Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.345,42 (darin S 1.133,22 Umsatzsteuer und S 2.880,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die erstklagende Medieninhaberin und ihre zweitklagende Komplementärgesellschaft wurden in dem Rechtsstreit AZ. 19 Cg 9/84 des Erstgerichtes von der beklagten Medieninhaberin auf Unterlassung wegen Wettbewerbsverstoßes im Zusammenhang mit dem 'Krone-Millionen-Bingo' in Anspruch genommen. Mit der am 13. März 1984 erlassenen, am 19. März 1984
zugestellten einstweiligen Verfügung untersagte das Erstgericht den Klägerinnen unter anderem, das 'Krone-Millionen-Bingo' oder eine ähnliche Veranstaltung anzukündigen und durchzuführen, bei welchen jene Personen Gewinne nicht unbeträchtlichen Wertes erzielen können, die in den von ihnen von der Erstklägerin oder sonst von Dritten zur Verfügung gestellten Teilnahmescheinen jene Ziffern vorfinden und ankreuzen, die mit den in Trafiken und sonstigen Zeitungsverschleißstellen plakatierten oder sonst bekanntgegebenen Glückszahlen übereinstimmen, und die dann davon die Erstklägerin verständigen.
Die Erstklägerin veranlaßte nach Erhalt der Ausfertigung der einstweiligen Verfügung, daß an alle Verschleißer der Kronenzeitung eine Information ausgesendet wurde, wonach ab sofort die Bingo-Glückszahlen nicht in den Geschäften sondern so anzubringen seien, daß sie von außen sichtbar sind. Die Glückszahlen würden daher am täglichen Schlagzeilenplakat außen veröffentlicht.
Dennoch waren am 22. März 1984 in mehreren nach ihren Standorten bekannten Zeitungsverschleißstellen die BINGO-Glückszahlen so plakatiert, daß das Geschäft betreten werden mußte, um die Glückszahlen zu erfahren, in einer bestimmten Tabak-Trafik war kein Plakat mit den Gewinnzahlen angebracht, sie wurden jedoch vom Verkäufer persönlich bekanntgegeben und auf verkauften Exemplaren der Neuen Kronen-Zeitung vom 22. März 1984 notiert. Die Beklagte beantragte am 23. März 1984, ihr wegen des Zuwiderhandelns am 22. März 1984 die Exekution zur Erwirkung der Unterlassung zu bewilligen. Das Erstgericht bewilligte die Exekution am 29. März 1984. Das Exekutionsgericht Wien verhängte zu 6 E 4624/84 über die Klägerinnen am 2. April 1984 eine Geldstrafe von S 30.000,-- und in der Folge am 5. April 1984 und 11. April 1984 weitere Geldstrafen von je S 50.000,--.
Am 6. April 1984 haben die Klägerinnen ihre Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung im Wege der Klage nach § 36 Abs. 1 Z 1 EO geltend gemacht und die Aufhebung der Exekutionsbewilligung im wesentlichen mit dem Einwand begehrt, sie hätten gegen die einstweilige Verfügung nicht zuwidergehandelt sondern noch am Tage der Zustellung dieser Verfügung ein Informationsschreiben an alle Trafikanten und Verschleißer versendet, daß in Trafiken keine Teilnahmescheine verteilt und die Glückszahlen im Geschäft nicht aufgehängt werden dürfen. Einen gleichen Hinweis hätten die Glückszahlenplakate getragen. Der Verstoß einzelner Trafikanten dürfe nicht den Klägerinnen angerechnet werden, weil nicht einmal eine lockere organisatorische Eingliederung der Verschleißer in das Unternehmen der Erstklägerin vorliege und diese gar keine Möglichkeit habe, Verstöße ihrer freien Vertragsgenossen entgegenzutreten. Die Erstklägerin habe der einstweiligen Verfügung nicht schuldhaft zuwidergehandelt.
Die Beklagte trat dem Impugnationsbegehren entgegen, weil die Klägerinnen nach § 18 UWG für Verstöße der Zeitungsverschleißer, deren sie sich zur Durchführung ihres 'Krone-Millionen-Bingo' bedienten, einzustehen hätten. Der Klagsführung stehe die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung entgegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteige.
