Spruch:
Der Erwerber eines Liegenschaftsanteiles, hinsichtlich dessen das Eigentumsrecht des Überträgers auf Grund von Ehepakten einverleibt wurde, muß auch in die Urkundensammlung Einsicht nehmen, um sich zu überzeugen, ob eine Gütergemeinschaft unter Lebenden besteht.
Entscheidung vom 9. Jänner 1952, 3 Ob 711/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Mank; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Der Kläger stellt das Begehren, die beiden Beklagten schuldig zu erkennen, und zwar den Erstbeklagten, daß er in die grundbücherliche Eintragung des Eigentumsrechtes an den ihm gehörigen Liegenschaftshälften EZ. 4, Grundbuch R., und EZ. 10, Grundbuch Sch., zugunsten der Zweitbeklagten einwillige, und die Zweitbeklagte, daß sie in die Löschung der auf den vorbezeichneten Liegenschaftshälften zu ihren Gunsten einverleibten Reallast des Ausgedinges und der Dienstbarkeit des lebenslänglichen Fruchtgenußrechtes einwillige. Zur Begründung trug er vor, er habe mit der Zweitbeklagten im September 1928 Ehepakte abgeschlossen, wonach zwischen ihnen eine allgemeine, unter Lebenden wirksame Gütergemeinschaft vereinbart wurde, in die die Zweitbeklagte die Liegenschaften EZ. 4, Grundbuch R., und EZ. 10, Grundbuch Sch., eingebracht habe, worauf der Kläger auf je einer Hälfte der beiden Liegenschaften als Eigentümer eingetragen worden sei. Die Zweitbeklagte habe nunmehr trotz der bestehenden Gütergemeinschaft ihre Liegenschaftshälften mit Übergabe- und Ausgedingsvertrag vom 27. August 1948 an ihren außerehelichen Sohn, den Erstbeklagten, übertragen, obwohl diesem der Bestand dieser Gütergemeinschaft bekannt gewesen sei. Auf Grund dieses Übergabevertrages sei auf diesen Liegenschaftshälften das Eigentumsrecht des Erstbeklagten und das Fruchtgenußrecht und die Reallast des Ausgedinges für die Zweitbeklagte eingetragen worden.
Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß den beiden Beklagten zur Zeit des Abschlusses des Übergabsvertrages der Bestand der Gütergemeinschaft bekannt war, und vertrat die Rechtsansicht, daß bei einer unter Lebenden geltenden Gütergemeinschaft beide Ehegatten je zur Hälfte Miteigentümer der unbeweglichen Güter würden und daß sie zur Aufrechterhaltung des Miteigentums so lange verpflichtet seien, als die Gütergemeinschaft bestehe. Bis zu diesem Zeitpunkte könne keiner der Ehegatten die Teilung verlangen oder ohne Zustimmung des anderen seinen Anteil veräußern. Da die Gütergemeinschaft aus dem Grundbuch insofern ersichtlich sei, als aus diesem hervorgehe, daß für den Kläger auf den Liegenschaftshälften auf Grund der notariellen Ehepakte das Eigentumsrecht einverleibt wurde, habe diese Eintragung dingliche Wirkung und wirke auch gegen einen dritten Erwerber. Überdies sei aber auch beiden Beklagten bewußt gewesen, daß eine allgemeine Gütergemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten vorliege, weshalb dem Erstbeklagten auch der gute Glaube gefehlt habe.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es übernahm die Beweiswürdigung des Erstrichters, gelangte aber zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes komme der Eintragung nur dann dingliche Wirkung zu, wenn ausdrücklich ein Veräußerungs- und Belastungsverbot auf den Liegenschaften eingetragen sei, nicht aber dann, wenn bloß bei der Eintragung des Hälfteeigentums auf die Ehepakte verwiesen werde. Es sei aber auch die Ansicht des Prozeßgerichtes unrichtig, daß die Beklagten nicht gutgläubig gewesen seien. Aus der Aussage des Zeugen Dr. W. ergebe sich lediglich, daß beide Beklagten vom Bestande der Ehepakte gewußt hätten, doch könne daraus nicht auf den Mangel des guten Glaubens geschlossen werden, da der Erstbeklagte, um als nicht gutgläubig zu gelten, auch von den aus diesen Ehepakten