OGH 3Ob54/09a

OGH3Ob54/09a19.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S.A, *****, vertreten durch Dr. Thomas Kustor, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** Ltd, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 14.679.330 EUR sA, Feststellung und Rechnungslegung (Streitwert 100.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Dezember 2008, GZ 5 R 229/08w-27, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. September 2008, GZ 13 Cg 124/07y-23, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Rekursgericht wies die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten mit der Begründung zurück, die Streitteile hätten neben der Rechtswahl österreichischen Rechts eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung über die Zuständigkeit Wiener Gerichte getroffen. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadenersatzanspruch, der aus dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Kooperationsvertrag abgeleitet werde, falle auch nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Jurisdiktion des Staates, in dem die aufgrund des Kooperationsvertrags gegründete Gesellschaft ihren Sitz habe. Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Streitigkeit zwischen den Gesellschaftern einer liquidierten Gesellschaft über die Aufteilung des Liquidationserlöses eine Klage über die Auflösung einer Gesellschaft im Sinn des Art 22 Z 2 EuGVVO sei und die EuGVVO analog auch dann anzuwenden sei, wenn die aufgelöste Gesellschaft ihren Sitz in einem Drittstaat (hier Israel) habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin stützt ihre Schadenersatz-, Feststellungs- und Rechnungslegungsansprüche auf die Verletzung eines zwischen den Streitteilen geschlossenen Kooperationsvertrags, der auch die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft vorsah. Wenn die Beklagte ihren Überlegungen zur - allenfalls analogen - Anwendung des ausschließlichen Gerichtsstands nach Art 22 Z 2 EuGVVO (Gesellschaftsstreitigkeiten) ihren von den Klageangaben abweichenden Standpunkt zugrundelegt, wonach es in Wahrheit um die Aufteilung des Liquidationserlöses der gemeinsamen Gesellschaft und nicht um Ansprüche aus der Verletzung des Kooperationsvertrags gehe, ist ihr entgegenzuhalten, dass für die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage grundsätzlich die Klageangaben maßgebend sind. Die Ergebnisse der über die Prozesseinrede stattgefundenen Verhandlung sind nur bei solchen Zuständigkeitsvoraussetzungen maßgeblich, die nicht zugleich auch Voraussetzungen des eingeklagten Anspruchs sind (Wohnsitz, Zuständigkeitsvereinbarung); wenn es sich hingegen darum handelt, ob Umstände gegeben sind, von denen neben der Zuständigkeit auch der Bestand des Klageanspruchs abhängt, kann darüber nur im Verfahren über die Sache selbst abgesprochen werden (RIS-Justiz RS0046201, RS0056159). Nach den Klageangaben geht es nicht um einen der in Art 22 Z 2 EuGVVO angeführten Streitgegenstände.

Die Frage einer allfälligen Anerkennung des von einem österreichischen Gericht gefällten Urteils in Israel bzw die Möglichkeiten für die Klägerin einen österreichischen Exekutionstitel in Israel zu vollstrecken, sind für die hier zu lösende Zuständigkeitsfrage ohne Relevanz. Es ist Sache der Klägerin zu überlegen, ob es für sie zweckmäßig ist, einen in Israel allenfalls nicht vollstreckbaren, etwa nur in der Europäischen Union vollstreckbaren Exekutionstitel zu erwirken.

Für die von der Revisionsrekurswerberin schließlich behauptete Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes infolge Umwürdigung vom Erstgericht unmittelbar aufgenommener Beweise besteht kein Anhaltspunkt, zumal das Rekursgericht ausdrücklich die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen übernahm und lediglich eine andere rechtliche Beurteilung vornahm (Auslegung der Willenserklärungen).

Der Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung, der autonom auszulegen ist, bedeutet eine übereinstimmende Willenserklärung der Parteien über die Zuständigkeitsbegründung (RIS-Justiz RS0117156). Deren Vorliegen ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, weshalb nur im Fall einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden - hier aber nicht vorliegenden - Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO vorliegt (vgl zur Auslegung von Vertragserklärungen allgemein RIS-Justiz RS0042871, RS0044358).

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