Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die für den Minderjährigen gewährten Unterhaltsvorschüsse mit Wirkung vom 1. September 1991 von S 1.950,-- auf S 1.200,-- herabgesetzt werden.
Danach zu Unrecht ausbezahlte Beträge sind von den noch nicht ausbezahlten Vorschüssen einzubehalten.
Text
Begründung
Der Vater, der noch für die 1982 geborene Tochter Andrea zu sorgen hat, wurde mit Beschluß vom 17. März 1987 zur Leistung des monaltichen Unterhaltsbetrages von S 2.350,-- für seinen Sohn Rene verpflichtet. Auf diesen Unterhalt wurden Vorschüsse gewährt, die am 28. August 1987 auf S 1.230,-- monatlich herabgesetzt wurden, weil der Vater damals nur rund S 6.500,-- Notstandshilfe bezog. Als der Vater später ein Einkommen von rund S 8.500,-- ohne Sonderzahlungen hatte, wurden die Unterhaltsvorschüsse unter Berücksichtigung des vom Minderjährigen erzielten anrechenbaren Einkommen an Lehrlingsentschädigung von S 2.200,-- im Monat ab dem 1. Dezember 1989 bis 30. September 1992 auf S 1.950,-- monatlich erhöht (Beschluß vom 2. März 1990). Nach der Mitteilung seines Dienstgebers kündigte der Vater das Arbeitsverhältnis als Lagerarbeiter zum 16. April 1990. Er bezog in der Folge Arbeitslosengeld.
Der Sohn steht seit August 1991 im dritten Lehrjahr zum Koch in einem Lehrverhältnis. Er erhält an Lehrlingsentschädigung im Durchschnitt im Monat netto rund S 5.200,--. Nach Abzug der berufsbedingten Ausgaben verbleiben davon rund S 4.550,-- an eigenem Einkommen.
Das Erstgericht stellte die Unterhaltsvorschüsse mit dem 31. August 1991 ein, weil der Sohn über dem Betrag des Richtsatzes nach § 6 Abs 1 UVG (iVm § 293 Abs 1 lit c/bb, erster Fall, ASVG, vervielfacht mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor) von S 3.980,-- liegende eigene Einkünfte beziehe.
Das Rekursgericht hob über den Rekrus des Kindes diesen Einstellungsbeschluß des Erstgerichtes ersatzlos auf. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes uneinheitlich sei, folgte selbst aber der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8. Oktober 1991 zu 4 Ob 549/91 vertretenen Rechtsansicht, daß eigene Einkünfte des Kindes nicht auf den die Obergrenze für Unterhaltsvorschüsse bildenden Betrag nach § 6 Abs 1 UVG anzurechnen sind, sondern eine Einstellung oder Herabsetzung von Vorschüssen nur vorzunehmen sei, wenn infolge der eigenen Einkünfte des unterhaltsberechtigten Kindes dessen Anspruch gegen den unterhaltspflichtigen Vater nicht mehr oder nicht mehr in der festgesetzten Höhe besteht. Da der maßgebende Ausgleichszulagenrichtsatz von S 6.775,-- durch das eigene Einkommen von S 4.550,-- und den bevorschußten Unterhalt von S 1.950,-- (zusammen S 6.500,--) nicht erreicht werde und die Arbeitslosigkeit des Vaters selbst verschuldet sei, entspreche der bevorschußte Unterhalt noch der Leistungsfähigkeit des Vaters.
Der Vater bekämpft diesen Beschluß des Rekursgerichtes mit seinem die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebenden Revisionsrekurs.
