OGH 3Ob587/90

OGH3Ob587/9028.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann Georg H***, Nähmaschinenhändler, Wien 16., Hasnerstraße 34, vertreten durch Dr. Lothar Schottenhamml, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Önen T***, Student, Wien 19., Eduard Pötzl-Gasse 3-7/4/15, wegen S 5.051,07 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 30. August 1990, GZ 1 R 343/90-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 18. Juni 1990, GZ 14 C 1743/90h-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Rechtsmittelkosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Bezahlung von

S 5.051,07 sA. Der Beklagte sei Gesellschafter einer Gesellschaft mbH, die ihm gegenüber wegen nicht vollständiger Bezahlung der Stammeinlage eine Forderung von S 150.000,-- habe. Die Gesellschaft schulde ihm (Kläger) auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches den eingeklagten Betrag. Zur Hereinbringung seiner Forderung gegen die Gesellschaft sei ihm die Exekution durch Pfändung und Überweisung der der Gesellschaft gegen den Beklagten zustehenden Forderung auf Bezahlung der restlichen Stammeinlage bewilligt worden.

Das Erstgericht wies die Klage vor Zustellung an den Beklagten zurück, weil der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteige. Da nur ein Teil einer Kapitalsforderung begehrt werde, sei gemäß § 55 Abs 3 JN der Gesamtbetrag dieser Forderung maßgebend. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß gegen seinen Beschluß der Rekurs zulässig sei. Gemäß § 55 Abs 3 JN sei die ganze unberichtigte "Klagsforderung" (richtig: Kapitalsforderung) für den Streitwert auch dann maßgebend, wenn sie wegen mangelnder persönlicher Berechtigung des Klägers, wie etwa infolge teilweiser Pfändung oder Verpfändung oder fehlender Fälligkeit, nicht geltend gemacht werden könne. Der Überweisungsgläubiger habe nur die Stellung des gesetzlichen Vertreters des Verpflichteten. Die Richtigkeit der Anwendung des § 55 Abs 3 JN ergebe sich auch aus der Sicht des Beklagten, weil dieser im Fall behaupteter Erfüllung die Zahlung der gesamten Schuld beweisen müsse, um die Abweisung der Klage zu erreichen, und weil sein Rechtsmittelrecht nicht dadurch beschränkt werden dürfe, daß nur ein Teil einer Forderung eingeklagt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Entscheidet das Rekursgericht bei einem ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstand über den Betrag, der als Streitgegenstand anzusehen ist, so gilt der höchste in Betracht kommende Betrag als Entscheidungsgegenstand, weil dieser der Entscheidung des Rekursgerichtes zugrunde lag. Auf den richtigen Wert des Streitgegenstandes kommt es somit nicht an, weshalb es für die Zulässigkeit des Rekurses keine Bedeutung hat, ob § 55 Abs 3 JN hiefür maßgebend und ob diese Bestimmung anzuwenden ist. Es kann daher die Frage offen bleiben, ob die Rechtsprechung (vgl. RZ 1989/17 mwN), wonach für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof bei Teileinklagung nicht der volle Forderungsbetrag maßgebend ist, für die Rechtslage nach der WGN 1989 aufrecht erhalten werden kann (in diesem Sinn Oberster Gerichtshof 11.10.1990, 6 Ob 610/90).

Da der Entscheidungsgegenstand hier also den im § 528 Abs 2 Z 1 ZPO genannten Betrag von S 50.000,-- übersteigt und der in der nachfolgenden Z 2 festgelegte Ausnahmefall gegeben ist, ist der Rekurs nicht nach diesen Bestimmungen jedenfalls unzulässig, sondern entsprechend dem Ausspruch des Rekursgerichtes gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig.

Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes ist in der Sache der § 55 Abs 3 JN nicht anzuwenden. Nach dieser Bestimmung ist für den Wert des Streitgegenstandes der Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalsforderung maßgebend, wenn nur ein Teil einer Kapitalsforderung begehrt wird. Es besteht im Schrifttum und in der Rechtsprechung Übereinstimmung darüber, daß durch die angeführte Regelung die Möglichkeit ausgeschaltet werden soll, durch willkürliche Teileinklagung die Zuständigkeit des Gerichtshofes zu umgehen (Schrutka, JBl 1915, 2 f; Fasching, Kommentar I 347; SZ 17/97; EvBl 1953/375; 5 Ob 541/80). Die Möglichkeit zur willkürlichen Teileinklagung hat aber nur derjenige, dem die gesamte Forderung zusteht, weshalb § 55 Abs 3 JN so zu verstehen ist, als ob er lauten würde: "Begehrt der Kläger nur einen Teil einer ihm zustehenden Kapitalsforderung......".

