OGH 3Ob551/89

OGH3Ob551/8924.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm T***, Kaufmann, Carabelligasse 5/65, 1210 Wien, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mathias S*** Gesellschaft m.b.H., Naglergasse 8, 1010 Wien, vertreten durch Dr.Gerhard Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 84.675 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. März 1989, GZ 4 R 266/88-27, womit ihre Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17.März 1988, GZ 34 Cg 307/87-12, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

In Stattgebung des Rekurses wird der angefochtene Beschluß aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Eine Ausfertigung des dem Klagebegehren auf Zahlung von Nebengebühren aus einem Darlehen stattgebenden Urteils wurde dem Rechtsanwalt, der für die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung im Prozeß eingeschritten war, am 25.Mai 1988 zugestellt. Innerhalb der Berufungsfrist beantragte die beklagte Partei durch diesen Rechtsanwalt, ihr für das Berufungsverfahren die Verfahrenshilfe im vollen Umfang zu gewähren und die vorläufig unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwaltes zu verfügen. Der gewählte Rechtsanwalt sei bereit, die Vertretung im Berufungsverfahren im Rahmen der Verfahrenshilfe zu übernehmen.

Diesen Antrag stellte das Erstgericht zur Verbesserung zum Anschluß eines Vermögensbekenntnisses und zur Darlegung, warum die weitere Rechtsverteidigung nicht mutwillig und aussichtslos sei, unter Fristsetzung zurück.

Innerhalb der Verbesserungsfrist legte die beklagte Partei das unausgefüllte nur vom Vertreter unterfertigte Vermögensbekenntnis mit mehreren Urkunden vor, aus denen sich die Gesellschaftsverhältnisse und die Vermögenslage der Gesellschaft ergäben. Das Vermögensbekenntnis könne nicht vom (einzigen) Geschäftsführer der beklagten Partei unterschrieben werden, weil er sich in Indien aufhalte und erst Ende August 1988 nach Österreich zurückkehren werde. Es werde daher um eine neue Fristbestimmung ersucht.

Das Erstgericht räumte der beklagten Partei zur Unterfertigung des Vermögensbekenntnisses eine Frist bis 31.August 1988 ein und trug ihr auf, bis dahin auch Vermögensbekenntnisse der Gesellschafter vorzulegen.

Innerhalb der Frist beantragte die beklagte Partei die Erstreckung der Frist bis zum 30.September 1988, weil sich ihr Geschäftsführer aus familiären Gründen unerwartet länger im Ausland aufhalte. Das Erstgericht bewilligte die Fristverlängerung.

In der Frist brachte die beklagte Partei die Vermögensbekenntnisse bei.

Das)Erstgericht bewilligte nun die Verfahrenshilfe für das Berufungsgericht. Der Bescheid über die Bestellung des Rechtsanwaltes wurde durch das Gericht am 12.Oktober 1988 zugestellt, am 9.November 1988 wurde die Berufung zur Post gegeben. Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Zwar sei die gesetzwidrige Verlängerung der Verbesserungsfrist wirksam, doch habe die beklagte Partei innerhalb der mit der Zustellung der Urteilsausfertigung in Gang gesetzten Berufungsfrist das Vermögensbekenntnis nicht vorgelegt. Da die beklagte Partei durch einen frei gewählten Bevollmächtigten vertreten war, komme die Bestimmung des § 464 Abs 3 ZPO nicht zur Anwendung. Eine Aufhebung der erteilten Vollmacht habe nicht stattgefunden, sei doch der prozeßbevollmächtigte Rechtsanwalt im Verfahren über den Verfahrenshilfeantrag noch tätig geworden.

Rechtliche Beurteilung

Der nach § 519 Abs 1 ZPO zulässige Rekurs der beklagten Partei ist berechtigt.

