OGH 1Ob67/05t

OGH1Ob67/05t12.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Helga Z*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die gefährdende Partei Mag. Robert Z*****, vertreten durch Mag. Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert EUR 16.509,50), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Mai 2003, GZ 45 R 298/03m-53, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 23. Dezember 2002, GZ 16 C 49/01w-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Provisorialverfahrens.

Text

Begründung

Die gefährdete Partei beantragte im Zuge des Ehescheidungsverfahrens die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der gefährdenden Partei aufgetragen werden sollte, beginnend mit 1. 7. 2001 einstweiligen Unterhalt von monatlich 35.000 S zu zahlen. Dieser Antrag wurde (rechtskräftig) abgewiesen, weil die erbrachten Unterhaltsleistungen ausreichend gewesen seien; der gefährdenden Partei wurde Kostenersatz in Höhe von EUR 8.254,75 zuerkannt.

Die gefährdete Partei beantragte nun die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der gefährdenden Partei verboten werde, den ihr zuerkannten Kostenersatz geltend zu machen, und mit der der gefährdenden Partei weiter aufgetragen werde, der gefährdeten Partei einen Betrag von EUR 8.254,75 zu zahlen. Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, ihr seien im Provisorialverfahren Kosten in der genannten Höhe entstanden, weshalb sie einen „Kostensonderbedarf" in Höhe der eigenen Kosten sowie in Höhe des dem Gegner zu ersetzenden Kostenbetrags habe. Die entstandenen Kosten hätten von der gefährdeten Partei wegen des fehlenden Einblicks in die Vermögensverhältnisse ihres Gegners vernünftigerweise nicht vermieden werden können.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Eine einstweilige Verfügung könne sowohl zur Sicherung von Geldansprüchen als auch zur Sicherung anderer Ansprüche erlassen werden. Ein zu sichernder Anspruch sei nicht zu erkennen. Der Fall einer „Unterhaltszahlung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO" liege dem Antrag nicht zugrunde.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs letztlich für zulässig. Die Antragstellerin habe die Zahlung von Sonderunterhalt begehrt und sich auf einen entsprechenden Kostensonderbedarf berufen. Sie mache damit einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss geltend, der im Rahmen des Unterhaltsanspruchs in Betracht komme. Einstweiliger Unterhalt gebühre ab dem Tag der Antragstellung und könne nicht für die Vergangenheit zugesprochen werden. Für Anwaltskosten, die in der Zeit vor der Antragstellung aufgelaufen sind, könne kein Vorschuss gewährt werden. Da Provisorialunterhalt nicht rückwirkend zuerkannt werde, könnten vor Antragstellung bereits aufgelaufene Prozesskosten nicht Gegenstand eines Prozesskostenvorschusses sein. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur über den „Prozesskostenersatz für bereits aufgelaufene Kosten" nicht vorliege und die Rechtsprechung der Rekursgerichte dazu widersprüchlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Zutreffend hat schon das Rekursgericht erkannt, dass der zu beurteilende Provisorialantrag der Bestimmung der § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO zu unterstellen ist, auch wenn nicht laufender (monatlicher) Unterhalt, sondern Sonderunterhalt geltend gemacht wird. Es entspricht ständiger Judikatur, dass auch die Deckung „notwendiger" Prozess- und Anwaltskosten zum Unterhalt zählt; reichen die laufenden Unterhaltsbeiträge zur Begleichung derartiger Kosten nicht aus, hat der Unterhaltspflichtige aus Anlass eines solchen Sonderbedarfs zusätzliche Zahlungen zu leisten, soweit ihm dies nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zumutbar ist (EvBl 1994/148; RIS-Justiz RS0013486, 1 Ob 14/04x ua). Eine solche Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht besteht unabhängig davon, ob Prozesskosten in einem Verfahren gegen einen Dritten oder aber in einem gegen den Unterhaltspflichtigen geführten Verfahren auflaufen (vgl nur die Nachweise bei Stabentheiner in Rummel, ABGB³, § 94 Rz 20). Soweit in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wurde, einstweiliger Unterhalt könne nur ab dem Tag der Antragstellung zugesprochen werden (SZ 63/205; 6 Ob 2/97f; 1 Ob 179/00f = EFSlg 94.722 ua), lagen dem stets Fälle zugrunde, in denen laufender Unterhalt begehrt worden war. Die dafür entwickelte Begründung kann aber nicht ohne weiteres auf die Geltendmachung einer Unterhaltserhöhung wegen Sonderbedarfs - etwa in Form eines „Prozesskostenvorschusses" (vgl dazu auch Kodek in Angst § 382 EO Rz 45 mwN) - übertragen werden, soweit der Unterhaltsberechtigte die den Sonderbedarf bildenden, seine wirtschaftlichen Möglichkeiten übersteigenden besonderen Verbindlichkeiten noch nicht beglichen hat, sondern erst in (naher) Zukunft begleichen muss (idS auch Stabentheiner, aaO mwN). Dann ist ein Geldbedarf jedenfalls noch gegeben.

