OGH 3Ob75/95

OGH3Ob75/9513.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei D***** AG, ***** vertreten durch Dr.Erich Moser, Rechtsanwalt in Murau, wider die verpflichteten Parteien 1.) Maria M*****, 2.) Johann M*****, beide vertreten durch Dr.Anton Heinrich, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen zwangsweiser Räumung, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 9.Juni 1995, GZ 2 R 279/95-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt in Steiermark vom 25.April 1995, GZ E 506/95d-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Parteien errichteten am 21.6.1994 vor dem öffentlichen Notar Dr.Volkmar F***** in M***** den Notariatsakt GZ 352 mit folgendem wesentlichen Inhalt:

"1.) Herr Johann M***** und Frau Maria M***** sind je zur Hälfte grundbücherliche Miteigentümer der Liegenschaft Einlagezahl ***** GB *****, Bezirksgericht Neumarkt in Steiermark, mit dem darauf sich befindlichen Wohnhaus *****.

2.) Herr Johann M***** und Frau Maria M***** erklären hiermit an Eides Statt, daß hinsichtlich des genannten Hauses *****, keine Mietvereinbarungen bestehen.

3.) Die Liegenschaftseigentümer Herr Johann M***** und Frau Maria M***** verpflichten sich die Liegenschaft bis längstens 31.12.1994 geräumt von ihren Fahrnissen an die D***** Aktiengesellschaft Zweigstelle M***** oder an eine von dieser namhaft zu machende dritte Person zu übergeben.

4.) Herr Johann M***** und Frau Maria M***** stimmen ausdrücklich zu, daß dieser Notariatsakt in Ansehung der darin von ihnen anerkannten Räumungsverpflichtung mit 31.12.1994 gemäß § 3 der geltenden Notariatsordnung sofort vollstreckbar sein soll."

Die betreibende Partei beantragte aufgrund dieses vollstreckbaren Notariatsaktes die Bewilligung der zwangsweisen Räumung der darin angeführten Liegenschaft.

Das Erstgericht bewilligte die zwangsweise Räumung.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Parteien Folge und änderte diesen Beschluß dahin ab, daß der Antrag der betreibenden Partei auf Bewilligung der zwangsweisen Räumung abgewiesen wurde; es führte rechtlich aus, Exekutionstitel im Sinn der EO seien unter anderem die in § 3 NO bezeichneten Notariatsakte. § 3 NO enthalte die Voraussetzungen für einen vollstreckbaren Notariatsakt, der einen Exekutionstitel nach § 1 Z 17 EO darstelle. Dabei bedürfe es der genauen Bezeichnung der Leistung oder Unterlassung, wobei unter Leistung auch eine "Handlung" im Sinne der EO zu verstehen sei. Es müsse eine vom Verpflichteten ausdrücklich übernommene Verbindlichkeit (Verpflichtung) zu einer im Sinn des § 7 Abs 1 EO genau bestimmten Handlung oder Unterlassung vorliegen; die bloße Feststellung einer solchen Verbindlichkeit genüge nicht. Die Übernahme einer derartigen ausdrücklichen Verpflichtung der Verpflichteten zur Räumung sei dem Notariatsakt in seinem Punkt 3.) durchaus zu entnehmen. Auch die grundsätzliche Verpflichtungsmöglichkeit der Hälfteeigentümer zur Räumung ihrer Liegenschaft samt dem darauf befindlichen Wohnhaus sei gemäß § 3 lit a NO unbedenklich. Weiters müßten dem Notariatsakt aber auch die Person des Berechtigten und des Verpflichteten, der Rechtstitel, der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sein (§ 3 lit b NO). Gerade beim Notariatsakt als Exekutionstitel bedürfe es der Anführung des Rechtstitels (des Rechtsgrundes). Wenn es auch nicht erforderlich sei, daß die Schuld erst im Notariatsakt begründet werde, diese vielmehr aufgrund des Gesetzes, eines Rechtsgeschäftes oder einer verbotenen Handlung schon früher bestanden haben könne, so müsse doch der Rechtsgrund im Notariatsakt angeführt werden. Dies sei hier nicht der Fall. Die zweifelsohne vorhandene (allerdings bloß abstrakte) Verpflichtungserklärung stelle keinen Rechtsgrund dar; vielmehr sei gänzlich unbestimmt, woraus diese Verpflichtung resultiere. Eine "Vereinbarung" zwischen der betreibenden Bank und den verpflichteten Parteien sei der Textierung des Notariatsaktes nicht zu entnehmen. Es liege somit kein die Voraussetzungen des § 1 NO erfüllender, vollstreckbarer Notariatsakt vor.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es - soweit für das Rekursgericht überblickbar - an einer höchstgerichtlichen Judikatur über die Bedeutung des Rechtsgrundes im Zusammenhang mit einem als Exekutionstitel dienenden Notariatsakt mangle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht berechtigt.

