbestritten feststeht, dass die Gefährdete an ihren Vertreter noch keine Honorarzahlungen geleistet hat.
2.1 Richtig ist weiters, dass ein Prozesskostenvorschuss (als unterhaltsrechtlicher Sonderbedarf) nur für „notwendige“ Verfahrenskosten zusteht. Dies ist nach der Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn auch andere vernünftige und sorgfältige Personen in der Lage des Gefährdeten das jeweilige kostenverursachende Verfahren eingeleitet bzw fortgeführt hätten und die konkreten Prozesshandlungen als vernünftige und zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahmen anzusehen sind (1 Ob 67/05t; 3 Ob 152/16y).
2.2 Nach dem bescheinigten Sachverhalt wurden im Exekutionsverfahren nach § 354 EO gegen den Gegner bereits mehrere Geldstrafen verhängt, und zwar auch noch am 28. 9. 2018. Seine Behauptung, dass er bereits am 20. 4. 2018 die titelmäßige Rechnungslegungspflicht erfüllt habe, geht damit ins Leere. Der Beurteilung des Rekursgerichts, dass sich an der Berücksichtigung der Kosten des Unterhaltsverfahrens auch dadurch nichts ändere, dass die Gefährdete im Exekutionsverfahren einen Strafantrag verfrüht eingebracht habe, vermag er nicht mit stichhaltigen Argumenten entgegenzutreten.
3.1 Zu der vom Gegner ins Treffen geführten widmungswidrigen Mittelverwendung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich die teilweise widmungswidrige Verwendung des Prozesskostenvorschusses (im Betrag von höchstens 15.823,34 EUR) auf den im Unterhaltsverfahren zuerkannten Prozesskostenvorschuss bezieht. Diesen Betrag hat das Erstgericht von dem hier geltend gemachten Prozesskostenvorschuss mit dem Argument in Abzug gebracht, dass bei widmungsgemäßer Verwendung die Honorarforderung des Rechtsvertreters der Gefährdeten entsprechend geringer wäre.
Warum dieser Umstand zum gänzlichen Verlust des Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss als Sonderbedarf führen soll, vermag der Gegner ebenfalls nicht näher zu begründen.
3.2 Entgegen den Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs ergibt sich eine solche Konsequenz auch nicht aus der Entscheidung zu 3 Ob 152/16y. Mit der darin enthaltenen Aussage, dass „mit dem Unterhalt (in Form des Prozesskostenvorschusses) die Möglichkeit geschaffen werden soll, Streitfragen unter angemessenen Rahmenbedingungen zu klären, also eine Waffengleichheit zwischen den prozessierenden Ehegatten herzustellen“, soll ausgedrückt werden, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte die Möglichkeit haben muss, dem Standpunkt des Gegners mit einem vergleichbaren juristischen Aufwand entgegenzutreten; insoweit sind Unbilligkeiten zu vermeiden.
Auch der vorliegende Fall ist von den außergewöhnlichen Vermögensverhältnissen des Gegners gekennzeichnet. Die von ihm vertretene Auffassung würde der gebotenen Waffengleichheit gerade nicht Rechnung tragen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die teilweise widmungswidrige Verwendung des ersten Prozesskostenvorschusses der Auferlegung eines weiteren Prozesskostenvorschusses nicht entgegenstehe, dieser Umstand aber bei Bemessung der Höhe des weiteren Prozesskostenvorschusses zu berücksichtigen sei, steht mit den Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang.
4. Insgesamt gelingt es dem Gegner mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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