OGH 3Ob44/06a

OGH3Ob44/06a29.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Peter F*****, vertreten durch den Dr. Martin Zuffer, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Dr. Heinz R*****, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO; Streitwert zu AZ 29 C 7/04g des Bezirksgerichts Favoriten 36.000 EUR und zu AZ 29 C 17/04b 2.698,07 EUR), infolge „außerordentlicher" Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. September 2005, GZ 46 R 709/05p-20, womit das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 15. April 2005, GZ 29 C 7/04g-13, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der (Oppositions)Beklagte hatte den Oppositionskläger (im Folgenden nur Kläger) anwaltlich vertreten. Zur Sicherung seiner Honorarforderungen wurde auf den 2/4-Anteilen einer Liegenschaft des Klägers ein Pfandrecht über 1 Mio S einverleibt. Der Kläger brachte zu AZ 13 Cg 50/00f des Handelsgerichts Wien eine auf die Löschung des Pfandrechts gerichtete Klage ein. Der Beklagte führt zur Hereinbringung von Kostenforderungen aus dem Verfahren AZ 50 Cg 15/01i des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien Exekution zu AZ 16 E 2689/02a und AZ 16 E 2700/03w, je des Bezirksgerichts Favoriten. In der am 6. Mai 2004 beim Erstgericht eingelangten Oppositionsklage gemäß § 35 EO steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass der Anspruch des Beklagten wegen einer vertraglichen Generalbereinigung sämtlicher wechselseitigen Ansprüche erloschen sei. Der Beklagte habe (auch) auf die im Verfahren AZ 16 E 2700/03w betriebene Forderung von 36.000 EUR verzichtet. Mit gleichlautender Begründung bekämpft der Kläger die Exekutionsführung des Beklagten zu AZ 16 E 2689/02a des Bezirksgerichts Favoriten (betriebene Forderung: 2.698,07 EUR). Die beiden Verfahren wurde zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht wies die Oppositionsklagen ab. Von den getroffenen Feststellungen ist zusammengefasst Folgendes als wesentlich hervorzuheben:

Der Kläger habe mit dem Erlös aus dem Verkauf seiner Liegenschaftsanteile eine Entschuldung erreichen wollen. Für den Verkauf sei ein Verzicht des Beklagten auf sein Pfandrecht erforderlich gewesen. Der Beklagte habe dem Kläger offeriert, dass das Verfahren über die Löschungsklage ruhen solle, der Kläger zu erklären habe, gegen den Beklagten keine Forderungen zu haben und dass der Beklagte zur „Abgeltung" des Pfandrechts 15.000 EUR zu bezahlen habe. In diesem Offert des Beklagten sei keine wechselseitige Generalbereinigung angeboten und eine solche „zu keiner Zeit geschlossen" worden. Der Rechtsvertreter des Klägers habe am 10. Juni 2003 zum Anbot des Beklagten sein Einverständnis mit der abändernden Abweichung erklärt, dass die Bezahlung von 15.000 EUR in Abgeltung sämtlicher wechselseitigen Forderungen erfolgen solle. Auf dieses abändernde Anbot des Klägers sei der Beklagte nicht eingegangen. Der vom Beklagten übermittelte Vertragstext (Beilage G) enthalte keine Generalbereinigung. Der Kläger habe diese Urkunde am 17. Juni 2003 gefertigt. Die Parteien hätten weder schriftlich noch mündlich Zusätze vereinbart.

In der rechtlichen Beurteilung ging die Erstrichterin davon aus, dass der Beklagte lediglich auf sein Pfandrecht, nicht aber auf die zugrunde liegenden Forderungen oder die betriebenen Forderungen verzichtet habe. Zu einer Vereinbarung über eine Generalbereinigung sei es nicht gekommen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die gerügten Verfahrensmängel erster Instanz wurden verneint. Im Schweigen des Beklagten auf den vom Kläger gemachten Abänderungsvorschlag in Richtung eines Generalvergleichs liege keine Zustimmung. Eine Reaktion des Beklagten auf den Vorschlag des Klägers sei auch nicht iSd § 362 HGB erforderlich gewesen, weil der Beklagte nicht Kaufmann sei und § 362 HGB nur auf - hier nicht vorliegende - Geschäftsbesorgungsfälle anzuwenden sei.

Die zweite Instanz sprach aus, dass die ordentliche Revision im Verfahren AZ 29 C 7/04g mangels erheblicher Rechtsfragen und im Verfahren AZ 29 C 17/04b aufgrund des 4.000 EUR nicht übersteigenden Streitgegenstands jedenfalls unzulässig sei.

Mit seiner „außerordentlichen Revision" beantragt der Kläger die Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen iS einer Stattgebung seiner Klagebegehren.

Die Revision ist teils absolut unzulässig, teilweise wegen des Fehlens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat nicht zur Folge, dass die Streitwerte der Verfahren zusammenzurechnen wären (stRsp, zuletzt 3 Ob 102/05d mwN; RIS-Justiz RS0037271), selbst wenn sie bei Geltendmachung in einem Verfahren zusammenzurechnen wären.

Im Oppositionsverfahren richtet sich der Wert des Entscheidungsgegenstands nach der betriebenen Forderung (3 Ob 232/03v u. v.a.), betriebene Geldforderungen wie hier sind nicht zu bewerten (jüngst 3 Ob 180/05z mwN). Gegen die zweitinstanzliche Entscheidung betreffend die Exekution zur Hereinbringung von 2.698,07 EUR ist die Revision daher jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

2. Im Verfahren AZ 29 C 7/04g vermag der Revisionswerber aber keine über ein außerordentliches Rechtsmittel aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung aufzuzeigen:

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können nach stRsp mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts über eine fehlende analoge Anwendbarkeit des § 362 HGB ist durch oberstgerichtliche Judikatur gedeckt (5 Ob 555/87 = ÖBA 1988, 399 ungeachtet von Befürwortungen in der Literatur [vgl. dazu Schuhmacher in Straube3, § 362 HGB Rz 6 mwN]). § 1003 ABGB erweist sich deshalb hier als unanwendbar, weil zwar Rechtsanwälte dieser Vorschrift unterfallen (Apathy in Schwimann3, § 1003 ABGB Rz 2 mwN in FN 8), das abändernde Anbot des Klägers sich aber nicht auf einen Auftrag iS der genannten Vorschrift bezog. Auch die Verneinung eines schlüssigen Verzichts des Beklagten auf seine Forderungen durch die zweite Instanz entspricht der herrschenden Auffassung. Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen (§ 863 ABGB) ist ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0014146). Dies gilt in besonderem Maße für einen stillschweigenden Verzicht (8 Ob 124/03y u. v.a.). Ob eine konkludente Annahme eines Vertragsanbots erfolgte, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0043253).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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