entspringenden Verfügungsbeschränkungen der Zweitbeklagten hätte wissen müssen, was nicht bewiesen sei. Ebensowenig könne aus dem Wissen um die Gütergemeinschaft, von deren Bestand die Beklagten jedenfalls unmittelbar vor Abschluß des Übergabsvertrages erfahren hätten, geschlossen werden, daß den Beklagten die Verfügungsbeschränkung bekannt war, da der Gütergemeinschaftsvertrag kein Wort über die Verfügungsbeschränkungen enthalte. Es könnte daher der Kläger mit seiner Klage nur dann Erfolg haben, wenn sich die Beklagten einer Arglist schuldig gemacht hätten; eine solche sei aber nicht erwiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es kann in diesem Verfahren unerörtert bleiben, ob einer Gütergemeinschaft unter Lebenden bereits dann dingliche Wirkung zukommt, wenn "auf Grund des Gütergemeinschaftsvertrages das Eigentumsrecht des einen Ehegatten auf einer ideellen Hälfte der vom anderen Ehegatten in die Gütergemeinschaft eingebrachten Liegenschaften" eingetragen wird, oder ob eine dingliche Wirkung erst dann eintritt, wenn die aus der Gütergemeinschaft entspringenden Verfügungsbeschränkungen in Form eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes in das Grundbuch eingetragen werden. Denn auch im zweiten Falle wäre nur der gutgläubige Erwerber geschützt. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kann aber den Beklagten der gute Glaube bei der Veräußerung, bzw. Erwerbung der in Rede stehenden Liegenschaftshälften nicht zugebilligt werden. Zunächst muß darauf verwiesen werden, daß nach der Aussage des Zeugen Dr. W., der auch das Berufungsgericht vollen Glauben schenkt, die Beklagten davon gewußt haben, daß die Eintragung des Eigentumsrechtes des Klägers auf Grund von "Ehepakten" erfolgt war. Es hätten daher die Beklagten, bzw. der Erstbeklagte, um den guten Glauben für sich in Anspruch nehmen zu können, beweisen müssen, daß sie, da Grundbuch und Urkundensammlung eine Einheit bilden, ins Grundbuch und in die Urkundensammlung Einsicht genommen und aus diesen Urkunden nichts entnommen haben, was dafür sprechen würde, daß zwischen den Ehegatten eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden bestehe. Der Erstbeklagte hat aber nicht einmal behauptet, Einsicht in das Grundbuch genommen zu haben. Hiezu kommt aber noch, daß unmittelbar vor Abschluß des Übergabsvertrages die Beklagten von der Schreiberin des Notars, der den Übergabsvertrag errichtete, darauf aufmerksam gemacht wurden, daß zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden bestehe. Ob der Erstbeklagte wußte, daß eine Gütergemeinschaft unter Lebenden eine Verfügungsbeschränkung über das der Gütergemeinschaft unterzogene Vermögen in sich schließe, ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 2 ABGB. ohne rechtliche Bedeutung, da die Verfügungsbeschränkung bei einer allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden sich aus den Bestimmungen des XVI. und XXVII. Hauptstückes des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches klar und eindeutig ergibt. Der Erstbeklagte kann sich daher nicht damit entschuldigen, er habe nicht gewußt, daß eine Gütergemeinschaft unter Lebenden Verfügungsbeschränkungen über das der Gütergemeinschaft unterzogene Vermögen zur Folge habe. Daß die Beklagten vom Bestande der Gütergemeinschaft gewußt haben, haben die Untergerichte übereinstimmend festgestellt.
Da somit den Beklagten der gute Glaube beim Abschluß des Übergabsvertrages gefehlt hat und bewiesen ist, daß sie vom Bestande der Gütergemeinschaft gewußt und dennoch den Übergabsvertrag abgeschlossen haben, ist der Klagsanspruch begrundet. Es war daher der Revision Folge zu geben und das Urteil des Prozeßgerichtes in der Hauptsache wiederherzustellen.
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