Die vom Berufungsgericht erwähnte Rechtsprechung, wonach die Berufungsfrist nicht iSd § 464 Abs 3 ZPO verlängert werde, wenn nicht auch das Vermögensbekenntnis innerhalb der ursprünglichen Berufungsfrist vorgelegt wird (SZ 32/9; EvBl 1975/77; EvBl 1976/39 ua), ist durch die Änderung der Rechtslage überholt. Durch die Anfügung des letzten Satzes im § 66 Abs 1 ZPO mit Art IV Z 15 ZVN 1983 wurde klargestellt, daß der Nichtanschluß des Vermögensbekenntnisses ein verbesserungsfähiges Formgebrechen darstellt. Zutreffend hat das Erstgericht daher den Verbesserungsauftrag nach den §§ 84, 85 ZPO erteilt. Die Aufforderung zur Beibringung weiterer Belege etwa über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der wirtschaftlich beteiligten Gesellschafter (§ 63 Abs 2 ZPO) hat auf den Lauf der Frist zur Berufung iSd § 464 Abs 3 ZPO keinen Einfluß. Nach § 85 Abs 2 ZPO ist eine Verlängerung der Verbesserungsfrist zwar nicht zulässig, eine gegen dieses Verbot verlängerte Frist ist aber wirksam (Fasching II 560); wovon auch das Berufungsgericht ausging. Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht schon der rechtzeitige Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes für das Berufungsverfahren die Verschiebung des Beginns des Fristenlaufes nach § 464 Abs 3 ZPO auslöst. Es trifft auch nicht zu, daß § 464 Abs 3 ZPO unanwendbar sei, weil die beklagte Partei durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten war. Die beklagte Partei hatte dargetan, daß sie ihrem Rechtsanwalt nicht den Auftrag zur Erhebung der Berufung erteilte, weil sie diese Kosten nicht aufbringen könne. Der entscheidende Senat folgt nicht der Ansicht, § 464 Abs 3 ZPO gelte nicht für eine schon durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei. Diese Meinung von Fasching, Ergänzungsband, 54, der von ihm zitierten Entscheidung RZ 1958, 14 nicht zu entnehmen, weil es dort darum ging, daß letztlich nicht der beigegebene Rechtsanwalt, sondern ein frei gewählter Rechtsanwalt die Berufungsschrift verfaßte. Es ist auch nicht erforderlich, daß das Vollmachtsverhältnis aufgelöst wurde, oder daß unterstellt wird, der Antrag auf Beigebung des Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe schließe die Anzeige des Erlöschens des Vollmachtsverhältnisses zum bisherigen Rechtsvertreter in sich, wie dies etwa in SZ 48/93 und RZ 1987/9

verlangt wird. Aus dem Gesetz ergibt sich nämlich in keiner Weise, daß die die Verfahrenshilfe beantragende Partei in diesem Verfahrensstadium auf den gewählten Rechtsanwalt verzichten müsse, um des angestrebten, noch ungewissen Vorteils teilhaftig zu werden. Aus dem Gesetz ergibt sich dies nicht (anders etwa § 520 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO). Es ist auch nicht einzusehen, weshalb die Partei, die die Kosten zur Führung des Berufungsverfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts nicht bestreiten oder die erforderlichen Mittel weder selbst noch durch die wirtschaftlich Beteiligten aufbringen kann (§ 63 Abs 1 und Abs 2 ZPO) und deshalb den Prozeßbevollmächtigten nicht mit der Abfassung der Berufungsschrift und der Vertretung im Berufungsverfahren beauftragt, das Vollmachtsverhältnis auflösen muß, wenn es doch zweckmäßig ist, daß der frei gewählte Vertreter um Verfahrenshilfe einkommt, die Zustellung der ergehenden Beschlüsse an ihn bewirkt wird und er auch allenfalls Rekurs gegen solche Beschlüsse erhebt. Der Senat kommt deshalb zur Ansicht, daß es nicht erst der Konstruktion einer Vollmachtsaufhebung bedarf sondern daß auch der durch den frei gewählten aber mangels Möglichkeit der Aufbringung der Kosten nicht mit der Erhebung der Berufung und der Vertretung vor dem Berufungsgericht beauftragten Rechtsanwalt ein Rechtsanwalt im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegeben werden kann, wie dies auch durch das Erstgericht völlig zu Recht geschah.

Es besteht demnach kein Hindernis für die Anwendbarkeit des § 464 Abs 3 ZPO, weil die beklagte Partei innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt und innerhalb der wenn auch verlängerten Verbesserungsfrist ihr Vermögensbekenntnis vorgelegt hat. Die Berufungsfrist begann erst mit der Zustellung des Bescheides über die Beigebung des Rechtsanwaltes an diesen zu laufen. Innerhalb dieser Berufungsfrist hat die beklagte Partei Berufung erhoben.

Die Berufung ist also in der gesetzlichen Frist erhoben worden. Der im § 471 Z 2 ZPO bezeichnete Zurückweisungsgrund liegt nicht vor.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

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