OGH 3Ob508/90

OGH3Ob508/9014.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei CO-OP K***-I*** Gesellschaft mbH, Wolfganggasse 58-60, 1120 Wien, vertreten durch Dr. Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K*** ST. M*** Weinkellerei Gesellschaft mbH,

Kremserstraße 1, 3620 Spitz an der Donau, vertreten durch Dr. Rudolf Gürtler ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 459.490,80 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. Oktober 1989, GZ 1 R 174/89-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28. April 1989, GZ 34 Cg 645/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.079,40 (darin S 2.679,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende CO-OP K***-I*** GmbH führte für die

beklagte Partei vertragsgemäß um S 3,20 für jede Literpackung die Lohnabfüllung von Fruchtsäften durch und verrechnete für diese Leistung den Klagsbetrag.

Die beklagte Partei beantragte nur deshalb die Abweisung des Klagebegehrens, weil ihr Gegenforderungen zustünden, die sie mit S 924.840,79 zur prozessualen Aufrechnung einwende. Es sei vereinbart gewesen, daß das Fruchtsaftgetränk der beklagten Partei in der Abfüllanlage der "K***-Gruppe" abgefüllt und über deren Filialen vertrieben werde. Die beklagte Partei habe nicht erkennen können, daß Abfüller und Vertreiber getrennte Rechtspersonen seien, und sei darüber nicht aufgeklärt worden. Die Abfüllung sei vereinbarungsgemäß erfolgt, nicht aber der Vertrieb. Nicht alle K***-Filialen hätten das Produkt angeboten. Dadurch sei nur ein Bruchteil der in Aussicht genommenen Menge abgesetzt worden. Der Abgabepreis an die Verbraucher sei ohne Rücksprache so gesenkt worden, daß die beklagte Partei ihr Produkt auch sonst im Lebensmittelhandel nicht mehr zum kostengerechten Preis absetzen konnte. Der Aufwand der beklagten Partei an Werbung und Verpackungskosten sei zum Teil verloren. Durch die Preissenkung seien 22.000 Packungen mit dem Getränk unverkäuflich gewesen. Zu Unrecht habe die Vertreiberin S 48.548,59 Skonto in Abzug gebracht. Sie habe der beklagten Partei S 25.981,20 an Frachtkosten zu bezahlen.

Die klagende Partei bestritt das Bestehen einer Gegenforderung. Die Vertriebsabsprache sei nicht mit ihr, sondern mit der K*** Ö*** registrierte Genossenschaft mbH getroffen worden. Das Erstgericht stellte mit mehrgliedrigem Spruch das Bestehen der eingeklagten Forderung fest und wies den Antrag auf Aufrechnung ab. Es verhielt daher die beklagte Partei zur Zahlung von S 459.490,80 sA.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, daß die eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der eingeklagten Forderung nicht zu Recht bestehend erkannt werde.

Diesen Entscheidungen liegt im wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der Alleingesellschafter und einzige Geschäftsführer sowohl der beklagten Weinkellerei GmbH als auch der Helmut O*** Gesellschaft mbH, Ing. Helmut O*** verhandelte ab März 1987 mit Personen der K*** Ö*** registrierten Genossenschaft mbH über den Vertrieb des Fruchtsaftgetränkes "O***-FIT" in K*** und zugleich, aber getrennt, mit Personen der klagenden Partei über die Lohnabfüllung des Getränkes. Die klagende Gesellschaft mbH bot erst die Abfüllung in Halbliterpackungen und, weil Ing. Helmut O*** dieses Offert nicht annahm, die Abfüllung in Literpackungen an. Der Vertrag über die Lohnabfüllung kam zustande und wurde von der Helmut O*** Gesellschaft am 28. August 1987 mit dem Verlangen bestätigt, daß die Abfüllung auf Kosten und auf Rechnung der beklagten Partei - ihrer "100 %igen Tochter" - erfolgen solle. Die beklagte Partei beanstandete die ihr gelegten Rechnungen über die vereinbarungsgemäß erfolgte Lohnabfüllung nicht, leistete aber keine Zahlung. Sie hatte mit der klagenden Partei keine Vereinbarung über den Vertrieb ihres Produktes geschlossen, sondern mit der K*** Ö*** registrierte Genossenschaft mbH darüber verhandelt und einen Schriftverkehr geführt. Ihr verrechnete die beklagte Partei auch ihre Forderungen wegen unberechtigter Skontoabzüge und Verzugszinsen sowie Frachtkosten. Für den Geschäftsführer Ing. Helmut O*** war klar erkennbar, daß er über die Abfüllung des Getränkes für die beklagte Partei mit der klagenden Gesellschaft mbH und über den Vertrieb mit der K*** Ö*** registrierte Genossenschaft mbH verhandelte.