Gemäß § 1 Z 17 EO sind die in § 3 NO bezeichneten Notariatsakte Exekutionstitel. Nach § 3 NO idF BGBl 1993/692 ist ein Notariatsakt wie ein vor Gericht abgeschlossener Vergleich exekutionsfähig, wenn

a) darin eine Verpflichtung zu einer Leistung oder Unterlassung festgestellt wird; ausgenommen ist die Verpflichtung zur Räumung einer Wohnung oder einzelner Wohnungsbestandteile, sofern es sich nicht um die Räumung durch den Eigentümer oder Miteigentümer der Liegenschaft handelt;

b) die Person des Berechtigten und des Verpflichteten, der Rechtstitel, der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sind;

c) über die Verpflichtung nach lit a ein Vergleich zulässig ist;

d) der Verpflichtete in diesem oder in einem gesonderten Notariatsakt zugestimmt hat, daß der Notariatsakt sofort vollstreckbar sein soll.

Im vorliegenden Fall ist allein strittig, ob die in § 3 lit b NO genannte Voraussetzung erfüllt ist, daß dem Notariatsakt der Rechtstitel zu entnehmen ist. Dieses Erfordernis besteht beim vollstreckbaren Notariatsakt im Gegensatz zu den anderen Exekutionstiteln, insbesondere dem gerichtlichen Vergleich, durch den zwar auch nicht von einem Rechtsgrund losgelöste Exekutionstitel geschaffen werden können, doch ist es nicht notwendig, daß der Vergleich einen solchen erkennen läßt; insbesondere braucht in der Vergleichsausfertigung der Rechtsgrund des Anspruchs nicht angeführt werden. Hierin besteht für Notariatsakte ein Unterschied, doch ist es keineswegs notwendig, daß die Schuld erst durch den Notariatsakt begründet wird. Sie kann aufgrund des Gesetzes, eines Rechtsgeschäftes oder einer verbotenen Handlung schon früher bestanden haben, nur muß ihr Rechtsgrund im Notariatsakt angeführt sein (Heller/Berger/Stix 97; Rechberger/Oberhammer/ Bogensberger, Der vollstreckbare Notariatsakt 36).

Der Rechtstitel ist im Notariatsakt derart anzuführen, daß das prüfende Exekutionsgericht aufgrund des Urkundeninhaltes beschließen kann (Wagner in MGA NO4 Anm 4 zu § 3). Die Prüfung des Exekutionsgerichtes ist allerdings ebenso wie die des Grundbuchsgerichtes auf den Inhalt der vorgelegten Urkunden beschränkt, weil in der Regel ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung des Gegners Beschluß zu fassen ist (§ 3 Abs 2, § 55 Abs 2 EO). Aber gerade deshalb muß der Rechtstitel in einer Weise angeführt werden, daß seine rechtliche Qualifikation vom Gericht überprüft werden kann. Der Notariatsakt muß also wenigstens die Mindesterfordernisse für die Entstehung des Anspruchs anführen (Kralik, Die Vollstreckbarkeit der Notariatsurkunden, in Erster Kongreß des Österreichischen Notariates (1964) 21; Rechberger/Oberhammer/Bogensberger aaO). Ist der Anspruch nicht hinlänglich substantiiert, so darf die Exekution aufgrund des vollstreckbaren Notariatsaktes auch dann nicht bewilligt werden, wenn der Gegenstand und Zeitpunkt der Leistung genau bestimmt wäre (Rechberger/Oberhammer/Bogensberger aaO).

Im vorliegenden Fall ist, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, der Rechtstitel dem Notariatsakt nicht zu entnehmen. Aus der Formulierung der Unterwerfungserklärung (§ 3 lit d NO), daß dieser Notariatsakt in Ansehung der darin von den Verpflichteten anerkannten Räumungsverpflichtung sofort vollstreckbar sein solle, ergibt sich in keiner Weise ein für das Exekutionsgericht nachprüfbarer Rechtsgrund. Aus dem Notariatsakt kann nicht konkret entnommen werden, daß ein Anerkenntnisvertrag oder ein außergerichtlicher Vergleich im Sinn des § 1380 ABGB Rechtstitel wären, wie dies nun die betreibende Partei im Revisionsrekurs behauptet, weil die Essentialien des konkreten Vertrages nicht angeführt werden.

Das Rekursgericht hat daher zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen eines vollstreckbaren Notariatsaktes verneint.

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