Das Erstgericht hielt die Klagsführung für zulässig, weil die vorgetragenen Tatsachen mittels Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung zufolge des Neuerungsverbotes nicht geltend gemacht werden konnten, meinte jedoch, daß der Verstoß der Trafikanten gegen das Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung nach § 18 UWG von den Klägerinnen zu vertreten sei. Sie hätten die Trafikanten durch die Ankündigung, die Mitwirkung an dem Bingo-Spiel werde ihren Umsatz fördern, bewogen, sich an der Durchführung dieses Spiels zu beteiligen und täglich die Glücksnummern kundzumachen. Ohne diese Mitwirkung der Trafikanten und Zeitungsverschleißer wäre eine Durchführung des Spiels gar nicht möglich gewesen. Insoweit sei eine Eingliederung der Trafikanten in den Betrieb des Unternehmens der Erstklägerin erfolgt. Ein eigenes Verschulden sei nicht vorausgesetzt, liege aber vor, weil den Klägerinnen erkennbar war, daß die bloße Versendung von Rundschreiben nicht hinreiche, eine so große und locker aufgezogene Organisation zu einem rechtmäßigen, der Verfügung entsprechenden Verhalten zu bewegen.
Das Berufungsgericht teilte diese Rechtsansicht. Habe der Dritte gegen das Unterlassungsgebot verstoßen und dabei in Vertretung des Verpflichteten gehandelt, sei das Zuwiderhandeln diesem zuzurechnen. Eigenes Verschulden des Unternehmers sei nicht vorausgesetzt, ihn treffe eine reine Erfolgshaftung für das Verhalten der im § 18 UWG ihm zugeordneten Dritten. Soweit die Trafikanten nicht vom Unterlassungsgebot in Kenntnis gesetzt wurden, liege ein Verschulden der Klägerinnen vor, sonst ein Verschulden der Trafikanten, wenn sie nach Erhalt des Informationsschreibens dennoch innerhalb des Geschäftes die Plakate mit den Glückszahlen anbrachten. Für dieses schuldhafte Handeln hätten die Klägerinnen jedoch einzustehen. § 18 erster Satz UWG fasse anders als sein Vorbild im § 13 Abs. 3 dUWG den Kreis der Personen, für deren wettbewerbswidriges Verhalten der Unternehmer hafte, weiter und beschränke die Haftung nicht bloß auf 'Angestellte und Beauftragte'. Der Wettbewerbsverstoß müsse nur 'im Betrieb des Unternehmens' begangen worden sein. Dieser weit auszulegende Begriff sei im organisatorischen Sinn zu verstehen. Es werde auch die Tätigkeit anderer Personen umfaßt, die nur in lockerer Form und vorübergehend für den Betrieb des Unternehmers tätig seien. Maßgebend sei, daß die Wettbewerbshandlung dem Unternehmen zugute komme und daß für den Verstoß vom Inhaber des Unternehmens Abhilfe geschaffen werden könne. Die Klägerinnen hätten den Wettbewerbsverstoß dadurch ermöglicht, daß sie nach Erhalt der einstweiligen Verfügung die Trafikanten mit den Glückszahlenplakaten belieferten. Die Trafikanten seien dabei als Teil der Vertriebsorganisation der Klägerinnen und deren Geschäftspartner im weitesten Sinn derart eng in die beanstandete Abwicklung des Bingo-Spieles eingebunden, daß ihre als Glied der Organisation des Unternehmens der Klägerinnen und in ihrem geschäftlichen Interesse entwickelte Tätigkeit den Klägerinnen zur Last falle. Im übrigen habe schon das Erstgericht zutreffend auf das eigene Verschulden der Klägerinnen hingewiesen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Klägerinnen mit ihrer nach § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO zulässigen Revision. Sie behaupten das Vorliegen einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Abs. 1 Z 2 ZPO) und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (§ 503 Abs. 1 Z 4 ZPO). Ihr Abänderungsantrag zielt auf Stattgebung der Vollstreckungsbekämpfungsklage, ihr Eventualantrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ab.
Die Beklagte beantragt, der Revision ihrer Gegnerinnen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision kommt keine Berechtigung zu.
Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die in der Unterlassung von Feststellungen über die rechtliche und tatsächliche Stellung der Trafikanten zu den Klägerinnen erblickt wird, liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Es würde sich hier um einen der Rechtsrüge zuzuordnenden Feststellungsmangel handeln (EF 34.501 u. a.).
Es bedarf jedoch zur abschließenden rechtlichen Beurteilung nicht einer näheren Prüfung der Gestaltung der rechtlichen Beziehung zwischen der Erstklägerin und den Trafikanten wie anderen Verschleißern, deren sie sich nicht nur zum Vertriebe der von ihr herausgegebenen Tageszeitung bedient, sondern die sie auch bei dem nach Inhalt des Titels von ihr veranstalteten Bingo-Spiel in dessen Abwicklung so eingebunden hat, daß die Durchführung der Veranstaltung ohne die Mitwirkung einer großen Zahl von Verschleißern nicht oder nicht in dem von der Erstklägerin geplanten Umfang möglich wäre. Dies ergibt sich nicht nur aus dem eigenen Vorbringen der Klägerinnen, daß eine Einhaltung des Untersagungsauftrages durch die etwa 12.000 Verschleißer nicht lückenlos zu erreichen war (AS 61), sondern auch aus dem von ihren versendeten Rundschreiben und dem Plakat, das sie weiter den Verschleißern zur Verfügung stellten. Es ist daher der Ansicht der Vorinstanzen beizupflichten, daß eine zumindest lose Eingliederung in den Betrieb des Unternehmens der Erstklägerin vorliegt, die aber bereits zur Begründung der Haftung des Inhabers des Unternehmens nach § 18 UWG ausreicht. Der Unternehmer haftet nämlich nicht nur bei Verstößen der Bediensteten und Beauftragten (§ 13 Abs. 3 dUWG), sondern kann auf Unterlassung immer schon dann in Anspruch genommen werden, wenn die wettbewerbswidrige Handlung im Betrieb seines Unternehmens von einer anderen Person begangen worden ist. Damit hat § 18 UWG den Kreis der Personen, für die der Unternehmensinhaber einzustehen hat, erweitert und seine Unterlassungshaftung verschärft (SZ 49/147; SZ 51/19; ÖBl. 1983, 86;
ÖBl. 1983, 146 u.a.). Das Bestehen des für die Haftung des Unternehmensinhabers erforderlichen Zusammenhanges und der Zurechnung der Wettbewerbshandlung zum Betrieb des Unternehmens wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die 'andere Person' im Sinne des § 18 UWG ein rechtlich selbständiges Unternehmen führt (vgl. SZ 31/118; JBl. 1965, 38; ÖBl. 1977, 159), weil dem Inhaber des Unternehmens selbst solche Handlungen seiner Geschäftspartner zuzurechnen sind, die sie in seinem geschäftlichen Interesse entfalteten und im Zusammenhang mit seinem Betrieb setzten (SZ 49/147;
ÖBl. 1980, 159, ÖBl. 1983, 86 u.a.). Dem Unternehmensinhaber wird in diesen Fällen das Verhalten des Dritten objektiv so zugerechnet, als ob es sein eigenes gewesen wäre. Er wird daher auf Unterlassung des Wettbewerbsverstoßes in Anspruch genommen werden können (ÖBl. 1978, 157; ÖBl. 1980, 73), selbst wenn er vom Verstoß der anderen Person zunächst nichts wußte. Das Einstehenmüssen für die Unterlassungsverpflichtung nach § 18 UWG stellt eine reine Erfolgshaftung dar (SZ 49/147; ÖBl. 1972, 152; ÖBl. 1974, 137; ÖBl. 1980, 73 und 159). Die Haftung setzt allerdings grundsätzlich voraus, daß der Unternehmensinhaber die Möglichkeit hat, kraft seiner Beziehung zu der anderen Person für die Abstellung der wettbewerbswidrigen Handlung zu sorgen (SZ 48/137; SZ 49/147; ÖBl. 1983, 86 u.a.).
