OGH 3Ob507/60

OGH3Ob507/6011.1.1961

SZ 34/7

Normen

ABGB §918
ABGB §921
ABGB §1478
ABGB §1489
ABGB §918
ABGB §921
ABGB §1478
ABGB §1489

 

Spruch:

Bei Rücktritt vom Vertrag wegen Verweigerung der Gegenleistung beginnt die dreijährige Verjährungsfrist hinsichtlich der Schadenersatzansprüche an dem Tag, an dem der Rücktritt möglich war, wenn der Schaden schon an diesem Tag bekannt war.

Entscheidung vom 11. Jänner 1961, 3 Ob 507/60.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Am 23. Februar 1956 kam es zwischen den Streitteilen zum Abschluß eines bindenden Mietvertrages. Am 29. Mai 1956 übermittelte der Vertreter des Beklagten dem Klagevertreter den Entwurf eines neuen Vertrages und machte hievon die Übergabe der Räume, die nach der früheren Vereinbarung teils am 1. Juli, teils am 1. September 1956 zu erfolgen gehabt hätte, abhängig. Der Klagevertreter antwortete hierauf mit Schreiben vom 9. Juni 1956. in welchem er erklärte, auf die neuen Bedingungen nicht eingehen zu wollen. Er behielt sich Schadenersatzansprüche vor. Die Klägerin begehrt Zuspruch von 19.241 S 19 g. Ihr sei an Aufwendungen für das Bestandobjekt und an Vermittlungsprovision ein Schaden in der Höhe des genannten Betrages erwachsen. Der Beklagte wendete ein, es sei nicht zum Abschluß eines Mietvertrages, sondern nur zu unverbindlichen Besprechungen, allenfalls zu einem Vorvertrag, gekommen. Die Klägerin hätte es unterlassen, rechtzeitig um Genehmigung verschiedener Betriebsanlagen anzusuchen, so daß sich Schwierigkeiten ergeben hätten. Überdies wendete der Beklagte Verjährung ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil der Beklagte vertragswidrig seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen und deshalb zum Ersatz des der Klägerin erwachsenen Schadens verpflichtet sei. Wenn auch die Klage erst am 8. Juni 1959 eingebracht worden sei, so könne doch von einer Verjährung nicht gesprochen werden. Die Klägerin habe den Rücktritt erst mit Schreiben vom 9. Juni 1956 ausgesprochen. Mit diesem Zeitpunkt sei ihr Schadenersatzanspruch entstanden.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es erachtete den Schadenersatzanspruch infolge Ablaufes der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB. für verjährt. Die Klägerin hätte nach Ansicht des Berufungsgerichtes schon aus dem Schreiben vom 29. Mai 1956 erkennen können, daß der Beklagte den Vertrag nicht erfüllen werde so daß die Verjährungsfrist mit diesem Zeitpunkt zu laufen beginne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und führt aus, die Unmöglichkeit der Leistung sei für sie zur Zeit des Erhaltes des Schreibens vom 29. Mai 1956 noch nicht erkennbar gewesen. Bis zum Ablauf der Leistungsfrist, also bis 1. Juli 1956, hätte sie noch mit der Erfüllung rechnen können. Mit Unrecht stützt das Berufungsgericht aber seine Rechtsansicht darauf, daß die Klägerin schon bei Erhalt des Schreibens vom 29. Mai 1956 die Unmöglichkeit der Leistung habe erkennen können. Es ist im ganzen Verfahren keine Tatsache behauptet worden, aus der sich eine solche Unmöglichkeit hätte ergeben können, vielmehr wäre es der Klägerin freigestanden, auf Übergabe der Bestandräumlichkeiten zu klagen und eine anderweitige Vermietung durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, zu verhindern. Sie hat dies jedoch nicht getan. Das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 29. Mai 1956 machte die Erfüllung keineswegs unmöglich. Es ist nichts anderes als eine Weigerung des Beklagten, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Der Klägerin stand außer dem Erfüllungsanspruch noch die Befugnis eines Rücktrittes gemäß § 918 ABGB. zu. Hiefür war es weder notwendig, den Zeitpunkt der Erfüllung abzuwarten, noch eine Nachfrist zu setzen. Denn der Beklagte hätte sich nicht darauf berufen können, daß ihm, der die Leistung verweigerte, solange zugewartet werde (EvBl. 1958 Nr. 246). Aus dem Schreiben des Klagevertreters vom 9. Juni 1956 ergibt sich nun, daß die Klägerin keineswegs mehr Erfüllung des Vertrages begehrte, sondern sich Ersatzansprüche vorbehielt. Damit hat sie den Rücktritt vom Vertrag erklärt. In der Folge hat sie auch keine Schritte unternommen, um den Beklagten zu zwingen, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Mit Unrecht nimmt nun das Erstgericht an, die Verjährungsfrist laufe erst vom Zeitpunkt des Vertragsrücktrittes. Es ist richtig, daß vorher der Beklagte nicht verpflichtet war, Schadenersatzansprüche der Klägerin zu erfüllen, ebenso, daß die Verjährung im allgemeinen nicht früher zu laufen beginnt, als der Anspruch entstanden ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Eintritt der Verpflichtung des Schuldners von Umständen abhängig ist, die im ausschließlichen Willensbereich des Gläubigers liegen. Es fehlt zwar dem österreichischen Recht eine Bestimmung wie § 199 BGB., daß bei kundbaren Forderungen die Verjährung von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnt, zu welchem die Kündigung möglich war, doch geht die überwiegende Lehre und Rechtsprechung im gleichen Sinn (Klang 2. Aufl. VI 602; Ehrenzweig 2. Aufl. I/1 S. 306; Hasenöhrl, Das österreichische Obligationenrecht, 2. Aufl. II S. 612; GlU. 15281 u. a.). Gemäß § 1478 ABGB. wird die Forderung durch Nichtgebrauch des Rechtes verloren. Der Nichtgebrauch beginnt nun nicht erst mit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Verpflichtung des Schuldners, sondern mit dem der Möglichkeit des Gläubigers, diese Verpflichtung zu bewirken. Bei anderer Ansicht könnte z. B. eine Schmerzengeldforderung niemals verjähren, weil sie nicht schon mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses und des Leidens des Verletzten entsteht, sondern erst mit dem Zeitpunkt, zu welchem der Beschädigte das Schmerzengeld verlangt (§ 1325 ABGB.).

Der Schadenersatzanspruch kann im vorliegenden Fall nicht auf eine Unmöglichkeit der Leistung des Beklagten, sondern nur auf den Rücktritt gemäß § 918 ABGB. gestützt werden. Nun hatte die Klägerin schon nach Erhalt des Schreibens vom 29. Mai 1956 die Möglichkeit, diesen Rücktritt auszusprechen. Damit hätte sie auch schon den Anspruch auf Ersatz des ihr bereits bekannten Schadens erworben. Die Verjährungsfrist begann daher schon am Tag nach dem Erhalt dieses Schreibens zu laufen, so daß die Schadenersatzklage vom 8. Juni 1959 nach Ablauf der dreijährigen Frist des § 1489 ABGB. eingebracht wurde.

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