European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00099.14A.0625.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die (von beiden Vorinstanzen verweigerte) Genehmigung eines Kaufvertrags, den der am 26. Dezember 1996 geborene, minderjährige Antragsteller, vertreten durch seine Mutter, am 14. Februar 2013 abschloss. Er verkaufte damit seine Eigentumswohnung um 80.000 EUR, die ihm zuvor mit Schenkungsvertrag vom 23. Juli 2009 ‑ pflegschafts-gerichtlich genehmigt ‑ von seiner Mutter übertragen worden war; der Käufer räumte dem Antragsteller darin ein Wiederkaufsrecht zum gleichen Kaufpreis für die Dauer von fünf Jahren ab Vertragsabschluss ein. Beide Vertragsabschlüsse stehen mit der von der Mutter bei Abschluss eines Mietvertrags über eine geförderte Wohnung eingegangenen Verpflichtung, Miet‑ oder sonstige Rechte an einer anderen Wohnung, die den Mietern oder mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen zustehen, aufzugeben.
Der Revisionsrekurs ist als nicht zulässig zurückzuweisen, weil der Antragsteller keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Rechtliche Beurteilung
1. Die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung von Kauf‑ oder Schenkungsverträgen über Vermögensobjekte ist rein vermögensrechtlicher Natur (RIS‑Justiz RS0007110 [T8]), weshalb das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG einen Bewertungsausspruch zu treffen gehabt hätte. Obwohl grundsätzlich ein fehlender Bewertungsausspruch vom Rekursgericht nachzutragen wäre (RIS‑Justiz RS0007073), ist eine Rückstellung zu dessen Nachholung entbehrlich, wenn der zweitinstanzliche Entscheidungsgegenstand eindeutig 30.000 EUR (RIS‑Justiz RS0125732) übersteigt (RIS‑Justiz RS0007073 [T8]). Hier geht es um die Genehmigung eines Vertrags, sodass die davon betroffene Liegenschaft nicht unmittelbar streitverfangen und der (dreifache) Einheitswert der Liegenschaft nicht maßgeblich ist (RIS‑Justiz RS0029384; Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 § 60 JN Rz 34). Schon angesichts des vereinbarten Kaufpreises von 80.000 EUR ist daher ein 30.000 EUR übersteigender Wert des Entscheidungsgegenstands offenkundig und es erübrigt sich die Rückstellung des Akts, weil von der funktionellen Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs auszugehen ist.
2. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Rechtsgeschäft durch das Pflegschaftsgericht nur genehmigt werden, wenn der Abschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liegt und somit dem Wohl des Pflegebefohlenen entspricht. Dies ist der Fall, wenn das Vermögen des Pflegebefohlenen vermehrt wird (vgl § 164 Abs 1 ABGB). Die angeführte Voraussetzung ist aber nicht erfüllt, wenn eine Verminderung des Vermögens des Pflegebefohlenen nicht ausgeschlossen werden kann (RIS‑Justiz RS0048176). Das „Wohl“ eines Pflegebefohlenen ist nicht allein von einem materiellen Gesichtspunkt aus zu beurteilen, sondern muss die Interessen und Wünsche des Pflegebefohlenen, aber auch seine Befindlichkeit und seine konkreten Lebensumstände berücksichtigen (3 Ob 75/02d; vgl RIS‑Justiz RS0081747; Beck in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 132 Rz 65).
Damit besteht aber bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur vom Antragsteller als erheblich angesehenen Rechtsfrage, ob die Wünsche eines fast volljährigen Minderjährigen im Verhältnis zu einer geringfügigen finanziellen Schlechterstellung bei der Genehmigung von Rechtsgeschäften zu berücksichtigen seien.
Ob die Voraussetzungen einer Genehmigung vorliegen, kann immer nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0048176 [T2]; RS0097948). Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0044088), der hier allerdings nicht vorliegt.
3. Im Genehmigungsverfahren nach § 122 AußStrG ist ‑ anders als nach § 105 AußStrG in Verfahren über Pflege und Erziehung oder die persönlichen Kontakte - eine Anhörung von Minderjährigen nicht zwingend vorgesehen. Einen Verfahrensmangel wegen unterbliebener Einvernahme des Antragstellers hat aber bereits das Rekursgericht verneint, weshalb dieser im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0050037 ua).
4.1. Den Feststellungen lässt sich ‑ im Gegensatz zur Meinung des Antragstellers ‑ nicht entnehmen, die Vermieterin habe für den Fall der Genehmigung des Kaufvertrags den Erhalt der Mietwohnung garantiert. Der Antragsteller hat eine solche Behauptung in erster Instanz auch gar nicht aufgestellt; vielmehr lautete sein Vorbringen, die Konstruktion des Kaufvertrags diene nur dazu, um „nach Möglichkeit“ die Kündigung aufzuheben. Dem entsprechend sind auch sekundäre Feststellungsmängel zu diesem Thema zu verneinen.