Betrachtet man den von den Klägerinnen gar nicht in Abrede gestellten Verstoß mehrerer Verschleißer gegen den Untersagungsauftrag der einstweiligen Verfügung unter diesen zu § 18 UWG in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, so kann zunächst der enge Zusammenhang zwischen dem Betrieb der Erstklägerin - die Zweitklägerin wurde ja offenbar nur als ihre persönlich haftende Gesellschafterin im Wettbewerbsprozeß in Anspruch genommen - und den Ausführungshandlungen der großen Zahl der mit der Mitwirkung an dem Bingo-Spiel befaßten Zeitungsverschleißer nicht in Abrede gestellt werden. Die Erstklägerin könnte dieses Spiel nicht veranstalten, würde sie nicht mit der ihrem Betrieb zuzurechnenden Tätigkeit der Verschleißer gerechnet und sich diese gesichert haben. Ein Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung ist als bejahende Bedingung für den Eintritt der materiellen Vollstreckbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 2 EO am Inhalt des Exekutionstitels zu messen. Die einstweilige Verfügung untersagte den Klägerinnen die Ankündigung oder Durchführung des Bingo- oder eines ähnlichen Spiels, wenn die Glückszahlen in Trafiken oder sonstigen Zeitungsverschleißstellen palakatiert werden. Da nicht anzunehmen ist, daß die Erstklägerin selbst in den zahlreichen Geschäftslokalen Plakate anbrachte sondern sich bei dieser zur Abwicklung des von ihr veranstalteten Bingo-Spieles und daher ihrem eigenen Betrieb zuzurechnenden Ausführungshandlung der Tätigkeit der Trafikanten und sonstigen Zeitungsverschleißer bediente, lag schon der Erlassung des Titels eine Mitwirkung anderer Personen zugrunde, mag es sich dabei auch um selbständige Unternehmer handeln, deren Eingliederung in die betriebliche Tätigkeit der Erstklägerin eben nur vorübergehend und lose blieb. Ob nun eigenes Verschulden der Erstklägerin vorlag, weil sie nicht rasch genug und ausreichend für die Abstellung des Wettbewerbsverstoßes sorgte, wozu sie, wenn andere Mittel versagt hätten, schon durch Unterlassung der weiteren Durchführung des Spiels und Ausgabe der Glücksnummern an die von ihr mit rund 12.000 geschätzten Zeitungsverschleißer in der Lage gewesen wäre, oder ob die vorgekommenen Verstöße gegen das Unterlassungsgebot als Handlungen Dritter im Betrieb des Unternehmens der Erstklägerin in ihre eigene Unterlassungsverpflichtung fallen (§ 18 UWG), führt in jedem Fall dazu, daß nach Zustellung der einstweiligen Verfügung gegen die Unterlassungsverpflichtung zuwidergehandelt und daher die Exekution nach § 355 EO zu Recht bewilligt wurde.
Wenn die Revisionswerberinnen meinen, die Bewilligung der Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen setzte in jedem Fall ein eigenes Verschulden des Verpflichteten voraus, weil sonst die Verhängung einer Haft nicht zu rechtfertigen wäre, übersehen sie, daß es sich bei den Maßnahmen nach § 355
EO weiter um Beugemittel handelt. Ferner setzte schon die Erlassung der einstweiligen Verfügung voraus, daß den Gegnern der gefährdeten Partei eine Abstellung der Wettbewerbsverstöße möglich und zumutbar ist; schließlich ginge das Einstehenmüssen des Unternehmensinhabers für in seinem Betrieb begangene Verstöße anderer Personen nach § 18 UWG ins Leere, wenn er zwar ohne eigenes Verschulden zur Unterlassung verhalten, der Unterlassungsanspruch aber nur unter der weiteren Voraussetzung eigenen Verschuldens vollstreckt werden könnte.
Die Klage, mit der der Nachweis erbracht werden sollte, daß die Verpflichteten entgegen der Behauptung der betreibenden Partei im Exekutionsantrag der einstweiligen Verfügung nicht zuwider gehandelt haben und daher die Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit des Anspruchs fehlte (Heller-Berger-Stix 434 und 2584, SZ 51/19 u.a.), wurde daher ohne Rechtsirrtum von den Vorinstanzen abgewiesen. Das angefochtene Urteil ist zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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