Dass im vorliegenden Fall die Kostenersatzverbindlichkeit gegenüber der gefährdenden Partei noch offen ist, ist unstrittig; mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist auch davon auszugehen, dass das auf Seiten der gefährdeten Partei im Provisorialverfahren angefallene Anwaltshonorar bei Antragstellung noch unbezahlt war, zumal der Honoraranspruch grundsätzlich erst nach Abschluss der jeweiligen Rechtssache fällig wird (vgl dazu nur SZ 22/44; JBl 1991, 654 ua) und das Antragsvorbringen zu den eigenen Verfahrenskosten wohl nur dahin verstanden werden kann, dass die gefährdete Partei nicht in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Geldmittel selbst aufzubringen. Nach Auffassung des erkennenden Senats kann es somit nicht entscheidend sein, ob es sich um einen „echten" Vorschuss für die Kosten eines erst einzuleitenden Verfahrens oder um bereits entstandene Honorarverbindlichkeiten für die Vertretung in einem Gerichtsverfahren handelt, die noch nicht fällig oder zumindest noch nicht bezahlt sind. Besteht materiell ein Anspruch auf (zusätzlichen) Unterhalt wegen eines anzuerkennenden Sonderbedarfs, ist der Unterhaltsberechtigte, dem seine Verbindlichkeit (gesetzlich oder vertraglich) „gestundet" wurde, ebenso schutzwürdig wie derjenige, der das kostenverursachende Verfahren erst anhängig machen will. Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, auch dem Erstgenannten ein Erlangen einstweiligen Unterhalts gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO zu ermöglichen, um einen (weiterbestehenden) Sonderbedarf abzudecken.

Im fortzusetzenden Verfahren wird daher zu prüfen sein, inwieweit die gefährdende Partei im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht gehalten ist, der gefährdeten Partei (zusätzliche) finanzielle Mittel zur Begleichung der aufgelaufenen Verfahrenskosten zur Verfügung zu stellen. Dabei ist nicht nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien Bedacht zu nehmen, sondern auch darauf, ob es sich um „notwendige" Verfahrenskosten im Sinne der Judikatur zum unterhaltsrechtlichen Sonderbedarf handelt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn auch andere vernünftige und sorgfältige Personen in der Lage der gefährdeten Partei das kostenverursachende Verfahren eingeleitet und fortgeführt hätten. Soweit ein Unterhaltsanspruch zu bejahen ist, bestehen auch keine Bedenken gegen ein an die gefährdende Partei gerichtetes Verbot, den ihr zuerkannten Kostenersatz einzutreiben. Dies stellt lediglich eine Abkürzung des sonst - bei gegenüber einem Dritten aufgelaufenen Verfahrenskosten - in Betracht kommenden Vorgehens dar, das entweder in einem Auftrag bestünde, den Unterhaltsberechtigten durch Zahlung an den Dritten von seiner Prozesskostenverbindlichkeit zu befreien oder Zahlung an den Unterhaltsberechtigten zu erbringen, der damit den Kostenersatz zu leisten hat.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 78 EO und 52 ZPO.

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