Das Rechtsmittel ist zulässig und teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Vater hat bisher einen Antrag auf Herabsetzung seiner immer noch mit S 2.350,-- bemessenen Unterhaltsverpflichtung nicht gestellt. Dies verhindert nicht, daß bei der Prüfung, ob die Vorschüsse nach § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG iVm § 7 Abs 1 Z 1 UVG von Amts wegen einzustellen oder nach § 19 Abs 1 UVG herabzusetzen sind, die Ermittlung des Ausmaßes einer fortbestehenden tatsächlichen Unterhaltsverpflichtung erfolgt. Auch ist es dem Vater nach § 15 Abs 2 UVG nicht verwehrt, den Beschluß des Rekursgerichtes zu bekämpfen, weil es sich um die Beurteilung der Tatbestandsmerkmale nach dem § 7 Abs 1 UVG handelt.
Der Oberste Gerichtshof hat zu der Frage der Bedeutung der im § 6 Abs 1 UVG normierten Beschränkung der Höhe von Titelvorschüssen mit dem Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 Buchstabe c bb erster Fall ASVG, vervielfältigt mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor (§ 108 f ASVG), zunächst zwar uneinheitlich Stellung bezogen. Vereinzelt wurde die Ansicht vertreten, dadurch sei die Vorschußbedürftigkeit minderjähriger Kinder so geregelt, daß Vorschüsse nur insoweit zu gewähren sind, als der Richtsatzbetrag nicht oder nicht zur Gänze anderweitig für den Unterhalt des Kindes zur Verfügung stehe und zwar auch aus eigenen Einkünften des Kindes (so etwa 6 Ob 598/90 vom 31. Mai 1990 und 7 Ob 519/91 vom 21. März 1991). Die Ansicht, der Anspruch des Kindes auf Vorschüsse bestehe nur insoweit, als der Richtsatzbetrag nach § 6 Abs 1 UVG nicht durch eigene Einkünfte gedeckt sei, wurde in der Folge dahin abgeschwächt, daß die eigenen Einkünfte des Kindes gleichrangig auf die von beiden Elternteilen geschuldeten Unterhaltsleistungen und daher auch auf die vom obsorgenden Elternteil in natura erbrachten Betreuungsleistungen anzurechnen seien und daher die monatlichen Vorschüssen den Unterschiedsbetrag zwischen dem Richtsatz des § 6 Abs 1 UVG und den eigenen Einkünften des Kindes, soweit diese zur Befriedigung der vom Unterhaltsschuldner in Geld abzudeckenden Bedürfnisse heranzuziehen sind, nicht übersteigen dürfen (6 Ob 584/91 vom 4. Juli 1991). In der eingehend begründeten Entscheidung zu 4 Ob 549/91 vom 8. Oktober 1991 = EvBl 1992/16 kam der Oberste Gerichtshof jedoch zu dem Ergebnis, daß Netto-Einkünfte des Kindes nicht vom bisher gewährten Vorschuß abzuziehen sind, sondern es der Ermittlung bedarf, mit welchem Monatsbetrag die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht unter Bedachtnahme auf die eigenen zum Unterhalt heranzuziehenden Einkünfte noch aufrecht ist. Soweit nach dem Ergebnis dieser Prüfung der Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen noch besteht, sind auch Vorschüsse weiter zu gewähren. Durch § 6 Abs 1 UVG wird nur der monatliche Auszahlungsbetrag für Titelvorschüsse begrenzt. Dieser Rechtsmeinung haben sich in der Folge nicht nur andere Senate angeschlossen (3 Ob 558/91 vom 23. Oktober 1991; 1 Ob 626/91 vom 15. Jänner 1992; 8 Ob 649/91 vom 16. Jänner 1992; 5 Ob 510/92 vom 24. März 1992), sondern es ist auch der 7. Senat von der früheren Judikatur unter Hinweis auf die nunmehr einhellig vertretene Rechtsansicht abgegangen und meinte, daß eine Einstellung der Vorschüsse erst dann in Betracht komme, wenn das Eigeneinkommen des Kindes so hoch sei, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung nicht mehr bestehe (7 Ob 637/91 vom 20. Feber 1992).
