OGH 4Nc20/04k

OGH4Nc20/04k6.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der beim Landesgericht Innsbruck zu 5 Cg 121/04d anhängigen Rechtssache der klagenden Partei H*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei J. ***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Christian Harisch und andere Rechtsanwälte in Salzburg, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei gemäß § 31 Abs 2 JN den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag der klagenden Partei, zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache anstelle des Landesgerichtes Innsbruck das Handelsgericht Wien zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt 377.316,30 EUR sA als Werklohn für auftragsgemäß bei einer Wohnanlage in Klosterneuburg erbrachte Baumeisterarbeiten. Sie brachte die Klage beim Handelsgericht Wien ein. Die Beklagte berief sich auf eine Gerichtsstandsvereinbarung, wonach die Zuständigkeit des für den Gerichtsbezirk Kufstein sachlich zuständigen Gerichts vereinbart sei, und wandte deshalb die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. In der Sache selbst machte sie ua mangelhafte Erbringung der Arbeiten geltend. Die Klägerin unterwarf sich der Unzuständigkeitseinrede und stellte den Antrag auf Überweisung der Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck. Zugleich beantragte sie die Delegierung der Rechtssache an das Handelsgericht Wien. Im Auftrag vom 11. 10. 2000 sei - im Hinblick auf den damaligen Sitz der Beklagten in Kufstein - eine Zuständigkeitsvereinbarung enthalten. Mittlerweile habe die Beklagte ihren Sitz nach Wien verlegt. Zwingende Zweckmäßigkeitsgründe (ua die Lage der Wohnanlage sowie der Wohnsitz von vier Zeugen der Klägerin in Wien) sprächen für die beantragte Delegierung. Die Sitzverlegung sei als wesentlicher nachträglicher Umstand zu beurteilen, auf den die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung noch nicht hätten Bedacht nehmen können, weshalb eine Delegierung trotz Gerichtsstandsvereinbarung möglich sei.

Das Handelsgericht Wien sprach seine Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Innsbruck.

Die Beklagte spricht sich gegen die Delegierung aus; das Erstgericht erachtet eine Äußerung zum Delegierungsantrag im Hinblick auf den Firmenbuchauszug für entbehrlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung ist eine Delegierung aus Zweckmäßigkeitsgründen dann, wenn die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes durch Parteienvereinbarung begründet wurde, grundsätzlich ausgeschlossen, weil sie dem Zweck der Parteienvereinbarung widerspricht (Fasching ZPR² Rz 209; SZ 33/7; RZ 1989/107 uva). Anders liegt der Fall nach der Rechtsprechung dann, wenn nachträglich wesentliche Zweckmäßigkeitsgründe eingetreten sind, auf die die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung nicht Bedacht nehmen konnten (Mayr in Rechberger, ZPO² § 31 JN mwN; 4 Nd 517/99; 4 Nc 35/03i; RIS-Justiz RS0046198). Die Entscheidung 1 Nd 507/87, wonach eine "ganz allgemein als eine von vielen Vertragsklauseln" getroffene Gerichtsstandsvereinbarung einer Delegierung nicht im Wege stehe, ist vereinzelt geblieben. Auch die Meinung Mayrs (Die Delegation im zivilgerichtlichen Verfahren, JBl 1983, 293 [295]), Gerichtsstandsvereinbarungen, die bloß durch Unterfertigung vorformulierter Vertragsklauseln zustandekämen, welche auf die Umstände des Einzelfalls keine Rücksicht nähmen, sei kein größeres Gewicht beizumessen als der gesetzlichen Zuständigkeit, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits ausdrücklich abgelehnt (4 Nd 502/92; 7 Nd 509/00).

Im vorliegenden Fall hat sich der Sitz der Beklagten, also jener Umstand, auf den sich die Klägerin in erster Linie zur Begründung der Zweckmäßigkeit der Delegierung berufen hat, seit Abschluss des Werkvertrags und damit der Zuständigkeitsvereinbarung nicht geändert. Wie sich aus dem vorgelegten Firmenbuchauszug ergibt, hatte die Beklagte nämlich schon damals ihren Sitz in Wien und eine Zweigniederlassung in Kufstein, sodass die Parteien diesen Umstand bei Vertragsabschluss in ihre Überlegungen einbeziehen konnten. Dass es unzweckmäßig erscheinen mag, ein Verfahren, in dem die überwiegende Anzahl der bisher angebotenen Beweismittel eine örtliche Nahebeziehung zum Sprengel des Handelsgerichts Wien aufweisen, in Innsbruck durchzuführen, reicht bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung für eine Delegierung nicht aus (vgl 4 Nc 35/03i). Der Delegierungsantrag musste erfolglos bleiben.

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