Auf dieser Sachverhaltsgrundlage verneinten die Vorinstanzen die Aufrechenbarkeit von Forderungen gegen die mit dem Vertrieb befaßte Genossenschaft mangels Gegenseitigkeit iSd § 1441 ABGB. Eine Haftung der klagenden Unternehmerin für Verbindlichkeiten der Genossenschaft liege, selbst wenn eine Verflechtung gegeben wäre, nicht vor. Sie könne nicht daraus abgeleitet werden, daß der Geschäftsführer der beklagten Partei irrig beide Unternehmen als Einheit ansah. Die klagende Partei habe keinen solchen falschen Rechtsschein erweckt. Die beklagte Partei könne sich nicht darauf berufen, daß beide Rechtspersonen mit dem Schlagwort "K***" bezeichnet werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt ebensowenig vor wie eine Aktenwidrigkeit, die in dem Hinweis auf die ausreichende Unterscheidungskraft des von der klagenden Partei einerseits und der "K*** Ö*** registrierte

Genossenschaft mbH" andererseits verwendeten Geschäftspapieres erblickt wird. Diese Revisionsgründe sind nicht gegeben. (§ 510 Abs 3 ZPO). Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, können nicht mit Revision erneut geltend gemacht werden. Mit den Prozeßakten steht es auch nicht in Widerspruch, wenn das Berufungsgericht aus dem Auftreten der beiden Vertragspartner der beklagten Partei im Schriftverkehr Schlußfolgerungen auf eine ausreichende Unterscheidungskraft gezogen hat.

Die Rechtsrüge versagt, weil es nicht auf die Auffassung des Geschäftsführers der beklagten Partei ankommt, der ihr gegenüber bei ihrer Vertretung nach außen (§ 18 Abs 1 GmbHG) auch die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden hat

(§ 25 Abs 1 GmbHG), sondern darauf, daß nach den im Revisionsverfahren unverrückbaren Feststellungen für den Geschäftspartner klar erkennbar war, daß die klagende Partei trotz gemeinsamer Geschäftsräume und Fernsprech- und Fernschreibanlagen als Gesellschaft mbH eine eigene und von der K*** Ö*** registrierte Genossenschaft mbH zu unterscheidende Rechtsperson darstellt. Wenn der Geschäftsführer der beklagten Partei diese Rechtspersonen nicht auseinanderhielt, sondern sie unter "K***-Gruppe" als Einheit ansah, liegt dies ausschließlich in der Sphäre der beklagten Partei.

Im Geschäftsleben ist es keineswegs ungewöhnlich, daß mehrere Gesellschaften oder Genossenschaften wirtschaftliche Verflechtungen aufweisen. Gerade der Geschäftführer der beklagten Partei, der zugleich Geschäftsführer einer zweiten Kapitalhandelsgesellschaft und Alleingesellschafter beider Gesellschaften ist, kann sich wohl nicht mit Grund darauf berufen, die klagende Partei habe im geschäftlichen Verkehr einen falschen Schein erweckt. Es trifft daher zu, daß die allein aus den mit der Genossenschaft getroffenen Vertriebsvereinbarungen abgeleiteten Gegenforderungen der beklagten Partei nur gegen diese Genossenschaft, nicht aber gegen die mit der Abfüllung betraute Gesellschaft mbH, erhoben und daher nicht gegen Forderungen der klagenden Partei aufgerechnet werden können. Ein Schuldner kann nach § 1441 ABGB seinem Gläubiger dasjenige nicht in Aufrechnung bringen, was der Dritte einem Schuldner zu zahlen hat. Um gegeneinander aufrechenbar zu sein, müssen die Forderungen nach § 1438 ABGB gegenseitig zusammentreffen. Der Gläubiger eines Schuldners muß gleichzeitg dessen Schuldner sein (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 1-2 zu § 1441; Koziol-Welser8 I 265; SZ 54/125). Dies gilt jedenfalls auch für die Prozeßaufrechnung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz der Gegenseitigkeit ist bei dem festgestellten Sachverhalt nicht gegeben. Die beklagte Partei kann sich daher mit den zur Aufrechnung verwendeten angeblichen Forderungen aus der Vertriebsvereinbarung nur an ihren Vertragspartner als Schuldner halten, dafür aber keine Haftung der mit der Lohnabfüllung beauftragten klagenden Partei in Anspruch nehmen und deren Werklohnforderungen daher auch nicht durch Kompensation mit Forderungen an einen Dritten tilgen. Verfehlt ist schließlich ihre Ansicht, die Prozeßkompensation müsse zugelassen werden, weil es sich um ein "einheitliches Rechtsgeschäft" gehandelt habe. Selbst wenn zwischen dem Lohnabfüllungsvertrag und der Vertriebsvereinbarung ein enger zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang bestanden hätte, so stehen ihr doch zwei Rechtspersonen als Vertragspartner gegenüber, deren Rechte und Pflichten nicht vermengt werden dürfen, sondern getrennt abzuhandeln sind. Daß die klagende Partei eine Mithaftung für Forderungen gegen die Genossenschaft übernahm, hat selbst die beklagte Partei nicht vorgetragen.

Die angefochtene Entscheidung ist frei von einem Rechtsirrtum. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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