Als Vorteil der Genehmigung des Kaufvertrags für den Antragsteller kann daher bestenfalls die Chance des Erhalts der Mietwohnung unterstellt werden, die allerdings als gering anzusehen ist. Denn der als sicher dargestellte Wiederkauf der Eigentumswohnung durch den Antragsteller stellt solange einen Verstoß gegen die von der Mutter übernommene Verpflichtung (Miet‑ oder sonstige Rechte an einer anderen Wohnung, die den Mietern oder mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen zustehen, aufzugeben) dar, als der Antragsteller unabhängig vom Eintritt seiner Volljährigkeit weiter in der Mietwohnung lebt. Die Genehmigung des Pflegschaftsgerichts besagt auch nichts darüber, ob der genehmigte Vertrag nichtig oder anfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0049181 [T11]), sodass der Vermieterin im Kündigungsverfahren eine selbständige Prüfung überlassen bleibt.
4.2. Der angeblich erhebliche psychische Nachteil des Antragstellers im Fall der Nichtgenehmigung, weil er sich als „Mann im Haus“ seiner vom Vater getrennt lebenden Mutter „entmannt“ und als Versager fühlen würde, da die Mietwohnung nur deshalb verloren gehe, weil er erst ein halbes Jahr zu spät Geburtstag habe, erscheint nicht nur konstruiert, übertrieben und in keiner Weise nachvollziehbar; es handelt sich dabei auch um eine erstmals im Rechtsmittelverfahren aufgestellte Behauptung und daher um eine unzulässige Neuerung, auf die schon deshalb nicht weiter einzugehen ist.
4.3. Wegen der Berufstätigkeit der Mutter (und des Stiefvaters) ist die Gefahr der Obdachlosigkeit (der Familie) des Antragstellers bei Verlust der Mietwohnung als unrealistisch einzuschätzen, die Möglichkeit der Beschaffung einer (allenfalls teureren) Ersatzwohnung jedoch als wahrscheinlich. Durch die Nichtgenehmigung droht dem Antragsteller daher allenfalls ein Umzug, der eine für einen beinahe Volljährigen durchaus verkraftbare Belastung darstellt.
5.1. Diesen ideellen Interessen des Antragstellers (im Kern also die bloße Chance, einen Umzug zu vermeiden) steht nicht nur die Aufgabe seines Eigentums an der Wohnung, sondern auch der Verlust der monatlichen Einnahmen durch deren Vermietung gegenüber. Dazu brachte der Antragsteller noch während des Verfahrens zur Genehmigung des Schenkungsvertrags vor, sie seien wesentlich höher als die monatlich zu leistende Darlehensrückzahlung (Schriftsatz vom 28. Dezember 2012, ON 39) und es bestehe kein daraus zu finanzierender aufgestauter Reparaturbedarf (Schriftsatz vom 4. Jänner 2012, ON 41), weshalb diese Einbuße des Antragstellers auch ohne detaillierte Feststellungen keinesfalls vernachlässigbar ist. Der Revisionsrekurs versucht auch gar nicht, die daraus ableitbare finanzielle Schlechterstellung des Antragstellers durch den Abschluss des Kaufvertrags mit konkreten Zahlen zu widerlegen, was angesichts des herrschenden extrem niedrigen Zinsenniveaus auch schwer möglich erscheint.
5.2. Das im Gegenzug zum Verkauf eingeräumte Wiederkaufsrecht stellt im Vergleich zum Eigentumsrecht eine viel schwächere Rechtsposition dar. Es könnte nämlich der gerichtlichen Durchsetzung des ausgeübten Gestaltungsrechts bedürfen und es sind Probleme aus einer denkbaren Schädigung der Kaufsache nicht ausschließbar, für die dem Antragsteller zwar der Wiederverkäufer haftet (§ 1069 ABGB), dennoch aber die Gefahr der Uneinbringlichkeit besteht. Das Eingehen dieser Risken könnte nur wegen schwerwiegender ideeller Vorteile des Antragstellers akzeptiert werden.
6. Die Rechtsmeinung der Vorinstanzen, der Abschluss des Kaufvertrags liege nicht im Interesse des minderjährigen Antragstellers, weshalb dessen Genehmigung zu versagen sei, stellt somit unter den dargestellten besonderen Umständen des Einzelfalls keine unvertretbare Fehlbeurteilung dar. Eine abschließende Gesamtbeurteilung, wonach der gravierenden Beeinträchtigung seiner Rechtsposition als Eigentümer eines Liegenschaftsanteils in Verbindung mit dem Verlust von laufenden Einnahmen nur geringfügige beachtliche ideelle Interessen des Antragstellers gegenüberstehen, die die (wenn auch nur vorübergehende) Aufgabe seiner Eigentümerstellung nicht rechtfertigen, hält sich nämlich im Rahmen der Leitlinien der Judikatur zur Sicherung des Liegenschaftsvermögens Pflegebefohlener. Eine Auseinandersetzung mit dem vereinbarten Kaufpreis, der etwa 25 % unter dem ermittelten objektiven Verkehrswert der Liegenschaft liegt (!), bedarf es daher nicht mehr; ebensowenig mit der Frage, ob hier ein Kollisionsfall vorliegt.
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