Für die Ansicht des Rekursgerichtes findet sich nur bei Neumann (Kommentar4 I 157) eine eindeutige Stütze. Aus den anderen vom Rekursgericht zitierten Belegstellen (Fasching, Kommentar I 347 und SZ 8/155) ist für seinen Standpunkt hingegen nichts zu gewinnen, weil sie den Fall betreffen, daß dem Kläger die gesamte Forderung zusteht, er sie aber aus besonderen Gründen (fehlende Fälligkeit, Pfändung, Verpfändung) nicht zur Gänze geltend machen kann. Dies trifft aber nur für den Verpflichteten, nicht jedoch für den betreibenden Gläubiger zu, dem ein Teil der Forderung überwiesen wurde. Für die hier vertretene Auffassung spricht auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ 17/97, worin ausgeführt wird, daß bei Übergang eines Teiles einer Forderung auf ein anderes Rechtssubjekt dieser Teil eine selbständige Forderung geworden und nicht der Teilbetrag einer größeren Forderung geblieben sei. Auf diese Entscheidung nimmt Fasching (aaO 348) bei seiner gegenteiligen Meinung, die er bloß auf die in SZ 17/97 ausdrücklich abgelehnte Entscheidung AmtlSlg 451 = GlUNF 1527 stützt, nicht Bedacht. Ferner hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 12/267 die Ansicht vertreten, daß § 55 Abs 3 JN nicht anzuwenden sei, wenn über einen Teil der Kapitalsforderung schon gerichtlich entschieden worden ist und dieser Teil daher bei Gericht nicht mehr geltend gemacht werden kann. Dem entspricht aber die Rechtsstellung des Überweisungsgläubigers, der ebenfalls nicht die Möglichkeit hat, den nicht überwiesenen Teil der Forderung einzuklagen.

Das weitere Argument des Rekursgerichtes, daß der betreibende Gläubiger nur der Vertreter des Verpflichteten sei, ist nicht zielführend, weil der betreibende Gläubiger nach herrschender Auffassung im Drittschuldnerprozeß selbst Partei ist (Heller-Berger-Stix, EO4 III 2214 f und 2218; JBl 1956, 343; JBl 1961, 561). Da eine allfällige Verschlechterung der Rechtsstellung des beklagten Drittschuldners nicht vom Verhalten des klagenden betreibenden Gläubigers abhängt, kann daraus entgegen der Meinung des Rekursgerichtes für die hier zu lösende Frage nichts gewonnen werden.

Der Wert des Streitgegenstandes der Klage, die vom betreibenden Gläubiger gegen den Drittschuldner eingebracht wird, ist daher nur der überwiesene Teil, nicht aber gemäß § 55 Abs 3 JN der Gesamtbetrag der noch unberichtigten gepfändeten Forderung. Zum selben Ergebnis kommt man übrigens auch dann, wenn man § 57 JN anwendet, wie dies für den im wesentlichen mit dieser Bestimmung vergleichbaren § 6 dZPO vertreten wird (vgl Schneider, Streitwertkommentar für den Zivilprozeß5 149; Schumann in Stein-Jonas, ZPO20 Rz 23 zu § 6). Da die gepfändete, also den Pfandgegenstand bildende Forderung einen höheren Wert hat, ist der Betrag der Forderung, für die das Pfandrecht begründet wurde, also der betriebenen Forderung für die Bewertung des Streitgegenstandes maßgebend.

Der dem Kläger überwiesene Teil der gepfändeten Forderung, nach dem sich demnach die sachliche Zuständigkeit richtet, übersteigt nicht den gemäß § 49 Abs 1 JN für die Zuständigkeit des Erstgerichtes maßgebenden Betrag von S 50.000,--, weshalb dieses seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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