Dem Rekursgericht wird daher beigepflichtet, daß der Umstand, daß der Lehrling im dritten Lehrjahr seit August 1991 ein anrechenbares, den Richtsatzbetrag nach § 6 Abs 1 UVG übersteigendes Einkommen an Lehrlingsentschädigung bezieht, die vom Erstgericht angeordnete Einstellung der Vorschüsse nicht deckt. Es kommt allein darauf an, inwieweit der Vater auch unter Bedachtnahme auf die gestiegenen eigenen Einküfte des Sohnes (§ 140 Abs 3 ABGB) noch Unterhalt zu leisten hat. Auch bei den bescheidenen Lebensverhältnissen der Eltern kann eine Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes bei Einkünften von knapp über S 4.500,-- im Monat nicht angenommen werden, tritt diese doch erst ein, wenn das Kind sämtliche Unterhaltsbedürfnisse im Rahmen der bestimmten konkreten Lebensverhältnisse aus eigenen Kräften zu finanzieren imstande ist (EFSlg 62.644 = ÖA 1991, 53; 5 Ob 513/91; 5 Ob 510/92), wofür die sogenannte Mindestpension als "sozialversicherungsrechtliches Existenzminimum" eine Richtschnur anbietet (im Jahr 1991 rund S 7.000,-- im Monat; EFSlg 62.610; 5 Ob 513/91; 5 Ob 510/92 ua).
Solange das Kind nicht über eigene Einkünfte verfügt, die es ihm auch außerhalb des mütterlichen Haushalts ermöglichen, alle Lebensbedürfnisse zu decken, besteht der Unterhaltsanspruch gegen beide Elternteile fort. Die Mutter leistet ihren Unterhaltsbeitrag dadurch, daß sie den Haushalt führt, in dem der Minderjährige betreut wird (§ 140 Abs 2 Satz 1 ABGB). Das vom Minderjährigen erzielte eigene Einkommen darf nicht einseitig bloß zur Verminderung der vom Geldunterhaltspflichtigen zu erbringenden Leistung führen.
Das Kind verfügt über eigene, zur teilweisen Deckung seiner Unterhaltsbedürfnisse heranziehbare Einkünfte von S 4.550,--. Müßte der Vater weiter S 1.950,-- monatlich an Geldunterhalt leisten, ergäbe sich rein rechnerisch neben den Betreuungsleistungen der Mutter ein Geldbetrag von S 6.500,--, so daß bei der Annahme des Rekursgerichtes, es sei zu (vollen) Bedarfsdeckung ein Betrag von rund S 6.800,-- (Ausgleichszulagenrichtsatz) nötig, keine ausgewogene Zurechnung der eigenen Einkünfte auf die Unterhaltsverpflichtung beider Elternteile erfolgte. Bei der Festsetzung der Vorschüsse mit monatlich S 1.950,-- hatte der Minderjährige noch ein Einkommen von rund S 2.200,--, also nur etwa die Hälfte des derzeit zugrunde gelegten Betrages von S 4.550,--. Diese Vermehrung des eigenen Einkommens führt unter Bedachtnahme auf die Lebensverhältnisse auch zu einer Entlastung des Vaters, so daß die Vorschüsse entsprechend seiner weiter geminderten Unterhaltsverpflichtung für das dritte Lehrjahr auf monatlich S 1.200,-- herabzusezten sind.
Daß dem Vater von seinem Arbeitslosengeld wegen seiner Unterhaltspflichten sehr wenig verbleibt, ändert nichts daran, daß eine Selbsterhaltungsfähigkeit des Sohnes noch nicht erreicht ist und daher ein Unterhaltsanspruch gegen beide Elternteile aufrecht bleibt.
Der Ausspruch über die Einbehaltung zu Unrecht ausgezahlter Beträge erfolgt nach § 19 Abs 1 letzter Halbsatz als Folge der entsprechenden Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse (§ 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 UVG).
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